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Privatmolkerei NAARMANN KG



1. Einleitung
Der nun folgende empirische Teil meiner Diplomarbeit rsucht Teile der Unternehmenskultur der Privatmolkerei Naarmann KG zu beschreiben.

1.1. Hard facts über die Privatmolkerei Naarmann
Ø Die Molkerei ist im Jahr 1903 in Neuenkirchen (Deutschland - Nordrhein/Westfalen) gegründet worden und ist seitdem im Besitz der Familie Naarmann.

Ø 1985 hat Theo Naarmann (=3. Generation) den Betrieb übernommen und ist mit einer 97%igen Beteiligung Kommanditist der Privatmolkerei Naarmann KG. Die restlichen 3% teilen sich als Komplementäre seine Brüder, die ebenfalls im Betrieb arbeiten.

Ø In der Molkerei sind insgesamt 90 Personen beschäftigt - 15 Frauen und 75 Männer (siehe Organigramm im Anhang I). Drei davon sind als Außendienstmitarbeiter im ganzen Bundesgebiet rtreten. Zur Unternehmensleitung gehören die Leiter der Verwaltung, der Produktion, der Entwicklung, der Technik und der Expedition sowie der Leiter des Qualitätsmanagements und der Geschäftsführer.




Ø Der Jahresumsatz von 1997 betrug 96 Millionen DM. Dieser teilte sich auf die vier Produktionsgruppen folgendermaßen auf:


Abbildung 10: Aufteilung des Jahresumsatzes 1997 auf Produktgruppen

Ø Die Exportrate der Privatmolkerei liegt bei 39%. Davon entfallen bereits 31% des Jahresumsatzes auf Holland.


Abbildung 11: Aufteilung des Jahresumsatzes 1997 auf Deutschland und Exportländer

Ø In der Produktionsabteilung der Molkerei herrscht Schichtbetrieb (3 Schichten von Montag morgens bis Samstag morgens).

Ø Zur wichtigsten Veränderung der letzten Jahre zählt die Spezialisierung der Milch- und Sahneprodukte auf die Nische der Haltbarprodukte für den Großrbraucherbereich.

Ø Jährlich werden in der Molkerei zirka 150.000 Tonnen Milch rarbeitet.

Ø Vor fünf Jahren wurde der Name "Milchwerke Naarmann" geändert auf "Privatmolkerei Naarmann". Heutzutage beliefert die Privatmolkerei beinahe ausschließlich Groß- und Kleinhändler.

Ø Im April 1997 ist die Molkerei von der Zertifizierungfirma Lloyds mit Sitz in Köln mit dem Standard DIN EN ISO 9001 zertifiziert worden.

Ø In den letzten zehn Jahren gingen 50% der Molkereien im Umkreis der Privatmolkerei Naarmann aufgrund der immer größer werdenden Konkurrenz von Großmolkereien in Konkurs.

Ø Vor etwa fünf Jahren hat sich das Unternehmen dem internationalen Projekt "Wirtschaft in Gemeinschaft" angeschlossen.





1.2. Zur Vorgehensweise meiner Untersuchung:
Da ich den Wunsch hatte, mich nicht nur theoretisch mit dem Begriff der Unternehmenskultur sowie dem Projekt der Wirtschaft in Gemeinschaft auseinanderzusetzen, beschloß ich, eine Fallstudie in einem Betrieb zu machen, der rsucht, einige Ideen der Wirtschaft in Gemeinschaft im Unternehmen konkret umzusetzen. Mit Hilfe mehrerer Personen stieß ich auf die Privatmolkerei Naarmann, dessen Unternehmer mir sofort die Möglichkeit anbat, die Studie in seinem Betrieb durchzuführen.

Zur Gewinnung eines kleinen Einblickes in die Unternehmenskultur der Privatmolkerei Naarmann KG habe ich eine Arbeitswoche lang dort rbracht. Um den umfassenden Begriff der Unternehmenskultur einzuengen, habe ich mich bei meiner Untersuchung auf folgende drei Themenschwerpunkte beschränkt:

1. Motivation und Ziele

2. Beziehungsebene

3. Entscheidungsprozesse

Meiner Meinung nach sind diese Aspekte sehr wesentlich, um die Kultur eines Unternehmens zu ergründen, auch wenn ich mir bewußt bin, daß sich die Kultur, die in einem Unternehmen herrscht, aus vielen "Mosaiksteinchen" zusammensetzt und es aufgrund der Subkulturen schwierig bis unmöglich ist, ein einheitliches Bild zu kreieren. Allerdings glaube ich, daß gerade die drei von mir gewählten Schwerpunkte entscheidende Aussagen über eine Organisationskultur liefern können. Auch im Hinblick auf das Projekt der Wirtschaft in Gemeinschaft denke ich, daß diese vor sieben Jahren ins Leben gerufene und zum Teil bereits rwirklichte Idee in diesen Aspekten Neuerungen mit sich bringen kann.



Abgesehen von meinen Betriebsgängen, der Teilnahme bei einer Besprechung und der Durchführung eines Interviews rbrachte ich die fünf Tage im Besprechungszimmer vor dem gemeinsamen Büro des Unternehmers und des Produktionsleiters. Die Glastür zu deren Büro war immer offen, und so konnte ich auch im ständigen Kontakt mit Theo Naarmann sein - der Produktionsleiter war sehr selten im Büro - , der mir beim gesamten Ablauf meiner Untersuchung immer wieder mit Rat und Tat zur Seite stand und mir viele Möglichkeiten für deren Durchführung gab.





1.3. Zur Vorgehensweise meiner Analyse
Der folgenden Analyse der Unternehmenskultur der Molkerei möchte ich das Eisbergmodell von Sonja Sackmann (siehe Kap. 2.2.4.) zugrunde legen.

Zu Beginn werde ich die Spitze des Eisbergs beschreiben - die Manifestationen, also die Artefakte und das rbale und nonrbale Verhalten.

Zu den Artefakten zähle ich folgende Beobachtungen/Feststellungen bzw. Materialien, die mir zur Verfügung gestellt worden sind:

1. Gesundheitsbericht der Gebietskrankenkasse Münster vom Jahr 1995

2. Bericht über eine Betriebsklima - Untersuchung vom Jahr 1997

3. Vergleichende Untersuchung dreier Molkereien nach Hedberg

4. Protokolle der Arbeitsschutz - Ausschußsitzungen (von 1992 - 1998)

5. Broschüre für Kunden der Molkerei

6. Ausstattung, Möbelstücke, Raumaufteilung, Bilder, Gegenstände,

7. Kleidung

8. Zeitschriften



Informationen über das rbale und nonrbale Verhalten gewann ich aus:

1. Vier Interviews mit dem Unternehmer

2. Jeweils einem Interview mit zwei Personen der Verwaltungsabteilung, je einem Beschäftigten der Produktionsabteilung sowie der Produktentwicklung

3. Einer teilnehmenden Beobachtung bei einer Besprechung

4. Der teilnehmenden Beobachtung während der fünf Tage meiner Anwesenheit in der Organisation (worüber ich ein "Tagebuch" führte)



Die den sichtbaren Manifestationen zugrunde liegenden Grundannahmen (basic beliefs), die die Unternehmenskultur letztlich bestimmen - der Eisberg unter der Wasseroberfläche - , sollen anschließend umschrieben werden.



Da sich der Unternehmer der Molkerei mit seinem Betrieb dem Projekt der Wirtschaft in Gemeinschaft zugehörig fühlt, rsuche ich im letzten Teil dieses Kapitels darzustellen, wie einige Ideen der Wirtschaft in Gemeinschaft im Betrieb konkret umgesetzt werden.





2. Beschreibung der Artefakte
2.1. Gesundheitsbericht
Im Frühjahr des Jahres 1995 wurde von der AOK - Gesundheitskasse in Münster eine Fragebogenaktion durchgeführt, an der sich 55 MitarbeiterInnen beteiligten. "Anhand der Fragebogenaktion sollten die unterschiedlichsten Erkrankungsursachen analysiert werden. [] Ferner sollte das Führungsrhalten der Führungskräfte analysiert werden, da sowohl der Betriebsrat, als auch die Arbeitgeber dem Führungsrhalten eine entscheidende Rolle für die Motivation der Mitarbeiter zumessen" (aus der Einleitung zum Gesundheitsbericht).

Die Gesundheitskasse kam zum Ergebnis, daß "die Mitarbeiter nicht einen großen ,Umbruch' wünschen, sondern die Kleinigkeiten im täglichen Arbeitsablauf zu Beschwerden führen" (Ebenda). Schließlich bat sie für den Kreis Steinfurt rschiedene Maßnahmen an, wie Rückenschulen, ein Seminar zum Thema "Gesund essen im Betrieb" oder "Führungskräfterhalten", die vom Betrieb größtenteils in Anspruch genommen wurden.

Die einzelnen Fragen wurden sowohl allgemein als auch getrennt nach drei rschiedenen Arbeitsteilbereichen ausgewertet.

Als wesentlich für meine Analyse erscheinen mir folgende Themenbereiche:

· Situation innerhalb der Arbeitsgruppe

· Verhältnis zu den Vorgesetzten

· Situation in der Firma

Die Analyse ergab, daß 82% der Befragten in der Regel ständig oder ab und zu mit Kollegen zusammenarbeiten - mit anderen Worten: im Betrieb ist Gruppenarbeit vorherrschend. Nur 18% klagen dabei über Spannungen wegen der Arbeit, während 50 von insgesamt 55 MitarbeiterInnen behaupten, daß ihr Verhältnis zu den Kollegen im allgemeinen gut ist, und 54 (!) sagen, daß sie sich bei der Arbeit gegenseitig helfen. Schließlich meinen 73% der Befragten, daß sie sich an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen.

Bei der Frage nach dem Verhältnis zu den Vorgesetzten ist teilweise ein sehr großer Unterschied sowohl zwischen den einzelnen Arbeitsteilbereichen als auch zwischen der jeweiligen Abteilungsleitung und der Produktionsleitung[1] feststellbar.

Grundsätzlich kann gesagt werden, daß die Befragten des Bereiches 1 (Trocknung, Molkerei / Betrieb) die Beziehung zu ihren Vorgesetzten am besten einschätzen gefolgt vom Bereich 2 (Molkerei H-Milch, Molkerei PKL - Abfüllung). Die Befragten des Bereiches 3 (Werkstatt, Expedition, Fahrer) haben die meisten Schwierigkeiten mit ihren Vorgesetzten.

Während fast alle MitarbeiterInnen der Meinung sind, daß die Abteilungsleitung auf ihre Schwierigkeiten bei der Arbeit ansprechbar ist, glaubt nur die Hälfte, daß sich dieselben Vorgesetzten darum kümmern, daß diese Schwierigkeiten dann auch tatsächlich behoben werden.

40% der MitarbeiterInnen fühlen sich von der Abteilungsleitung und 62% von der Produktionsleitung nicht ausreichend informiert. Trotz allem glaubt ein Großteil der MitarbeiterInnen, daß der Umgang mit den Vorgesetzten der Abteilungsleitung partnerschaftlich ist - von der Produktionsleitung glaubt das etwa nur die Hälfte der Befragten.

Bei den Fragen zur allgemeinen Situation in der Firma fällt auf, daß sich ein Großteil der MitarbeiterInnen im Unternehmen insgesamt gut aufgehoben fühlt - bei den Befragten des Bereiches 1 fühlen sich alle ausnahmslos gut aufgehoben.

So wird auch das Betriebsklima als gut eingestuft - auch wenn dabei ein Unterschied zwischen jenem innerhalb der Abteilung und jenem der gesamten Firma gemacht wird. (Vom Betriebsklima der Firma meinen nämlich 31%, daß es nicht gut sei.)

Interessant ist auch die Tatsache, daß sich 89% der Befragten von ihren Interessensrtretern (z.B. Betriebsrat) gut rtreten fühlen.

Insgesamt zeigt der Gesundheitsbericht, daß im Vergleich der drei Bereiche große Unterschiede zu bemerken sind - der Bereich 3 weist mit Abstand die größte Unzufriedenheit auf. Dies wirkt sich auch auf die körperlichen Beschwerden aus: So fühlt sich ein Großteil der Befragten des Bereiches 3 immer wieder gereizt oder rärgert und gibt an, daß angefangene Arbeiten oft unterbrochen werden müssen.



2.2. Betriebsklima - Bericht
Von der Gesellschaft für Betriebsklima - Untersuchung in Münster wurde im Jahr 1997 eine Analyse des Betriebsklimas der Privatmolkerei Naarmann durchgeführt.

48 Personen füllten dabei einen Fragebogen mit insgesamt 45 Fragen zu folgenden Themenbereichen aus:

· Außere Bedingungen am Arbeitsplatz

· Arbeitssituation und Zufriedenheit mit der Arbeit

· Information & Dialog

· Weiterbildung / berufliche Entwicklungsmöglichkeiten

· Führungsstil / Führungsrhalten

· Zusammenarbeit innerhalb des Betriebes / Mitwirkung

· Einkommens- und Vermögensbeteiligung

· Image / gesellschaftliches Ansehen / Bindung an den Betrieb

Die Antworten der einzelnen Fragen wurden anschließend den Bewertungskriterien kritisch, durchschnittlich, zufriedenstellend und gut zugeordnet. Die MitarbeiterInnen gaben dem Betriebsklima des Unternehmens insgesamt 60 von 100 möglichen Bewertungspunkten, wodurch das Betriebsklima insgesamt mit durchschnittlich beurteilt wurde.

Die MitarbeiterInnen wurden weiters gebeten, den einzelnen Betriebsklima - Aspekten eine Reihenfolge nach deren Wichtigkeit für ein gutes Betriebsklima zu geben.

Auch die Unternehmensleitung füllte den Fragebogen aus und reihte die Wichtigkeit der einzelnen Aspekte, um im Anschluß daran die Einschätzungen der MitarbeiterInnen mit denen der Unternehmensleitung rgleichen zu können.

Der Vergleich ergibt, daß die Unternehmensleitung die einzelnen Fragen prinzipiell besser beurteilt als die MitarbeiterInnen. (Nur beim Punkt Weiterbildung / berufliche Entwicklungsmöglichkeiten beurteilen die Mitarbeiter die Situation geringfügig besser als die Unternehmensleitung.) Nach der Bewertung der Unternehmensleitung wird das Betriebsklima insgesamt als zufrieden beurteilt (71 von 100 Punkten). Die Reihenfolge der Wichtigkeit der einzelnen Betriebsklima - Aspekte ist ähnlich (Übereinstimmungskoeffizient von 0,64 bei einem Maximum von 1 und einem Minimum von -1).

Zu den drei für ein gutes Betriebsklima wichtigsten Aspekten zählen sowohl die MitarbeiterInnen als auch die Unternehmensleitung die Aspekte der "Arbeitssituation und Zufriedenheit mit der Arbeit", "Einkommen / Vermögensbeteiligung" und "Zusammenarbeit innerhalb des Betriebes / Mitwirkung".

Als weniger wichtig gesehen werden: "Image/ gesellschaftliches Ansehen" und "Außere Bedingungen des Arbeitsplatzes". Während die MitarbeiterInnen den Aspekt "Information und Dialog" als am unwesentlichsten einstufen und der "Weiterbildung / berufliche Entwicklungsmöglichkeiten" einen mittleren Stellenwert (Platz 5 von 8) geben, empfindet die Unternehmensleitung die "Weiterbildung / berufliche Entwicklungsmöglichkeiten" unwichtiger (vorletzter Platz in der Rangordnung) als den Aspekt "Information und Dialog" (Platz 5 von 8).

Im folgenden werde ich einzelne Fragen herausgreifen, die mir für meine Untersuchung als interessant und auffällig erscheinen:

2.2.1. In bezug auf Motivation
Ein Großteil der MitarbeiterInnen ist mit ihrer Arbeit und der Arbeitssituation zufrieden. Dies drückt sich dadurch aus, daß ihnen die Arbeit gefällt (74 Punkte von 100), sie wieder einen Arbeitsrtrag mit der Firma abschließen würden (78 Punkte von 100), und sie sich auch freiwillig und gern für den Betrieb engagieren (76 Punkte von 100). In der Tat gibt es keinen Mitarbeiter, der überhaupt nicht gern zur Arbeit geht, sondern die meisten gehen gerne (73 Punkte von 100). So ist es auch nicht rwunderlich, daß viele (74 Punkte von 100) stolz sind auf ihren Betrieb, und ebenso viele meinen, daß ihr Betrieb gegenüber Neuerungen offen ist. Rund 80% meinen, daß die von ihnen rrichtete Arbeit ihren persönlichen Neigungen entspricht. Interessant ist dabei die Tatsache, daß 45% der MitarbeiterInnen meinen, daß sie woanders mehr Geld für die Arbeit bekommen würden.

2.2.2. In bezug auf die Beziehungsebene
Insgesamt wird die Zusammenarbeit innerhalb des Betriebes und die Möglichkeit der Mitwirkung mit 55,6 Punkten als durchschnittlich bewertet. Bei diesem Aspekt zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur Unternehmensleitung, da diese denselben Aspekt um 15,9 Punkten (also insgesamt 73,3 Punkten) besser einstuft.

Während das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Kollegialität im Betrieb von den MitarbeiterInnen als kritisch bewertet (46 Punkte von 100) wird, zeigen sich etwa 70% über die Zusammenarbeit mit den Kollegen zufrieden.



Bemerkenswerterweise zeigt sich ein Großteil der Beschäftigten in bezug auf ihre persönliche Beziehung zur Person der/des Vorgesetzten zufrieden. Demnach sagen 71% der MitarbeiterInnen, daß ihnen die Vorgesetzten bei privaten Anliegen geholfen haben bzw. glauben sie, daß sie ihnen helfen würden. Auch das Verhalten der Vorgesetzten bei einem Fehler gilt mit 74 Bewertungspunkten von 100 als zufrieden. Der Aspekt "Führungsstil / Führungsrhalten" insgesamt wird allerdings mit 54 Punkten von 100 möglichen als durchschnittlich bewertet. So meint in etwa nur die Hälfte der MitarbeiterInnen, daß die Vorgesetzten ihre Meinung beachten, ihr Engagement fördern, sie ausreichend informieren und gute Arbeit anerkennen.



2.2.3. In bezug auf Entscheidungsprozesse
Prinzipiell muß gesagt werden, daß sich die MitarbeiterInnen zu wenig informiert fühlen. Der Aspekt "Information & Dialog" ist auch der einzige der acht Hauptaspekte, der von den Beschäftigten mit kritisch (46 Punkte von 100) bewertet wird. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur Einschätzung der Unternehmensleitung (60 Punkte). Die MitarbeiterInnen fühlen sich vor allem über die Nachfolgeregelungen in der Geschäftsleitung, bei Einstellungen, Entlassungen und über die Kenntnis der Auswahlmethoden bei Beförderungen zu wenig informiert.

Auch wenn sich immerhin 60% der MitarbeiterInnen über arbeitsplatzbetreffende Entscheidungen informiert betrachten, ist die Hälfte der Beschäftigten mit dem Entscheidungsspielraum am Arbeitsplatz nicht zufrieden.



Die soeben genannten Punkte erscheinen mir für meine Analyse am bedeutungsvollsten zu sein, und lassen mich einige Parallelen zu meinen eigenen Beobachtungen ziehen.



2.3. Vergleichende Arbeit dreier Molkereien
Im Jahr 1997 hat ein italienischer Student seine Diplomarbeit (Amaini 1997) an der Unirsität Bologna präsentiert. Der Inhalt ist ein Vergleich der Ergebnisse seiner empirischen Untersuchungen in zwei italienischen Molkereien sowie in der Privatmolkerei Naarmann, die alle drei im weltweiten mit ISO 9000 definierten Qualitätsstandard konform sind und eine Art Industrietyp aufweisen. Er ging dabei von der Frage aus, inwieweit die Kulturwerte des Managements folgende drei Punkte beeinflussen:

1. Qualitätshandbuch

2. Betriebliche Charakteristiken

3. Entstehung des Qualitätsprogramms

Bei jedem dieser drei Punkte untersuchte er die Höhe des Grades (niedrig, mittel, hoch) der von Hofstede aufgestellten vier Merkmale zur Beschreibung von Kultur - in Klammer führe ich die jeweiligen englischen Originalbegriffe an:

¨ Hierarchie (power distance)

¨ Individualismus (individualism)

¨ Unsicherheitskontrolle (uncertainty avoidance)

¨ Wichtigkeit der Beziehungen (feminility - masculinity)

Zu diesem Zweck wurden dem Unternehmer sowie dem/der jeweils Verantwortlichen für die Qualität, das Personal und das Labor 78 geschlossene Fragen gestellt. Ebenso wurde das Qualitätshandbuch im Detail durchstudiert.

Amaini kam zu dem Ergebnis, daß der Grad der Hierarchie tendenziös niedrig ist, die Unsicherheitskontrolle befindet sich immer auf mittlerer Position, der Individualismus ist niedrig und die Wichtigkeit der Beziehungen hoch.



Im folgenden werde ich zu den einzelnen von mir gewählten Schwerpunkten Ergebnisse von Amaini präsentieren:

2.3.1. In bezug auf Motivation und Ziele
Beim Vorwort des Qualitätshandbuchs wird beschrieben, wie es zur Erstellung des Buches gekommen ist: Weil die fundamentalen Qualitätskonzepte und das Qualitätssystem besser im Betrieb selbst und in den Mitarbeitern erfaßt werden können, fand eine Versammlung von allen Abteilungsleitern statt, um den Vorschlag erklären zu können. In kleinen Gruppen wurde dann der Grundentwurf für die Vorgangsweise erarbeitet und erst anschließend wurde das Qualitätshandbuch geschrieben. Diese Tatsache ist der Grund, weshalb im Qualitätshandbuch der Molkerei Naarmann nach jedem Paragraphen angeführt ist, wer für die Umsetzung der beschriebenen Aktion rantwortlich ist, wer mitarbeitet, wer sie approbiert und wer die Informationen weiterleiten muß.



Ein Ziel des Unternehmens ist es, Kosten zu sparen. Aus diesem Grund werden im Betrieb immer wieder Kontrollen an den Arbeitsplätzen durchgeführt, um Fehler so bald als möglich und dadurch auch so kostengünstig wie möglich beheben zu können.

Auch wenn die Führungskräfte ein Kontrollsystem für günstig erachten und es für sie wichtig ist, daß Gesetze und einmal im Unternehmen errichtete Richtlinien befolgt werden, wollen sie diese nicht völlig stur beibehalten, sondern stets für Neuerungen offen sein.



Die interviewten Führungskräfte haben es sich zum Ziel gesetzt, daß sie neben ihren Mitarbeitern auch ihre Lieferanten in das angestrebte Qualitätssystem miteinbeziehen wollen.







2.3.2. In bezug auf die Beziehungsebene
Dem Unternehmen ist der Aufbau einer guten und rtrauenswürdigen Beziehungsbasis sehr wichtig. Dies rdeutlichen folgende Auszüge aus dem Qualitätshandbuch:

"Man will sich in die Lage eines jeden internen und externen Mitarbeiters rsetzen, um innerhalb einer relativ kurzen Zeit eine allgemeine Vision rmitteln zu können über die Funktionsweise eines jeden Bestandteiles des QMS sowie deren Verwirklichung in unserem Betrieb."

"Die Qualitätspolitik setzt voraus, daß die Bedürfnisse der Kunden beachtet werden [] und daß die von den Kunden nachgefragten Produkte so sorgfältig erstellt werden, als würde man sie für sich selber erzeugen."

"Unser Unternehmen lebt unter anderem auch vom Vertrauen unserer Kunden."

Auch die Zusammenarbeit mit den Lieferanten ist dem Unternehmen sehr wichtig. So wurde ein Rat der Rohstofflieferanten eingerichtet, in dem unter anderem auch über persönliche Probleme gesprochen wird.

Zwischen den Führungskräften und den ihnen hierarchisch unterstellten Beschäftigten existieren zwar Unterschiede (z.B. in der Entlohnung: Der Durchschnittslohn der Führungskräfte rhält sich zu dem der anderen Beschäftigten wie 100:49), es gibt allerdings "keine Unerreichbarkeit der Führungskräfte, welche sich im Gegenteil den hierarchisch Unterstellten durch die Bereitstellung von Mitteln und Personen widmen."

2.3.3. In bezug auf Entscheidungsprozesse
Die Molkerei Naarmann besitzt eine dezentrale Organisationsstruktur. Laut Qualitätshandbuch ist die Unternehmensleitung überzeugt, daß sie alleine nicht imstande ist, alle Aktivitäten durchzuführen. Aus diesem Grund delegiert sie Teile davon an die einzelnen Abteilungen sowie deren Mitarbeiter.

Der Grad des Individualismus ist ziemlich niedrig, da das Unternehmen auf Gemeinschaft hin orientiert ist. Viele Interaktionen und jegliche Art von Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten der rschiedenen Abteilungen sind vorgesehen.

Damit die Beschäftigten Zugang zum Qualitätshandbuch haben können, liegt dies in mehreren Plätzen innerhalb der Molkerei auf.





Entscheidungen sollen in dem - auf Gemeinschaft hin ausgerichteten - Unternehmen nicht nur von den Führungskräften getroffen werden. Dies zeigt folgender Auszug aus dem Qualitätshandbuch:

"Jeder Mitarbeiter unseres Unternehmens ist berechtigt und wird angespornt, Vorschläge für neue Dokumente zu bringen. Das gibt jedem die Möglichkeit, etwaige Fehler oder während der Durchführung der Vorgänge aufgetretene Mängel zu korrigieren. [] Die Verantwortung für die Registrierung sowie die Sammlung und Aufbewahrung obliegt jeder einzelnen Abteilung."

2.3.4. In bezug auf "Wirtschaft in Gemeinschaft"
Im Jahr 1996 hat die Privatmolkerei 0,3% ihres Umsatzes (in etwa 300.000 DM) für soziale Initiatin zur Verfügung gestellt.

Die befragten Führungskräfte halten einen Wettstreit zwischen den Mitarbeitern gewöhnlich nicht für fruchtbar, sondern eher für schädlich.



2.4. Protokolle der Arbeitsschutz - Ausschußsitzungen (von 1992 - 1998)
Der Aufbau der Protokolle ist sehr geordnet: Nach der Angabe der Teilnehmer der Sitzung, den Personen, denen das Protokoll gegeben werden soll und dem Zeitpunkt der nächsten Sitzung werden die offenen Punkte des letzten Protokolls behandelt bzw. die neuen Punkte kurz beschrieben. Daneben sind zwei Spalten - eine, die die Person(en) beinhaltet, die für die Umsetzung des besprochenen Punktes rantwortlich ist / sind, und die andere Spalte, die den Endtermin für die Erledigung angibt.

Beispiele für Besprechungspunkte sind die Einrichtung einer Raucherecke außerhalb der Produktion, der Umgang mit Alkoholproblemen im Betrieb, Sauberkeit in den Sozialräumen und Erste-Hilfe-Schulungen.

In Rahmen dieser Ausschußsitzungen wurden im Mai 1995 auch jene Punkte durchgesprochen, die beim Gesundheitsbericht bemängelt wurden. Dabei wurde die Einrichtung eines neuen Ausschusses, des "Arbeitssicherheitsausschusses - Gesundheitsförderung" beschlossen.



2.5. Broschüre für Kunden der Molkerei
In dieser Broschüre werden die einzelnen Produkte der Privatmolkerei Naarmann aufgelistet, und es wird deren Zusammensetzung in vier Sprachen genau umschrieben. In den ersten beiden Seiten der insgesamt 36seitigen Broschüre wird das Unternehmen kurz vorgestellt. Dabei wird betont, daß sich die Molkerei "schon seit 1903" der Herausforderung stellt, "Produkte für Menschen von heute" zu erzeugen. Das Unternehmen betont, wie wichtig ihnen die "Partnerschaft" mit der "Industrie, dem Handel und deren Kunden" ist.

"Qualität wird bei Naarmann groß geschrieben. Vom Erzeuger bis zum Service. () Unter strenger Einhaltung von Hygienekriterien nach dem HACCP Konzept und den Vorgaben der DIN ISO 9001 und unter Einsatz modernster Poduktions-, Steriltank-, Abfüll- und Verpackungstechnik werden heute täglich an die tausendmal so viele Liter Milch wie 1903 zu unseren hochwertigen Produkten rarbeitet."

Die Molkerei unterstreicht also die Vorteile, die sich aus einem traditionsreichen Familienbetrieb ergeben und garantiert den Kunden einwandfreie Qualität, die sie durch unterschiedliche, hochqualitati Techniken immer wieder neu zu erreichen rsucht.



2.6. Ausstattung, Möbelstücke, Raumaufteilung, Bilder, Gegenstände,
Durch eine Betriebsbesichtigung und mehrere kurze Betriebsgänge bin ich auf einige für meine Arbeit interessante Dinge gestoßen:

Das Unternehmen hat eine Betriebsfläche von zirka 25.000 m² mit mehreren Hallen für die Produktion und die Lagerung, eines Verwaltungsgebäudes und einigen Labors. Es ist auch im Besitz einer eigenen Tankstelle für dessen Lieferwagen.

Beim Eingang des Verwaltungsgebäudes sind zwei Bilder aufgehängt: Eines zeigt die Zertifizierung von DIN EN ISO 9001 durch die Lloyd's Register Quality Assurance aus dem Jahr 1997. Demnach ist das "Qualitätsmanagement - System anwendbar für: Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Milch- und Sahneprodukten sowie Be- und Verarbeitung von pflanzlichen und tierischen Eiweißsubstanzen."

Neben dem Zertifikat ist in einem Glasbild folgende "Qualitätspolitik der Privatmolkerei Naarmann KG" durch eine eigenhändige Unterschrift der Geschäftsführung festgehalten: "Unser Unternehmen ist stets bestrebt, den höchsten Ansprüchen der Kunden an die Qualität unserer Leistungen zu angemessenen Preisen zu genügen."

Daß die Molkerei schon auf eine lange Tradition zurückgreifen kann, wird beim Betreten des Vorraumes im Verwaltungsgebäude sichtbar. Dort hängt nämlich ein großes Photo, auf dem das Unternehmen dargestellt wird - so wie es vor einigen Jahrzehnten ausgesehen hat. Vor dem Büro des Unternehmers Theo Naarmann befinden sich zwei große Bilder, die den Unternehmer der ersten und der zweiten Generation der Familie Naarmann abbilden - inzwischen sind beide bereits rstorben. Im größten Sitzungszimmer des Verwaltungsgebäudes (zirka 50 Sessel mit einigen Tischen in U-Form aufgestellt) sind als Dekorationsgegenstände drei alte Geräte (eines z.B. zur Buttererzeugung) aufgestellt. In diesem Sitzungszimmer finden Produktpräsentationen, Firmenfeiern oder größere Besprechungen statt.

Das Büro des Unternehmers, das er sich mit seinem Bruder Hans Naarmann (=Leiter der Produktionsabteilung) teilt, ist klein, einfach, aber stilvoll eingerichtet. Die Schreibtische der beiden Brüder sind aneinander geschoben, sodaß sie sich gegenüber sitzen. Im Raum vor dem Büro, der durch eine Glaswand vom eigentlichen Büro getrennt ist, stehen drei Tische (Deltoidform) mit sechs Sesseln für Besprechungen. Auch dieser Raum ist einfach aber harmonisch eingerichtet. An der Wand hängen drei große Bilder. Auf einem davon ist ein Photo von einer Kuh mit folgender Sprechblase abgebildet: "Gehst du in die Bar, Mann, rlange nur nach Naarmann", weiters ein Photo einer äußerst modernen Maschinenanlage des Unternehmens und schließlich ein Photo, das einen Tisch zeigt, der voll von frischem Obst, Früchtebechern mit Schlagsahne, Milch und Milchshakes ist.[2]

Auffällig im Verwaltungsgebäude ist die Tatsache, daß alle Büros (sechs mit meist zwei arbeitenden Personen) nicht durch eine Beton- sondern durch eine Glaswand voneinander getrennt sind. Nur das Büro des Verkaufsleiters und des Unternehmers erreicht man durch eine Holztür; die anderen durch eine Glastür.

Die einzelnen Büros sind weder mit Namen noch der Art der Tätigkeit der dort arbeitenden Angestellten beschildert. Der Unternehmer hat keine eigene Sekretärin, sondern ist für benötigte Schreibarbeiten mittels einer Fernsprechanlage mit einer Bürokraft rbunden.

Im Verwaltungsgebäude befindet sich auch eine Betriebsküche, deren Kühlschrank voll von Naarmann - Produkten ist.



Beim Eingang des Laborgebäudes hängt ein großes Bild, in dem sich elf Urkunden der DLG (Deutsche Landwirtschaftliche Gesellschaft) aus dem Jahr 1997, sowie das ISO 9001 Zertifizierungsdokument befinden. Beispiele für die Urkunden sind: "Silberner Preis für Schlagsahne" oder "Großer Preis für fettarme Milch".

Auf derselben Wand befinden sich die Stechuhr und zwei Plakate. Ein Plakat zeigt ein Computermännchen, das sagt: "Ein strahlendes Lächeln kostet weniger als Sie denken."; das zweite Plakat bildet eine stehende Kuh ab, die sagt: "Ich wär so gerne Milchionär."

Neben der Stechuhr befindet sich ein blauer "Kummerkasten", der vom Betriebsrat für Anliegen oder Beschwerden der Beschäftigten errichtet worden ist. Die Staubschicht auf dem Kasten läßt rmuten (was mir auch bestätigt worden ist), daß der Kasten kaum rwendet wird.



2.7. Kleidung
Die Angestellten der Verwaltung tragen "normale Straßenkleidung", während alle anderen MitarbeiterInnen Arbeitskleidung - einen weißen Mantel und meist auch eine weiße Kopfbedeckung - tragen. Der Unternehmer und der Produktionsleiter sind die einzigen im Verwaltungsgebäude, die Arbeitskleidung tragen.



2.8. Zeitschriften
Beim Eingang des Verwaltungsgebäudes liegen mehrere Zeitschriften auf - laut Theo Naarmann: "zum Durchsehen für jeden, denn es ist ja wichtig, am laufenden zu bleiben." Auf den Zeitschriften befindet sich ein Laufzettel, um zu garantieren, daß bestimmte Angestellte die Zeitschrift durchgesehen haben.

Einige Beispiele von Zeitschriften:

· GV - PRAXIS - Die Wirtschaftsfachzeitschrift für Großrpflegung

· SERVISA: Das Service - Bund Magazin

· GASTRONOMIE

· MILCH - MARKETING

· DIE WELT DER MILCH

Vor dem Büro bzw. Besprechungszimmer des Unternehmers ist eine kleine Ledersitzbank mit einem Tisch, auf dem ebenfalls diese Zeitschriften aufliegen.

3. Verbales und nonrbales Verhalten
Im folgenden werde ich die einzelnen Interviews, die teilnehmende Beobachtung während einer Besprechung und während meines gesamten Aufenthalts im Betrieb im Hinblick auf die drei von mir gewählten Schwerpunkte der Unternehmenskultur präsentieren. Da ich die Interviews auf Tonband aufgenommen habe, werde ich einige interessante und wichtige Passagen zitieren.



3.1. Zur Zitierweise
Hat der Interviewpartner während seiner Aussage eine länger als eine Sekunde dauernde Pause gehalten, kennzeichne ich das an der besagten Stelle auf folgende Weise: ( ).

Beispiel: "Ja, ( ) es war irgendwie immer schon mein ( ) Traum gewesen"

Betont der Interviewpartner ein Wort, indem er die Lautstärke erhöht, kennzeichne ich das durch ein Rufzeichen in Klammer (!).

Beispiel: "Ja, es sind ja auch wir(!)."



3.2. Zur Vorgangsweise der Interviews
Anstatt streng einem vorformulierten Fragebogen zu folgen, führte ich qualitati Interviews (siehe Kap. 3.5.) durch. Zu Beginn jedes Interviews erklärte ich dem/der Befragten den Inhalt meiner Untersuchung in der Molkerei, und bat ihn/sie bei Zusicherung von Anonymität, die Interviews auf Tonband aufzunehmen, was für keinen der Interviewpartner ein Problem darzustellen schien. Danach stellte ich zu jedem der Themenschwerpunkte - inkl. "Wirtschaft in Gemeinschaft" - einige Fragen, die ich mir zwar vorformuliert hatte (Fragebogen siehe Anhang II), an die ich mich während des Interviews aber nur im groben hielt. Am Ende des Interviews stellte ich die Frage nach einer Zukunftsvision für das Unternehmen ("Wo sehen Sie das /Ihr Unternehmen in fünf Jahren?"), sowie eine symbolische Frage: "Wenn Sie das Unternehmen mit einem Tier rgleichen müßten, an welches Tier würden Sie dabei denken? Warum?"



Anschließend an jedes Interview machte ich mir einige Notizen über den Ort und die Zeit des Interviews, sowie über Gegebenheiten, die mir beim Verlauf des Interviews besonders auffielen. Während des Interviews machte ich mir nie Notizen, sondern hörte zu.



3.3. Interviews mit dem Unternehmer
Mit dem Unternehmer Theo Naarmann führte ich insgesamt vier Interviews und einige kurze Gespräche zwischendurch. Beim ersten Interview - es fand am Ende des ersten Vormittags, den ich in der Firma rbracht hatte, statt - stellte ich ihm einige Fragen bezüglich der gewählten Themenschwerpunkte. Im Laufe der Untersuchung tauchten immer wieder neue Fragen auf, die ich mir sofort notierte und die ich ihm dann in den folgenden Interviews stellen konnte. Der Zeitpunkt dieser Interviews war sehr spontan gewählt, nämlich immer dann, wenn Theo Naarmann gerade Zeit hatte und mich fragte, ob irgendwelche Unklarheiten aufgetreten seien. Der Ort der vier Interviews war jedes Mal der Besprechungsraum vor seinem Büro.

3.3.1. In bezug auf Motivation und Ziele
Unternehmer-Sein motiviert Herrn Naarmann "insofern, daß man unternehmerisch tätig werden kann. Man kann Ideen, die man selber hat, rsuchen zu rwirklichen. Das kann man als Unternehmer am besten."

Als Ziel für sein Unternehmen hat er sich gesetzt, "daß das Unternehmen die Arbeitsplätze erhält, denn bei uns in der Branche herrscht eine starke Konzentration." Er unterstrich an dieser Stelle und auch im weiteren Verlauf dieses und der folgenden Interviews die Wichtigkeit der Spezialisierung auf Nischenprodukte: "Wir wollen nur langsam wachsen und wollen das machen, was die Großen nicht können - die Nischenprodukte." Bei einem anderen Mal meinte er "Wir müssen schwierige Sachen machen. Mit leichten macht man in Zukunft auch kein Geld mehr." oder: "Ich sag immer: Bitte schwere Sachen, nicht so leichte Sachen. - Es muß schwierig sein." Herr Naarmann will sich also gemeinsam mit seinen MitarbeiterInnen einer schwierigen Herausforderung stellen, und ihm gelingt dies auch immer wieder. Der Grund für den Erfolg sieht der Unternehmer in der "guten Zusammenarbeit - und daß der Herrgott da auch mitspielt, das ist mir vollkommen klar."

Theo Naarmann ist auch sehr stolz auf die großen Innovationen des Unternehmens. Das wird auch in einem Interview deutlich, in dem er von holländischen Besuchern erzählt, für die es unvorstellbar ist, daß man mit so wenigen Maschinen und Angestellten eine solche Vielfalt von unterschiedlichen und schwer herzustellenden Produkten erzeugen kann.

Das Ziel des Unternehmens, ständig neue Produkte herzustellen, wird auch nochmals unterstrichen, als Theo Naarmann bei der symbolischen Frage die Molkerei mit einem Fuchs rgleicht:

"Wie gesagt, wir sind immer darauf bestrebt [], etwas herauszufinden, etwas auszuprobieren und zu machen, wieder zu rbessern. Ein Fuchs ist ja listig, ja listig in Gedanken wohl, aber nicht andere Leute über den Tisch ziehen. Das wollen wir nicht. Das machen wir nicht."

Zufrieden geht der Unternehmer dann nach Hause, "wenn einem wieder einmal irgend etwas geglückt ist, woran man lange gearbeitet hat."

Darüber hinaus betont Theo Naarmann mehrmals, wie wichtig ihm die Zufriedenheit seiner Mitarbeiter ist:

"Ja, also nur mit positiv denkenden Menschen, mit zufriedenen Menschen, kann ich auch eine so schwierige Position durchführen. Wenn die Menschen im Betrieb unzufrieden wären(!), dann könnte ich so eine Produktion, wie wir sie heute fahren, nicht machen."

Da die Molkerei eine "harte Branche" ist, ist die Privatmolkerei Naarmann auch stets bestrebt, kostengünstig zu produzieren:

"Daher achten wir auch auf die Kosten. Darum mache ich auch jeden Tag einen Rundgang und gucke genau nach, wieviel Wasser wir gebraucht haben, wieviel Reinigungsmittel, wie lange die Kühlmaschinen laufen, und lauter solche Sachen. Damit kann man sehr viel Geld sparen."

Der Unternehmer scheint allerdings nicht nur nach seinem eigenen Vorteil und Gewinn bestrebt zu sein, sondern er stellt im Rahmen des Projektes der Wirtschaft in Gemeinschaft (siehe Teil 2) unter anderem sein Know-how anderen Betrieben zur Verfügung:

"Was wir machen können - und deswegen finde ich Wirtschaft in Gemeinschaft auch gut - ist, daß wir Know-how weitergeben können. Das braucht man auch nicht zu bezahlen. Know-how kann man geben. Also, die Erfahrung, die man hat, kann man geben."

Abgesehen von der kostenlosen Weitergabe von Know-how an andere Unternehmen in Brasilien, Argentinien und Polen, stellt der Betrieb immer wieder Teile seines Gewinns sozialen Projekten zur Verfügung bzw. unterstützt Jungunternehmen, die in ihren Betrieben ebenso die Ideen der Wirtschaft in Gemeinschaft umsetzen wollen. Im Jahr 1997 hat der Unternehmer 10% des Gewinns für das Projekt der Wirtschaft in Gemeinschaft gegeben.





3.3.2. In bezug auf die Beziehungsebene
Bezüglich ihrer Beziehungen zu den Kunden sagt Theo Naarmann:

"Die Beziehungen zu unseren Kunden - die sind gut. [] Über Preise streitet man sich immer, das ist immer das gleiche Thema, aber ansonsten im großen und ganzen muß ich sagen, läuft es sehr gut. Also, ich muß sagen, wir haben ein ganz gutes Verhältnis zu ihnen."

Er betont in diesem Zusammenhang auch die sehr positi Beziehung der Molkerei zu einem Großkunden, über den normalerweise schlecht gesprochen wird.

"N. ist einer der fairsten Kunden überhaupt. Wir arbeiten mit dem schon 25 Jahre, und wir müssen sagen, der hat immer seine Zusagen eingehalten, und der ist nie unfair gewesen."

Auch zu den Konkurrenten sei das Verhältnis gut. Vor allem in den letzten Jahren ist es sehr entspannt geworden, weil "wir heute nicht mehr die gleichen Produkte erzeugen. Wir führen Spezialmarken. Darum haben wir mit allen ein sehr gutes Verhältnis." So ist es ihnen heutzutage auch möglich ("Das wäre vor zehn Jahren unmöglich gewesen"), einen Vertrag bezüglich der Lieferung von Frischmilch mit einer Nachbarmolkerei unter "rnünftigen Konditionen" abzuschließen.



Ebenso sei die Beziehung zu den Lieferanten, den Bauern, gut. Diese sagen, "daß sie von uns - weil wir privat sind - besser informiert werden, als wenn sie zu einer großen Genossenschaft gehen würden." Für jene Lieferanten, die sehr gute Qualitäten geliefert haben, gibt es einmal im Jahr eine Prämierung mit einem Gratismittagessen, rschiedensten Ehrungen und Plaketten.



Auch die Atmosphäre innerhalb des Betriebes schätzt Theo Naarmann "sehr positiv" ein. Da er bestrebt ist, das Betriebsklima ständig zu rbessern, läßt er in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat immer wieder eine Betriebsklima - Untersuchung durchführen. So "wissen sie (=Angestellten) auch, daß ich daran (=an der Verbesserung des Betriebsklimas) arbeite." Nach der Betriebsklima-Analyse aus dem Jahr 1997 wurde im Unternehmen eine Intensivbearbeitung jener Dinge durchgeführt, die "gravierend angegriffen worden sind. [] Und daher haben wir - glaube ich - auch noch mehr Zufriedenheit. So haben wir noch mehr erreicht, daß alle merken, wir sitzen alle in einem Boot, und wir müssen etwas unternehmen."

Über die Anzahl der Beteiligten an der eben genannten Untersuchung zeigt sich Theo Naarmann "sehr enttäuscht, daß es nur so wenige waren, obwohl wir uns vorher die Zustimmung des Betriebsrates und des Personals geholt haben." Er würde sich also noch mehr Mitarbeit seitens seiner Angestellten wünschen, auch wenn das die Untersuchung durchführende Institut ihm erklärt hatte, daß die Teilnahme der Mitarbeiter in anderen Betrieben bei der gleichen Untersuchung noch viel geringer gewesen sei.



Bei Schwierigkeiten mit einzelnen Beschäftigten rsucht Theo Naarmann, sachlich mit ihnen darüber zu sprechen. Aber auch Kritik an seiner Person oder seinen Handlungen erachtet er für wichtig:

"Also, Kritik muß sein. Wenn ich etwas rkehrt mache, sollen sie mir das auch sagen. Das sagen sie auch wohl, so ist das nicht. Sie sagen mir auch wohl: Man hätte da z.B. eine andere Antwort finden können. Das sagen sie auch wohl. Darüber bin ich auch froh; das nehm ich ihnen nicht übel. Das ist genauso, wenn sie etwas gegen das Unternehmen sagen, was nicht recht läuft; dann sage ich ihnen: Ihr habt recht! Das muß man dann ändern. Das wollen wir dann auch ändern. Ich bin dafür, daß wir es ändern."

Dem Unternehmer ist es wichtig, daß sich alle im Betrieb wohl fühlen, um einerseits gewinnbringend arbeiten zu können, aber auch um der Menschen selbst willen - angefangen bei den Mitarbeitern:

"Man muß immer rsuchen, daß man jeden Beschäftigten seiner Qualifikation entsprechend dort einsetzt, wo er sich am wohlsten fühlt, denn da erbringt er am meisten. Da fühlt er sich wohl und ist zufrieden. Und das ist auch wichtig für ihn."

bis hin zu den Besuchern und Verhandlungspartnern:

"Das sind hervorragende Stühle, sie sind sehr schön, sind nicht zu modern - paßt zu unserem Stil. Wichtig ist, daß sich die Leute wohl fühlen können."



Theo Naarmann nimmt den Einzelnen mit seinen Anliegen sehr ernst, auch wenn er sich dadurch teilweise gegen den Betriebsrat stellt:

"Das kann ich dem Betriebsrat ja nicht vorher erzählen. Wenn er (=jemand, der aus einem privaten Grund gekündigt hat) mir ausdrücklich sagt, ich darf das nicht erzählen, dann tu ich das auch nicht."

In bezug auf den "Geist", der einen Betrieb der Wirtschaft in Gemeinschaft ausmacht, erwähnt Theo Naarmann, daß sie in der Molkerei rsuchen, "dem Einzelnen(!) zu helfen, der Schwierigkeiten hat". So beschäftigten sie auch alkoholabhängige Personen.

"Zwei haben wir jetzt drüber - die sind ,clean', und die sind gut drauf, und arbeiten heute hervorragend. Zwei andere haben wir noch, die noch nicht soweit sind."

Auch wenn die Beschäftigung dieser Personen mit großen Schwierigkeiten rbunden ist, will Theo Naarmann sie nicht entlassen, obwohl er das ohne weiteres tun könnte. Er glaubt allerdings, daß ihm das im Endeffekt auch von seinen Mitarbeitern (für die es nicht immer leicht ist, mit alkoholabhängigen Kollegen zusammen zu arbeiten) positiv angerechnet wird:

"Da sagt man dann: Das Unternehmen ist in Ordnung. Die gucken nicht nur darauf, daß von den Mitarbeitern alles ,tip top' gemacht wird, sondern die unterstützen auch jene, die schwach sind, damit sie wieder auf die Beine kommen. Und das ist wichtig!"

3.3.3. In bezug auf Entscheidungsprozesse
Bei den Gesprächen mit Theo Naarmann stieß ich sehr schnell auf einen "Rich Point"[3]. Wenn der Unternehmer vom Betrieb spricht, sagt er fast immer "Wir". Dieses Zusammengehörigkeitsdenken kommt im folgenden Satz stark zum Ausdruck, indem er sagt:

"Wir sitzen alle in einem Boot, und wir müssen etwas unternehmen. Wir müssen uns auf die Zukunft vorbereiten."

In einigen Fällen scheint er mit ,wir' die Unternehmensführung zu rstehen, in anderen Fällen alle Beschäftigten. Als ich ihm sagte, daß mir die Wir-Form aufgefallen ist, meinte er:

Er: "Ja, es sind ja auch wir(!). Ich bin ja nicht alleine."

Ich: "Und wen meinen Sie mit ,wir'?".

Er: "Ja, die ganze Mannschaft hier. ( ) Ich kann ja nur ,ich' sagen, wenn ich direkt was mache. Aber ich mache ja nicht immer direkt etwas, sondern wir machen was gemeinsam. Wir rsuchen, im Markt klar zu kommen. Wir rsuchen, die Ware zu rkaufen, obwohl ich ab und zu auch ein gutes Geschäft mache, aber im Endeffekt ist das die Firma - wir, die ganzen Beschäftigten in der Firma."

Der Unternehmer rsteht sich also als ein Vorgesetzter, der Entscheidungen primär nicht alleine und autokratisch trifft, sondern in vielen Fällen seine Mitarbeiter miteinbezieht, was mir von einigen Beschäftigten auch bestätigt worden ist. Auf die Frage, ob sich Theo Naarmann als eher autoritär oder paritzipativ in seiner Führungsposition einschätzt, antwortet er, indem er dirse Sitzungen und Besprechungen aufzählt, die sie im Unternehmen haben. Er erwähnt die 14tägige "Montagsinfo", bei der das Produktionsbüro, der Verkauf, das Labor und die Expedition rtreten sind. Dort wird "ganz aktuell über das gesprochen, was gerade ansteht". In den Sitzungen wird angeblich sehr zeiteffektiv gearbeitet, und sie dauern - wie Herr Naarmann mehrmals betonte - "eine Stunde". "Wir machen keinen Babla dazwischen. Wir gehen zur Sache. Ja!" Als er mir den Aufbau des Protokolls erklärte, das im Anschluß an jede Sitzung erstellt wird, rdeutlicht er, daß sie im Unternehmen rsuchen, über Mißstände ganz offen zu sprechen und sie möglichst sofort zu beheben. Eine Person trägt dann immer die Hauptrantwortung für die Umsetzung. Auch wenn er bei seinem täglichen Rundgang im Betrieb Mängel bemerkt, leitet er das sofort weiter - z.B. an die Schlosser.

Alle acht Wochen gibt es auch eine Strategiesitzung in Münster (also außerhalb des Betriebes) bei einem Berater, bei der die Geschäftsleitung und die Außendienstmitarbeiter teilnehmen, da es sehr wichtig sei, die eigene Strategie immer wieder zu überprüfen.

In der Produktionsabteilung gäbe es dann intern auch immer wieder Sitzungen, in denen aktuelle Probleme besprochen werden. Darüber hinaus gibt es zweimal im Jahr eine Betriebsrsammlung. Er schließt die Aufzählung der einzelnen Besprechungen mit folgendem Satz ab:"Also, der Weg ist sehr kurz."

Theo Naarmann unterstreicht immer wieder die Vorteile eines Betriebes, in dem nur 90 Personen beschäftigt sind.

"Wir sind ein kleiner Betrieb, und da kennt jeder jeden, und man weiß genau, wie das zu Hause so ist." So ist es auch möglich, "daß der Weg ganz kurz ist."

In dieser Branche sei es sehr wichtig, daß schnell, korrekt und kostengünstig gearbeitet wird, denn "wir können uns das sonst nicht leisten".



In bezug auf den praktizierten Erfahrungsaustausch zwischen den Betrieben der Wirtschaft in Gemeinschaft (siehe Kap. 7.3.4.) erzählte mir Theo Naarmann:

"Wir treffen uns mehrere Male im Jahr. [] Mit einigen hier von der näheren Region - die halt hier so wohnen - treffen wir uns ab und zu und machen einen Austausch über Dinge, die eben so in einem Unternehmen passieren, wie wir uns da rhalten, was wir da machen können."

3.4. Interviews mit zwei Angestellten der Verwaltungsabteilung
3.4.1. In bezug auf Motivation und Ziele
Beide Interviewpartner fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz sehr wohl. So meint einer:

"Ich arbeite gerne. Ich finde, das Betriebsklima ist gut, unter den Arbeitskollegen kommen wir ganz gut klar, und mit dem Chef kommt man auch gut klar. Die Arbeitszeiten sind sehr flexibel [] Wir haben viele Freiheiten, die wir woanders vielleicht nicht hätten."

Was beide insbesondere motiviert, ist die korrekt ausgeführte Arbeit selbst. Ein Interviewpartner findet es sehr wichtig, daß die Arbeit, die er rrichtet, auch bestätigt wird.

Allerdings: "Man muß mir ja nicht unbedingt sagen: Du hast toll gearbeitet - Das will ich ja auch nicht - Wenn ich selber weiß, meine Arbeit ist richtig gewesen, dann bin ich schon zufrieden."

Beim Interview mit einer Führungskraft der Verwaltungsabteilung kommt zum Ausdruck, daß die Person besonders dann zufrieden ist, wenn sie ein gutes Geschäft abschließen konnte.

Unzufrieden ist der Befragte dann, wenn einige Beschäftigte die Arbeit nicht gewissenhaft erfüllen, weil das nicht selten Beschwerden seitens der Kunden zufolge hat. In diesen Fällen ist es oft seine Aufgabe, alles wieder ins rechte Lot zu bringen.



3.4.2. In bezug auf die Beziehungsebene
Auf die Frage nach der Beziehung der Molkerei zu ihren Kunden, bekam ich von einem die Antwort, daß die Beziehung "sehr gut" sei. Seine positi Einschätzung stammt vor allem aus der Tatsache, daß die Molkerei ihre Kunden "schon seit Jahren(!)" beliefert. Dies sei für ihn ein Zeichen, daß die Kunden zufrieden sind. Die von mir befragte Führungskraft unterschied bei dieser Frage zwischen rschiedenen Kundentypen.

"Einige Kunden sind sehr kurz ab (=kurz angehalten). [] Andere Kunden - ja, zu denen hat man eine andere Beziehung. Mit denen unterhält man sich auch über private Dinge."

Das Unternehmen sei stets bemüht, mit allen Kunden - egal ob große oder kleine Firmen - partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Er erwähnte eine Firma, mit der die Molkerei jährlich einen Umsatz von sechs Millionen DM macht:

"Es sind auch immer sehr harte Preisgespräche, aber unterm Jahr - wenn dann alles vom Preis her klar ist - kommen wir blendend gut miteinander aus."

Im Bezug auf die Beziehung zu den Lieferanten meint einer meiner Gesprächspartner:

"Da bemühen wir uns, immer offen zu sein. Wir brauchen eigentlich nicht sagen ,bemühen', denn wir sind(!) offen. [] Wir haben keine Geheimnisse."

Auf die Frage nach der Beziehung zu den Konkurrenten antworten beide, daß man gar nicht von reinen Konkurrenten sprechen kann, weil:

"Wir haben ja auch einen ganz anderen Kundenkreis als die umliegenden Molkereien."

Ansonsten ist die Beziehung "von Wettbewerber zu Wettbewerber rschieden." Auf alle Fälle sei es nicht so, daß jeder rsucht, dem anderen Aufträge wegzureißen:

"Die meisten sind da schon sehr rnünftig."

Die Beziehung unter den Kollegen ist ihrer Meinung nach auch sehr gut, was einer der Interviewpartner folgendermaßen begründet:

"Wir haben eigentlich selten Krach. [] Wir haben unsere Betriebsfeste, die auch alle harmonisch rlaufen."

Weiters gibt es auch mehrere interne Feste in der Verwaltung und:

"Es gibt auch freundschaftliche Beziehungen, auch nach der Arbeit kann man sich noch unterhalten."

Natürlich gäbe es auch ab und zu Streitigkeiten, und während sich einige Kollegen blendend rstehen, haben andere Schwierigkeiten miteinander .

Beide Angestellten erwähnten mir gegenüber, daß bei der Art der Anrede unter den Beschäftigten das Alter eine wesentliche Rolle spiele. Allerdings duzt man sich im allgemeinen unter den Kollegen, während Führungspositionen oft gesiezt werden. Die Führungskraft in der Verwaltung meint dazu: "Ich nütze das ,Sie' allerdings auch so ein bißchen dazu, wenn ich von irgend jemanden Abstand halten will(!)." Manchmal helfe ihm das "Sie" auch, um sich Respekt zu rschaffen:

"Ich bin ja für diese Position noch recht jung. Wenn ich dann - von meiner Stellung aus - mit Alteren umgehen muß, ist es teilweise(!) auch gut, wenn man einen gewissen Abstand hat. [] Ich bin mit Sicherheit keiner, der den Vorgesetzten raushängen will. Ich habe das in der Regel kollegial gelöst, aber ab und zu hilft einem das ,Sie' - das muß ich ehrlich sagen."

Mit dem Unternehmer kommen beide "gut" bzw. "sehr(!) gut" klar. Sie betonen die Freiheiten und das Vertrauen, die dieser den Beschäftigten gibt, was in folgenden Aussagen gut zum Ausdruck kommt:

"Die Arbeitszeiten sind sehr flexibel - Der Chef sagt, wir können kommen und gehen, wann wir wollen. Wir haben viele Freiheiten, die wir woanders vielleicht nicht hätten. Und trotzdem denke ich, ist der Chef auch zufrieden, weil die Arbeit auch erledigt wird."

Oder:

"Er gibt einem die Chance, läßt einem machen. Und die Zusammenarbeit ist dann mit Sicherheit sehr(!) gut. [] Ja ( ) scheinbar ist er mit mir zufrieden, ich bin es mit ihm - somit ist auch das Zusammenarbeiten gut."

Diese Freiheit wird auch im Hinblick auf die Weiterbildungsseminare erwähnt:

"Bei Naarmann darf man im Prinzip selber entscheiden - brauch ich das, brauch ich das nicht. Und das läuft auch eigentlich sehr gut."

3.4.3. In bezug auf Entscheidungsprozesse
Die von mir interviewte Führungskraft sagte mir gegenüber, daß sie rsuche, auftretende Probleme gemeinsam mit den Mitarbeitern zu lösen, "was aber nicht immer leicht ist. Ich stelle Fragen, und da kommt gar nichts." Er würde sich von manchen Beschäftigten manchmal mehr Mitarbeit erwarten.

Um gemeinsam entscheiden zu können, ist es wichtig, daß jeder am laufenden ist. So sieht der Interviewpartner einen Großteil seiner Arbeit in der Informationsrarbeitung. Deswegen rgleicht er das Unternehmen auch mit einer "Spinne im Netz". Vor allem das Netz soll rdeutlichen, wie wichtig es ist, daß Informationen jeglicher Art gesammelt und weitergegeben werden, so daß sie kreisen können.

Auf die Frage inwieweit er sich persönlich in die Entscheidungsprozesse des Unternehmens miteinbezogen fühlt, meinte der zweiter Interviewpartner, daß weitreichendere Entscheidungen vom Verwaltungsleiter und Unternehmer getroffen werden, und er darauf auch keinen Einfluß habe:

"Dann ist die Entscheidung getroffen worden, und die akzeptiere ich dann auch - und kann damit leben. Man muß damit leben, wenn man eine niedrigere Stellung hat."

Allerdings gewann ich den Eindruck, daß sich der Angestellte mit den getroffenen Entscheidungen identifiziert, was er am Ende des Gespräches auch ausdrücklich sagte.

Von diesem Angestellten wird bemängelt, daß es innerhalb der Verwaltung keine Besprechungen gibt, was er manchmal für sehr sinnvoll halten würde. Den Grund, weshalb andere Abteilungen des Betriebes sehr wohl interne Besprechungen haben, sieht er darin, daß die Verwaltung weniger Probleme hat, und die Probleme, wenn sie auftreten, "sofort an Ort und Stelle gelöst werden und nicht auf die lange Bank geschoben werden."



3.5. Interviews mit zwei Beschäftigten der Produktionsabteilung bzw. der Produktentwicklung
3.5.1. In bezug auf Motivation und Ziele
Den beiden Beschäftigten scheint die Arbeit samt der modernen Maschinenanlagen Spaß zu machen und sie zu motivieren, ihr bestes zu geben. Dies kommt durch folgende Aussagen zum Ausdruck:

"Also, mich fasziniert eigentlich diese Technik - diese Verfahrenstechnik! [] Man ist immer wieder neu gefordert, und das finde ich das Schöne daran."

Oder:

"Ja, ( ) es war irgendwie schon immer mein ( ) Traum oder Wunsch gewesen, im Labor zu arbeiten."

Besonders zufrieden gehen beide nach Hause, wenn die ganze Produktion gut gelaufen ist, und sie ein auftretendes Problem zu lösen imstande waren. Auch das Arbeitsklima spielt für ihre Zufriedenheit eine wesentliche Rolle.

3.5.2. In bezug auf die Beziehungsebene
Eine Interviewpartnerin meint, daß "der ganze Kundenkreis im großen und ganzen sehr zufrieden ist." Diese persönliche Einschätzung gewinnt sie vor allem aus den Reklamationen der Kunden des Großhandels, die sie im Labor erreichen.

Ebenso meint sie, daß die Bauern mit der Molkerei zufrieden sind. Sie erzählt, daß viele ein "Service der Molkerei Naarmann" nützen, und zwar eine Milchprobe im Labor gratis untersuchen zu lassen.



Auf die Frage nach dem allgemeinen Arbeitsklima im Unternehmen bekam ich zwei unterschiedliche Aussagen. Innerhalb ihrer Abteilung empfinden beide die Atmosphäre sehr gut, und die Beziehung unter den Kollegen ist freundschaftlich. Natürlich gäbe es auch bei ihnen "gespannte Tage", was auf den Gemütszustand der einzelnen Mitarbeiter zurückzuführen ist. Unter den Kollegen sind sie per Du, ausgenommen den "Leuten im Produktionsbüro, den Chefs usw. gegenüber"

Während eine Interviewpartnerin auch das Arbeitsklima im gesamten Unternehmen als "sehr gut" deklariert, meint der andere:

"Hingegen in anderen Abteilungen da seh ich, daß sie sich gegenseitig als Rivalen(!) sehen."

Die Arbeiter würden sich dort gegeneinander ausspielen.

"Aber das ist in meiner Abteilung nicht der Fall. Wir haben entschieden, daß wir zusammenarbeiten. [] Ich mein, es ist sehr harmonisch."

Die persönliche Beziehung zu dem Unternehmer bezeichnen beide als sehr gut. So meint ein Interviewpartner:

"Ja, ich muß sagen, mit Herrn Naarmann kann man auch gut reden, auch wenn man einmal irgendetwas anderes hat; das ist überhaupt kein Problem. Und er ist auch sehr entgegenkommend."

Das Verhältnis zu den Mitgliedern des Produktionsbüros, die beide als ihre unmittelbaren Vorgesetzten bezeichnen, scheint grundrschieden zu sein. Ein Interviewpartner meint:

"Man kommt da wohl mit ihnen klar.[] Also, man steht da nicht allein mit solchen Sachen."

Der andere unterscheidet hingegen zwischen der Beziehung, die er zu den einzelnen Mitgliedern des Produktionsbüros hat. Zu einem sei die Beziehung "sehr(!) distanziert", mit einem anderen könne er "gut reden". Da es drei Personen sind, wisse man öfters nicht, an wen man sich zu wenden hat. Außerdem ändern sie schnell ihre Meinung:

"Dann steht man da. Dann wird man allein gelassen."

3.5.3. In bezug auf Entscheidungsprozesse
In die Entscheidungsprozesse fühlt sich eine Befragte sehr wohl miteinbezogen:

"Sicher, es ist klar, daß er (=Unternehmer) viele Entscheidungen auch selber trifft - ,Das wird jetzt so gemacht.' - aber ansonsten kann ich mir vorstellen, und das haben wir selber auch schon mitgekriegt, fragt er: ,Was würden denn Sie dazu sagen?' Da fragt er auch uns im Labor."

Ahnliche Erfahrungen hat die Laborabteilung auch mit der Produktionsleitung gemacht. In manchen Dingen entscheidet diese für sich selbst, doch in anderen Fällen wird auch das Labor in einem Entscheidungsprozeß hinzugezogen.

Andere Erfahrungen mit dem Produktionsbüro hat mein zweiter Interviewpartner gemacht. Er sieht ein Problem beim Entscheidungsprozeß darin, daß das Produktionsbüro keine Entscheidungen treffen will, weil die Betroffenen Angst haben, eine falsche Entscheidung zu treffen. Im nachhinein will dann niemand etwas gesagt haben, damit er nicht für eine falsche Entscheidung rantwortlich gemacht werden kann. Schließlich meint der Interviewpartner:

"Ja, daß sie sich vor einer Entscheidung drücken wollen, das kommt recht häu vor."

In manchen Fällen treten dann - gerade weil das Produktionsbüro keine Entscheidung getroffen hat - weitere Probleme auf, die sich durch Verzögerungen in der Produktion auswirken.



Durch das Protokoll der Montags-Info, das für alle zugänglich ist, fühlt sich ein Interviewpartner immer am laufenden gehalten:

"Man kann auch immer wieder nachfragen, was anderes war. Das läuft schon gut. Jeder ist eigentlich immer informiert. []Man kann mit Sicherheit Vorschläge vorbringen (in bezug auf Montagsinfo). Ja, das wird auch teilweise rlangt, daß man eigene Ideen hat."

Es wurde mir von den Renovierungsarbeiten im Labor erzählt, bei denen die Mitarbeiter des Labors bestimmt haben, wie diese Arbeiten am besten durchgeführt werden sollen:

"Es wurde uns nicht vorgesetzt: So oder so wird das jetzt gemacht. Das haben wir gesagt; das machen wir(!); das bestimmen wir jetzt, wie es wieder neu aufgebaut wird. Das ist auch gut so, denn es müssen ja auch wir damit arbeiten."

Bemängelt wurde bei einem anderen Interview, daß es zwischen den einzelnen Abteilungen des Produktionsbereiches keine Besprechungen mehr gibt, obwohl diese sehr wichtig wären, weil sie ein "übergreifendes Prozeßdenken ermöglichen". Vor einigen Jahren hatte es diese Zusammenkünfte gegeben:

"Und das war eigentlich sehr schön, weil es (=Problemlösung) gemeinschaftlich(!) erarbeitet wurde. Dann hatte man immer das Gefühl, das Problem in Griff zu kommen."

Es konnte mir kein Grund gegeben werden, weshalb die Versammlungen nicht mehr stattfinden.

"Man hat immer wieder so eine Ausrede gefunden."

3.6. Teilnehmende Beobachtung bei einer Besprechung
Die Sitzung (Dauer: zirka eine Stunde) fand im Büro einer Führungskraft der Verwaltung statt. Anwesend waren zwei Personen der Geschäftsleitung sowie vier Führungskräfte der Verwaltung, der Produktentwicklung und der Expedition.

3.6.1. In bezug auf Motivation und Ziele
Bei dieser Besprechung handelte es sich um eine sogenannte Ad-hoc Sitzung: Von einem auslaufenden Produkt wurde einem Kunden zu viel geliefert, und der Kunde hatte sich darüber beschwert. Die Ursache des Übels lag darin, daß wichtige Informationen innerhalb des Betriebes nicht weitergeleitet worden waren. In der Sitzung sollte gemeinsam eine Lösung erarbeitet werden, wie man derartige Fehler in Zukunft rmeiden könnte. Der Beweggrund für diese Sitzung war also die zukünftige Fehlerrmeidung.

Die Teilnehmenden waren teilweise sehr interessiert, an einer guten Lösung mitzuarbeiten, teilweise schien ihnen das nicht allzu wichtig zu sein, was ich aus dem Grad der aktin Beteiligung schloß.

3.6.2. In bezug auf die Beziehungsebene
In der Sitzung wurde sehr respektvoll miteinander umgegangen. Man unterbrach sich kaum, und es wurde auch niemand persönlich angegriffen, so daß keiner in eine bloße Verteidigungsposition geriet. Teilweise haben sich die Personen mit Vornamen angesprochen, teilweise mit Nachnamen.

Man hatte während der Sitzung den Eindruck, daß jeder Beitrag - egal von wem er kam - für die Lösung des Problems wichtig war. So betonte der Verantwortliche der Sitzung: "Wir sind offen für alles." Er und der Unternehmer sprachen einige Anwesende auch persönlich an "Was meinst du / Was meinen Sie?", und sie faßten wichtige Punkte immer wieder zusammen. Diese offene Atmosphäre fiel mir auch gleich beim Betreten des Büros auf. Der Einladende der Besprechung besprach noch eine Sache mit dem Qualitätsmanager. Er hieß mich aber gleich willkommen und meinte, daß ich ruhig Platz nehmen könne, da es bei ihnen nichts zu rheimlichen gibt, und er führte das Gespräch noch zu Ende.

Während der Besprechung saß ich mit ihnen am Tisch, und der Unternehmer erklärte mir zwischendurch, welches Problem sie zu lösen hätten. (Das Problem wurde zwar am Anfang genannt, und jeder schien darüber genau Bescheid zu wissen, ich als Außenstehende konnte es aber nur im groben erahnen.)

Obwohl die Tragweite des aufgetretenen Fehlers nicht von geringer Bedeutung war, wurde zwischendurch auch gelacht, als jemand eine lustige Episode erzählte, die am Morgen passiert war. Die Atmosphäre war also trotzdem ziemlich entspannt.

Der Beziehung unter den Anwesenden lag auch eine große gegenseitige Hochschätzung der vollbrachten Arbeit zugrunde. So sagte Theo Naarmann am Ende der Sitzung zu mir, daß es der vom Verkauf nicht leicht hat, denn zu ihm kommen die Kunden, die sich beschweren usw. Ebenso sei der, der die Produkte entwickle, einer sehr großen Herausforderung gestellt. Darauf hin meinte ein anderer der Anwesenden, daß es ja auch jener von der Spedition und die vom Einkauf nicht leicht haben, woraufhin der Unternehmer feststellte: "Ja, heutzutage ist es nicht mehr leicht."



3.6.3. In bezug auf Entscheidungsprozesse
Die Person, die zu dieser Sitzung eingeladen hatte, leitete die Besprechung, indem sie sowohl Fragen in den Raum stellte als auch persönlich welche an einzelne Anwesende stellte, wichtige Punkte zusammenfaßte ("Wir müssen daran arbeiten.") und sich Notizen machte, die ihr für das Zusammenstellen des anschließenden Protokolls dienten. Räumlich gesehen war sie von den Anwesenden ein wenig entfernt, weil sie an ihrem Schreibtisch saß, an dessen Vorderseite der Tisch anschloß, an dem die Anwesenden saßen. Sie war allerdings die meiste Zeit vorgebeugt und zeigte großes Interesse an der Meinung der anderen. Nachdem jene Person folgendes gesagt hatte: "Mir fällt nichts mehr ein. Aber vielleicht gibt's doch noch was.", setzte sie sehr bewußt - wie sie mir im Anschluß an die Besprechung erklärte - eine lange Pause und sah dabei in die Runde. Es kam aber zu keinen Außerung mehr.





Auch Theo Naarmann fungierte ein wenig als Leiter der Sitzung, indem er Fragen stellte bzw. Lösungspunkte zusammenfaßte, wie "Wir müssen alles dem Verkauf melden, nicht nur der Produktion." Während der Besprechung wurde auch deutlich, daß sich der Unternehmer im gesamten Betrieb sehr gut auskennt und mit einzelnen Begebenheiten rtraut ist.

Die Entscheidung, die getroffen wurde - der Verkaufsabteilung öfters Bericht zu erstatten - wurde bereits am Anfang der Besprechung von der Führungskraft der Verkaufsabteilung erwähnt. Sie erzählte von ihren Schwierigkeiten bei Reklamationen, die Kunden vorbringen, von deren Inhalt - Auslaufen eines Produktes - sie nicht ausreichend informiert worden war. Danach wurde ausführlich darüber diskutiert, warum die benötigte Informationsweitergabe in jenem Fall nicht zufriedenstellend funktionierte. Dabei war der Grad der aktin Beteiligung unterschiedlich - einige brachten ihre Meinungen sehr entschieden zum Ausdruck, andere sagten kaum etwas. Am Ende der Sitzung schien es für jeden Beteiligten plausibel zu sein, daß die Informationsweitergabe an die Verkaufsabteilung in vielen Fällen sehr wichtig ist. Ich konnte es allerdings nicht einschätzen, inwieweit sich die Beteiligten diesen Vorsatz in der Tat zu Herzen nahmen.

Im Rahmen dieser Sitzung wurde die Wichtigkeit einer weiteren Besprechung erkannt - zum ersten Mal wurde es vom Unternehmer erwähnt - , der Zeitpunkt festgesetzt, und gemeinsam wurde überlegt, wer daran teilnehmen sollte. Im Unternehmen scheint es also immer wieder der Fall zu sein, daß mit den jeweils Betroffenen gemeinsam an einer Lösung gearbeitet wird.



3.7. Teilnehmende Beobachtung während der gesamten im Unternehmen rbrachten Zeit
Während meiner Zeit in der Molkerei führte ich eine Art Tagebuch, in dem ich mir immer wieder Notizen über Dinge machte, die ich hörte oder die ich beobachten konnte. Zwei Punkte werde ich im folgenden wiedergeben:

¨ Ich empfand es als Zeichen der Offenheit und freundlichen Willkommenheit, daß jeden Morgen die Tür zum Besprechungszimmer, in dem ich mich tagsüber meist aufhielt, offen war, an düsteren Tagen bereits das Licht brannte und frisches Mineralwasser am Tisch stand.

¨ Während eines Interviews, das ich mit einer Führungskraft des Unternehmens führte, wurden wir durch ein Telefonat unterbrochen. Darin beschwerte sich eine Endkäuferin über ein Milchprodukt - später stellte sich heraus, daß es sich um Frischmilch handelte, also um kein Produkt der Molkerei Naarmann. Der Angestellte schlug ihr vor, einmal Haltbarmilch, die Naarmann produziert, zu probieren: "Allerdings will ich Sie nicht überreden, denn ich selber trinke auch lieber Frischmilch."



4. Grundannahmen der Unternehmenskultur
Im folgenden rsuche ich einige Grundannahmen aufzustellen, die den von mir beobachteten Artefakten sowie rbalem und nonrbalem Verhalten zugrunde liegen könnten. Durch die begrenzte Zeit, die ich im Unternehmen rbrachte, durch die kleine Stichprobe von Beschäftigen, die ich interviewte und den kleinen Auszug von Materialien, die ich bearbeitete, können die von mir aufgestellten Grundannahmen, die prinzipiell schwer ergründbar sind, nur ein Versuch sein, möglichen Ursachen für die gesammelten Eindrücke nachzugehen. Ziemlich bald sind mir bei der Untersuchung sogenannte Rich Points aufgefallen, die sich durch einen Großteil der "Spitze des Eisbergs" ziehen. Genau diesen Rich points werde ich nun eine mögliche Erklärung zugrunde legen, wobei ich wiederum von den drei gewählten Schwerpunkten ausgehe.



4.1. In bezug auf Motivation und Ziele
Die Betriebsklima-Analyse kommt zu dem Ergebnis, daß ein Großteil der Mitarbeiter gerne im Unternehmen arbeitet und daß die Beschäftigten auf ihren Betrieb stolz sind. Ebenso fühlt sich laut Gesundheitsbericht ein Großteil der Beschäftigten im Unternehmen gut aufgehoben. Dies wird auch durch jedes von mir durchgeführte Interview bestätigt.

T Warum also arbeitet ein Großteil der Beschäftigten gerne in der Molkerei? Was motiviert sie bei ihrer Arbeit?

Hauptausschlaggebend für die hohe Zufriedenheit am Arbeitsplatz scheint weniger ein hoher Verdienst zu sein, da durch die Betriebsklima-Analyse hervorgeht, daß beinahe die Hälfte der MitarbeiterInnen glaubt, woanders mehr Geld rdienen zu können. Weiters zeigt die Prioritätenliste, daß die MitarbeiterInnen als entscheidenden Faktor für ein gutes Betriebsklima den Aspekt "Arbeitssituation und Zufriedenheit mit der Arbeit" vor den Aspekt "Einkommen / Vermögensbeteiligung" reihen (siehe Kap. 3.1.2.).

Ein Hauptmotivator für das Wohlbefinden am Arbeitsplatz scheint meines Erachtens folgender zu sein: den Mitarbeitern macht die gut rrichtete Arbeit selbst Spaß. Mit anderen Worten: sie sind bei ihrer Arbeit intrinsisch motiviert. In ihnen scheint die Grundannahme rwurzelt zu sein, daß korrekt ausgeführte Arbeit zur Zufriedenheit führt. Da jeder Mensch das Bedürfnis nach Zufriedenheit hat, bemühen sich die MitarbeiterInnen, gewissenhaft und fleißig ihrer Arbeit nachzugehen. Sie sind demnach motiviert, ihr Bestes zu geben, und die daraus resultierende Zufriedenheit läßt sie auch gerne im Betrieb arbeiten.

Dies schließe ich aus folgenden Beobachtungen:

· Die von mir Interviewten betonen, daß sie dann zufrieden nach Hause gehen, wenn ihnen die Arbeit gut gelungen ist oder sie ein gutes Geschäft abschließen konnten. Beispiele:

"Man ist immer wieder neu gefordert. Und das finde ich das Schöne daran."

"Zufrieden macht eigentlich nur dann die Arbeit, wenn ich sie korrekt ausgeführt habe."

"Man geht eigentlich immer zufrieden nach Hause. Man hat die ganze Arbeit gemacht; man hat viel untersucht."

· Gerade damit sich die Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen können und ihnen somit beim guten Verrichten der Arbeit nichts im Wege steht, wurde die Gesundheitsanalyse durchgeführt. Dessen Hauptziel war es ja, äußerliche Mängel am Arbeitsplatz aufzudecken sowie das Führungsrhalten der Führungskräfte zu erfragen, um ein besseres Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

· Der Betriebsklimabericht zeigt, daß rund 80% der Befragten meinen, daß die Arbeit ihren persönlichen Neigungen entspricht.

· Theo Naarmann sagte in einem Interview, daß er überzeugt sei, daß er nur mit zufriedenen Mitarbeitern die gute Position der Privatmolkerei erhalten könne. So ist er also bestrebt, - soweit es ihm möglich ist - einen guten äußeren Rahmen zu schaffen, damit die Beschäftigten die Arbeit ordnungsgemäß durchführen können, und sie ihnen auch Spaß machen kann.

· Theo Naarmann rsucht weiters, die Beschäftigten ihren Qualifikationen entsprechend dort einzusetzen, wo sie sich wohl fühlen. So passiert es auch immer wieder - falls dies möglich ist - , daß MitarbeiterInnen ihren Arbeitsplatz wechseln, um jene Arbeit rrichten zu können, die in der Tat zur Zufriedenheit führen kann, weil sie ihren Fähigkeiten entspricht.

Die korrekt ausgeführte, zum Großteil den persönlichen Neigungen entsprechende Arbeit in einer Arbeitsumgebung, in der sich die Beschäftigten wohl fühlen können, führt also zur Zufriedenheit, was die MitarbeiterInnen wiederum motiviert, ihre Arbeit gut zu rrichten. Daß auch das Arbeitsklima wesentlich zur Zufriedenheit beiträgt, werde ich im Kap. 12.2. näher erläutern.

T Was sind die Ursachen, weshalb die MitarbeiterInnen auf die Molkerei stolz sind?

Die Beschäftigten wissen, daß die Milchbranche hart ist, und haben es miterlebt, daß sehr viele Molkereien in der Umgebung - in den letzten zehn Jahren mußten 50% der Nachbarmolkereien ihre Produktion stilllegen - nicht überleben konnten, weil große Konkurrenzunternehmen viel kostengünstiger produzieren können. Nicht umsonst betonen einerseits die von mir Interviewten und andererseits die Broschüre für die Kunden die Wichtigkeit der Spezialisierung auf Nischenprodukte für den Großrbraucherbereich. Aufgrund der großen Konkurrenz unter den Molkereien, sieht sich insbesondere die Unternehmensleitung gezwungen, ständig neue Produkte zu entwickeln und zu produzieren, um überleben zu können. Dies kommt auch im Interview mit einem Angestellten der Verwaltungsabteilung zum Ausdruck, der bei meiner symbolischen Frage von einem Überlebens- und Selbsterhaltungstrieb des Unternehmens spricht.

Die Molkerei rändert bzw. erweitert ständig ihre Produktpalette, je nach den Bedürfnissen ihrer Kunden. Darauf legt sich die Privatmolkerei in der Broschüre für ihre Kunden auch fest, indem sie sagt, daß sie "Produkte für Menschen von heute" erzeugen will. Auch Theo Naarmann betont, daß sie immer dann ein neues Produkt zu entwickeln rsuchen, wenn der Kunde sie bittet, ein von ihm geschildertes Problem zu lösen. Diese Herausforderung, ständig neue Produkte zu entwickeln, die den hohen Anforderungen der Kunden an ein Produkt entsprechen sollen, drückt sich auch im großen Maschinenpark aus, der immer auf dem neuesten Stand der Technik ist. Insbesondere beim Unternehmer, aber auch bei den anderen von mir interviewten Beschäftigten, gewinnt man den Eindruck, daß sie die große Herausforderung lieben, der sich die Molkerei immer wieder neu zu stellen hat. Nicht zuletzt motiviert Theo Naarmann bei seinem Unternehmer-Sein die Tatsache, daß er eigene Ideen umsetzen kann.

Gerade weil sich das Unternehmen trotz rhältnismäßig kleiner Betriebsgröße nicht mit der Produktion einfacher Produkte zufrieden gibt, sondern stets bestrebt ist, kompliziert herzustellende Produkte zu erzeugen und damit in der Tat erfolgreich ist, ist es stolz auf seine Leistungen. Dies wird noch rstärkt durch die Tatsache, daß die Besucher und Kunden der Molkerei staunen, daß es in der Molkerei möglich ist, mit so wenigen Maschinen und Beschäftigten eine so große Bandbreite von Produkten zu erzeugen.

Die Namensänderung von "Milchwerke Naarmann" auf "Privatmolkerei Naarmann" soll den besonderen Wert des Privaten in Zeiten von zunehmender Konzentration unterstreichen, auf den das Unternehmen stolz ist:

"Ja, weil mit dem Namen ,privat' rbindet der Verbraucher: ,Aha, das ist noch kein Großkonzern, so ein riesiger Laden. Da wird noch auf was geachtet.' Das bringt uns Erfolg."

Die gelungene Produktion von kompliziert herzustellenden Milchprodukten und die daraufhin folgende Bewunderung anderer läßt die Beschäftigten stolz sein auf ihren Betrieb. Stolz zu sein auf den Betrieb, in dem man arbeitet und zu dem man sich zugehörig fühlt, scheint mir wiederum ein Motivator zu sein, die Arbeit gut zu rrichten, da man so seinen Teil zu einem gelungenen Florieren einer Molkerei beitragen kann, die von vielen wegen ihrer großen Innovationsfähigkeit bewundert wird.



4.2. In bezug auf die Beziehungsebene
Da ich bei meiner Untersuchung nur mit Beschäftigten der Privatmolkerei Naarmann gesprochen habe und nicht mit Kunden, Lieferanten oder Konkurrenten der Firma, kann ich bei meiner Analyse nur von der Betrachtungsweise der Beschäftigten der Molkerei ausgehen. Ich bin mir bewußt, daß es sich deswegen nur um eine einseitige Betrachtung handeln kann, da nur die Einbeziehung beider Seiten zu einem vollständigerem Bild führen würde.



4.2.1. Beziehung unter den Kollegen
Bei diesem Aspekt fällt es mir schwer, allgemeinen Schlüsse zu ziehen, weil ich bei meiner Untersuchung teilweise auf Unterschiede gestoßen bin.

Laut Betriebsklima-Untersuchung wird der gesamte Themenbereich der "Zusammenarbeit innerhalb des Betriebes" mit durchschnittlich (57,4 Bewertungspunkte) bewertet: Während sich etwa 70% der Beschäftigten über die Zusammenarbeit mit den Kollegen zufrieden zeigen, wird der Aspekt "Zusammengehörigkeitsgefühl und Kollegialität im Betrieb" mit kritisch bewertet (nur 46% sind damit zufrieden!). Dies spiegelt sich in jener Aussage des Gesundheitsberichtes wider, bei dem zwar fast alle Befragten das Betriebsklima innerhalb der Abteilung als gut einstufen, in Bezug auf das gesamte Unternehmen aber in etwa die Hälfte der Befragten das Betriebsklima eher negativ betrachtet.

Im Gesundheitsbericht heißt es ebenso, daß 91% der Befragten behaupten, daß ihr Verhältnis zu ihren unmittelbaren Kollegen gut ist, und daß mit einer Ausnahme alle sagen, daß sie sich bei ihrer Arbeit gegenseitig helfen. Dies läßt mich auch Parallelen zu den von mir durchgeführten Interviews ziehen, dem zufolge alle das Verhältnis zu ihren Kollegen als gut oder gar als sehr gut einschätzen. Wenn auch ein Mitarbeiter betont, daß sie sich in seiner Abteilung sehr gut rstehen, so hat er allerdings von anderen Abteilungen gehört, daß sie sich dort gegenseitig mehr als Rivalen sehen.

Bei meiner teilnehmenden Beobachtung während der fünf Tage hatte ich den Eindruck, daß die Beziehung unter den Kollegen - soweit es mir natürlich mein kleiner Einblick erlaubte - harmonisch ist, und ich erlebte diesbezüglich keinerlei gespannte Situationen.

Zusammenfassend gewann ich also den Eindruck, und der wurde mir auch bestätigt, daß die MitarbeiterInnen sich untereinander (vor allem innerhalb der Abteilung) sehr gut rstehen. Sie feiern gemeinsam rschiedene Feste, und einige, die in Neuenkirchen und Umgebung wohnen, treffen sie sich auch außerhalb der Arbeitszeiten. Die meisten duzen sich, was neben alter Gewohnheit sehr wohl auch Ausdruck von Vertrautheit sein kann. Bezeichnend für ein Bemühen eines guten Miteinanders finde ich auch den Qualitätssatz, der mit "Unser Unternehmen" beginnt. Dies bringt zum Ausdruck, daß zumindest die Unternehmensleitung, die diesen aufgestellt hat, überzeugt ist, daß sie Qualität nur mit Hilfe ihrer MitarbeiterInnen zusichern kann.

Warum die Betriebsklimaanalyse zum Ergebnis kommt, daß mehr als die Hälfte der Beschäftigten den Aspekt der Kollegialität und des Zusammengehörigkeitsgefühls im Betrieb eher negativ einstuft, bleibt für mich eine offene Frage, wofür es schwer ist, eine plausible Erklärung zu finden. Gerade die Interviews zeigten, daß sich die MitarbeiterInnen sehr wohl als Teil eines Ganzen - des Betriebes - fühlen. Ein Angestellter sagte mir auch ausdrücklich, daß er sich mit der Molkerei identifiziere. Theo Naarmann sprach meist in "Wir-Form", wenn er mir von Ereignissen oder Entscheidungen im Unternehmen erzählte, was für mich einen hohen Grad von Zusammengehörigkeitsgefühl darstellt. Schließlich meint er mit "wir" auch "die ganze Mannschaft hier". Dieser Begründung für ein bestehendes Zusammengehörigkeitsgefühl, das im Widerspruch zu einem Ergebnis der Betriebsklima-Analyse steht, kann man natürlich entgegen halten, daß Theo Naarmann und die andere von mir interviewte Führungskraft - bei dessen Interview auch ein hoher Grad an Zusammengehörigkeitsgefühl herauszulesen ist - Teil der Unternehmensleitung sind, die laut Betriebsklima-Analyse diesen Aspekt der Zusammenarbeit innerhalb des Betriebes viel besser einstufen als die anderen Beschäftigten, nämlich mit 73,3% als zufrieden.

Das für mich ein wenig überraschende Ergebnis der Betriebsklima-Analyse könnte auch darin liegen, daß Menschen, die unzufrieden sind, eher bei Umfragen mitmachen, als jene, die zufrieden sind. Da bei der Betriebsklima-Untersuchung nur etwa die Hälfte der Beschäftigten mitgemacht hat, wäre es auch möglich, daß das Ergebnis die Stimmen der eher unzufriedenen Mitarbeiter widerspiegelt.

Es bleibt auf alle Fälle das Ergebnis des Gesundheitsberichtes, welches meine Beobachtungen von einem bestehenden Zusammengehörigkeitsgefühl und Kollegialität zumindest innerhalb der Abteilung bestätigt.



So stelle ich trotz allem die Behauptung auf, daß in den meisten Beschäftigten die Grundannahme rwurzelt ist, daß gute Zusammenarbeit unter den Kollegen einerseits zur Zufriedenheit am Arbeitsplatz beiträgt, und andererseits auch für den Erfolg des Unternehmens maßgebend ist. Diese Behauptung schließe ich aus folgenden Beobachtungen:

¨ Eine Interviewpartnerin sieht den Beziehungsaspekt unter den Kollegen als einen ausschlaggebenden Faktor für einen zufriedenen Arbeitstag.

"Natürlich spielt auch das Arbeitsklima viel mit!"

¨ Die MitarbeiterInnen samt der Unternehmensleitung geben bei der Prioritätenliste bezüglich der Wichtigkeit für die Gewährleistung eines guten Betriebsklimas dem Aspekt "Zusammenarbeit innerhalb des Betriebes / Mitwirkung" den Platz 3 von 8 möglichen.

¨ Meine Erfahrungen, die ich im Betrieb gewonnen habe, gestützt auch von Teilen des Gesundheitsberichtes und der Betriebsklima-Analyse, lassen auf ein sehr gutes Verhältnis unter den Kollegen - zumindest einer Abteilung - schließen.

¨ Theo Naarmann führt den momentanen Erfolg seines Unternehmens auf das gemeinsame Agieren der zufriedenen Beschäftigten zurück.

"Ja, also nur mit positiv denkenden Menschen, mit zufriedenen Menschen, kann ich auch eine so schwierige Position durchführen. [] Also, die Leute bringen dann auch eine sehr gute Leistung und warten nicht schon auf den Feierabend."

4.2.2. Beziehung zwischen Vorgesetzten und MitarbeiterInnen
4.2.2.1. Der Unternehmer
Wie ich aus den Gesprächen mit dem Unternehmer schließen konnte, ist er stets bestrebt, daß alle Beschäftigten zufrieden sind. Dieses Streben hat meines Erachtens zweierlei Ursachen: Erstens ist er überzeugt, daß er nur mit zufriedenen MitarbeiterInnen das Unternehmen erfolgreich führen kann und zweitens geht es ihm auch um den Menschen selbst. ("Es ist auch wichtig für ihn (=den Menschen).") Gerade diese Überzeugung, meine ich, ist es, was die Beschäftigten spüren. Theo Naarmann ist zwar als Unternehmer der Molkerei sehr gewinnorientiert und rsucht, sparsam zu sein, doch gleichzeitig ist er offen für die Anliegen seiner MitarbeiterInnen.

Seine Sparsamkeit zeigt sich einerseits in der Tatsache, daß er keine eigene Sekretärin hat, sein Büro mit seinem Bruder teilt, und selbst täglich einen Rundgang macht, um zu sehen, ob sparsam mit Wasser, Strom und Reinigungsmittel umgegangen worden ist.

Auf die Frage, weshalb er ein ziemlich kleines Büro und keine eigene Sekretärin hat, meint er:

"Wir hier sind realistische Leute. - Was soll man sonst sagen? (Gelächter) [] Wichtig ist, daß sich die Leute wohl fühlen können. Sie sollen nicht so in einen Palast gehen, wo sie erst bei einer Sekretärin vorbeigehen."

Die besagte Offenheit von Theo Naarmann für die Anliegen seiner Beschäftigten und der Wunsch nach aktir Zusammenarbeit seinerseits schließe ich aus:

· Einem Interview, in dem die Befragte der Meinung ist, daß man mit Theo Naarmann auch über "irgendetwas anderes" gut reden kann, und er sehr entgegenkommend ist.

· Der teilnehmenden Beobachtung bei einer Besprechung, bei der Theo Naarmann bewußt nach den Anliegen seiner Beschäftigten gefragt hat.

· Dem Interview mit Theo Naarmann, bei dem er mir von der mit Schwierigkeit rbundenen Anstellung von Alkoholikern erzählte, und daß ihm deren Anstellung dennoch ein großes Anliegen ist, weil es ihm um das Wohl jener Menschen samt deren Familie geht.

· Dem Interview mit Theo Naarmann, bei dem er betont, wie wichtig es ihm ist, daß seine MitarbeiterInnen auch an ihm und seinem Handeln Kritik üben, und er die Betriebsklima - Analyse durchführen ließ, damit die Beschäftigten sehen, daß er stets an einer Verbesserung bemüht ist.

· Aus der Beobachtung, daß Theo Naarmann immer Arbeitskleidung trägt. Der Grund dafür liegt meiner Meinung nach nicht nur in der Tatsache, daß er selbst sich immer wieder im Betriebsgebäude aufhält - dort ist das Tragen von Arbeitskleidung für jeden Pflicht - , sondern er sich auch rein äußerlich von einem Großteil der Beschäftigten nicht abheben will.





Die von mir Interviewten rechnen Theo Naarmann die Freiheit und das damit rbundene Vertrauen, das er ihnen schenkt, hoch an. So können die MitarbeiterInnen ihre Arbeitszeit flexibel gestalten und bei einigen Entscheidungen wird nach ihren Wünschen vorgegangen (Beispiel: neue Einrichtung des Labors).

4.2.2.2. Der unmittelbar Vorgesetzte - das Produktionsbüro
Der Gesundheitsbericht zeigt, daß die MitarbeiterInnen die Beziehung zu ihren unmittelbar Vorgesetzten - der Abteilungsleitung - grundsätzlich um einiges besser bewerten, als jene zum Produktionsbüro. Von diesem Büro fühlen sich viele zu wenig informiert, und knapp die Hälfte der Befragten ist der Meinung, daß der Umgang zwischen ihnen und dem Produktionsbüro nicht partnerschaftlich sei.

In einem Interview wurde explizit auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die MitarbeiterInnen einer Abteilung mit dem Produktionsbüro haben - Sie fühlen sich von ihnen alleine gelassen. Ein anderes Interview brachte hingegen zum Ausdruck, daß eine andere Abteilung sich vom Produktionsbüro unterstützt weiß und ein partnerschaftliches Zusammenarbeiten möglich sei.

Diese beide Aussagen möchte ich im folgenden wiedergeben:

"Man kommt da wohl mit ihnen klar.[] Also, man steht da nicht allein mit solchen Sachen."

"Dann steht man da. Dann wird man allein gelassen."

Eine allgemeine Aussage über die Beziehung zwischen den Beschäftigen und den Abteilungsleitungen wage ich nicht zu treffen, weil mir hierfür die Informationen fehlen. Sehr interessant finde ich allerdings jenen Auszug aus dem Qualitätshandbuch, in dem festgehalten wird, daß sich die Vorgesetzten den Anliegen ihrer hierarchisch unterstellten Personen widmen und sich in "ihre Lage rsetzen". Das bringt zum Ausdruck, daß die Vorgesetzten rsuchen möchten, sich wegen ihrer Stellung nicht besser vorzukommen, sondern eher eine "Haltung des Dienens" anstreben. Inwieweit dies konkret umgesetzt wird, kann ich aufgrund meiner zeitlich begrenzten Beobachtungen nicht sagen.



4.2.3. Beziehung zu den Kunden
In der Broschüre für die Kunden wird betont, daß die Molkerei "Produkte für Menschen von heute" erzeugt. Dieses Bemühen bestätigt sich auch im Interview mit Theo Naarmann, der mir erzählte, daß sie gerade durch die Probleme bei der Verwendung von Milchprodukten, die ihnen ihre Kunden schildern, inspiriert werden, neue Produkte zu entwickeln, die die Probleme lösen können. Die Molkerei rsucht also, auf die Schwierigkeiten ihrer Kunden einzugehen, und entwickelt so immer wieder neue Produkte, was ihnen von den Kunden hoch angerechnet wird.

Da heutzutage große Konkurrenz unter den Molkereien herrscht, rsucht die Privatmolkerei Naarmann, ihren Kundenstock aufrecht zu erhalten und neue Kunden zu gewinnen, indem sie sich auf die Nischenproduktion spezialisiert und den Kunden gegenüber die Vorteile ihrer Produkte unterstreicht. Die Wichtigkeit der Spezialisierung auf die Nische der Haltbarprodukte für den Großrbraucherbereich kommt in jedem von mir durchgeführten Interview zum Ausdruck. In der Broschüre für die Kunden betont das Unternehmen darüber hinaus die hohe Qualität der Produkte durch die Einhaltung von Hygienekriterien und der Vorgaben von ISO 9001. Bezüglich der Hygiene ist mir aufgefallen, daß es im ganzen Betrieb sehr sauber ist. Sauberkeit und Ordnung scheinen wichtige Grundsätze im Unternehmen zu sein - darüber wird auch in den Protokollen des Arbeitsschutz-Ausschusses gesprochen -, die vor allem vom Unternehmer vorgelebt werden. So ist sein Büro sehr aufgeräumt, und er ist davon überzeugt, daß Sauberkeit hilft, sich am Arbeitsplatz wohl zu fühlen und die Arbeit korrekt auszuführen.

Gleich beim Eingang des Verwaltungsgebäudes hängt das Zertifizierungsdokument und der Qualitätssatz, den Theo Naarmann als Art Unternehmensphilosophie sieht. So hält das Qualitätshandbuch in der Tat fest, daß "das Unternehmen unter anderem auch vom Vertrauen ihrer Kunden lebt". Deswegen werden die Produkte so "sorgfältig erstellt, als würde man sie für sich selber erzeugen." Durch diese Aussage wird dem Kunden "ein Gesicht" gegeben und die Mitarbeiter werden angespornt, ihr Bestes zu geben.

In der Broschüre wird weiters der große Vorteil eines schon seit 1903 bestehenden und damit erfahrungsreichen Unternehmens, gekoppelt an den Einsatz der neuesten Techniken im Bereich der Verpackung, Sterilisation, Abfüllung und Produktion, betont. Um den Aspekt einer relativ kleinen, privaten aber doch sehr modernen Molkerei zu rdeutlichen, wurde ja auch eine Namensänderung von Milchwerke Naarmann in Privatmolkerei Naarmann durchgeführt. Theo Naarmann meint, daß dadurch den Kunden noch mehr bewußt gemacht wird, daß das Unternehmen darauf bedacht ist, eine persönliche Beziehung zum Kunden aufzubauen. Der Weg innerhalb des, für eine heutige Molkerei, kleinen Betriebes ist kurz, was dem Unternehmen ermöglicht, schnell auf Kundenwünsche zu reagieren. Der Unternehmer ist also davon überzeugt, daß der Aspekt des Privaten dem Unternehmen große Vorteile bringt. Nicht umsonst hängen ebenfalls beim Eingang des Verwaltungsgebäudes Bilder der Unternehmer der 1. und 2. Generation der Familie Naarmann sowie ein Bild, das die Molkerei abbildet, wie sie vor einigen Jahrzehnten ausgesehen hat. So hat Theo Naarmann auch keine Absichten, das Unternehmen in den nächsten Jahren stark zu rgrößern, um den Aspekt des Privaten und Persönlichen aufrecht erhalten zu können.

Der Vorteil des schon lange bestehenden Betriebes kommt auch in einem Interview zum Ausdruck, in dem ein Befragter ein Zeichen für Zufriedenheit seitens der Kunden darin sieht, daß viele von ihnen schon jahrelang die Produkte der Privatmolkerei Naarmann kaufen. Wenn Kunden abspringen, was angeblich selten vorkommt, dann sei dafür lediglich der Preis ausschlaggebend. Auch die von mir interviewte Führungskraft sagte, daß sie immer wieder harte Preisgespräche durchzuführen hat. Wenn der Preis einmal ausgehandelt worden ist, sei die Beziehung zu vielen Kunden aber sehr gut, auch wenn es rschiedene Kundentypen gäbe: während die Gespräche mit einigen Kunden aus bloßer Informationsweitergabe und Preisrhandlungen bestehen, wird mit anderen auch über private Dinge gesprochen. Auf alle Fälle rsucht sie im Unternehmen, was wortwörtlich mit einer Aussage der Broschüre übereinstimmt, mit "allen Kunden partnerschaftlich zusammenzuarbeiten" und keinen auszunützen. Mir erschien dafür das Telefongespräch einer Führungskraft des Unternehmens bezeichnend, bei dem zum Ausdruck kam, daß die Molkerei nicht um jeden Preis rsucht, neue Kunden anzuwerben, sondern die Freiheit eines jeden achtet.

Für den Unternehmer ist es wichtig, daß sich die Kunden in der Molkerei wohl fühlen können. So ist der Besprechungsraum vor dem Büro von Theo Naarmann in der Tat einfach, aber geschmackvoll und mit sehr bequemen Sesseln ausgestattet.



Die drei Bilder, die in diesem Zimmer hängen sagen meines Erachtens einiges über die Beziehung der Molkerei zu ihren Kunden aus: Die Privatmolkerei will ihre Kunden überzeugen, daß ihnen die hohe Qualität des Rohstoffes Milch ein großes Anliegen ist ("daß die Milch von glücklichen Kühen kommt"), daß sie diese Milch mit den modernsten Maschinen rarbeiten (Die Molkerei scheint in der Tat am neuesten Stand der Technik zu sein und besitzt z.B. ein Verpackungsmaschine, von der es erst ganz wenige Exemplare gibt), und daß das Ergebnis "logischerweise" nur einwandfreie, köstliche Milchprodukte sein können. Wenn die Kunden dann tatsächlich mit der Qualität der Produkte zufrieden sind, werden sie die Produkte auch kaufen. Wenn nicht, wird die Molkerei nicht rsuchen, sie umzustimmen. Mir ist im Rahmen meiner Untersuchung aufgefallen, daß ich niemanden negativ über einen Kunden sprechen hörte. Im Gegenteil, der Unternehmer betonte wie fair ein gewisser Kunde ist, von dem oft sehr negativ gesprochen wird.

Was die Seite der Kunden anbelangt, wurde mir lediglich gesagt, daß es angeblich wenige Reklamationen gibt, und daß sich die Kunden bei Reklamationen unterschiedlich rhalten, d.h. einige gestehen der Molkerei Fehler ein, andere reagieren sehr energisch. Auf alle Fälle konnte ich durch die teilnehmende Beobachtung bei einer Besprechung, bei der es gerade um eine berechtigte Beschwerde eines Kunden ging, feststellen, daß die Molkerei derartige Reklamationen sofort als Auslöser sieht, bestehende Mängel zu beseitigen, um ähnlich Fehler in Zukunft zu rmeiden.



4.2.4. Beziehung zu den Lieferanten
Bei diesem Punkt gehe ich von der Betrachtungsweise der Beschäftigten und nicht der Lieferanten aus.

Weil für das Unternehmen die Einrichtung und Beibehaltung eines Qualitätssystems von großer Bedeutung ist, will es hierfür neben den Mitarbeitern auch die Lieferanten miteinbeziehen. Um die Zusammenarbeit zu erleichtern, wurde ein Rat der Rohstofflieferanten eingerichtet, in dem die Lieferanten ihre Anliegen vorbringen können und auch über persönliche Probleme sprechen können.

Die Interviews haben mir gezeigt, daß die MitarbeiterInnen die Beziehung zu den Lieferanten gut einstufen und das Unternehmen nur dann Probleme mit ihnen hat, wenn sie keine saubere Milch liefern, was in letzter Zeit allerdings selten vorgekommen sei. Dies ist mit Sicherheit auch darauf zurückzuführen, daß die Bauern (die die Hauptlieferanten sind) kostenlos eine Milchprobe im Labor untersuchen lassen können, was von vielen Bauern gerne in Anspruch genommen wird, und was sich im Endeffekt auch positiv auf die Qualität der gelieferten Milch auswirkt. Durch eine jährliche Prämierung von Bauern, die eine besonders hohe Qualität von Rohmilch liefern, sollen diese wahrscheinlich auch angespornt werden, hohe Qualität zu liefern. Darüber hinaus soll der persönliche Kontakt mit ihnen seitens der Molkerei erleichtert werden. Die Bauern werden von der Molkerei angeblich besser informiert (wurde mir von den Befragten gesagt), als wenn sie einer Genossenschaft beitreten würden. Es handle sich bei ihnen ebenso wie bei vielen Kunden um langjährige Milchlieferanten. Es scheint sich also auch im Bezug auf die Lieferanten der große Vorteil einer bereits 85jährigen Privatmolkerei zu bestätigen.



Aus den eben genannten Informationen stelle ich schließlich folgende Grundannahme seitens der Molkerei (insbesondere des Unternehmers) in bezug auf die Beziehung zu den Lieferanten auf:

Besteht ein persönlicher Kontakt zwischen den Bauern und der Molkerei und werden die Lieferanten auch ausreichend informiert, liefern sie eine Milch von hoher Qualität, was sich wiederum positiv auf den Gesamterfolg des Unternehmens auswirkt.



4.2.5. Beziehung zu den Konkurrenten
Bei diesem Punkt kann ich nur von den Interviews ausgehen, weil mir diesbezüglich keine anderen Informationen zur Verfügung stehen.

Meine Interviewpartner sagten mir - soweit sie diesbezügliche Informationen besaßen - , daß die Beziehung im allgemeinen sehr gut sei, auch wenn es von Mitbewerber zu Mitbewerber Unterschiede gäbe. Während man mit einigen auch über private Dinge sprechen kann, kann man mit anderen lediglich gemeinsame Absprachen treffen. In den letzten Jahren habe sich das Verhältnis aber sehr entspannt, weil sich die Molkerei auf die Nische der Haltbarprodukte für den Großrbraucherbereich und die Industrie spezialisiert habe. Mir wurde auch von einer Nachbarmolkerei berichtet, mit der die Molkerei kürzlich einen Vertrag über die Lieferung von Rohmilch zu sehr günstigen Konditionen abgeschlossen hat, was vor einigen Jahren noch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre.

Aufgrund der eben genannten Informationen denke ich, daß die Molkerei (insbesondere Theo Naarmann) bei diesem Aspekt von folgender Grundannahme ausgeht:

Spezialisiert sich die Molkerei auf Nischenprodukte, hat sie weniger "echte" Konkurrenten. Das erleichtert den Aufbau eine partnerschaftlichen Beziehung zu den Konkurrenten, was sich wiederum auf Verträge und Absprachen mit Nachbarmolkereien positiv auswirkt.





















4.3. In bezug auf Entscheidungsprozesse
4.3.1. Allgemeines
Entscheidungs-
prozeß,Organisationsstruktur,Führungsstil,Beziehungsaspekt
Auf welche Weise Entscheidungen in einem Unternehmen getroffen werden, wird wesentlich bestimmt durch die Organisationsstruktur, den Beziehungsaspekt (siehe Kap. 4.2.), den Führungsstil der Vorgesetzten und den Wunsch der Beschäftigten nach aktir Beteiligung. Diese vier Komponenten beeinflussen sich natürlich wiederum gegenseitig, was folgende Abbildung zum Ausdruck bringen soll:

Wunsch nach Teilnahme

Abbildung 12: Einflußfaktoren eines Entscheidungsprozesses

4.3.2. Organisationsstruktur
Das Organigramm zeigt ein Mehrliniensystem von drei bzw. vier Hierarchiestufen und einen kleinen S, das Qualitätsmanagement. Laut Theo Naarmann ist der Weg im Unternehmen sehr kurz, was sich auf die wenigen Hierarchiestufen zurückführen läßt. Der große Vorteil, der darin liegt, besteht im schnellen Treffen von Entscheidungen.

Die Unternehmensleitung scheint bestrebt zu sein, durch eine einfache Organisationsstruktur den Entscheidungsweg so kurz als möglich zu gestalten und sieht darin große Vorteile gegenüber den Großmolkereien.

4.3.3. Führungsstil
Bei meiner teilnehmenden Beobachtung während einer Besprechung, in der es sich um einen Entscheidungsprozeß handelte, gewann ich den Eindruck, daß die Geschäftsleitung stets bemüht ist, Probleme gemeinsam mit ihren MitarbeiterInnnen zu lösen. Für mich herrschte während der ganzen Sitzung eine offene Atmosphäre, bei der alle Schwierigkeiten transparent gemacht wurden. Mein persönlicher Eindruck von einer nichts geheim haltenden Atmosphäre, den ich im Rahmen der ganzen Woche hatte, bestätigte sich auch bei der Besprechung.

Diese Beobachtung spiegelt sich für mich auch rein äußerlich durch die Glaswände wider, durch die die einzelnen Büros der Verwaltung getrennt sind und durch die offene Tür des Büros von Theo Naarmann. Durch die Interviews und Gespräche zwischendurch gewann ich den Eindruck, daß im Unternehmen über alles sehr offen gesprochen wird (Nicht selten hörte ich den Ausspruch:"Wir haben keine Geheimnisse."), und daß ein paritizipatir Führungsstil vorherrschend ist. Eine von mir interviewte Führungskraft sagte mir, daß sie sich stets bemühe, jeden Beitrag der Mitarbeiter bei Entscheidungen ernst und wichtig zu nehmen. Dabei stoße sie aber auf das Problem, daß einige Beschäftigten keine Beiträge geben wollen oder vielleicht auch nicht können. So sieht sie ihre Aufgabe im Unternehmen in der Informationsrteilung und rgleicht daher die Molkerei mit dem Bild einer Spinne im Netz. Dieser Vergleich läßt darauf schließen, daß im Betrieb rsucht wird, alle Mitarbeiter mit genügend Informationen auszustatten.

Der Betriebsklima-Bericht und der Gesundheitsbericht stimmen in dieser Hinsicht mit meinen Beobachtungen nicht überein: Laut Betriebsklimabericht fühlt sich ein Großteil der Befragten von der Unternehmensleitung zu wenig informiert, und auch innerhalb der Abteilungen scheint der Informationsfluß nur schlecht zu funktionieren. Insgesamt wird der Themenbereich "Information und Dialog" von den Beschäftigten mit kritisch bewertet, und auch die Unternehmensleitung bewertet diesen Aspekt lediglich mit durchschnittlich. Ebenso zeigt der Gesundheitsbericht, daß sich ein Großteil der Befragten von ihren Vorgesetzten nicht ausreichend informiert fühlt. So rmute ich, daß die Unternehmensleitung dabei ist, immer deutlicher zu erkennen, wie wichtig die Informationsrteilung ist, um in der Tat miteinander arbeiten und entscheiden zu können. Aus diesem Grund bemüht sie sich, diesem noch immer existierenden Informationsmangel entgegen zu treten. Ein Beispiel dafür ist das Qualitätshandbuch, in dem man liest, daß die Unternehmensleitung überzeugt ist, daß sie nicht imstande ist, alle Aktivitäten alleine durchzuführen. Deswegen delegiere sie Teile davon an einzelne Abteilungen sowie ihre Mitarbeiter.

Sehr interessant erscheint mir bei der Betriebsklima-Analyse die Tatsache, daß die Mitarbeiter den Aspekt "Information und Dialog" als am unwichtigsten für ein gutes Betriebsklima angesehen haben. Dies könnte die Vermutung aufstellen lassen, daß sie an einer Teilnahme an den Entscheidungsprozessen gar nicht sonderlich interessiert sind, was wiederum einhergeht mit der Schwierigkeit der Führungskraft, daß sich die Beschäftigten aktiv an Besprechungen beteiligen. Bei Besprechungen der Unternehmensleitung sei die akti Beteiligung der Beteiligten hingegen gang und gäbe, und es würde dabei heftigst diskutiert.

4.3.4. Beteiligung der Mitarbeiter
Die bereits erwähnte Schwierigkeit, daß manche Mitarbeiter nicht sonderlich an einer Einbeziehung in Entscheidungsprozesse interessiert sind, hat mehrere Gründe:

Für manche Mitarbeiter ist es eine Überforderung, weil sie es immer gewohnt waren, daß sie etwas ausführen, was jemand anderer entschieden hat. So haben einige bei der Betriebsklima-Analyse nicht mitgemacht, weil sie Angst hatten, daß sie die Fragen nicht rstehen. Dies mag bei einigen Beschäftigten, die eine kurze Schulbildung hinter sich haben und auch nachher diesbezüglich wenig gefordert wurden, zum Teil zutreffen. Bei anderen wird es eine reine Gewohnheit sein, daß sie lieber andere entscheiden lassen, als sich selber "den Kopf zu zerbrechen".

Andere Mitarbeiter haben Angst, daß sie mitrantwortlich sind, wenn sich eine Entscheidung im nachhinein als ungünstig herausstellt. Auch wenn ein Großteil der Mitarbeiter mit dem Verhalten des Vorgesetzten bei einem Fehler zufrieden ist, scheint die Angst, einen Fehler zu machen, in vielen noch immer rwurzelt zu sein. Ein Interview mit einem Beschäftigten der Produktionsabteilung lieferte mir dazu einen konkreten Hinweis. Die Schwierigkeiten mit dem Produktionsbüro begründete er damit, daß sich die einzelnen Personen davor drücken, Entscheidung zu treffen. Die Angst, eine Entscheidung zu treffen, die negati Folgen für den Betrieb haben kann, rleitet - gemäß dem Interviewpartner - einzelne Mitglieder des Büros dazu, keine Entscheidung zu treffen, damit sie sich nicht dafür rantworten müssen.



Diesen Beobachtungen zugrunde liegend stelle ich im Bezug auf die Entscheidungsprozesse im Unternehmen folgende Grundannahme auf:

Die Unternehmensleitung ist bestrebt, möglichst viele Entscheidungen gemeinsam mit ihren MitarbeiterInnen zu treffen, um eine Identifikation mit der getroffenen Entscheidung gewährleisten zu können. Bei einigen Entscheidungen, bei denen die Beschäftigen mitreden möchten (z.B. der Betriebsrat bei Kündigungen), behält es sich der Unternehmer vor, im alleinigen Einrständnis mit dem Betroffenen zu entscheiden.

Ein Teil der MitarbeiterInnen zeigt kein Interesse, sich am Entscheidungsprozeß aktiv zu beteiligen, sondern überläßt das lieber den Vorgesetzten. Der Grund dafür liegt einerseits in einem Mangel an Informationen und andererseits an einer zur Routine gewordenen Gewohnheit, daß jemand anderer Entscheidungen trifft und die Verantwortung dafür übernimmt.



5. Rich Points bzgl. Wirtschaft in Gemeinschaft
Im Teil 2 habe ich rsucht, die "Idee" der Wirtschaft in Gemeinschaft von Chiara Lubich zu erläutern. Konkrete Beispiele von Betrieben, die rsuchen, diese Ideen umzusetzen, zeigen, daß die Idee rwirklichbar ist, und nicht eine faszinierenden Utopie bleibt.

Andererseits ist es rständlich, daß man ein großes Ziel nur durch kleine Schritte erreichen kann, diese Schritte allerdings wesentlich sind für die Verbreitung der Wirtschaft in Gemeinschaft. Gleichzeitig scheint es mir aber auch wichtig, dabei nie die ursprüngliche Idee als Ziel vor Augen zu rlieren.

Wenn ich im folgenden rsuche, die Privatmolkerei Naarmann KG im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur Wirtschaft in Gemeinschaft zu beschreiben, wird der Leser merken, daß einige Ideen im Betrieb konkret umgesetzt werden, andere Ideen allerdings (noch) nicht, was sich mitunter aus sehr natürlichen Gründen erklären läßt.

So werde ich mich bei meinen Ausführungen primär darauf beschränken, wie der Unternehmer rsucht, Ideen der Wirtschaft in Gemeinschaft in der Molkerei zu rwirklichen. Der "Idealfall" eines Betriebes der Wirtschaft in Gemeinschaft ist sicher derjenige, in dem alle Angestellten von den Ideen der Wirtschaft in Gemeinschaft Bescheid wissen und sich damit identifizieren können. Für einige Angestellte wäre es darüber hinaus sicher ein weiterer Motivationsfaktor, wenn sie wissen würden, daß Teile des Gewinns, den sie gemeinsam erarbeiten, anderen Projekten zufließen.

In der Molkerei können allerdings nur wenige etwas mit dem Begriff "Wirtschaft in Gemeinschaft" anfangen, was mir bei den Interviews aufgefallen ist und was mir durch den Unternehmer bestätigt wurde. Bei manchen Festen bzw. beim Begräbnis seines Vaters hat der Unternehmer Broschüren über das Projekt aufgelegt und manche haben auch dafür eine Spende gegeben. So ist er mit einigen ins Gespräch darüber gekommen. Da der Betrieb ja schon jahrzehntelang existiert und viele Mitarbeiter schon jahrelang in der Molkerei arbeiten und Theo Naarmann schon lange rsucht, nach dem Lebensstil zu leben, der Grundlage der Wirtschaft in Gemeinschaft ist, konnten die Angestellten keine großartigen Veränderungen erleben, als sich der Unternehmer entschloß, sich dem Projekt anzuschließen. Würden einige Angestellten auch rsuchen, nach dem im Teil 2 dargestellten Lebensstil zu leben und zu arbeiten, würde das die Verbreitung und konkrete Umsetzung der Ideen der Wirtschaft in Gemeinschaft sehr erleichtern.



Ich werde mich bei meinen Erläuterungen primär auf die in der Molkerei von mir beobachteten, konkret rwirklichten Punkte bei der Umsetzung der Ideen der Wirtschaft in Gemeinschaft beschränken.

Bei der Analyse gehe ich wiederum von den drei von mir gewählten Schwerpunkten aus, und rsuche zu erklären, welche Besonderheiten mir jeweils im Hinblick auf die Wirtschaft in Gemeinschaft aufgefallen sind. Im Anschluß daran gebe ich eine mögliche Interpretation für das beobachtete Verhalten bzw. die gefällten Aussagen.



5.1. In bezug auf Motivation und Ziele
Ein Ziel, das sich der Unternehmer für seinen Betrieb gestellt hat, ist die Erhaltung der Arbeitsplätze. Dies sei in Zeiten, in denen in der Branche der Milchrarbeitung eine große Konzentration herrscht, von großer Wichtigkeit. Deswegen habe sich die Molkerei auch auf die Nischenproduktion spezialisiert.

Hier zeigt sich eine Parallele zur Entstehung der Wirtschaft in Gemeinschaft. Gerade in Brasilien entstanden Betriebe, um für Notleidende Arbeitsplätze schaffen zu können, damit diese langfristig ihr Überleben sichern können. Wenn Theo Naarmann also rsucht, Arbeitsplätze zu erhalten, rbirgt sich dahinter wahrscheinlich auch der Wunsch, seinen Angestellten gerade in Zeiten drohender Arbeitslosigkeit eine gewisse Sicherheit zu geben. Daß die MitarbeiterInnen nicht schnell entlassen werden, möchte ich durch zwei Beispiele illustrieren: aus gesundheitlichen Gründen konnte der Abteilungsleiter der Verwaltung keiner Vollzeitarbeit nachgehen. Deswegen arbeitet er seit einigen Jahren nur mehr drei Halbtage in der Woche.

Eine Arbeiterin der Produktionsabteilung ist ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen dauerkrank geschrieben worden. Sollte es ihre Gesundheit wieder erlauben, kann sie ihre Arbeit in der Molkerei fortsetzen.



Ein Hauptziel der Wirtschaft in Gemeinschaft ist - wie bereits dargestellt - die Bereitstellung eines Teiles des Gewinns auf folgende zwei Intentionen: Direkthilfe für Notleidende und die "Bildung neuer Menschen". In bezug darauf entscheidet die Molkerei immer wieder neu, wieviel Geld sie dafür zur Verfügung stellt. Dies zeigt folgende Aussage des Unternehmers:

"Also, wenn jetzt die Koordination von Wirtschaft in Gemeinschaft etwas Geld braucht, dann kann man sagen: Ich kann dir so oder soviel Geld zur Verfügung stellen. Ich kann sicher mehr Geld zur Verfügung stellen als ein normaler Privatmann. Ja - Da kann ich mehr machen, aber ich weiß nicht, ob ich das immer machen kann. Ich kann jetzt nicht sagen: Ich habe soviel rdient. Davon geb ich jetzt ein Drittel ab. Das weiß ich nicht. Das kann auch nur 10% sein, aber es kann auch sein, daß ich die Hälfte abgebe. Aber man kann das nicht so pauschal sagen; man kann es nicht genau festlegen - Das ist also schwierig."

Der Unternehmer rsucht also, auf seine Art und Weise, die "Kultur des Gebens" in materieller Hinsicht zu leben. So erzählte mir Theo Naarmann, wie er einen Betrieb der Wirtschaft in Gemeinschaft in Polen unterstützt hat, indem er - abgesehen von der kostenlose Weitergabe von Know-how - seinen eigenen Fruchtlieferanten beauftragt hat, jenen Betrieb auf Kosten der Molkerei mit diesem Rohstoff zu beliefern. Darüber hinaus unterstützt er einen deutschen Priester, der in Brasilien in den Slums eine Pfarrkirche und eine sehr lebendige Pfarrgemeinde aufgebaut hat.

Im Jahr 1996 hat der Betrieb zirka 300.000 DM für soziale Projekte zur Verfügung gestellt, und im Jahr 1997 waren es 10% des Gewinns.

Sich dem Projekt der Wirtschaft in Gemeinschaft zugehörig zu fühlen, bedeutet für Theo Naarmann neben der Unterstützung von sozialen Projekten und von Betrieben vor allem auch die kostenlose Weitergabe von Know-how, was folgende Aussage rdeutlicht:

"Was wir machen können - und deswegen find ich die Wirtschaft in Gemeinschaft auch gut - ist, daß wir Know-how weitergeben können. Das braucht man auch nicht zu bezahlen. Know-how kann man geben; das ist einfacher. Also, die Erfahrung, die man hat, kann man geben oder man kann auch Produktionen irgendwo aufbauen."

Der Unternehmer hat mir einiges von seiner zweiwöchigen Südamerikareise erzählt, im Rahmen derer er gemeinsam mit einem anderen Unternehmer der Wirtschaft in Gemeinschaft aus Deutschland, dem weltweiten Verantwortlichen des Projektes aus Rom und 150 anderen Personen viele südamerikanische Betriebe der Wirtschaft in Gemeinschaft besucht hat. Diesen Unternehmen hat er in der Tat viele persönliche Erfahrungen, viel Know-how weitergegeben. Die Beziehung zu einer Marmeladenfabrik in Brasilien besteht noch immer.

Hier liegt eine konkretisierte Idee der Wirtschaft in Gemeinschaft, nämlich die gegenseitige Hilfe und der Erfahrungsaustausch unter den Betrieben der Wirtschaft in Gemeinschaft. Theo Naarmann erklärte mir, daß die Reise auch für ihn sehr wichtig war, und daß sie "hinterher zum Schluß kamen, daß sie sich gegenseitig helfen können." Ich hatte den Eindruck, daß der Unternehmer sehr "bewegt" war von der dort herrschenden Armut und daß das Erlebte viel in ihm bewirkt hat. So sagte er zum Beispiel:

"Man hat da schon ganz schwer zu kämpfen. Da gibt es eine Armut, die haben wir noch nie gesehen. Man muß denken, in Sao Paolo, da leben 12 Millionen Menschen und 40% davon leben in Slums. - Aber Slums, so etwas haben wir noch nie gesehen, da ist nichts - nur so Blechhütten [] Das kann man sich gar nicht vorstellen. ( ) Ja, also es gibt schon sehr viel Elend auf der Welt."

Die tägliche, hautnahe Konfrontation mit der dort herrschenden Armut ist für ihn auch ein Grund für die rasche und hingebungsvollere Ausbreitung der Wirtschaft in Gemeinschaft und der Zusammenarbeit unter den Betrieben in jenen Ländern:

"Ja, die sind natürlich unheimlich begeisterungsfähig - ganz was anderes als hier. Die stehen viel mehr hinter der Sache, weil sie auch einem viel größeren Druck von außen ausgesetzt sind. [] Aber man muß insgesamt sagen - auf Unternehmertreffen sind wir ja schon mehrere Male gewesen - die halten sehr stark zusammen. Wenn einer Probleme hat, da kommen dann gleich fünf Leute und fragen ihn, ob sie ihm helfen können. Ich könnte dies oder jenes machen - auch bei unheimlichen(!) Entfernungen."

Bei der Frage nach den Zielen der Wirtschaft in Gemeinschaft aus der Sicht des Unternehmers bekam ich folgende Antwort:

"Ja, die Ziele der Wirtschaft in Gemeinschaft sehe ich insofern, daß man rsucht, ein faires Geschäftsleben aufzubauen, damit die Leute auch mehr Vertrauen bekommen."

Wie Theo Naarmann in der Tat konkret rsucht, eine Vertrauensbasis zu seinen Angestellten, Kunden, Lieferanten und Konkurrenten aufzubauen, werde ich im folgenden Punkt näher erläutern.



5.2. In bezug auf die Beziehungsebene
Durch die von mir gesammelten Artefakte und Manifestationen - allen voran den Gesprächen mit Theo Naarmann - bekam ich den Eindruck, daß der Unternehmer rsucht, eine wichtige Aussage von Benedetto Gui in bezug auf das Projekt der Wirtschaft in Gemeinschaft im "wirtschaftlichen Alltag", in seinen Beziehungen zu leben. Sie besagt, daß bei diesem Projekt der Mensch in den Mittelpunkt der Wirtschaft gerückt wird, und zwar der Mensch als Schwester bzw. Bruder (vgl. Pizzi 1993, S. 313).

Diese Behauptung möchte ich durch folgende Beobachtungen stützen:

Der Unternehmer betonte mir gegenüber immer wieder, wie wichtig es ihm ist, daß seine Angestellten zufrieden sind. Diese Überzeugung hat zwei Gründe, was in folgender Aussage zum Ausdruck kommt:

"Also, man muß immer rsuchen, daß man jeden Beschäftigten seiner Qualifikation entsprechend dort einsetzt, wo er sich am wohlsten fühlt, denn da erbringt er am meisten. Da fühlt er sich wohl und ist zufrieden - Und das ist auch wichtig für ihn."

Soweit es ihm möglich ist, ist der Unternehmer also bestrebt, daß seine Angestellten mit der Arbeit und der Arbeitsumgebung zufrieden sind, weil es ihm um das Wohl der Menschen geht.

Heutzutage ist oft die Überzeugung rtreten, daß ein Wettstreit zwischen den einzelnen Mitarbeitern sich positiv auf deren Leistung auswirkt. Wie die empirischen Ergebnisse von Amaini zeigen, sind die befragten Führungskräfte aber überzeugt, daß sich ein Wettstreit unter den Beschäftigten eher schädlich als fruchtbar auswirkt. Wenn in einem Betrieb der Mensch als Schwester bzw. Bruder angesehen wird, ist diese Aussage der Führungskräfte völlig rständlich.

Kennzeichnend für einen Betrieb der Wirtschaft in Gemeinschaft ist für den Unternehmer "der Geist", der in solchen Betrieben herrscht:

"Wir arbeiten ja laufend daran: Wir rsuchen, ein gutes Verhältnis zu haben. Wir rsuchen, soziale Dinge, die in einem Betrieb mit 90 Beschäftigten auftreten, daß man die mildert oder rsucht, dem Einzelnen(!) zu helfen, der Schwierigkeiten hat."

Das Bestreben einzelnen Personen zu helfen, kommt zum Beispiel dadurch zum Ausdruck, daß der Betrieb Alkoholiker beschäftigt. Zwei von ihnen sind bereits "trocken" und arbeiten hervorragend. Zwei andere kommen noch immer ab und zu betrunken zur Arbeit. Diese Tatsache wäre sicher ein berechtigter Grund, sie zu entlassen. Doch der Unternehmer sieht hinter dieser Krankheit die großen Schwierigkeiten, die dazu geführt haben sowie die Familie, die darunter leidet. Seine Entscheidung, ihnen immer wieder eine neue Chance zu geben, wird von einigen Beschäftigten zwar mitunter kritisiert, weil dadurch auch für sie Schwierigkeiten auftreten. Im Endeffekt glaubt der Unternehmer allerdings, daß ihm das sehr positiv angerechnet wird, weil die Beschäftigten spüren, daß der Betrieb auch jene unterstützt, die schwach sind, damit sie wieder auf die Beine kommen. Und diese Tatsache ist für den Unternehmer von großer Bedeutung.

Ein weiteres Beispiel für die Sorge des Unternehmers um einzelne MitarbeiterInnen zeigt sich darin, daß er einer Auszubildenen, die wegen Prüfungsangst ihre Prüfung nicht geschafft hat, rsprach, daß sie ihren Arbeitsplatz auf alle Fälle behalten kann. Im weiteren Verlauf hat sich in diesem Fall auch seine Frau darum gekümmert, indem sie der Betroffenen von einem Kurs erzählt hat, wo man lernt, wie man am besten mit dieser Angst umgehen kann.

Das Ergebnis der Betriebsklima-Analyse, der zu Folge 71% der Befragten sagen, daß ihnen der Vorgesetzte bei persönlichen Schwierigkeiten geholfen hat bzw. sie glauben, daß er ihnen helfen würde, zeigt, daß das Bemühen des Unternehmers, für den Einzelnen da zu sein, sehr wohl gesehen wird.



Die Gründe, weshalb das Unternehmen sehr gut läuft und sie immer wieder imstande sind, neue Produkte zu entwickeln, sieht der Unternehmer in der guten Zusammenarbeit und in der Hilfe Gottes: "Ja, und daß der Herrgott da auch mitspielt, das ist mir vollkommen klar! Diese Überzeugung, daß der Erfolg eines Unternehmens nicht nur auf den Einsatz der dort arbeitenden Menschen zurückzuführen ist, teilt Theo Naarmann mit vielen anderen Unternehmern der Wirtschaft in Gemeinschaft.



5.3. In bezug auf Entscheidungsprozesse
Wie im Teil 2 dargestellt wird, ist eine Idee von Wirtschaft in Gemeinschaft das gemeinsame Treffen von wichtigen Entscheidungen. Das scheint mir zum Großteil auch eine Überzeugung des Unternehmers zu sein. Ich habe bereits dargestellt, daß der Unternehmer den Erfolg der Molkerei im gemeinsamen Agieren der Beschäftigten sieht. Darum spricht er meist auch in Wir-Form.

Um mitentscheiden zu können, müssen die Beschäftigten natürlich genügend Informationen besitzen. Wie bereits erwähnt, kommen die Betriebsklima-Analyse und der Gesundheitsbericht zum Ergebnis, daß sich viele MitarbeiterInnen zu wenig informiert fühlen, was meinen eigenen Beobachtungen und Erfahrungen allerdings widerspricht. Ich hatte den Eindruck, daß mir gegenüber nichts rheimlicht wurde; im Gegenteil: ich durfte in viele Protokolle, Berichte und sonstigen Begebenheiten einen Einblick gewinnen, jederzeit einen Betriebsgang machen und mir meine InterviewpartnerInnen selbst aussuchen. Es könnte natürlich sein, daß ich als externe Person in dieser Hinsicht anders behandelt wurde, doch gerade der Einblick in die Protokolle der letzten Jahre zeigte mir, daß über viele Dinge sehr offen gesprochen wurde. Auch bei der Besprechung hatte ich keineswegs den Eindruck, daß man rsucht hat, irgendetwas zu rheimlichen.

So erscheint mir die Idee der Wirtschaft in Gemeinschaft von einem transparenten Betrieb, der nach ethischen Grundsätzen geführt wird, in der Molkerei zum Großteil rwirklicht.

In bezug auf die Entscheidungsprozesse scheinen mir auch die regelmäßigen Zusammenkünfte der Unternehmer der Wirtschaft in Gemeinschaft von Nordrhein-Westfalen bezeichnend für dieses Projekt. Theo Naarmann erzählte davon:

"Mit einigen hier von der näheren Umgebung treffen wir uns so ab und zu und machen einen Austausch über die Dinge, die eben so in einem Unternehmen passieren, wie wir uns da rhalten, was wir da machen können. [] Ja, und dann haben wir die Halbjahrestreffen in Solingen."

Darüber hinaus ist Theo Naarmann auch Vorstandsmitglied der Solidar Capital, eine GmbH & Co KG der Wirtschaft in Gemeinschaft, die Personen Kapital leiht, die einen Betrieb gründen wollen, der die Ideen der Wirtschaft in Gemeinschaft umzusetzen rsucht. Zu diesem Betrieb gehören zirka 30 Gesellschafter, darunter Unternehmer der Wirtschaft in Gemeinschaft aus Deutschland sowie Privatpersonen, denen die Verbreitung der Wirtschaft in Gemeinschaft ein Anliegen ist. Dieser Betrieb ist entstanden, um Jungunternehmern eine gute Chance zu geben, um die ersten, schwierigen Jahre einer Betriebsgründung zu überstehen. Bevor einem Betrieb Kapital gegeben wird, wird dieser allerdings genauestens untersucht, ob er auch imstande sein wird, sich bald selbst erhalten zu können und das geliehene Kapital mit Zinsen wieder zurückzahlen kann.


6. Abschließende Bemerkungen
In unserer heutigen Zeit ist durch die fortschreitende Forschung und Entwicklung vieles im Wandel begriffen. Von erfolgreichen Unternehmen wird rlangt, daß sie sich dieser Herausforderung stellen.

Auch die Kultur, die in einem Unternehmen herrscht bzw. gelebt wird, und die einen bedeutenden, wirtschaftlichen Erfolgsfaktor darstellt, darf kein statisches Moment sein, sondern soll sich statt dessen den notwendigen Veränderungen stellen. Es ist also gefragt, sich dieser Wirklichkeit bewußt zu werden und in angemessener Art und Weise auf die sich ändernde Umwelt und die sich ändernden Bedürfnisse der Menschen zu reagieren. Die folgende Aussage von Freilinger zeigt, wie dieser Prozeß erfolgreich vor sich gehen könnte:

"Um zu einem umfassenderen Bild der Wirklichkeit zu kommen, sollten wir uns unserer Paradigmen und Annahmen bewußt werden. Dazu ist es notwendig, unseren Platz, unseren geistigen Standort zu wechseln, indem wir uns z.B. in die Lage eines anderen Menschen (der Mitarbeiter, der Kunden) rsetzen. Dadurch bekommen wir einen neuen Blickwinkel, der es uns ermöglicht, die Dinge anders zu sehen." (Freilinger 1994, S. 29)

Gelingt es uns, uns in die Lage unserer Mitmenschen zu rsetzen, und sie in ihren Anliegen und Nöten zu rstehen, wird sich das nicht nur positiv auf den Erfolg eines Unternehmens auswirken, sondern es würde auch das Zusammenleben aller Menschen erleichtern und zu mehr Gerechtigkeit führen.



Im zweiten Teil meiner Diplomarbeit habe ich einen Einblick in ein internationales Wirtschaftsprojekt gegeben, dessen Ziel die Verbreitung eines neuen Lebensstils ist, bei dem der Mensch als Schwester bzw. Bruder gesehen wird. Die jährlich steigende Anzahl von daran teilnehmenden Betrieben läßt mich hoffen, daß sich der bereits erwähnte "Traum" der Mitglieder der Fokolarbewegung - keine Notleidenden - eines Tages rwirklichen wird. Gewiß ist die Anzahl jener Betriebe und der Gewinn, den sie erwirtschaften im internationalen Vergleich rschwindend gering. In der Hoffnung jedoch, daß immer mehr Menschen erkennen, daß sich der Mensch "gerade im Geben, im Lieben rwirklichen" kann (vgl. Lubich 1991), wage ich zu behaupten, daß das Projekt der Wirtschaft in Gemeinschaft zusammen mit den vielen sozialen Projekten, die im Laufe unseres Jahrhunderts entstanden sind, immer mehr Menschen zum Umdenken bewegen können und sich die Wirtschaft wieder ihre ureigenste Aufgabe zu eigen macht, nämlich "eine Wirtschaft für den Menschen" zu sein.



7. Literaturrzeichnis


Bücher:

Amaini, M. (1997): I valori culturali nel Management e sistemi di qualità certificati ISO 9000. Confronto italo/germanico fra aziende del settore yogurt/latticini, Diplomarbeit an der "Unirsità di Padova".



Atkinson, J.W. (1981): Motivationale Determinanten des Verhaltens bei Risiko, In: Ackermann, K. (Hrsg.): Personalwirtschaft. Motivationale und kogniti Grundlagen, Stuttgart: Poeschel, S. 261-279.



Freilinger, C. K. (1994): Organisation 2000. Die Erfolgsfaktoren schlanker Unternehmen, Wiesbaden: Gabler.



Gui, B. (1992) in: Pizzi, P. (1993): Verso una nuova cultura economica. Un progetto di economia di comunione, Diplomarbeit an der "Unirsità degli Studi di Ancona".



Herbst, D. (1998): Corporate Identity. Berlin: Cornelsen Verlag.



Herzberg, F. (1981): Die Motivations-Hygiene Theorie. In: Ackermann, K. (Hrsg.): Personalwirtschaft. Motivationale und kogniti Grundlagen, Stuttgart: Poeschel, S.109-l13.



House, R. / Shamir, B. (1995): Führungstheorien. Charismatische Führung, In: Kieser, A. (Hrsg.): Handwörterbuch der Führung. 2.Auflage, Stuttgart: Poeschel, S. 878-897.



Jago, A.G. (1995): Führungstheorien. Vroom/Yetton-Modell, In: Kieser, A. (Hrsg.): Handwörterbuch der Führung. 2.Auflage, Stuttgart: Poeschel, S.1058-l075.



Katholische Bibelanstalt GmbH (1980): Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, Stuttgart: Verlag Herder.



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Kolbeck, C. / Nicolai, A. (1996): Von der Organisation der Kultur zur Kultur der Organisation. Kritische Perspektin eines neueren systemtheoretischen Modells, Marburg: Metropolis-Verlag.



Krech, D. / Crutchfield, R.S. (1985): Personenwahrnehmung, In: Krech, D. (Hrsg.): Grundlagen der Psychologie, Band 7: Sozialpsychologie, Weinheim und Basel: Beltz, Psychologie Verlags Union, S.59-84.



Lamnek, S. (1995b): Qualitati Sozialforschung, Band 2: Methoden und Techniken. Kapitel 3: Das qualitati Interview, 3. Auflage. Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union, S. 35-64.



Lamnek, S. (1995b): Qualitati Sozialforschung, Band 2: Methoden und Techniken Kapitel 6: Die teilnehmende Beobachtung, 3. Auflage. Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union, S. 239-263.



Locke, E. / Latham, G. (1990/1993): Work Motivation. The High Performance Cycle. New Jersey: Lawrence Erlbaum Associates Publisher, S. 3-23.



Lubich, C. (1991): Die Welt wird eins. Franca Zambonini im Gespräch mit der Gründerin der Fokolarbewegung, München/Zürich/Wien: Verlag Neue Stadt.



Maslow, A. (1970): Motivation and personality, New York: Harper & Row.



Portele, G. (1989): Autonomie, Macht, Liebe. Konsequenzen der Selbstreferentialität, Frankfurt/Main: Suhrkamp.



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Rosenstil, Lutz von (1993): Unternehmenskultur - einige einführende Anmerkungen. In: Dierkes Meinolf, Rosenstiel, Lutz von & Steger, Ulrich (Hrsg.). Unternehmenskultur in Theorie und Praxis. Frankfurt, New York: Campus Verlag, S.8-22.

Schein, E. H. (1995): Unternehmenskultur, Frankfurt: Campus Verlag.



Simon, H. (1990): Herausforderung Unternehmenskultur, Stuttgart: Schäffer Verlag.



Vroom, V.H. (1991): Flexible Führungsentscheidungen. Management der Partizipation in Organisationen, Stuttgart: Poeschl.





Zeitschriften:

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Araujo, V. (1994): Die Kultur des Gebens gemäß dem Evangelium, Economia di comunione - eine neue Kultur, 1/94, S.3-5.



Araujo, V. (1997): Il lavoratore e l'indigente, attori di Economia di Comunione, Economia di comunione: una cultura nuova, 6/97, S.4.



Bruni, L. (1996): Bürgerliche Ökonomie und Wirtschaft in Gemeinschaft, Economia di Comunione - eine neue Kultur, 4/96. S. 5.



Ferrucci, A. (1995): Die Genossenschaft "Roberto Tassano". Nicht nur eine wirtschaftliche, auch eine soziale Bilanz. Economia di Comunione - eine neue Kultur, 2/95, S.12f.



Sackmann, Sonja A. (1991): Uncoring Cultures in Organizations, Journal of Behavioral Science, Vol. 27, S.295 - 317.






[1] Der Bericht läßt darauf schließen, daß die drei Personen des Produktionsbüros in bestimmten Belangen für alle Befragten die Vorgesetzten sind.

[2] Theo Naarmann erklärte mir einmal, daß er seinen Kunden den Inhalt der Bilder folgendermaßen erklärt: Von solch glücklichen Kühen bekommen wir unsere Milch, die wir mit so modernen Anlagen zu so guten Produkten rwandeln.

[3] Unter einem "Rich Point" werden Beobachtungen rstanden, die sich durch die gesamte Dauer einer Untersuchung ziehen und Wichtiges über eine Unternehmenskultur aussagen können.








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