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Die Fokolarbewegung



1.1. Entstehungsgeschichte
Während des 2. Weltkrieges gab es in Trient (Norditalien) eine Gruppe junger Frauen, darunter auch die derzeitige Präsidentin der Fokolarbewegung Chiara Lubich. Sie selber beschreibt die Entstehungszeit dieser Laienbewegung folgendermaßen:

"Während der Krieg weitere Zerstörungen anrichtete, versuchten meine Gefährtinnen und ich, unserem Leben einen Sinn zu geben. Alle Ideale, die junge Menschen haben, brachen zusammen: Wer eine Familie gründen wollte, erhielt die traurige Nachricht, daß der rlobte an der Front gefallen war. Wer sein ganzes Interesse dem Studium zugewandt hatte, konnte nicht weiterstudieren, weil der Krieg es verhinderte. Wer te, sein Haus schön einzurichten, mußte sehen, wie es von Bomben zerstört wurde Jeder sah, wie das, worauf er seine Existenz gegründet hatte, auf schreckliche Weise zugrunde ging. Gleichzeitig kamen wir - gerade durch die Zerstörungen des Krieges - zu einer wichtigen Erkenntnis: ,Windhauch, Windhauch, das alles ist Windhauch' (Koh 1,2[1]). Alles vergeht. Kann man auf etwas bauen, das nur kurze Zeit Bestand hat? Wir fragten uns: Gibt es ein Ideal, für das wir unser ganzes Leben einsetzen können? Ein Ideal, das nicht vergeht? Ein Ideal, das durch keine Bombe zerstört werden kann? Wir fanden die Antwort: Ja, es gibt ein solches Ideal: Gott.[] Auch vorher hatten wir an ihn geglaubt und versucht, ihn zu lieben. Aber in diesem Augenblick haben wir ihn neu verstanden. Es traf uns wie der Blitz, es schien die Entdeckung einer Wahrheit, die uns nie richtig bewußt gewesen war: Gott ist die Liebe, er liebt uns. Alles, was geschieht, sei es freudvoll oder schmerzlich, alles hat er vorhergesehen, alles ist von seiner Liebe gewollt oder zugelassen. Mit dieser Entdeckung bekam unser Leben eine neue Bedeutung." (Lubich 1991, S. 45f)




Diese "Entdeckung" spornte sie an, die Liebe, die sie erfahren hatten, weiterzuschenken. In der durch den Krieg zerstörten Stadt Trient, in der es viele Menschen gab, die ihre essentiellen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen konnten, wollten diese jungen Frauen ihren konkreten Beitrag liefern, die große, soziale Not zu lindern. So gaben sie das, was sie besaßen oder geschenkt bekamen, denen weiter, die nichts hatten und kümmerten sich um die rwaisten und Obdachlosen. Dabei durften sie erleben, daß es stimmt, was im Evangelium Jesu, an dem sie ihr Leben von nun an radikal ausrichten wollten, steht, wenn es da z.B. heißt: "Gebt und es wird euch gegeben werden." (Lk 6,38) - denn sie machten die Erfahrung: Wenn sie etwas gaben, bekamen sie noch mehr zurück (vgl. Lubich 1991, S.53). Ihre kleine Wohnung wurde bald zu einem Ort, zu dem sowohl viele mit ihren Bedürfnissen kamen als auch jene, die ihren Überfluß geben wollten. Es entstand eine Art Gütergemeinschaft: Die, die viel besaßen, gaben ihren Überfluß denen, die nichts hatten. Im rtrauen auf die Hilfe Gottes gaben einige sogar scheinbar notwendige Dinge all jenen, die noch weniger ihr Eigentum nennen konnten.

Chiara Lubich und ihre Freundinnen besuchten überdies viele der tausenden verwaisten, verletzten und kranken Menschen und gaben ihnen jeweils das, was diese brauchten und was sie ihnen zu geben imstande waren. Sie konnten dabei erleben, daß die Liebe "ansteckt", daß sie gegenseitig wird, denn je mehr sie gaben, umso mehr empfingen sie, seien es materielle als auch geistige Güter (vgl. Lubich 1991, S.54).



Die Liebe als Richtlinie für ihr Leben zu wählen ging sogar soweit, bereit zu sein, das Leben für die anderen zu geben. Im Johannesevangelium steht ja geschrieben: "Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt." (Joh 15, 12f) Dieses Gebot der Nächstenliebe umzusetzen, fing in den Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens an. Dessen Radikalität zeigte sich schließlich auch darin, daß sie alte und behinderte Menschen in die Luftschutzkeller begleiteten, während bereits die Bomben fielen und sie somit ihr eigenes Leben riskierten.

Diese anfänglich kleine Gruppe von jungen Frauen hatte also beschlossen, nach dem Evangelium Jesu zu leben. Sie trafen sich oft im Luftschutzkeller, wo sie bei Kerzenlicht das Evangelium aufschlugen und das, was sie dort lasen, ins Leben umsetzen wollten.

Eines Tages stießen sie dabei auf einen Satz Jesu, von dem sie sich insbesondere angesprochen fühlten. Chiara Lubich bezeichnet diesen auch als die "Magna Charta" für den Beginn der Bewegung. Es ist jenes Gebet Jesu, das er kurz vor seinem Tod an den Vater richtete: "Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein" (Joh 17,21). Die Einheit der ganzen Welt wurde also zum Ziel ihres Lebens (vgl. Lubich 1991, S.50f).



Daß dieser Einsatz für eine geeinte Welt - eine Welt, in der unter allen Menschen mehr Geschwisterlichkeit herrscht - oft mit Schwierigkeiten verbunden war, erscheint offensichtlich. Chiara Lubich sagt, daß Gott ihnen ein Geheimnis offenbart bzw. "den Schlüssel" gegeben hatte, um ein solches Leben führen zu können:

"Dieses Geheimnis haben wir kennengelernt, als uns aufging, daß Jesus am meisten gelitten hat, als er am Kreuz schrie: ,Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?' (Mt 27,46). Das war seine ,innere Passion': Mit unseren Sünden beladen, fühlte er sich als Mensch vom Vater verlassen. Dadurch hat er die Spaltungen überwunden, die die Menschen von Gott und untereinander trennen. Eine innere Stimme drängte uns, den gekreuzigten und verlassenen Jesus zu lieben. Für diesen Jesus wollten wir uns entscheiden, ihm wollten wir folgen." (Lubich 1991, S. 49)

Nur mit diesem "Geheimnis im Herzen" sei es möglich, sich für das Ziel einer gerechteren, friedvolleren, geschwisterlichen Welt - für die Einheit der Welt einzusetzen.

Was war aber nun die Folge dieses Lebensstils, dessen Grundlage das Leben nach dem Evangelium bildet?

"Wir erfuhren eine Sicherheit, einen Frieden, eine Freude, die wir nie zuvor kennengelernt hatten. Unsere Seele war von einem neuen Licht erfüllt." (Lubich 1991, S.48)

Die Folge dieses Lebens, das seinen Sinn in der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen hat, war also eine nie gekannte Freude und ein innerer Friede. Dieser wirkte sich sehr rasch auf andere aus. So wurde aus dem Wunsch einer Gruppe junger Frauen, durch ihr Leben anderen Menschen die Liebe Gottes erfahrbar zu machen, eine kirchliche Laienbewegung, die 1962 von Papst Johannes Paul XXIII approbiert wurde, und zu der sich inzwischen weltweit zirka zweieinhalb Millionen Menschen von verschiedenen Religionen und Weltanschauungen zählen.

1.2. rbreitung und Charakteristik dieses Lebensstils
Das Ziel der Gruppe war anfangs die Lösung des sozialen Problems in Trient. Sie konnten damals die Auswirkungen dieses Lebensstils noch nicht erahnen:

Nach einigen Monaten waren es etwa 500 Menschen, die sich dieser Gruppe anschlossen; darunter Frauen und Männer aus den verschiedensten sozialen Schichten. Bereits im Jahr 1948 hatte sich diese kirchliche Laienbewegung bis nach Rom ausgebreitet, sodaß Chiara Lubich gemeinsam mit einigen anderen nach Rom übersiedelte, wo auch heute noch das Zentrum der Fokolarbewegung ihren Sitz hat.

Im Jahr 1952 machten sich die ersten Nicht-ItalienerInnen aus verschiedenen Ländern Europas diesen Lebensstil zu eigen, 1959 verbreitete er sich in Latein- und Nordamerika, 1966 in Afrika und Asien und ein Jahr später schließlich auch in Australien. Heutzutage leben die in etwa zweieinhalb Millionen Mitglieder der Fokolarbewegung in 182 verschiedenen Ländern der Erde.



Ein Charakteristikum dieser Bewegung ist es, daß sich Personen aus den verschiedensten sozialen Schichten, Berufen und Berufungen diesen Lebensstil zu eigen gemacht haben. So heißt es in einem Lied der 50iger Jahre, das in den gemeinsam verbrachten Sommerferien in Fiera di Primiero (ein Ort in den italienischen Dolomiten) häu gesungen wurde:

"Eisenbahner, Studenten, Arzte, Apotheker und Abgeordnete: Kaum sind sie in der Mariapoli[2], sind sie alle gleich. Was zählen die Titel, wenn wir Brüder sind?" (Lubich 1991, S.68)

Die Tatsache, daß sich die Mitglieder bemühen, sich gegenseitig und alle ihre Mitmenschen als Geschwister zu sehen, läßt viele Barrieren von scheinbaren Gegensätzen verschwinden.

Dies erklärt auch die Unterschiedlichkeit der Mitglieder der Fokolarbewegung:

Anfangs gehörten ihr lediglich Katholiken an, darunter Kinder, Jugendliche, Familienmütter und -väter, zölibatär lebende Frauen und Männer, Ordensleute und Priester. (Heutzutage gibt es auch viele Bischöfe, die sich zu den Mitgliedern der Fokolarbewegung zählen.) Zu Beginn der 60iger Jahre schlossen sich erstmals Christen anderer Konfessionen der Laienbewegung an. Heute stammen die christlichen Mitglieder der Fokolarbewegung aus 300 verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften.



Doch dieser neue Lebensstil, der sich nach dem Evangelium ausrichtet, weckte nicht nur bei Christen Interesse, sondern auch bei Menschen, die anderen Weltreligionen angehören. Schließlich verbindet sie alle die Goldene Regel: "Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen." So fühlen sich heutzutage Buddhisten, Moslems und Juden aus den verschiedenen Teilen der Welt mit dem Ziel der Fokolarbewegung verbunden, geben ihren Beitrag zur rwirklichung von mehr Geschwisterlichkeit unter allen Menschen und nehmen an den jährlichen, insbesondere für sie organisierten Treffen der Fokolarbewegung in Rom und an den regionalen Treffen teil.

Auch viele Menschen ohne religiöses Bekenntnis bezeichnen sich als Freunde der Fokolarbewegung, weil sie mit ihr den Wunsch teilen, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen, in der mehr Liebe herrscht und ein Zusammenleben aller Menschen in Frieden möglich ist.

Chiara Lubich spricht aus diesem Grund von vier Dialogen, die die Fokolarbewegung führt, um sich dem so hohen Ziel einer geeinten Welt nähern zu können, das vielen utopisch erscheint:

1. Der Dialog innerhalb der katholischen Kirche

2. Der Dialog mit allen Christen

3. Der Dialog mit Menschen anderer Religionen

4. Der Dialog mit Menschen anderer Weltanschauungen

Es sind gerade die Bemühungen, diese vier Dialoge im großen und kleinen zu führen, die "die Einheit der Welt" von ihrer sehr utopisch klingenden Zieldimension hin zu einer mehr realen geleiten können.



Der Einsatz der Fokolarbewegung im sozialen, politischen, wirtschaftlichen und religiösen Bereich wurde durch verschiedene Preise und Ehrungen gewürdigt.

Im September 1998 verlieh der Europarat Chiara Lubich den Menschenrechtspreis. In der amtlichen Mitteilung des Europarates wird diese Preisverleihung folgendermaßen begründet:

"La difesa dei diritti individuali e sociali è al cuore della sua azione in Europa e nelle numerose altre zone del mondo. Giovani, adulti, alti dirigenti civili e religiosi sono coinvolti nell'azione condotta da Chiara Lubich per far progredire la causa dei diritti dell'uomo, la pace e l'unità fra i singoli e tra i popoli."[3] (Europarat 1998, http://www.focolare.org/it/sif/19980905i_a.html)

Bei ihrer Ansprache betonte Chiara Lubich das bereits dargelegte Ziel der Fokolarbewegung:

"Im ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es: ,Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie () sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.' Die Menschen, alle Menschen sollen wie Geschwister leben. Und vor allem darum bemüht sich die Fokolarbewegung. [] Sie sieht ihre grundlegende Bestimmung gerade darin, sich für die rwirklichung der Geschwisterlichkeit aller Menschen einzusetzen. [] Die über tausend konkreten Initiativen und Werke, die im Lauf der Jahre innerhalb der Bewegung entstanden sind, verstehen sich einfach als Ausdruck der Liebe zum Menschen." (Lubich 1998, http://www.focolare.org/it/sif/19980925t_c.html)

1.3. Organisation und Struktur
Im Laufe der inzwischen 55 Jahre des Bestehens der Fokolarbewegung hat sich eine Struktur entwickelt, dessen Entstehung Chiara Lubich nicht sich selbst zuschreibt:

"An die Notwendigkeit einer Organisation haben wir nie gedacht. Als meine ersten Gefährtinnen so zahlreich geworden waren, daß wir nicht mehr alle in einem Haus unterkamen, suchten wir uns eine weitere Wohnung. In dieser Weise hat sich alles weiterentwickelt. Es war ein anderer, der die Dinge ordnete. Nicht wir, sondern der Heilige Geist wußte, welches Werk er im Lauf der Jahre aufbauen wollte." (Lubich 1991, S. 54 )

Die Organisation weist heutzutage eine Art mehrdimensionale Organisationsstruktur auf, die folgenderweise zum Ausdruck kommt:

An der Spitze der Organisation steht eine Präsidentin (zur Zeit: Chiara Lubich) und ein Co-Präsident (zur Zeit: Pasquale Foresi), die die Hauptverantwortung tragen sowie die Fokolarbewegung nach außen hin vertreten. Beide werden alle sechs Jahre neu gewählt und haben jeweils eine/n rtreterIn.

In Rocca di Papa (Rom) befindet sich die Zentrale. Dort arbeiten die rantwortlichen für die einzelnen Bereiche, in denen die Organisation tätig ist (z.B. Interreligiöser Dialog, Ökumene, Politik, Wirtschaft, Kunst). Ebenfalls in Rom befinden sich die zentralen Büros für die 18 "Branchen[4]", die sich im Laufe der Zeit gebildet haben, um der jeweiligen freiwilligen Intensität im Engagement für die Ziele der Fokolarbewegung sowie dem Alter und der Berufung der Mitglieder Folge leisten zu können.

Geographisch gesehen ist die Organisation in 72 sogenannte "Zonen" unterteilt, die jeweils Teile eines Landes, ein Land oder mehrere Länder umfassen - je nach der Ausbreitung der Fokolarbewegung in diesen Gebieten. In jeder Zone gibt es eine Frau und einen Mann, die die Hauptverantwortung für die jeweilige Zone tragen, die Aktivitäten innerhalb der Zone koordinieren und die rbindung mit der Zentrale in Rom halten.

Auch innerhalb der einzelnen Zonen gibt es Hauptverantwortliche für die einzelnen "Branchen" und Bereiche, in denen sich die Organisation engagiert, die die jeweiligen Aktionen koordinieren und an die rantwortlichen der jeweiligen Zone sowie der jeweiligen Zentrale in Rom weiterleiten.

Eine Besonderheit der Organisationsstruktur liegt in der Tatsache, daß grundsätzlich immer zwei Personen (eine Frau und ein Mann) für einen bestimmten Bereich verantwortlich sind. Weitreichendere Entscheidungen werden daher nie alleine getroffen, sondern von mindestens zwei Personen. Dies unterstreicht in diesem Fall die christliche Ausprägung der Organisation, da die Mitglieder davon überzeugt sind, daß sie ihr Ziel - die Einheit - nur mit der Hilfe Gottes erreichen können und Jesus selber gesagt hat: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." (Mt 18,20) Im rtrauen auf die Gegenwart Jesu, die gegeben ist, wenn sie einander in bedingungsloser Liebe begegnen, werden viele Entscheidungen getroffen. So ist auch die Vorbemerkung der Statuten, deren Erneuerungen im Jahr 1990 von der Katholischen Kirche approbiert worden sind, folgende:

"Die beständige gegenseitige Liebe, die die Einheit und die Gegenwart Jesu in der Gemeinschaft ermöglicht, ist für die Mitglieder des Werkes Mariens[5] die Grundlage ihres Lebens in jedem seiner Aspekte: Sie ist die Norm aller Normen, die Voraussetzung jeder anderen Regel." (Lubich 1994, S.160)

1.4. Finanzieller Aspekt und Gütergemeinschaft


Chiara Lubich spricht von folgenden drei Quellen, von denen die Mitglieder ihre finanziellen Mittel beziehen (vgl. Lubich 1991, S.94ff):



1. Die göttliche Vorsehung: Die Mitglieder der Fokolarbewegung dürfen immer wieder erfahren, daß Gott mit seiner fürsorglichen Liebe auf sie schaut: Geschenkte Grundstücke, Gebäude, technische Geräte aber auch andere, kleine Gegenstände oder Lebensmittel sind ein Beweis dafür, daß sich jener Satz des Evangeliums erfüllen kann: "Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben." (Mt 6,33)

2. Die Gütergemeinschaft: Das Vorbild der Mitglieder der Fokolarbewegung ist die christliche Urgemeinde, von der es heißt: "Die Gemeinde war ein Herz und eine Seele. [] Sie hatten alles gemeinsam." (Apg 4,32) Mit welcher Radikalität die Mitglieder diese Gütergemeinschaft leben, ist allen ganz frei überlassen. Während einige - immer auf freiwilliger Basis - regelmäßig ihren Überfluß geben, legen die Fokolare[6] den gesamten rdienst ihrer Arbeit auf ein gemeinsames Konto. Je nach den Bedürfnissen wird das Geld weltweit unter den Fokolaren verteilt. Schon seit Beginn der Fokolarbewegung wurde der Aspekt der freiwilligen Gütergemeinschaft als notwendige Voraussetzung für eine gerechtere rteilung der materiellen Güter betrachtet. Es wurde dabei aber beim materiellen Aspekt nicht Halt gemacht, sondern man erkannte auch die Wichtigkeit der "geistigen Gütergemeinschaft" - des Erfahrungsaustausches, der Bereitstellung von Talenten, von Zeit usw.

3. Die Arbeit: Fast alle Mitglieder üben in öffentlichen oder privaten Organisationen jenen Beruf aus, für den sie ihr Ausbildung absolviert haben bzw. befinden sich noch in Ausbildung. Die Arbeit ist für sie prinzipiell sehr wichtig, weil sie darin auch den Willen Gottes für ihre jeweilige Situation zu erkennen versuchen. Sie trachten allerdings danach, ihre Arbeit mit jener inneren Loslösung zu verrichten, von der das Evangelium spricht. Somit sind v.a. die Fokolare bereit, bei Bedarf ihre Arbeit zu wechseln oder aufzugeben, um ganz im Dienst der Entwicklung der Fokolarbewegung zu stehen.



1.5. Treffen und soziale Initiativen
ranlaßt durch die Sehnsucht der Mitglieder nach mehr Geschwisterlichkeit unter allen Menschen, werden verschiedene weltweite Treffen organisiert, in denen die Teilnehmenden die Erfahrung machen können, wie bereichernd ein Austausch mit Menschen aus anderen Kulturen und Weltanschauungen sein kann. So gibt es z.B. internationale Jugendfeste - genannt "Genfeste" - oder internationale Familienfeste. Letzteres fand im Juni 1993 in Zusammenarbeit mit der UNO im Rahmen des "Internationalen Jahres der Familie" statt. Daran nahmen zirka 15.000 Menschen aus 80 verschiedenen Ländern teil. Mittels Mondovision verfolgten in etwa 750 Millionen Menschen dieses Familienfest, dessen zentrale Botschaft sich in folgendem Satz zusammenfassen läßt: Die Einheit innerhalb der Familie und zwischen den Familien der verschiedenen Rassen, Religionen, Kulturen und sozialen Klassen ist möglich.



Zur rbreitung dieses Lebensstils gibt es auch 24 rlagshäuser. Das größte befindet sich in Rom und heißt "Città Nuova Editrice". Einmal bzw. zweimal im Monat wird von diesen rlagshäusern eine Zeitschrift herausgegeben, die eine Gesamtauflage von 200.000 Stück aufweist.



Von den Mitgliedern der Fokolarbewegung sind zirka 750 größere und kleinere soziale Initiativen ins Leben gerufen bzw. auf Wunsch von anderen Personen oder Organisationen von ihnen übernommen worden. Diese sind eine sichtbare Konsequenz aus dem sehr hohen Ziel, das sich die Mitglieder gesetzt haben: die Einheit aller Menschen - die universale Geschwisterlichkeit. Wenn allerdings - wie heutzutage - ?% der Menschen ?% der Güter besitzen, ist es unmöglich, von einer Menschheitsfamilie zu sprechen. Die Mitglieder der Fokolarbewegung sind sich bewußt, daß ihre sozialen Initiativen das große soziale Problem der ungerechten rteilung der Güter nicht lösen können. Sie wollen damit jedoch ein Zeichen setzen in der Hoffnung, daß viele kleine Pinselstriche ein großes, neues Bild ergeben.



Im folgenden nenne ich einige Beispiele solcher sozialen Projekte, die von der Fokolarbewegung sowie von einzelnen Mitgliedern ins Leben gerufen wurden:



¨ Magnificat (im Nordosten Brasiliens)

Der Fokolarbewegung wurde von einem alten Großgrundbesitzer ein Grundstück im Nordosten Brasiliens geschenkt, auf dem sich das heutige Projekt Magnificat befindet. Dort wurden Zentren für den sanitären, erzieherischen, handwerklichen und landwirtschaftlichen Bereich geschaffen. Ebenso wurden neue Agrartechniken eingeführt, die durch eine professionelle Ausbildung der Arbeiter begleitet werden, wodurch sich neue Marktmöglichkeiten entwickelt haben. Es ist auch ein Wachsen der gemeinschaftlichen Sensibilität zu bemerken - wie die Mitteilung von neuen Erkenntnissen und Strukturen, die auch andere soziale Projekte der Umgebung miteinbezieht. Heute handelt es sich dabei um 12 Gemeinschaften mit insgesamt mehr als 5000 Personen.



¨ Bukas Palad (Philippinen)

"Bukas Palad" heißt in der Landessprache der Einwohner von Tagaytay soviel wie "offene Hände". Dieses Projekt besteht aus drei großen sozialen Zentren auf den philippinischen Inseln - in Manila, Cebu und Tagatay. Der zentrale Aspekt dieser Initiative ist eine Prävention im sanitären Bereich (durch Impfungen, zahnärztliche Behandlungen, Kurse im Bereich der Ernährungslehre sowie der körperlichen Pflege) und im sozialen Bereich (durch Volksschulen, Stipendien, Kleidung, Unterkünfte, berufliche Ausbildungszentren und finanzielle Hilfen). Die dort arbeitenden, freiwilligen HelferInnen verbringen einige Monate oder Jahre unentgeltlich in diesen Zentren. Im Laufe der Zeit entstanden und entstehen immer wieder neue Aktivitäten. Eine besondere Entwicklung ist die im Jahr 1993 - während des internationalen Familienfestes - ins Leben gerufene "Adoption auf Entfernung", wodurch vielen Kindern - nicht nur auf den Philippinen - geholfen wird.



¨ AVO Azione di Volontariato Ospedaliero (Italien)

Auf Initiative eines Mitgliedes der Fokolarbewegung, eines Primars in einem Krankenhaus Mailands, wurde 1975 die AVO gegründet, die heute einen sozialen Freiwilligendienst darstellt, der zu den weitverbreitetsten Italiens im Bereich der krankenhäuslichen Betreuung gehört. Die inzwischen zirka 25.000 Beteiligten widmen einen Teil ihrer Freizeit unentgeltlich den Patienten in den Krankenhäusern.



¨ Centro Giorgio La Pira (Florenz - Italien)

Dieses Zentrum ist 1978 auf Initiative der Ortskirche entstanden, um den Problemen der Immigration von Jugendlichen, insbesondere von Studenten aus den Dritte Welt Ländern entgegenzutreten. Es wurde der Fokolarbewegung anvertraut. In den letzten Jahren entstanden im Rahmen dieses Zentrums Kurse in Italienisch, Englisch, Kunstgeschichte, Politikwissenschaften für Ausländer sowie Bibliotheken, Informationsbüros und röffentlichungen über die Themen der interkulturellen Erziehung und Musik.



Die steigende Schwierigkeit dieser ausländischen Studenten, im Herkunftsland Arbeit zu finden, verleitet viele zur Schwarzarbeit in Italien. Aus diesem Grund hat das Zentrum seine Initiativen über die Grenzen Italiens hinweg erweitert und unterstützt konkrete Projekte wie z.B. die Finanzierung einer Tischlerei, Schneiderei sowie von landwirtschaftlichen Projekten in der Demokratischen Republik Kongo.



1.6. Modellsiedlungen
Das Ziel der Fokolarbewegung - die universelle Geschwisterlichkeit - erscheint vielen Menschen utopisch. Berichte aus den Medien sprechen nicht gerade vom Bemühen der Menschen nach Frieden, Gerechtigkeit - nach Einheit. Kriege und Streitigkeiten zwischen verfeindeten ethnischen Gruppen sowie Mitgliedern unterschiedlicher Religionen und Kirchen können die rmutung aufstellen lassen, daß ein friedliches, harmonisches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Rassen, Kulturen und Religionen unmöglich ist. Ein Zeichen, daß zumindest eine derart allgemein aufgestellte These nicht immer zutreffen muß, sind die inzwischen 20 sogenannten "Modellsiedlungen" der Fokolarbewegung. Die dort lebenden Menschen, die entweder ständig oder für einige Monate oder Jahre in jenen kleinen Dörfern eine besondere Lebenserfahrung machen möchten, haben den Wunsch, nach dem eingangs erklärten Lebensstil der Fokolarbewegung zu leben. Sie zeigen dadurch, daß ein friedliches Zusammenleben und Zusammenarbeiten - in den meisten Modellsiedlungen gibt es auch kleine Betriebe - von Menschen verschiedener Rassen, Religionen und Bräuche sehr wohl möglich ist und mehr noch, daß dies sehr bereichernd sein kann. In Anlehnung an die gemeinsam verbrachten Ferien - auch Mariapolis genannt - , in denen das "Neue Gebot Jesu" das Zusammenleben prägt, werden die Modellsiedlungen auch "ständige Mariapoli" genannt, weil dort die Menschen das ganze Jahr hindurch versuchen, nach diesem Gebot der Liebe zu leben.













Wo sich Modellsiedlungen befinden, zeigt folgende Landkarte:

































Abbildung 8: Modellsiedlungen der Fokolarbewegung (entnommen aus: http//www.foc.org.nulntro)

Jede Modellsiedlung weist eine bestimmte Charakteristik auf, die mit den vier Dialogen der Fokolarbewegung sowie deren Einsatz im sozialen Bereich einhergehen. Auch im Hinblick auf das Projekt der Wirtschaft in Gemeinschaft kommt diesen Siedlungen eine wichtige Bedeutung hinzu.



Einige Beispiele von Modellsiedlungen:

¨ Mariapoli "Renata": Loppiano - Italien

Es ist ein Dorf in der Toskana mit zirka 800 EinwohnerInnen aus 70 verschiedenen Nationen. Eine Hälfte dieser Menschen lebt ständig dort, der andere Teil - darunter Jugendliche, Priester, Familien, zölibatär lebende Erwachsene und Ordensleute - verbringen einige Monate oder ein, zwei Jahre in jenem Dorf. Loppiano ist die älteste Modellsiedlung - es gibt sie seit 1964 - und sie geht auf ein Erbstück der Familie Folonari[7] zurück. Inzwischen gibt es dort mehrere kleine Erzeugerbetriebe (z.B.: Tischlerei, Schneiderei, Kunstwerkstätten). Jährlich besuchen tausende Menschen, vor allem aus Italien, diese Mikrorealisation einer geschwisterlichen Welt.

¨ Mariapoli "Araceli": San Paolo - Brasilien

In dieser Modellsiedlung wohnen zirka 400 Personen - zum Großteil nur vorübergehend für ein paar Monate - aus den verschiedenen Provinzen Brasiliens, die dort eine Formung im Lebensstil der Fokolarbewegung erhalten. Diese Jugendlichen, Erwachsenen, Kinder, Familien, Priester und Ordensleute stammen aus unterschiedlichen sozialen Klassen und Kulturen. Da in Araceli 1991 das Projekt der "Wirtschaft in Gemeinschaft - in Freiheit" entstanden ist, kommt dieser Modellsiedlung diesbezüglich eine besondere Bedeutung hinzu. So entstand in den letzten Jahren rund um Araceli ein 50.000 m2 großer Industriegürtel, der von der Aktiengesellschaft ESPRI - bestehend aus 2000 Aktionären - verwaltet wird. Dort befinden sich inzwischen einige Betriebe des Projektes.

¨ Mariapoli "Friede": Philippinen

Diese Modellsiedlung möchten zeigen, wie wertvoll ein Dialog des Christentums mit den

großen, orientalischen Religionen sein kann.

¨ Mariapoli "Neues Gebot": Ottmaring - Deutschland

Dort leben Lutheraner und Katholiken zusammen und möchten ein Zeugnis von gelebter

christlicher Geschwisterlichkeit sein.

¨ Mariapoli "Luminosa" - New York

Diese Siedlung will Modell für einen fruchtbaren Dialog zwischen Angehörigen

verschiedener Rassen und Kulturen sein.




[1] Bei den in diesem Teil mehrfach zitierten Büchern und Briefen aus dem Neuen und Alten Testament der Bibel verwende ich die in der Theologie allgemein gebräuchlichen Abkürzungen, die ich im Anhang III erkläre.

[2] So wurde die gemeinsam verbrachte Ferienzeit genannt, in der alle Anwesenden versucht haben, nach dem "Neuen Gebot Jesu: Liebt einander so wie ich euch geliebt habe" (vgl. Joh 15,12) zu leben.

[3] "Die rteidigung der individuellen und sozialen Rechte steht im Herzen ihrer Aktion in Europa und in vielen anderen Gebieten der Welt. Jugendliche, Erwachsene, Persönlichkeiten aus dem zivilen und religiösen Leben sind in die Aktionen miteinbezogen, die von Chiara Lubich angeleitet werden, um in Bezug auf die Menschenrechte, den Frieden und die Einheit unter Einzelnen und zwischen Völkern Fortschritte zu machen."

[4] Beispiele für Branchen: Fokolare, Gen (=Neue Generation), Freiwillige, Jugend für eine geeinte Welt, Neue Familien, Neue Gesellschaft

[5] Die Fokolarbewegung wird auch "Werk Mariens" genannt.

[6] Die Fokolare sind Mitglieder der Fokolarbewegung, die zu einem besonderen apostolischen Leben in der Hingabe an Gott berufen sind. Anfangs handelte es sich dabei um unverheiratete Frauen und Männer, inzwischen zählen sich auch rheiratete dazu.

[7] Die Familie Folonari ist eine italienische Adelsfamilie. Der inzwischen verstorbene Vincenzo Folonari hat sein Erbstück - das Grundstück des heutigen Dorfes Loppiano - der Fokolarbewegung zur rfügung gestellt.








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