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Pjotr Iljitsch Tschaikowsky

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky

Musik im emotionalen Spannungsfeld zwischen ekstatischen und lyrischen Momenten anhand ausgewählter Werke und Interpretationen





Vorwort

Für mich war von Anfang an klar, dass ich, anstatt herkömmlich zu maturieren, eine Fachbereichsarbeit schreiben werde. Ich dachte mir, dass ich durch diese Erfahrung viel lernen würde, da das selbstständige Arbeiten ganz im Gegensatz zum Schulalltag steht. Obwohl für mich mittlerweile Rock und Alternative faszinierend ist und ich auch selbst Gitarre spiele und singe, wollte ich mich in dieser Arbeit mehr mit der Romantik des 19 Jhdt. beschäftigen. Da ich aus einer musikalischen Familie komme, beide Eltern spielen Geige und waren im Stadttheater St. Pölten tätig (mein Vater war 20 Jahre lang Konzertmeister und meine Mutter spielte 1. Geige), wollte ich mich mit der klassischen Musik beschäftigen. Besondere Faszinationen übten auf mich das berühmte Ballett Schwanensee, op. 20, das 1. Klavierkonzert in b-moll, op 23 und das Violinkonzert in D-Dur, op 35, von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky, aus.
Als ich das erste Mal ein klassisches Konzert hörte, wusste ich, dass ich früher oder später etwas mit dieser Musikstilrichtung zu tun haben werde, da mich diese so fasziniert.
Schon im Sommersemester des Vorjahres begann ich, die Partituren der einzelnen Werke, die Gegenstand meiner Arbeit sind, zu suchen und mir wichtige Informationen anzueignen und zu dokumentieren. Im Laufe des Jahres habe ich alles immer besser kennengelernt, da ich oft Nachmittage damit verbracht habe, mir Konzerte von Tschaikowsky anzuhören und die wichtigen Stellen zu notieren. Nach einiger Zeit kannte ich die Konzerte schon in und auswendig, deswegen fiel es mir leicht auch meine Gedanken niederzuschreiben.
Es war oft schwer, lange Nachmittage vor dem Computer zu verbringen und angestrengt zu arbeiten. Unzählige Arbeitsstunden, in denen ich oft der Verzweiflung nahe war, stecken in dieser Fachbereichsarbeit. Doch trotz aller Mühe und Sorgen, trotz harter Arbeit und Schwierigkeiten, bin ich froh, mich zu dieser Arbeit entschieden zu haben. Sie gab mir die Möglichkeit, mich intensiver mit meinen Interessen auseinanderzusetzen.
Nachträglich kann ich sagen, dass ich sehr viel dazugelernt habe, was auch noch in meinem weiteren Leben von Bedeutung sein wird.







1. Einleitung

Peter Iljitsch Tschaikowsky gilt als einzigartiger Künstler, dessen Charakter so verschieden gedeutet worden ist und dessen Musik von manchen abgelehnt oder von anderen hoch geschätzt wird. Wirklich durchschauen lässt sich Tschaikowsky wohl nie. Er lebte zu sehr nach innen. Für ihn selber schien dieses Innenleben nicht begreifbar und nicht immer ganz geheuer.
Der Schlüssel zu seiner Musik liegt daher in dem Spannungsverhältnis zwischen emotioneller Entladung und seiner künstlerischen Disziplin. Sein größtes Problem bestand in der Disziplin die Form seiner Werke dem Inhalt in einem letzten Fleißschritt anzupassen. Sein sensibles, leicht erregbares Naturell hat ihm, in seinem Leben zu schaffen gemacht. Er selbst erkannte, dass seine schlechte Gesundheit oft seelischen Ursprungs war. Eine wichtige Rolle bei diesen seelischen Belastungen spielten auch seine homosexuellen Neigungen. Zu welchen Zugeständnissen er bereit war, ein normales Leben zu führen zeigte der Eheversuch, der zu starken Depressionen führte. Mit dem Gefühl der Einsamkeit verband sich bei Tschaikowsky eine unnatürliche Menschenscheu, gegen die er stets versuchte anzukämpfen.
Diese innere Kraft half ihm wahrscheinlich über so manche Krise hinwegzukommen.
Er litt zunehmend unter einer außergewöhnlichen Nervosität, die sich oft in hysterischen Anfällen äußerte. Zumeist gelang es ihm, seine heftigen, oft asozialen Emotionen und Depressionen in Schranken zu halten oder sie zumindest zu überspielen. Gleichzeitig aber war er ein gütiger und offenherziger Mensch, so lange er sich geborgen fühlte und von vertrauen Menschen umgeben war. Seinem zehn Jahre jüngeren Bruder Modest galt seine ganze Liebe und Fürsorge. Seiner adeligen Abstammung begegnete er stets mit Ironie. Die Ansprüche einiger Verwandter auf Aristokratie verspottete er. Dagegen wurzelte bei ihm die Liebe zu Russland so tief, dass ihn die Verwechslung seiner Herkunft stark kränkte.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die Musik im emotionalen Spannungsfeld zwischen ekstatischen und lyrischen Momenten anhand ausgewählter Werke und Interpretationen
von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky aufzuzeigen. Diese Werke sind das berühmte Ballett Schwanensee, op. 20, sein erstes Klavierkonzert in b-moll, op. 23 und das beinahe unspielbare anmutende Violinkonzert in D-Dur, op. 35. Ich möchte die Faszinationen erläutern und meine persönlichen Gefühle anführen. Partiturstellen aus den jeweiligen Stücken, werden mir helfen meine Emotionen klar und deutlich ausdrücken zu können und bildhaft zu machen. Phänomenologische Analysen bilden zwar die wissenschaftliche Basis meiner Werkbetrachtung, in dieser FBA werde ich jedoch gerade im Hinblick auf emotionale Wirkung auch subjektive Eindrücke einbringen.
Natürlich möchte ich auch folgende Aspekte näher in meiner Arbeit erläutern, da diese für mich eine besondere Faszination darstellen: Kompositorische Mittel, Intention, Wirkung, Aussagekraft, Instrumentation und Besonderheiten der Interpretationen.








2. Kapitel

Leben




Ø Lebenslauf von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky











[1]
2. Kapitel
2. Leben


2. 1) Lebenslauf von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky


- 1840:

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky geboren am 7. Mai in Wotkinsk, Sohn von Ilya Petrowitsch Tschaikowsky (Minen-Inspektor von Beruf). Er war das zweite von fünf Kindern.

- 1850:

Fängt an zu komponieren. Wird zum Jurastudium nach St. Petersburg geschickt.


-l854:

Im Juni stirbt seine Mutter an einer Cholera – Erkrankung.


- 1859:

Beginnt eine Arbeit im Justizministerium die er


- 1863:

wieder kündigt um all seine Zeit dem Musikstudium zu widmen (Theorie bei Zaremba; Orchestration bei Anton Rubinstein).


- 1865:

Nicholas Rubinstein stellt ihn ein als Professor der Kompositionslehre im neu gegründeten Musikkonservatorium in Moskau.



- 1869:

Beginnt die Romeo und Julia Fantasie – Ouvertüre zu schreiben, basierend auf einem Thema, das ihm Balakirew vorgeschlagen hat.


- 1874:

Komponiert das Klavierkonzert in b-moll, das er eigentlich Nicholas Rubinstein widmen wollte, als der es aber scharf kritisiert, widmet er es kurzerhand Hans von Bülow.


- 1876:

Trifft sich mit Liszt und schreibt Wagner, der ihn aber nicht empfangen will. Beginnt einen Briefwechsel mit Nadeschda Filaretowna von Meck.


- 1877:

Beginnt seine 4. Sinfonie zu schreiben, die er später Nadeschda Filaretowna von Meck widmet. Er schreibt auch erste Takte für die Oper Eugene Onegin. Heiratet und trennt sich wieder von Antonina Iwanowna Miljukowa.


- 1878:

Kündigt seine Professorenstelle am Konservatorium und beendet die Arbeiten an der Sinfonie und der Oper. Von nun an arbeitet er viel in Clarens, in der Schweiz und in anderen Europäischen Orten, wo er sich zurückziehen kann.


- 1879:

Uraufführung von Eugen Onegin in Moskau (29. März)



- 1882:

Tschaikowsky widmet sein Trio dem 1881 verstorbenen Nicholas Rubinstein.

- 1885:

Zieht auf's Land in „Maidanovo“ in der Nähe von Klin und beginnt Manfred.



- 1887:

Erster großer Auftritt als Dirigent, mit einem Programm aus eigenen Werken in St. Petersburg.


- 1888:

Macht eine sehr erfolgreiche Konzerttournee als Dirigent. Unterwegs trifft er Brahms, Grieg (in Leipzig), Dvorak (in Prag), Gounod, Massenet und Paderewski (in Paris). Er beendet die Arbeit an seiner fünften Sinfonie.


- 1890:

Die Beziehung mit Nadeschda Filaretowna von Meck bricht auseinander. Tod seiner Schwester.


- 1891:

Besucht Amerika und dirigiert seine eigenen Werke in den Eröffnungsfeiern der Carnegie Hall in New York (5. Mai)


- 1893:

Kehrt zurück in sein Landhaus in Klin im Januar und beginnt mit der Sinfonie Nr. 6, Pathétique. Im Juni reist er nach England um dort zusammen mit Bruch, Saint-Saens und Grieg von der Cambridge University geehrt zu werden. Er erkrankt noch im gleichen Jahr an Cholera und stirbt an den Folgen.

3. Kapitel

Werke



Ø Bühnenwerke



Ø Orchesterwerke



Ø Klavierwerke











3. Kapitel

3. Werke


3. 1) Bühnenwerke

- Opern:

Der Opritschnik („Der Leibwächter“) – Oper in 4 Akten
(1870 – 1872; Libretto: P. Tschaikowsky), Uraufführung: St. Petersburg 1874

Eugen Onegin op. 24 – Oper in 3 Akten nach Puschkin
(1877 – 1878; Libretto: P. Tschaikowsky), Uraufführung: Moskau 1879

Die Jungfrau von Orleans – Oper in 4 Akten nach Schiller
(1878 – 1879; Libretto: P.Tschaikowsky), Uraufführung: St. Petersburg 1881

Mazeppa – Oper in 3 Akten nach Puschkin
(1881 – 1883; Libretto: W. P. Burenin), Uraufführung: Moskau 1884

Pique Dame op. 68 – Oper in 3 Akten nach Puschkin,
(1890; Libretto: M. und P. Tschaikowsky), Uraufführung: St. Petersburg 1890

Jolanthe op. 69 – Oper in einem Akt nach Hertz,
(1891; Libretto: M. Tschaikowsky), Uraufführung: St. Petersburg 1892



- Ballette:

Schwanensee op. 20 – Ballett in 4 Akten (1875/1876), Uraufführung: Moskau 1877

Dornröschen op. 66 – Ballett in 3 Akten nach Perrault
(Libretto: I. A. Wsewoloschski), Uraufführung: St. Petersburg 1890

Der Nussknacker op. 71 – Ballett in 2 Akten nach E. Telefon: A. Hoffmann
(Libretto: I. A. Wsewoloschski; überarbeitet von M. Petipa), Uraufführung: St. Petersburg 1892






3. 2) Orchesterwerke


- Sinfonien:

1. Sinfonie g-moll op. 13 „Winterträume“ (1866)

2. Sinfonie c-moll op. 17 „Kleinrussische“ (1872)

3. Sinfonie D-Dur op. 29 „Polnische“ (1875)

4. Sinfonie f-moll op. 36 „Fatum“ (1877)

5. Sinfonie e-moll op. 64 (1888)

6. Sinfonie h-moll op. 74 „Pathétique“ (1893)

Romeo und Julia – Fantasieouvertüre nach Shakespeare (1869; umgearbeitet 1870 und 1880)

Hamlet f-moll op. 67 – Fantasie – Ouvertüre nach Shakespeare (1888)

Der Wojewode a-moll op. posth. 78 – Sinfonische Ballade (1891)

Suite aus dem Ballett „Der Nussknacker“ op. 71a (1892)



- Werke für Soloinstrument und Orchester:

Klavierkonzert Nr. 1 b-moll op. 23 (1874/1875)

Violinkonzert D-Dur op. 35 (1878)

Klavierkonzert Nr. 2 G-Dur op. 44 (1879/1880; revidiert 1893)

Konzertfantasie G-Dur op. 56 – für Klavier und Orchester (1884)











3. 3) Klavierwerke

- Klavier zu 2 Händen:

Thema und Variationen a-moll (1863/1864)

Sonate cis-moll op. posth. 80 (1865)

Romanze f-moll op. 5 (1868)

Marsch „Freiwillige Flotte“ C-Dur (1878)

Große Sonate G-Dur op. 37 (1878)

Kinderalbum (Jugendalbum) op. 39-24 leichte Stücke (1878)






4. Kapitel


Erläuterungen zu den ausgewählten Werken




Ø Schwanensee, op. 20



Ø Klavierkonzert in b-moll, op. 23



Ø Violinkonzert in D-Dur, op. 35






4. Kapitel

4. Erläuterungen zu den ausgewählten Werken


4. 1) Schwanensee, op. 20
„Nach dem Quartett will eine Zeitlang ausruhen, das heißt, nur am Ballett weiterarbeiten. Neues werde ich aber nicht Angriff nehmen“[2] , so schrieb Tschaikowsky im Februar 1876 an Modest. Das Ballett „Schwanensee“ (op. 20) ist ein lebendiger Ausdruck der romantischen Seele Tschaikowskys. Es lebt in ihm, die Romantik des gebrochenen Menschenherzens und es zeigt das Drama zweier liebender Seelen.
Mit diesem Werk führte der Komponist eine Reform der Ballettmusik durch. Im Mittelpunkt des ganzen Balletts steht ein musikalisch ausgedrückter Gedanke als Charakterthema und wird im Sinne einer leitmotivischen Arbeit weitergeführt. Tschaikowsky vertritt auch hier seine kennzeichnende Arbeitsweise, dass nämlich der Komponist „sinnen und nicht reden soll“[3].
Diesem Werk entströmt ebenso der Geist intimer seelenvoller Lyrik. Die im Ballett in Tanzformen ausgedrückte Stimmung, entspricht den elegischen Romanzen und Ariosoformen. Alle seine Ballette sind, wie der russische Tschaikowskyforscher Boris V. Asafjev treffend bemerkt hat, „Lieder ohne Worte“.
In dem Werk finden sich zwei immer wiederkehrende Hauptgedanken: das „Schwanenmotiv“, dessen Duktus - eigenartig genug - augenblicklich an das „Nie sollst du mich befragen“ aus Wagners „Lohengrin“ erinnert, und das aufwärtsstrebende, mehr lyrische Thema der Heldin der Handlung, der unglücklichen Odette.
Der Handlung selbst liegt ein häufiges anzutreffendes Märchensujet zugrunde: die Erlösung einer verzauberten Prinzessin durch die reine Liebe eines Jünglings. Am Beginn des vieraktigen Balletts feiert das Volk den jungen Siegfried nach dem Tode seines Vaters als neuen Herrn. Die Musik, fröhlich, gut gelaunt, „hoffnungsvoll“, leitet mit einer Intrade einen Walzer ein, den die Gratulanten zu Ehren des jungen Prinzen tanzen. Da erscheint seine Mutter - die Musik wird ernster und ruhiger - , um ihm mitzuteilen, dass nun für ihn auch die Zeit gekommen sei, auf Brautschau zu gehen. Die nun folgende Abschiedsfeier beginnt mit einem Pas de trois, der aus sechs verschiedenen Nummern zusammengesetzt ist. Daran schließt sich ein aus vier Nummern bestehendes Pas de deux und schließlich führt ein Pas d’action zum Finale des Bildes, über dem auch der Tag über den Himmel.
Das Schwanenmotiv klingt auf, erst zart von der Oboe vorgetragen, dann in den Streichern, von Harfenarpeggien umwoben.
Der Prinz folgt den Schwänen und gerät in einen Wald, in dem er auf ein altes, von einem See umgebenes Schloss stößt. Die Schwäne umtanzen im Flug eine von ihnen, der eine Krone trägt. Das Thema Odettes, wieder vorerst ganz zart in der Oboe einsetzend, wird nach einer Steigerung schließlich vom vollen Orchester in dunklen, tragischen Farben vorgeführt. Als der Prinz den Bogen ansetzt, um das Tier zu erlegen, verschwindet es, und im selben Augenblick tritt aus dem Schloss eine Jungfrau in schneeweißem Gewand, die Krone auf dem Haupt, in das volle Mondlicht. Es ist Odette, die Königin der Schwäne.
Von einem prachtvollen Adagio begleitet, erzählt sie dem Prinzen ihr trauriges Schicksal. Nur durch die aufrichtige Liebe eines Jünglings könne der sie bindende Zauber gelöst und sie selbst gerettet werden. Der Prinz gesteht ihr seine Liebe und verspricht, auf dem für den nächsten Tag vorgesehenen Ball um ihre Hand zu bitten. Die Musik zu dieser Szene, ein Zwiegespräch zwischen Geigen und Celli, verarbeitet vor allem das aufwärtsstrebende Thema Odettes.
Der Hofball gibt Gelegenheit, Tänze verschiedener Nationen vorzuführen. Auf einem Pas de six folgen ein ungarischer Tschardasch, ein spanischer Bolero, eine italienische Tarantella und eine polnische Mazurka. Während junge Prinzen den Bräutigamswalzer tanzen, erscheint Rotbart, der Widersacher Odettes, mit seiner Tochter Dorna, die der Zauberer Odette so ähnlich macht, dass der Prinz vermeint, diese vor sich zu haben. Er küsst ihr, in der Meinung, es sei Odette, die Hand, zum Zeichen, dass er sie zur Frau begehre. Todtraurig klingt das Schwanenmotiv auf, der Prinz blickt zum Fenster. Wieder fliegen die Schwäne vorüber und auch der Schwan mit dem Krönlein. Da erkennt Siegfried seinen Irrtum, er stürzt hinaus, den Schwänen nach, um Odette alles zu erklären und um Vergebung zu bitten. Es erhebt sich ein Sturm, die Wasser des Sees geraten in Aufruhr. Da reist ihr der Prinz in seiner Verzweiflung die Krone vom Haupt, in der Meinung, sie so doch noch gewinnen zu können. Dramatischer und musikalischer Höhepunkt (Schwanenmotiv). Doch die unerbittlichen Elemente siegen: der aufgewühlte See verschlingt die beiden Liebenden. Das Schlussbild, Apotheose, zeigt uns aber, dass das Paar in einer anderen Welt, im Tempel des ewigen Glückes vereint wird. Feierliche, hymnische Klänge beschließen das Werk.
Die Aufführung des Balletts Schwanensee vom 4. März 1877 im Großen Theater in Moskau, war vom choreografischen Standpunkt aus sehr oberflächlich vorbereitet. Erst nach dem Tode des Meisters erhielt diese Schöpfung durch den damals auf der Höhe seiner Könnens stehenden Choreografen Marius I. Petipa seine kongeniale Aufführung. Dieser brachte zunächst 1894 den ersten Akt und dann 1895 im Großen Theater zu Moskau das ganze Werk zur Aufführung. Wegen des stark symphonischen Charakters, der die choreografische Aufführung nicht gerade erleichtert, wird das Werk auch heut noch nur teilweise nach der Originalfassung der Partitur gespielt und die fehlenden Teile durch Tänze aus anderen Balletten des Meisters ergänzt.
Tschaikowsky wollte selbst in späteren Jahren dieses Ballett noch einmal umarbeiten, doch kam es dann nicht mehr dazu. Die Form, in der das Ballett geschrieben wurde, entspricht durchaus der modernen Auffassung der heutigen Ballettmusik. Daher kann sein Schöpfer als Reformator auf diesem Gebiet der Musik bezeichnet werden. Die Sterne der großen russischen Ballettkunst - Pavlova, Karsavina und Nishinskij - gehören zu den glänzendsten Interpreten dieses Werkes.

4. 2) Klavierkonzert in b-moll, op. 23
„Ich bin“, so schrieb er im Dezember 1874 an Anatol, „ganz in die Komposition eines Klavierkonzertes versunken. Ich wünsche sehr, daß es Rubinstein in seinem Konzert zum Vortrag bringt. Die Arbeit geht aber nur recht langsam vorwärts und will mir nicht recht gelingen. Ich bleibe aber meinem Prinzip treu und zwinge meinen Kopf, Klavierpassagen auszutüfteln: das Resultat davon ist eine gelinde Nervosität.“[4]
Das im Februar 1875 vollendete Klavierkonzert in b-moll hinterlässt einen freudigen Optimismus und eine frohe Lebenssicht. Dieses Meisterstück entstand aus hoffnungsfreudigen Stimmungen Tschaikowskys.
Das b-moll Klavierkonzert zeigt in seiner Bauart klassische Einschläge, erweist aber in seinen Ausdrucksformen den Autor durchaus als Romantiker (das Werk wurde 1890 vollkommen umgearbeitet).
Dem ersten Satz des dreisätzigen Werkes (Allegro con spirito) ist wieder eine langsamere Einleitung vorangestellt (Allegro non troppo e molto maestoso). Sie wird im wesentlichen von einem Thema bestritten, der Melodie des ukrainischen Volksliedes „Gesang der Blinden“, die dem Komponisten nach Angaben seines Bruders Modest ebenfalls von seinem Aufenthalt in Kamenka bekannt war. Nach wenigen Vorbereitungsakten erklingt es von Violinen und Celli schwungvoll vorgetragen und von kraftvollen Akkorden des Soloinstruments ebenso schwungvoll begleitet. In der Themenwahl und Formung des Hauptteils des Satzes, lässt sich unschwer das alte klassische Kontrastprinzip erkennen. Dem rhythmisch pointierten, virtuos-schwungvollen Hauptgedanken wird ein lyrischer Gedanke voller Melodieseligkeit entgegengestellt. Die eingestreuten virtuosen Solopartien sowie die groß angelegte Schlusskadenz sind sichtlich von Schumanns genialer Klaviersatztechnik beeinflusst.
Im zweiten Satz, Andante semplice, umrahmt eine zarte, empfindsame Holzbläsermelodie einen Mittelteil, der das damals beliebte französische Chanson zum Thema hat.
Dem Finale (Allegro con fuoco), einem Rondo von rasantvirtuosem Schwung, liegt wieder eine russische Volksmelodie, ein ukrainisches Tanzlied, zugrunde.
Das Werk zeichnet neben seiner kraftvoll-ursprünglichen Thematik wieder die hohe Instrumentationskunst des Autors aus, sowohl was die Orchesterbehandlung als die Satztechnik des Soloinstruments betrifft. Wenn man es auch nicht im Sinne der Beethovenschen Konzerte als eine „Symphonie mit obligatem Klavier“ bezeichnen kann, so wird doch das Orchester niemals zu einem bloßen Begleitinstrument degradiert. Allein die geistreiche Durch- und Weiterführung des Seitenthemas des ersten Satzes, zeigt die hohe symphonische Kunst des Meisters.
Als Tschaikowsky seine neue Schöpfung dem bedeutendsten Pianisten Moskaus, Nikolaj Rubinstein, vorspielte, fällte dieser ein vernichtendes Urteil und erklärte sich erst nach Vornahme mehrerer Anderungen bereit, das Konzert zu spielen.
Über diesen bedauerlichen Vorfall berichtete der Komponist drei Jahre später an Frau von Meck: „San Remo, den 2. Februar 1878. Da ich kein Pianist bin, wollte ich meine Komposition einem Klaviervirtuosen zeigen, damit er mir sage, ob alles aufführbar, effektvoll und dankbar sei. Ich wußte, daß Nikolaj Rubinstein nicht verfehlen würde, seine Launen spielen zu lassen. Da er aber der größte Pianist von Moskau ist, entschloß ich mich dich, ihn zu bitten, mein Konzert anzuhören. Er wäre auch sehr beleidigt gewesen, wenn ich einen anderen Pianisten aufgesucht hätte. Ich spielte ihm den ersten Satz vor. Kein Wort, keine Bemerkung! Wenn Sie wüßten, wie dumm man sich vorkommt, wenn der Freund die für ihn zubereitete Speise einfach verzehrt und dann schweigt!
Sag doch, mein Freundchen, irgend etwas! Schimpfe meinetwegen, aber schweige doch nicht! Ich nahm mich indessen zusammen und spielte bis zum Ende. Abermals Schweigen…
Ich stand auf und fragte, was denn? Rubinstein fing an zu reden, zunächst leise, dann immer lauter werdend bis zum Jupiterton. Er sagte, mein Konzert sei schlecht, unspielbar, die Läufe abgedroschen und ungeschickt, die Erfindung schwach. Gestohlen hätte ich auch hier und dort. Ich was erstaunt und beleidigt. Schweigend ging ich hinaus. Ich war einfach wütend.
Später sagte er mir, er wäre bereit, mein Konzert zu spielen, wenn ich dies und jenes ändern wollte. Ich ändere keine einzige Note, erwiderte ich ihm, das Konzert bleibt so, wie es ist“[5]
Durch diesen Vorfall in seiner ohnehin so sensiblen Natur auf das empfindlichste getroffen, radierte Tschaikowsky die ursprüngliche Widmung des Klavierkonzertes an Rubinstein einfach aus und widmete es kurz entschlossen Hans von Bülow. Dieser dankte hocherfreut, wie aus seinem Schreiben an den Meister, der sich damals - Juli 1875 - in Nizza aufhielt, hervorgeht. „ Die Ideen sind so originell, so edel, so kraftvoll, die Details, welche trotz ihrer großen Menge der Klarheit und Einigkeit des Ganzen durchaus nicht schaden, so interessant. Die Form ist so vollendet, so reif, so stilvoll - in dem Sinne nämlich, daß sich Absicht und Ausführung überall decken. Ich würde ermüden, wollte ich alle Eigenschaften Ihres Werkes aufführen, Eigenschaften, welche mich zwingen, dem Komponisten sowie allen denjenigen, welche das Werk ausführend oder aufnehmend genießen werden, in gleichem Maße meine Gratulation darzubringen.“[6] Noch im gleichen Jahr führte Bülow das Werk in Boston auf. Die russische Premiere fand im November 1875 in Moskau statt, hatte aber keinen besonderen Erfolg.





4. 3) Violinkonzert in D-Dur, op. 35
Tschaikowsky arbeitete an seinem Violinkonzert in D-Dur, das er dem ersten Interpreten dieses Werkes, Alexander D. Brodskij, widmete.
Tschaikowsky hatte mit der Arbeit an diesem neuen Werk im März 1878 zu Clarens begonnen. Durch das gemeinsame Musizieren mit seinem Lieblingsschüler Kotek wurde die Arbeit wesentlich gefördert. Er konnte nämlich die jeweils fertiggestellten Teile gleich mit diesem durchspielen. So war er bereits im April mit der Instrumentierung des Violinkonzertes fertig.
Mit diesem neuen Werk schuf der Künstler ein ausgesprochenes Standardwerk der Violinliteratur. Sofort sandte er dieses an Frau von Meck, die es schon mit großer Neugierde erwartete und umgehend dafür dankte: „Moskau, den 29. Mai 1878.
Soeben habe ich ihr Violinkonzert durchgespielt. Dieses Werk begeistert mich immer mehr. Die Canzonetta ist geradezu herrlich. Wieviel Poesie und welche Sehnsucht in diesen Sonsvoilés, den geheimnisvollen Tönen! Gott, wie ist das schön, wieviel Genuß gibt Ihre Musik!“[7]
Das dreisätzige Werk steht in D-Dur, der Tonart des Beethovenschen Violinkonzertes, dessen emotionelle Gesamthaltung sicherlich auch Tschaikowskys Konzeption beeinflusst hat. Technisch ist das Werk von höchster Vollendung, der Solopart klanglich organisch mit symphonischen Orchester verbunden.
Der erste Satz beginnt mit einer kurzen Einleitung des Orchesters, das mehr lyrische Hauptthema wird aber vom Soloinstrument zu Gehör gebracht. Durchführung, Kadenz und Reprise entsprechen der üblichen Konzertform. Nach dynamisch gesteigerter Wiederholung des Hauptthemas und einem mehr tänzerischen Zwischensatz, führt eine virtuose gehaltene Überleitung zum zweiten Hauptthema, einer echt slawisch-melanchonischen Gegenmelodie. Eine lange, sehr geschickt gearbeitete dynamische und tempomäßige Steigerung, bei der der Solist sein Virtuosentum immer von neuen Seiten bewundern lassen kann, führt zu dem die Exposition abschließenden Höhepunkt. Die sich daran schließende Durchführung, beginnend mit dem ersten Hauptthema in Fortissimo (ff), wird in ihrem ersten Teil vom Orchester allein bestritten. Dann beteiligt sich auch die Solovioline mit einem virtuosen variationsartigen Umspielen des ersten Themas, aus dessen Material die Durchführung hauptsächlich gearbeitet ist. Zur Reprise leitet eine große, vom Komponisten selbst herrührende Kadenz über. Sehr hübsch der Beginn der Reprise: das Orchester setzt mit dem ersten Thema piano dolce ein, begleitet vom Schlussthriller der auslaufenden Kadenz der Sologeige, die dann kompositionstechnisch meisterhaft die Fortsetzung des Themas übernimmt. Der Schluss des Satzes wird von einer wirkungsvollen Stretta gekrönt.
Der Mittelsatz, ein Andante in g-moll, ist mit „Canzonetta“ überschrieben. Dem Namen entsprechend liedhaft ist auch der Inhalt dieses kurzen lyrisch-schwermütigen Stückes. Von einem zarten Vor- und Nachspiel der Bläser umrahmt, bringt die Geige – von einem freundlichen Mittelteil unterbrochen - zweimal ein typisches „Lied-ohne-Worte-Thema“. Das hübsch modulierende Nachspiel leitet unmittelbar zum Finale über, einem in raschestem Tempo ablaufenden (Allegro vivacissimo), zündenden Schlussrondo. Ahnlich dem ersten Satz folgt einer kurzen Orchestereinleitung wieder eine kleine Solokadenz, und hierauf dann das Hauptthema des Rondos.
Eigentümlich ist das zweite Thema. Es erinnert mit seinem Ostinatomotiv über ständig gleichbleibenden Bassquinten beinahe an Zigeunermusik. Eine aus diesem Thema gewonnene neue Melodie führt wieder zum Rondothema zurück. Die Reprise bringt das Themenmaterial bereichert, in neuer Beleuchtung und leitet zum virtuos-imposanten Schluss des Werkes.




5. Kapitel

Interpretation – emotionale Wirkung




Ø Schwanensee, op. 20



Ø Klavierkonzert in b-moll, op. 23



Ø Violinkonzert in D-Dur, op. 35






5. Kapitel

5. Interpretation – emotionale Wirkung


5. 1) Schwanensee, op. 20

- Werkgeschichte:
Schwanensee ist wohl das berühmteste Ballett überhaupt - alle klassischen Kompanien haben es in ihrem Repertoire.
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky benötigte ein halbes Jahr (August 1875 bis April 1876), um sein erstes Ballett fertig zu stellen, das am 20. Februar 1877 im Moskauer Bolschoi-Theater unter katastrophalen, aber damals üblichen Umständen uraufgeführt wurde und zu einem Flop geriet. Die Theaterdirektion, die das Werk bei dem bereits als Opernkomponist elierten Tschaikowsky in Auftrag gegeben hatte, versäumte es, für die Premiere eine ausreichende Vorbereitungszeit, die richtige Ausstattung und eine günstigere Abstimmung zwischen den TänzerInnen und dem Orchester zu garantieren. Erst spätere Aufführungen, vor allem die St. Petersburger vom 17. Februar 1895, vermehrten das Interesse am Schwanensee, wobei das Werk immer wieder umgestellt, durch Nummern aus anderen Balletten aufgefüllt und überarbeitet wurde (sogar die Partitur war davon betroffen).
Der Autor des meist aus zwei Versionen zusammengesetzten und je nach Aufführung oftmals veränderten Librettos ist unbekannt. Die Motive des Schwanensees und der zum Schwan verwandelten Jungfrau entstammen wahrscheinlich dem Märchen „Der geraubte Schleier“, das 1786 in einer von Karl August Musäus zusammengestellten Märchenanthologie erschienen ist. Viele Elemente der Handlung folgen märchentypischen Mustern, das unglückliche Ende ist allerdings in Märchen eher untypisch.
Die ersten Choreografien des Balletts wurden nicht festgehalten und sind somit nicht überliefert. Durch Emigranten gelangte erstmals in den 1930er Jahren eine nahezu vollständige Version, die an die 1985er Fassung angelehnt war, in den Westen. Die erste russische Gastspielaufführung im Westen erfolgte 1969 durch das Kirowballett.
Unter den neueren Interpretationen wurde neben der Choreografie des Startänzers Rudolf Nurejew vor allem jene von George Baldachine (New York), Bourmeister (Moskau), Orlikowski (Basel), John Cranko (Stuttgart 1972/73), John Neumeier (Hamburg 2002) und die rein männlich besetzte Neufassung „Matthew Bourne’s Swan Lake“ (1995) populär.

- Handlung und Libretto:

Das Libretto stammt von Begitschew und Geltzer und entsprach ganz der Vorstellung des Komponisten Tschaikowsky. Inzwischen wurde das Libretto jedoch schon häufig umgeschrieben und verändert, sodass es verschiedene Versionen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Enden gibt. Die Sage von der verzauberten Schwanenprinzessin, die nur durch wahre Liebe aus dem Bann des bösen Zauberers erlöst werden kann, ist bei vielen Völkern bekannt.
In Schwanensee lassen sich häufige Motive zahlreicher Märchen nachweisen: Insbesondere die unglücklich verzauberte Prinzessin, die durch die Liebe eines Prinzen erlöst wird. Allerdings ist das unglückliche Ende des ursprünglichen Librettos eine Innovation, die so kaum in Märchen vorkommt.

1. Akt
Die Handlung spielt in einem Königsschloss im siebzehnten Jahrhundert. Dort wird mit festlichem Gepräge der Geburtstag des Prinzen Siegfried gefeiert. Die Königin schenkt ihrem Sohn eine Armbrust und bittet ihn, sich am nächsten Tag unter den Gästen eine Braut zu erwählen. Als die Gäste gegangen sind, zieht ein Schwarm weißer Schwäne vorüber. Von der Schönheit der stolzen Vögel magisch angezogen, beschließt der Prinz, zur Jagd aufzubrechen.

Szene aus dem 1. Akt

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2. Akt
Der Waldsee mit seinen Gestaden ist das Reich des Zauberers Rotbart, der hier in Gestalt eines Raubvogels über die Prinzessin Odette und ihr Gefolge herrscht. Odette und ihre Mädchen sind von Rotbart in Schwäne verwandelt worden, doch in der Nacht dürfen sie ihre menschliche Gestalt annehmen.
Nur von einem Mann, der außer ihr keine andere liebt, kann die Prinzessin erlöst werden. Siegfried, in Liebe zur Schwanenkönigin entbrannt, schwört ihr, dieser Mann zu sein, und den Zauber zu brechen.

Szene aus dem 2. Akt






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3. Akt
Am Hof der Königin ist das Fest in vollem Gange. Keines der Mädchen vermag den Prinzen zu fesseln, bis ein Edelmann mit seiner Tochter erscheint. Der Prinz glaubt, in Odile, wie sich die Fremde nennt, die Geliebte vom Schwanensee zu erkennen. In Wirklichkeit verbergen sich hinter dem Edelmann und dem Schwarzen Schwan der Zauberer Rotbart und die Zauberin Odile. Der Tanz mit dem Schwarzen Schwan wird dem Prinzen und [10] seiner Geliebten Odette zum Verhängnis: Von Odiles Zauber bestrickt, verkündet er den Gästen, dass er die schöne Fremde zu seiner Braut erkoren habe. Damit hat er den Odette gegebenen Schwur gebrochen, die Erlösung der Schwanenkönigin ist von Rotbart und Odile vereitelt worden.

4. Akt
Vergeblich versuchen am Seeufer die weißen Schwäne ihre Herrin zu trösten. Odette, vom Treuebruch des Prinzen erschüttert, hat sich in ihr Schicksal ergeben. Da erscheint der Prinz, um der Geliebten zu sagen, wie Rotbart und Odile ihn getäuscht haben. Odette vergibt dem Prinzen und beide gestehen sich erneut ihre Liebe.
Rotbart, der gegen diese Liebe ohnmächtig ist, lässt den See über seine Ufer treten, um sich zu rächen. Odette und die Mädchen, wieder in Schwäne verwandelt, ziehen von dannen. Der verzweifelte Prinz geht in den Fluten des tobenden Sees unter.

Szene aus dem 4. Akt





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- Rollen:
Neben den enormen tänzerischen Anforderungen, die das Ballett stellt, sind die Rollen in Schwanensee dafür bekannt, besonderes schauspielerisches Talent vorauszusetzen.
Siegfried z.B. muss eine Entwicklung vom naiv verliebten Jüngling zum wütenden und aufbrausenden Betrogenen plastisch verkörpern; die Tänzerin der Odette/Odile muss sogar zwei völlig unterschiedliche Rollen in einem Stück glaubhaft machen. Dies und die auf die berühmte Primaballerina des Mariinski-Theaters Pierina Legnani zugeschnittenen Kunststücke (u.a. 32 Fouettés in einer Szene) haben immer wieder die berühmtesten Balletttänzerinnen zur Interpretation dieser Rolle herausgefordert: neben Margot
Fonteyn z.B. Anna Pawlowa, Tamara Karsawina und Maria Danilowa.
- Die Inszenierung von 1967 (Staatsoper Wien):
Die erstmals 1964 in Wien gezeigte Choreografie gilt als eine der faszinierendsten Interpretationen überhaupt. Rudolf Nurejew - in dieser Produktion nicht nur als Tänzer, sondern auch als Choreograf tätig, hat gegenüber den langläufig üblichen Versionen von Tschaikowskys Ballett eine dramaturgisch gestraffte, von allem Beiwerk befreite Inszenierung realisiert. Zum Teil verwendet er erst 1953 im Tschaikowskyarchiv entdeckte Teile der Schwanenseepartitur. Er vermeidet jegliche Pantomime, es gibt weder die Jagdgesellschaft noch den Hofnarren. Der ur des Siegfried gab er ein größeres Gewicht, gleichzeitig gelang ihm mit dem Engagement von Margot Fonteyn eine ideale Besetzung der Odette/Odile.
Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew galten als das Traumpaar des klassischen Balletts. Sie verkörperten dessen noblen Stil in geradezu idealer Manier. Beide trafen erstmals 1962 aufeinander, als der russische Tänzer Mitglied des britischen Royal Ballett wurde, in dem Dame Margot Fonteyn die Primaballerina war. Beide verband nicht nur das herausragende technische Können, sondern außerdem eine enorme schauspielerische Begabung und Musikalität, welche sie mühelos in die Lage versetzte, gemeinsam ihren Rollen und der Liebesgeschichte in Schwanensee die nötige Komplexität und Glaubwürdigkeit zu verleihen.

- Biografien:
Rudolf Nurejew:
Am 17. März 1938 geboren, wuchs Nurejew als Sohn tatarischer Eltern nahe Ufa im sowjetischen Baschkirien auf. Er begann 1955 eine Ballett-Ausbildung an der Leningrader Waganowa-Schule und wurde im Anschluss daran Mitglied der anerkannten Kirowtruppe. Trotz des späten Einstiegs und einer ungewöhnlich kurzen Ausbildungszeit wurde Nurejew innerhalb von zwei Jahren einer der bekanntesten Tänzer Russlands.
Bei einer Paristournee 1961 setzte er sich vom Kirowballett ab und blieb in Paris, wo er schnell zum internationalen Star wurde.
Im selben Jahr noch brachte ihn die Primaballerina Margot Fonteyn zum königlichen Ballett in London, wo er bis zum Ende seiner Tanzkarriere regelmäßig auftrat. Zusammen bildeten sie, u.a. in Giselle und Schwanensee das Traumpaar des klassischen Balletts.
1964 kam Nurejew nach Wien, wo er bis 1988 als Tänzer und Choreograf am Staatsopernballett tätig war. 1982 nahm er die österreichische Staatsbürgerschaft an. 1983 wurde er Direktor des Pariser Opernballetts, bei dem er viele junge Tänzer förderte.
Neben seiner Tänzerkarriere und den Choreografien war Nurejew auch in anderen kreativen Bereichen tätig - im modernen Tanz, im Broadwaymusical THE KING AND I, in Ballettverfilmungen, als Filmregisseur. 1976 spielte er Rudolph Valentino in Ken Russells Filmbiografie des Schauspielers.
Sein letzter Auftritt als Tänzer provozierte 1992 Standing Ovations beim Pariser Publikum. Vom französischen Kulturminister Jack Lang erhielt er den Chevalier de l’Ordre des Arts et Lettres. Am 6. Januar 1993 starb Rudolf Nurejew an den Folgen einer AIDS-Erkrankung.

Dame Margot Fonteyn:
Margot Fonteyn wurde als Margaret Hookham am 18. Mai 1919 im englischen Reigate, Surrey, geboren. Sie verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in China, bevor sie mit 14 Jahren mit ihren Eltern nach England zurückkehrte. Sie bewarb sich beim Vic-Wells-Ballet und gab dort 1934 ihr Debüt als Schneeflocke im Nussknacker. Wenige Jahre später trat sie die Nachfolge der Primaballerina Alicia Markowna an.
Als Tänzerin zeichnete sie sich durch tiefes Musikverständnis und außerordentliches technisches Können aus. Die Aurora aus „Die schlafende Schönheit“ wurde ihre berühmteste Rolle.
1954 wurde sie Präsidentin der Royal Academy of Dancing. 1956 verlieh ihr Königin Elizabeth II. den Titel Dame of the British Empire. Während der 60er und 70er Jahre prägte sie zusammen mit Rudolf Nurejew das klassische Ballett des 20. Jahrhundert.
1979 beendete sie ihre Tanzkarriere und zog zu ihrem Ehemann, einem mittelamerikanischen Revolutionär, nach Panama, wo sie 1991 starb.







5. 2) Klavierkonzert in b-moll, op. 23
Welch großer Beliebtheit sich das Konzert unter Liebhabern der sogenannten klassischen Musik erfreut. Die Begeisterung für das Werk dürfte maßgeblich durch das Eingangsthema des ersten Satzes geprägt sein, das vom Klavier mit wuchtigen, über alle 7⅟₄ Oktaven reichenden Akkorden begleitet wird.
Die Satzbezeichnungen des Konzerts lauten:

Allegro non troppo e molto maestoso
Andantino semplice
Allegro con fuoco
Ein leidenschaftliches und zugleich monumentales Anfangsthema, ein scherzhafter Übergangsabschnitt und ein lyrisches zweites Hauptthema kennzeichnen den ersten Satz. Ein brillantes und äußerst schwieriges Zwischenspiel unterbricht die süße und zeitweise träumerische Schwermut des zweiten Satzes. Das schwindelerregende Finale ist von pulsierend - explosiver Energie, obwohl es von einem etwas ruhigeren Nebenthema unterbrochen wird.
Tschaikowskys erstes Klavierkonzert gilt als das romantische Konzert schlechthin. Diese hervorragende Aufnahme zeigt die Ausdruckskraft und Vielfalt dieser Komposition. Sie reicht von explosiver Lebendigkeit bis zu zarter Empfindsamkeit.
Die kunstvoll ausgearbeitete Einführung zum ersten Satz, Allegro, ist revolutionär. Die Streichinstrumente spielen eine kraftvolle romantische Melodie, begleitet von ansteigenden Klavierakkorden, die dramatisch und eindringlich mit beiden Händen gespielt werden. Nach einem kurzen Solostück setzen Klavier und Orchester die Melodie fort und zeigen auf grandiose weise die Virtuosität des Solisten.
Takt 41





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Dann verklingt die Einleitungsmelodie für immer, und das Hauptthema setzt ein.
Der ausgeprägte wechsel von Tempo und Takt (von Drei- auf Viervierteltakt) bewirkt einen sofortigen Stimmungswechsel: Die Erhabenheit der Einleitung weicht einem bunten Wechselspiel zwischen dem Orchester und dem Solisten.
Der Einleitung folgen nacheinander die zwei kopfsatztypischen Themen: Das dynamische Thema in b-moll ist unisono in rechter wie linker Hand gehalten, beginnt triolisch und erfährt eine erste Durchführung durch Auflösung der Triolen in Sechzehntelbewegungen noch vor Einsatz des lyrischen Themas.

Takt 108




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Die Stimmung ändert sich wieder, wenn die Holzblasinstrumente und Blechbläser ein zweites Thema einführen. Die Melodie ist sehr ausdrucksvoll! Sobald das Thema intoniert ist, greift das Klavier die Melodie auf. Von nun an wechseln im Satz Momente nachdenklicher Melodik mit solcher turbulenter Aggressivität. Die Spannung steigt, wenn Klavier und Orchester sich ein stürmisches Duell liefern. Weitere dramatische Stimmungsschwankungen kulminieren in einem glänzenden Solostück für Klavier, das dem bombastischen Schlusssatz den Weg bereitet.

Takt 646




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Takt 652




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Im Gegensatz zum Einleitungssatz, der nationalistische Übertöne hat, stammt der zweite Satz, Andantino semplice, aus einem französischen Lied. Er beginnt mit einer betörenden Melodie, die von einer Soloflöte und sanft gezupften Streichinstrumenten gespielt wird. Dann ändert sich fast unmerklich die Stimmung. Fagotte und Streichinstrumente beginnen im Hintergrund, eine Melodie zu schaffen, die nun in äußerster Zartheit vom Klavier aufgegriffen wird.
Takt 13










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Takt 31




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Als nächstes nehmen zwei Celli die Melodiezeile auf, während sich das Klavier im Hintergrund hält. Eine Beschleunigung des Tempos hält die Stimmung auf. Die Fröhlichkeit ist nicht von Dauer, und ein kurzes Klaviersolo bringt die nachdenkliche Stimmung zurück.
Der Schlusssatz, Allegro, ist ein von einem ukrainischen Volkslied inspiriertes Rondo (ein Thema, das sich wiederholt). Das Klavier leitet die Melodie schnell und kraftvoll ein, bevor Orchester und Solist sich auf temperamentvolle Art und Weise zusammentun. Die zweite Melodie, von den Streichinstrumenten gespielt, ist von ungewöhnlicher lyrischer Ausdruckskraft. Das anfängliche Volksliedthema kehrt zurück, stärker als zuvor. Seine Energie intensiviert sich, und das Stück bewegt sich eindrucksvoll auf das Finale zu.
Takt 299




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5. 3) Violinkonzert in D-Dur, op. 35

Folgende Aspekte, die ich im weiterem Verlauf meiner Arbeit näher erläutern werde, stellen für mich persönlich eine besondere Faszination dar:

· Melodie
· Ausdruck
· lyrische Elemente
· das Romantische
· das Dynamische
· das Aggressive
· das Unverwechselbare
· Instrumentation


- Aufbau:
Allegro moderato
Canzonetta. Andante
Finale. Allegro vivacissimo
Der erste Satz überrascht dadurch, dass die Kadenz bereits der Durchführung folgt und nicht, wie üblich, der Reprise.
Über den zweiten Satz, der vom melancholischem Spiel der Violine geprägt ist, schrieb Tschaikowsky an seine Brieffreundin Nadeschda von Meck, dass die Canzonetta geradezu herrlich sei. Wieviel Poesie und welche Sehnsucht in diesen Sonsvoilés, den geheimnisvollen Tönen steckt.
Das attacca subito des dritten Satzes unterbricht plötzlich die Schwermut des Vorgängersatzes und führt zu den zwei beschwingten Hauptthemen des Finalsatzes.

- 1. Satz:


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Der 1. Satz steht in D-Dur Tonart. Dieser Satz wird im Viervierteltakt gespielt und beginnt mit der Einleitung des Orchesters. Nach einer impulsiv gespielten Steigerung des Hauptthemas, setzt der Virtuose mit einer wunderschönen, zugleich unverwechselbaren Melodie, ein. Mit Hingabe, sehr romantisch und mit den jeweiligen lyrischen Elementen, präsentiert sich der Solist mit seinem Können.
Schon die allerersten Töne lassen aufhorchen, sind sehr dunkel im Timbre, klingen fast wie von einer Bratsche gespielt, zeigen eine gewisse Geräuschhaftigkeit. Sie lassen das dann bald einsetzende Hauptthema umso zarter erklingen. Dieses modelliert David Oistrach mit größter Feinfühligkeit, gibt ihm musikalischen Ausdruck, haucht ihm Seele ein. Und hätte man es auch schon tausendmal gehört: Hier klingt es neu, wie gerade erfunden, es berührt und nimmt gefangen.
Die Einleitung des Orchesters kombiniert mit dem Einsetzen der tiefen Töne des Solisten, lenkt die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf sich. Durch die versenkten Töne bekommt das Thema einen eigenen Charakter, der durchaus mit Trauer nachempfunden werden kann. Im Verlauf des Satzes entfaltet sich dieser, zu einem Feuerwerk an Gefühlen.
Dieser Komponist fesselt die Zuhörer mit seinem slawischen Charakter, den ich nicht nur im Violinkonzert op. 35 feststellen konnte, sondern auch in seinen weiteren Kompositionen.
Gut fünf Minuten später dann die Stelle, wo das volle Orchester dieses Thema hochdramatisch, fast schon heroisch vorzutragen hat: David Oistrach reagiert auf dieses männlich - affirmative Gehabe mit fragender Zurückhaltung, erkennt in Tschaikowskys Partitur die mitkomponierten Selbstzweifel, die romantische Ironie, wenn er das Thema sectiuneal umspielt.



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Als besonders reizvoll erweist sich die dynamische Steigerung in Kombination mit dem melodischen Aufsteigen bis zum dreigestrichenen g. Danach wiederholt sich das Thema um eine Oktave tiefer.
Die Kadenz, von Tschaikowsky originellerweise schon in die Mitte des Satzes und nicht erst kurz vor dessen Ende platziert, zeigt einen nachdenklichen Solisten, der den vorangegangenen Ereignissen ausführlich nachlauscht.

Takt 50

[21]
Die Abwechslung des Unschuldigen, fast Scherzhaften, mit der Trauer, Hoffnung und dem Zweifel, überlässt der Komponist dem Solisten durch Modulationen zwischen Dur und moll, wo er teilweise vom Orchester angetrieben wird. Ihm wird die Rolle des Siegers verweigert, da der Virtuose als Einzelner diese Aussagekraft eines Sieges nicht vermitteln kann. Das Martialische wird immer mehr betont und durch das Orchester wie ein Triumphmarsch übermittelt. Durch die Steigung der Dynamik zusammen mit der allmählichen Tempobeschleunigung (accelerando) gewinnt der Schluss zunehmend an Kraft und erhält letztlich diesen typisch entschlossenen, russischen Charakter.

Takt 325

[22]

Neben dem notwendigen virtuosen Girlanden- und Glitzerwerk, demonstriert Oistrach hellwache, sensible Musikalität und erweckt auch die letzte noch so banale Tonfolge zu musikalischem Leben. Schwere Doppelgriffe, die im Fortissimo (ff) und Fortefortissimo (fff) gespielt werden sollen, verlangen dem Virtuosen großes Können, ab.

Takt 334
[23]

Der 1. Satz findet mit raschem Tempo sein Ende. Im 6. Takt dieses Beispieles, wird die Komposition mit einer effektvollen Fermate beendet.


- 2. Satz:
Erwähnung finden sollte die intensive Zwiesprache zwischen Solist und Holzbläsern im 2. Satz.
Der 2. Satz ist in g-moll und im Dreivierteltakt geschrieben. Dieser ist voll von Zärtlichkeit, Liebe, Schüchternheit und überwältigend durch die Wiedergabe der Emotionen, die ein hohes Maß an Sensibilität vom Vortragenden verlangt. Der Solist verschmelzt mit seinem Instrument zu einer Einheit, dadurch gewinnt der Zuhörer den Eindruck, dass ein kleiner Dialog zwischen ihnen stattfindet. Der Satz ist gleichzeitig vorbereitend für den alles ent
scheidenden letzten 3. Satz.
Hauptthema:
Takt 19


[24]

Die Emotionen von David Oistrach werden in der Melodie widergespiegelt. Voller Enthusiasmus steht im 5. Takt dieses Themas, der vom Virtuosen meisterlich gespielt wird.
Auf der halben Note befindet sich ein Trillerzeichen (tr), indem das Schüchterne widergespiegelt wird. Um diesen Ton noch mehr zu sensibilisieren, wird er wiederholt und seiner Unentschlossenheit, durch das Verzögern, Ausdruck gegeben. Der Triller wird mit einer Zweiunddreißigstelquintole beendet (5 Noten).
Die zweite Zeile beginnt mit einem Crescendo (lauter werdend), der 2. Takt mit Accelerando (Temposteigerung, schneller werdend) und der 3. Takt beginnt schon mit Forte (f). Im 4. Takt ist ein Diminuendo (Melodie wird allmählich leiser), das anschließend im 5. Takt mit Piano endet. Im letzten Takt befindet sich eine Synkope (Betonungsverschiebung).
Nun ist die Überleitung vom, emotionalen Thema in den 3. Satz, der sehr kriegerisch, eruptiv, orgiastisch, impulsiv, dynamisch und gewaltig vom Solisten präsentiert wird. Höchstes Virtuosentum wird in diesem letzten Satz des Violinkonzertes von David Oistrach abverlangt.
- 3. Satz:
Der 3. Satz steht - wie der 1. Satz - in D-Dur Tonart und wird im Zweivierteltakt gespielt.
Gleich zu Beginn dieses „beinahe unspielbar anmutenden“ Stückes dominieren die Pauken das musikalische Klangbild und das Orchester, begleitet mit einem dynamischen Marsch, wie einen Angriff, den Solisten. Das ist unverwechselbarer Tschaikowsky.
Hauptthema:
Takt 53



[25]

Das Hauptthema wird nach einer virtuosen Kadenz vorgetragen. Es beginnt Piano und mündet nach einem Crescendo in einem energischen Forte.
In diesem Beispiel kommen sehr schnelle, rhythmische und kurz gespielte Abschnitte vor. Weiter ist mir aufgefallen, dass Sechszehntelläufe durch springenden Bogen gespielt werden (spiccato). Dadurch bekommt das Stück einen scherzhaften, luftigen, leichtfüßigen Charakter, der an eine tanzende Primaballerina erinnert. Wäre kein Spiccato vorhanden, würde die Stelle träge und nicht mit der jeweiligen Leichtigkeit vorgetragen werden können. Die furiose Form des Satzes ist gespickt mit leichten Cantilena, voller Gefühl und Hingabe. In diesen Cantilena finden oft kleine Dialoge zwischen Holzbläsern und dem Solisten statt.
Takt 314



[26]

David Oistrach spielt das impulsive und ekstatische Thema im schnellen Tempo mit Doppelgriffen an. Der Virtuose forciert hier das Tempo bis zum Außersten. Dieses Thema wird mehrmals angespielt und das Orchester begleitet Oistrach auf seinem Weg zum Finale.
In einem schönen Part des 3. Satzes wird das Cello mit dem Virtuosen verbunden. Ein zugleich romantischer und trauriger Augenblick wird durch Oistrach an dieser Stelle reflektiert. Flageoletttöne kontrastieren effektvoll die kraftvollen Passagen. Das Tempo wird verlangsamt und der Solist setzt wieder zum Hauptthema an.
David Oistrach stürzt sich in das Gefecht, des wohl schwierigsten Parts des Meisterstückes. Hier gibt der Solist seinen Emotionen freien Lauf und geht auf das Ganze. Alle Reserven werden abgerufen und Oistrach bringt das dynamische und schnelle Tempo zu einem Höhepunkt.
Takt 588






[27]

Das Orchester begleitet das Impulsive und unverwechselbare Ende dieser Komposition. Ein unglaublich, faszinierend vorgetragener Schluss von David Oistrach. Mit soviel technischem Können und schnellem Rhythmus spielt er die Sechszehntelläufe beginnend im Piano, das innerhalb drei Takten durch das Crescendo im Forte landet. Im teuflisch gespielten Tempo der letzten Takte, findet im vorletzten Takt eine Pause des ganzen Klangkörpers statt. Hier ergibt sich eine Möglichkeit für den Solisten, dieses Meisterwerk zu vollenden. Das letzte Wort hat am Ende der Virtuose.


6. Kapitel

Stilrichtung Tschaikowskys – „Romantik“


Ø Allgemeines



Ø Hintergrund



Ø Abschnitte der Romantik



Ø Klassik und Romantik im Vergleich





6. Kapitel

6. Stilrichtung Tschaikowskys – „Romantik“


6. 1) Allgemeines
Romantik bezeichnet eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts bis weit in das neunzehnte Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst (1790-l840), der Literatur (1795-l848) und der Musik (1800-l890) äußerte.
Im heutigen, allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Romantik mit dem Adjektiv romantisch die Eigenschaft einer Sache, Menschen mit Liebe und Sehnsucht zu erfüllen, so etwa in den Wortverbindungen „romantische Liebe“, „romantische Musik“ oder „ein romantischer Brief“.

6. 2) Hintergrund
Die Grundsteine des Romantizismus sind Gefühl, Individualität (individuelles Erleben) und Seele (vor allem die psychisch gequälte Seele). Romantizismus entstand als Reaktion auf das Monopol der vernunftgerichteten Philosophie der Aufklärung und auf die Strenge des durch die Antike inspirierten Klassizismus. Seine Anstöße suchte er in der Vergangenheit (vor allem im Mittelalter) und in exotischen Ländern. Im Vordergrund stehen irrationale Gefühle, die Sehnsucht zu versuchen und zu erfahren, das Mysterium und das Geheimnis. Dem fortschrittlichen Optimismus der Aufklärung werden eine verzweifelte Hilflosigkeit und der Entschluss zum oft vergeblichen Opfer gegenüber gestellt. Diese Charakteristika sind bezeichnend für die romantische Kunst und für die entsprechende Lebenseinstellung.
Der Romantiker unterstellt einen Bruch, der die Welt gespalten habe in die Welt der Vernunft, der „Zahlen und uren“ (Novalis), und die Welt des Gefühls und des Wunderbaren.
Die Romantiker suchten die verloren gegangene Welt in Werken aus der „Kindheit der Menschen“, also in Märchen und Sagen, in Volksliedern und im Mystizismus des Mittelalters. Das „Wahre“ wurde nicht im Intellektuellen gesehen, sondern in dem als natürlich und wahrhaftig angesehenen Verhalten des einfachen Volkes. Volkstänze flossen in die romantische Musik ein (z. B. Franz Schubert).
Zur massenhaften Ausbreitung des Romantizismus kam es zu Zeiten der Napoleonischen Kriege Ende des 18. Jahrhunderts, nach einer Ara relativer Ruhe, in der viele Konflikte auf diplomatischem Wege geregelt worden waren. Als plötzlich der europäische Kontinent mit Feldzügen Napoleons überzogen wurde und Helden gesucht waren (in Frankreich war es Napoleon, in England Admiral Nelson, in Russland General Kutusow), entfachten romantische Wünsche die Phantasie.
Ein zweiter wichtiger Faktor war die gestiegene Bildung der Bürger, die den Boden für Kunst und Literatur bereitete. Wirtschaftlicher Aufschwung und das damit verbundene höhere Volksvermögen ermöglichten es den Bürgern, mehr Bücher, Musikinstrumente oder Theater- und Konzertkarten zu kaufen.
Im politischen Raum wird Romantik teilweise bis heute als Gegenströmung zur Aufklärung (Vernunft) begriffen und steht damit auch für einen aktuellen Konflikt.

6.3) Abschnitte der Romantik
Man unterscheidet zwischen Frühromantik (ca. 1795-l804), Hochromantik (ca. 1804-l815) und Spätromantik (ca. 1815-l848). Im Mittelpunkt steht die Idee des Gefühls und der Phantasie. In der Hochromantik unterscheidet man zwischen dem Heidelberger Kreis und dem Berliner Kreis.
Allerdings verliefen diese Phasen nicht in allen Kultursparten völlig synchron; die Spätromantik in der Musik zieht sich beispielsweise bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts hin (Gustav Mahler, Richard Strauss).
Beeinflusst durch die Romantik ist die Jugendbewegung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand. In neuerer Zeit finden sich einzelne Charakteristika auch in der Dark-Wave- oder Gothicsubkultur, sowie im Black- und Darkmetal (beispielsweise in den Texten der Bands Dornenreich und Nocte Obducta).





6. 4) Klassik und Romantik im Vergleich

- Klassik:

· streben nach Vollendung, Ruhe, fester Ordnung, Klarheit, Maß und Harmonie


· streben nach Objektivität, Typisierung, Gesetz, Vernunft, Gleichgewicht, nach gültiger und geschlossener Form

· genaue Unterscheidung zwischen Lyrik, Epik und Dramatik


· fordert Entsagung, Selbstbeschränkung, sittliche Willensstärke


· lehnt phantastisches, Verworrenes, Unklares ab


· bemüht sich um Harmonie zwischen Gefühl und Verstand


· verlangt genaue Grenzensetzung - Es ist genug, das Erforschbare zu erforschen, das Unerforschliche aber auf sich beruhen zu lassen


- Romantik:

· Drang nach Unendlichkeit, leidenschaftlich Bewegtem, Dunklem


· Zerbricht die klassischen Grenzen, will Herrschaft der frei schöpferischen Phantasie (ist wichtiger als „edle“ Form und hochgeistiger Inhalt)

· will Grenzen sprengen: Grenzen des Verstandes, Grenzen zwischen Wissenschaft und Poesie und zwischen den einzelnen Dichtungsgattungen

· streben nach einer „Universalpoesie“, die gleichzeitig Wissenschaft, Religion und Dichtung und lyrisch, episch, dramatisch und musikalisch ist


· will Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit niederreißen


· will die ganze Welt „romantisieren“ und fordert völlige Subjektivität, Individualisierung, Freiheit und Unabhängigkeit und eine weltoffene, ewig unfertige Dichtungsform

· Vorliebe für das Traumhafte, Wunderbare, Unbewusste, Übersinnliche


Die Romantik wurde zur europäischen Geistesbewegung und erfasste, von Deutschland ausgehend, alle Länder Europas. Sie beeinflusste Philosophie, Dichtung, Künste, Religion,
Wissenschaft, Politik und Gesellschaft.




7. Zusammenfassung:

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Musik im emotionalen Spannungsfeld zwischen ekstatischen und lyrischen Momenten anhand ausgewählter Werke und Interpretationen
von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky aufzuzeigen. Diese Werke waren das berühmte Ballett Schwanensee, op. 20, sein erstes Klavierkonzert in b-moll, op 23 und das beinahe unspielbare anmutende Violinkonzert in D-Dur, op. 35.
Meine Erkenntnis, die ich im Laufe der Zusammenstellung dieser FBA gemacht habe ist, dass Tschaikowsky ein einzigartiger und einmaliger Komponist war. Seine Werke werden auch heute noch auf viele Menschen eine besondere Wirkung ausüben. Darüber hinaus werden diese von herausragenden Interpreten ständig gleichsam lebendig gehalten und mit sehr viel Enthusiasmus präsentiert.
Tschaikowskys ganzes Leben bestand aus Widersprüchen und Spannungen, mit denen er nicht fertig wurde. Seine Rettung fand er in der Komposition. In der Musik konnte er sagen, was sich für ihn mit Worten nicht ausdrücken ließ. Mithilfe der Musik wurde sein Leben erträglich und er konnte sich von seinem inneren Druck befreien.
Für mich ist dieser Ausgleich zwischen Verzweiflung und Hoffnung außerordentlich bewundernswert. Mit wie viel Leidenschaft und Romantik schrieb dieses unverwechselbare Genie seine Meisterstücke nieder.
Diese Fachbereichsarbeit gab mir die Möglichkeit, mich intensiver mit meinen Interessen auseinanderzusetzen. Nachträglich kann ich sagen, dass ich sehr viel dazugelernt habe, was auch noch in meinem weiteren Leben von Bedeutung sein wird.





8. Quellen- und Literaturverzeichnis:

[1] MGG - Die Musik in Geschichte und Gegenwart; Allgemeine Enzyklopädie der Musik herausgegeben von Friedrich Blume; Verlag Bärenreiter, Kassel 1966

[2] Das große Lexikon der Musik herausgegeben von Günther Massenkeil, Bonn; Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1982

[3] Nina Berberova – Tschaikowsky Biographie; Verlag Düsseldorf: Claassen 1989

[4] Franz Zagiba – Tschaikowsky Leben und Werk; Amalthea Verlag Zürich, Leipzig, Wien 1953

[5] Die großen Komponisten; Tschaikowsky 1840-l893; Leben, Werk und Wirkung; herausgegeben von David Mountfield; Orbis Verlag 1992

[6] http://www.alanra.de/alanra_musik/ interpreten/peter_tschaikowsky.jpg

[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Pjotr_Iljitsch_Tschaikowski

[8] http://www.komponisten.at/komponisten/221.html

[9] http://www.8ung.at/hansjoergbrugger/ studi/tschaikowsky5.pdf

[10] http://www.swb.de/personal/icicle/tschaikowsky.html

[11] http://www.virtuopolis.de/timg/24/veranst_1053.jpg




Wichtige Interviews:

Magdalena Balint

Ass. Prof. Mag. Dr. Manfred Permoser


Prof. Mag. Marialuise Koch


Dr. Walter Breitner


Hörbeispiele – Videos:

Pariser Oper; Ballett Schwanensee op. 20 (Nurejew, Fonteyn)

Lang Lang; Klavierkonzert in b-moll, op. 23

David Oistrach; Violinkonzert in D-Dur, op. 35







„Ich erkläre, dass ich diese Fachbereichsarbeit ausschließlich selbst verfasst und außer den angegebenen Hilfsmittel keine weiteren Hilfen verwendet habe.“





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