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Mark Twain - Die schreckliche deutsche Sprache

Ein bißchen Bildung macht die ganze Welt verwandt.

Sprüche XXXII, 7



Oft ging ich ins Heidelberger Schloß, um mir die Raritätensammlung anzusehen, und eines Tages überraschte ich den Kustos mit meinem Deutsch. Ich redete ausschließlich in dieser Sprache. Er war sehr interessiert; und nachdem ich eine Weile gesprochen hatte, sagte er, mein Deutsch sei höchst seltsam, möglicherweise ein »Unikum«, und wollte es seinem Museum einverleiben.

Wenn er gewußt hätte, was mich diese Fertigkeit zu erwerben gekostet hatte, hätte er auch gewußt, daß jeder Sammler dem Ruin entgegenging, der sie kaufen wollte. Harris und ich hatten damals mehrere Wochen lang hart an unserem Deutsch gearbeitet, und obwohl wir gute Fort­schritte erzielt hatten, war uns das nur unter großen Schwierigkeiten und Behinderungen gelun­gen, denn in der Zwischenzeit waren uns drei Lehrer weggestorben. Ein Mensch, der nicht Deutsch gelernt hat, kann sich gar keine Vorstellung davon machen, was das für eine komplizierte Sprache ist.




Ganz bestimmt gibt es keine andere Sprache, die so ungeordnet und unsystematisch, so schlüpfrig und unfaßbar ist; man treibt völlig hilflos in ihr umher, hierhin und dahin; und wenn man schließlich glaubt, man hätte eine Regel erwischt, die festen Boden böte, auf dem man inmitten der allgemeinen Unruhe und Raserei der zehn Wortarten ausruhen könne, blättert man um und liest: »Der Schüler beachte sorgfältig folgende Ausnahmen.« Man läßt das Auge darüber hinweg­gleiten und entdeckt, daß es mehr Ausnahmen von der Regel als Beispiele für sie gibt. Und so geht man wieder über Bord, um wieder einen Ararat zu suchen und wieder Treibsand zu finden. So ging es mir und geht es mir noch. Jedesmal, wenn ich glaube, einen dieser vier verwirrenden Fälle da zu haben, wo ich ihn meistern kann, schleicht sich eine scheinbar unbedeutende Präposi­tion in meinen Satz ein, ausgestattet mit einer furchtbaren und ungeahnten Macht, und läßt den Boden unter mir wegbröckeln. Zum Beispiel erkundigt sich mein Buch nach einem bestimmten Vogel (es erkundigt sich immerzu nach Sachen, die niemandem irgend etwas bedeuten): »Wo ist der Vogel?« Nun ist - laut Buch - die Antwort auf diese Frage, daß der Vogel wegen des Regens in der Schmiede warte. Natürlich macht das kein Vogel, aber man muß sich eben an das Buch halten. Na gut, ich fange an, mir das Deutsch für diese Antwort auszuklamüsern. Ich fange notwendigerweise am falschen Ende an, denn das ist die deutsche Auffassung. Ich sage mir: »Regen« ist männlich - oder vielleicht weiblich - oder möglicherweise sächlich - es macht jetzt zu viel Mühe, nachzuschlagen. Also ist es entweder »der« Regen oder »die« Regen oder »das« Regen, je nachdem, was dabei herauskommt, wenn ich nachschlage. Im Interesse der Wissen­schaft werde ich von der Hypothese ausgehen, er sei männlich. Sehr schön, dann ist es »der« Regen, wenn er sich nur in dem ruhenden Zustand des Erwähntwerdens befindet, ohne Weiterung oder Erörterung - Nominativ; aber wenn dieser Regen in gewissermaßen allgemeiner Weise auf dem Boden herumliegt, dann ist er genau lokalisiert, er tut etwas - das heißt, er ruht (was eine der Vorstellungen der deutschen Grammatik von »tun« ist), und das versetzt den Regen in den Dativ und macht »dem« Regen daraus. Dieser Regen jedoch ruht nicht, sondern tut aktiv etwas: er fällt - vermutlich, um dem Vogel in die Quere zu kommen - und das zeigt Bewegung an, was die Wirkung hat, ihn in den Akkusativ rutschen zu lassen, und »dem« Regen zu »den« Regen macht. Nachdem ich das grammatikalische Horoskop dieses Falles fertiggestellt habe, melde ich mich zuversichtlich und gebe auf deutsch bekannt, daß der Vogel sich »wegen den Regen« in der Schmiede aufhalte. Dann läßt mich der Lehrer gelinde mit der Bemerkung abblitzen, daß das Wörtchen »wegen«, sobald es in einen Satz hineinplatze, stets das Subjekt ohne Rücksicht auf die Folgen in den Genitiv versetze und daß deshalb dieser Vogel »wegen des Regens« in der Schmiede geblieben sei.

Übrigens: von einer höheren Autorität erfuhr ich später, daß es eine »Ausnahme« gebe, die es einem gestatte, unter gewissen eigentümlichen und verwickelten Umständen »wegen dem Regen« zu sagen, aber daß diese Ausnahme ausschließlich bei Regen gelte.

Es gibt zehn Wortarten, und alle sind sie schwierig. Ein Durchschnittssatz in einer deutschen Zeitung ist eine erhabene und ehrfurchtgebietende Kuriosität; er nimmt eine ertelspalte ein; er enthält alle zehn Wortarten - nicht in der gehörigen Reihenfolge, sondern durcheinandergewür­felt. Er ist hauptsächlich aus zusammengesetzten Wörtern gebaut, die der Schreiber an Ort und Stelle konstruiert hat und die in keinem Wörterbuch zu finden sind - sechs oder sieben in eines zusammengepreßte Wörter ohne Naht oder Saum - das heißt ohne Bindestriche. Er handelt von vierzehn oder fünfzehn verschiedenen Gegenständen, jeder in einer eigenen Parenthese einge­schlossen, mit zusätzlichen Parenthesen hier und da, die wiederum drei oder vier Unterparenthe­sen einschließen, so daß Hürden innerhalb der Hürden entstehen; schließlich werden alle Paren­thesen und Unterparenthesen zwischen zwei Überparenthesen zusammengeballt, deren eine in der ersten Zeile des majestätischen Satzes liegt und die andere in der Mitte der letzten Zeile - und danach kommt das Verb, und man bekommt zum erstenmal heraus, wovon der Mann gesprochen hat; und nach dem Verb - nur als Verzierung, soweit ich es ausmachen kann - schaufelt der Schreiber »haben sind gewesen gehabt haben geworden sein« oder Worte ähnlicher Bedeutung hinein, und das Monument ist fertig. Ich nehme an, daß dieses abschließende Hurra so etwas wie der Schnörkel bei einer Unterschrift ist - nicht notwendig, aber hübsch. Deutsche Bücher sind ziemlich leicht zu lesen, wenn man sie vor den Spiegel hält oder sich auf den Kopf stellt - um den Aufbau umzukehren -, aber ich glaube, eine deutsche Zeitung lesen und verstehen zu lernen ist eine Sache, die einem Ausländer stets unmöglich bleiben muß.

Aber sogar die deutschen Bücher sind nicht ganz frei von Anfällen der Parenthesenstaupe - obwohl diese gewöhnlich so mild verläuft, daß sie nur ein paar Zeilen umfaßt, und daher vermit­telt das Verb, wenn man sich endlich zu ihm hinabgearbeitet hat, dem Verstand noch einen gewissen Sinn, weil man sich noch an eine ganze Menge von dem erinnern kann, was davor stand.

Hier folgt nun ein Satz aus einem beliebten und ausgezeichneten deutschen Roman - mit einer kleinen Parenthese darin. Ich werde ihn absolut wörtlich übersetzen und zur Unterstützung des Lesers die Klammern und ein paar Bindestriche hinzufügen - obwohl im Original keine Klam­mern oder Bindestriche stehen und es dem Leser überlassen bleibt, sich bis zu dem fernen Verb hindurchzumühen, so gut er kann:

»Wenn er aber auf der Straße der (in-Samt-und-Seide-gehüllten-jetzt-sehr-ungeniert-nach-der-neuesten-Mode-gekleideten) Regierungsrätin begegnet«, und so weiter und so fort.

Das ist aus dem Roman >Das Geheimnis der alten Mamsell< von Frau Marlitt. Und dieser Satz ist nach dem höchst bewährten deutschen Muster gebaut. Sie sehen, wie weit das Verb von der Ope­rationsbasis des Lesers entfernt ist; na, in einer deutschen Zeitung setzen sie ihr Verb drüben auf der nächsten Seite hin; und ich habe gehört, daß sie manchmal, wenn sie eine oder zwei Spalten lang aufregende Einleitungen und Parenthesen dahergeschwafelt haben, in Zeitnot geraten und in Druck gehen müssen, ohne überhaupt bis zum Verb gekommen zu sein. Natürlich läßt das den Leser in einem Zustand starker Erschöpfung und Unwissenheit zurück.

Auch in unserer Literatur haben wir die Parenthesenkrankheit; und Fälle davon kann man täglich in unseren Büchern und Zeitungen sehen; aber bei uns ist sie Merkmal und Kennzeichen eines ungeübten Verfassers oder eines trüben Verstandes, während sie bei den Deutschen zweifellos Merkmal und Kennzeichen einer routinierten Feder und Zeugnis jener Art leuchtenden intellektu­ellen Nebels ist, den diese Leute für Klarheit halten. Denn es ist bestimmt nicht Klarheit - es kann überhaupt nicht Klarheit sein. Selbst ein Schwurgericht hätte genug Scharfsinn, um das herauszu­kriegen. Die Gedanken eines Schriftstellers müssen ziemlich verworren, ziemlich aus der Reihe geraten sein, wenn er ansetzt, zu sagen, ein Mann habe auf der Straße eine Regierungsrätin getroffen, und dann mitten in einem so einfachen Vorhaben die aufeinander zukommenden Leute anhält und stillstehen läßt, bis er eine Aufstellung der Kleider der Frau niedergeschrieben hat. Das ist einfach absurd. Es erinnert an jene Zahnärzte, die sich dein unmittelbares und atemloses Inter­esse an einem Zahn sichern, indem sie ihn mit der Zange packen und dann dastehen und sich durch eine langweilige Anekdote winden, bevor sie den gefürchteten Ruck machen. Parenthesen in der Literatur und der Zahnheilkunde sind geschmacklos.

Die Deutschen haben noch eine Art von Parenthese, die sie bilden, indem sie ein Verb in zwei Teile spalten und die eine Hälfte an den Anfang eines aufregenden Absatzes stellen und die andere Hälfte an das Ende. Kann sich jemand etwas Verwirrenderes vorstellen? Diese Dinger werden »trennbare Verben« genannt. Die deutsche Grammatik ist übersät von trennbaren Verben wie von den Blasen eines Ausschlags; und je weiter die zwei Teile auseinandergezogen sind, desto zufriedener ist der Urheber des Verbrechens mit seinem Werk. Ein beliebtes Verb ist »reiste ab«. Hier folgt ein Beispiel, das ich aus einem Roman ausgewählt und ins Englische übertragen habe:

»Da die Koffer nun bereit waren, REISTE er, nachdem er seine Mutter und Schwestern geküßt und noch einmal sein angebetetes Gretchen an den Busen gedrückt hatte, die, in schlichten weißen Musselin gekleidet, mit einer einzigen Teerose in den weiten Wellen ihres üppigen braunen Haares, kraftlos die Stufen herabgewankt war, noch bleich von der Angst und Aufregung des vergangenen Abends, aber voller Sehnsucht, ihren armen, schmerzenden Kopf noch einmal an die Brust dessen zu legen, den sie inniger liebte als ihr Leben, AB.«

Es ist jedoch nicht richtig, allzulange bei den trennbaren Verben zu verweilen. Ganz bestimmt verliert man dabei sehr bald die Geduld; und wenn man an dem Thema klebt und sich nicht warnen läßt, wird es einem schließlich das Gehirn erweichen oder verhärten. Personalpronomen und Adjektive sind in dieser Sprache eine wuchernde Plage und hätten weggelassen werden sollen. Der gleiche Laut »sie« zum Beispiel bedeutet »you« und bedeutet »she« und bedeutet »her« und bedeutet »it« und bedeutet »they« und bedeutet »them«. Man stelle sich die lumpige Armut einer Sprache vor, die ein Wort die Arbeit von sechsen tun lassen muß - und noch dazu ein armes, kleines, schwaches Ding von nur drei Buchsen. Aber vor allem stelle man sich vor, wie es erbittert, wenn man nie weiß, welche dieser Bedeutungen der Sprecher ausdrücken will. Das erklärt, warum ich, wenn jemand »sie« zu mir sagt, gewöhnlich versuche, ihn umzubringen, wenn es ein Fremder ist.

Man betrachte nun das Adjektiv. Hier lag ein Fall vor, wo Einfachheit ein Vorteil gewesen wäre; deshalb und aus keinem anderen Grunde hat der Erfinder dieser Sprache es so sehr kompliziert, wie er nur konnte. Wenn wir in unserer erleuchteten Sprache von »our good friend or friends« sprechen wollen, halten wir uns an diese eine Form und haben keinen Kummer oder Arger damit; aber bei der deutschen Sprache ist es anders. Wenn ein Deutscher ein Adjektiv in die Hände kriegt, dekliniert er es und dekliniert es immer weiter, bis der gesunde Menschenverstand ganz und gar herausdekliniert ist. Es ist genauso schlimm wie Latein. Er sagt zum Beispiel:





SINGULAR



Nominativ: mein guter Freund my good friend

Genitiv: meines guten Freundes of my good friend

Dativ: meinem guten Freunde to my good friend

Akkusativ: meinen guten Freund my good friend



PLURAL



Nominativ: meine guten Freunde my good friends

Genitiv: meiner guten Freunde of my good friends

Dativ: meinen guten Freunden to my good friends

Akkusativ: meine guten Freunde my good friends



Nun lasse man den Irrenhauskandidaten versuchen, diese Variationen auswendig zu lernen, und sehe zu, wie bald er aufgenommen wird. Man möchte in Deutschland lieber ohne Freunde aus­kommen, als sich ihretwegen all diese Mühe zu machen. Ich habe gezeigt, was es für eine Plage ist, einen guten (männlichen) Freund zu deklinieren; na, das ist nur ein Drittel der Arbeit, denn man muß eine elzahl neuer Verdrehungen und Adjektive lernen, wenn das Objekt weiblich ist, und noch eine weitere elzahl, wenn das Objekt sächlich ist. Nun gibt es in dieser Sprache mehr Adjektive als schwarze Katzen in der Schweiz, und sie müssen alle sehr sorgfältig dekliniert werden wie die oben angedeuteten Beispiele. Schwierig? - mühsam? - diese Worte können es gar nicht beschreiben. Ich habe einen kalifornischen Studenten in Heidelberg in seiner gelassensten Laune sagen hören, er würde lieber zwei Schnäpse ablehnen als ein deutsches Adjektiv deklinie­ren.

Der Erfinder dieser Sprache scheint sich ein Vergnügen daraus gemacht zu haben, sie in jeder Form, die er sich nur ausdenken konnte, zu komplizieren: Zum Beispiel schreibt man, wenn man zufällig über ein Haus oder ein Pferd oder einen Hund spricht, diese Wörter so, wie ich es getan habe; aber wenn man von ihnen im Dativ spricht, klebt man ein dummes und unnötiges -e dran und schreibt Hause, Pferde, Hunde. Da nun ein angehängtes -e oft den Plural bedeutet, wie das -s bei uns, wird der unerfahrene Schüler vermutlich einen Monat lang immerzu aus einem Dativ­hund Zwillinge machen, bevor er seinen Fehler entdeckt; und auf der anderen Seite hat manch unerfahrener Schüler, der sich einen Verlust kaum leisten konnte, zwei Hunde gekauft und bezahlt und nur einen bekommen, weil er, ohne es zu wissen, diesen Hund im Dativ des Singulars gekauft hat, während er tatsächlich annahm, er redete im Plural - wobei natürlich nach den strengen Regeln der Grammatik das Recht auf der Seite des Verkäufers lag und deshalb eine Klage auf Rückerstattung keinen Erfolg haben konnte.

In Deutschland fangen alle Substantive mit einem Großbuchsen an. Das ist nun mal eine gute Idee; und eine gute Idee fällt in dieser Sprache notwendigerweise wegen ihrer Seltenheit auf. Ich halte die Großschreibung der Substantive für eine gute Idee, weil man daran fast immer das Hauptwort erkennen kann, sobald man es sieht. Gelegentlich gerät man in einen Irrtum, weil man den Namen einer Person fälschlich für den Namen einer Sache hält und ziemlich viel Zeit mit dem Versuch vergeudet, einen Sinn herauszugraben. Deutsche Namen bedeuten fast immer etwas, und das trägt dazu bei, den Lernenden zu täuschen. Einmal habe ich eine Stelle übersetzt, die besagte, daß »die wütende Tigerin ausbrach und den unglückseligen Tannenwald ganz und gar verschlang«. Als ich mich gerade rüstete, das zu bezweifeln, entdeckte ich, daß »Tannenwald« in diesem Falle der Name des Mannes war.

Jedes Substantiv hat ein Geschlecht, und in dessen Verteilung liegt kein Sinn und kein System; deshalb muß das Geschlecht jedes einzelnen Hauptwortes für sich auswendig gelernt werden. Es gibt keinen anderen Weg. Zu diesem Zwecke muß man das Gedächtnis eines Notizbuches haben. Im Deutschen hat ein Fräulein kein Geschlecht, während eine weiße Rübe eines hat. Man denke nur, auf welche übertriebene Verehrung der Rübe das deutet und auf welche dickfellige Respekt­losigkeit dem Fräulein gegenüber. Sehen wir mal, wie das gedruckt aussieht. Ich übersetze das aus einer Unterhaltung in einem der besten deutschen Sonntagsschulbücher:

Gretchen: »Wilhelm, wo ist die Rübe?«

Wilhelm: »Sie ist in die Küche gekommen.«

Gretchen: »Wo ist das gebildete und schöne englische Mädchen?«

Wilhelm: »Es ist in die Oper gegangen.«

Um mit deutschen Geschlechtern fortzufahren: ein Baum ist männlich, seine Knospen sind weiblich, seine Blätter sind sächlich; Pferde sind geschlechtslos, Hunde sind männlich, Katzen sind weiblich - natürlich einschließlich der Kater; jemandes Mund, Hals, Busen, Ellbogen, Finger, Nägel, Füße und Leib gehören dem männlichen Geschlecht an, und sein Kopf ist männ­lich oder sächlich, je nach dem Wort, das zur Bezeichnung gewählt wird, und nicht nach dem Geschlecht der Person, die ihn trägt - denn in Deutschland tragen alle Frauen entweder männliche oder geschlechtslose Köpfe; jemandes Nase, Lippen, Schultern, Brust, Hände, Hüften und Zehen gehören dem weiblichen Geschlecht an; und seine Haare, Ohren, Augen, Kinn, Beine, Knie, Herz und Gewissen haben überhaupt kein Geschlecht. Der Erfinder der Sprache hat wahrscheinlich das, was er vom Gewissen wußte, vom Hörensagen erfahren.

Nun wird der Leser aus der oben angeführten Aufteilung erkennen, daß in Deutschland ein Mann vielleicht glaubt, er sei ein Mann, aber wenn er darangeht, die Sache eingehender zu betrachten, müssen ihm Zweifel kommen; er stellt fest, daß er in nüchterner Wahrheit eine überaus lächerli­che Mischung ist; und wenn er sich schließlich mit dem Gedanken zu trösten versucht, er könne sich wenigstens darauf verlassen, daß ein Drittel des Durcheinanders männlich und maskulin ist, wird der erniedrigende zweite Gedanke ihn schnell daran erinnern, daß er in dieser Beziehung nicht besser dran ist als jede Frau oder Kuh im Lande.

Es ist wahr, daß im Deutschen durch irgendein Versehen des Erfinders der Sprache eine Frau weiblich ist, aber ein Weib nicht - was bedauerlich ist. Ein Weib hat hier kein Geschlecht; sie ist neutrum; und so ist nach der Grammatik ein Fisch er, seine Schuppen sind sie, aber ein Fischweib ist keines von beiden.

Eine Frau als geschlechtslos zu bezeichnen, mag man Untercharakterisierung nennen; das ist schlimm genug, aber Übercharakterisierung ist gewiß schlimmer. Ein Deutscher spricht von einem englischen Mann als einem »Engländer«; um das Geschlecht zu ändern, fügt er »-in« hinzu, und das bedeutet englische Frau - »Engländerin«. Das scheint eine ausreichende Kenn­zeichnung zu sein, aber für einen Deutschen ist es immer noch nicht exakt genug; also setzt er vor das Wort den Artikel, der darauf hinweist, daß das folgende Geschöpf weiblich ist, und schreibt es so hin: »die Engländerin«. Ich finde, daß diese Person übercharakterisiert ist.

Schön, nachdem nun der Schüler das Geschlecht einer großen Menge von Substantiven gelernt hat, ist er immer noch in einer schwierigen Lage, denn es ist ihm unmöglich, seine Zunge zu über­reden, Dinge mit »er« und »sie« und »ihm« und »ihr« zu bezeichnen, die sie immer mit »es« zu bezeichnen gewöhnt war.

Sogar wenn er sich im Geiste einen deutschen Satz mit den ihms und ihrs an den richtigen Stellen zurechtlegt und dann seinen Mut bis zu dem Punkt aufreizt, den Satz auch auszusprechen, hat es keinen Zweck - sobald er zu sprechen anfängt, macht seine Zunge nicht mit, und all die mühsam erarbeiteten Männlichkeiten und Weiblichkeiten kommen als »es« heraus. Und sogar wenn er für sich Deutsch liest, nennt er diese Sachen immer »es«, wohingegen er in folgender Weise lesen sollte:



Geschichte von dem Fischweib und seinem traurigen Schicksal



Es ist ein rauher Tag. Hört den Regen, wie er strömt, und den Hagel, wie er prasselt; und seht den Schnee, wie er dahintreibt, und oh, den Schlamm, wie tief er ist! Ach, das arme Fischweib, es steckt im Sumpfe fest; es hat seinen Fischkorb fallen lassen; und seine Hände sind von den Schuppen zerschnitten worden, als es nach einigen der fallenden Fische griff; und eine Schuppe ist ihm sogar ins Auge gedrungen, und es kann sie nicht herausbekommen. Es öffnet den Mund, um Hilfe zu rufen, aber wenn ein Laut aus ihm herausdringt, ach! wird er vom Wüten des Sturmes erstickt. Und jetzt hat eine Katze einen der Fische erwischt, und sie wird gewiß mit ihm entkommen. Nein; sie beißt eine Flosse ab, sie hält sie im Maul - wird sie sie verschlingen? Nein, der tapfere Hund des Fischweibes verläßt seine Jungen und rettet die Flosse, die er zur Belohnung selbst auffrißt. Entsetzlich! Der Blitz hat den Fischkorb getroffen! Er setzt ihn in Brand! Seht die Flamme, wie sie das dem Untergang geweihte Utensil mit ihrer roten und zornigen Zunge beleckt! Nun greift sie den Fuß des hilflosen Fischweibes an - sie verbrennt ihn bis auf die große Zehe, und selbst diese ist halb verbrannt; und noch immer breitet sie sich aus, läßt sie ihre feuri­gen Zungen lodern! Sie greift das Bein des Fischweibes an und vernichtet es; sie greift seine Hand an und vernichtet sie; sie greift seine arme, abgetragene Kleidung an und vernichtet auch sie; sie greift seinen Leib an und verbrennt ihn; sie schlingt sich um sein Herz, und es wird verbrannt; dann um seine Brust, und in einem Augenblick ist sie Asche; nun erreicht sie seinen Hals - weg ist er; nun sein Kinn - weg ist es; nun seine Nase - weg ist sie. Wenn keine Hilfe kommt, wird im nächsten Augenblick das Fischweib nicht mehr sein! Die Zeit drängt - ist niemand da, zu helfen und zu retten? Ja! Frohlocken, Frohlocken! Mit fliegenden Füßen kommt die Engländerin! Aber ach! Die großherzige Frau kommt zu spät! Wo ist jetzt das dem Verhäng­nis verfallene Fischweib? Es ist von seinen Leiden erlöst; es ist in ein besseres Reich eingegan­gen; alles, was von ihm übrig ist, um die Klagen der Lieben zu hören, ist dieser arme, schwelende Aschenhaufen. Ach, trauriger, trauriger Aschenhaufen! Laßt uns ihn zart, ehrfurchtsvoll auf die bescheidene Schaufel nehmen und ihn zu seiner langen Ruhe tragen mit dem Gebet, wenn er wieder auferstehe, möge es in einem Reich geschehen, wo er ein gutes, ordentliches, handfestes, verläßliches Geschlecht besäße, und zwar ganz für sich allein, ohne einen schäbigen Haufen verschiedener Geschlechter fleckförmig über sich verstreut herumschleppen zu müssen.



Der Leser kann selbst sehen, daß diese Pronomengeschichte für die ungeübte Zunge eine sehr mißliche Sache ist.

Ich nehme an, daß die Ahnlichkeit in Schriftbild und Klang zwischen Wörtern, die keine Ahn­lichkeit in der Bedeutung besitzen, für den Ausländer in allen Sprachen eine unerschöpfliche Quelle der Verwirrung darstellt. Das gilt für unsere Sprache, und das gilt besonders für das Deut­sche. Da ist nun das beschwerliche Wort »vermählt«; für mich hat es eine so große - entweder wirkliche oder eingebildete - Ahnlichkeit zu drei oder vier anderen Wörtern, daß ich nie weiß, ob es »verschmäht«, »gemalt«, »verdächtig« oder »verheiratet« heißt, bis ich im Wörterbuch nach­schlage und dann feststelle, daß es letzteres bedeutet. Solche Wörter gibt es haufenweise, und sie sind eine große Plage. Um die Schwierigkeiten zu mehren, gibt es Wörter, die einander zu ähneln scheinen und sich doch nicht ähneln; aber sie machen genausoviel Arger, als täten sie es. Zum Beispiel gibt es das Wort »vermieten« und das Wort »verheiraten«. Ich habe von einem Englän­der gehört, der in Heidelberg an die Tür eines Mannes klopfte und im besten Deutsch, das er beherrschte, vorschlug, dieses Haus zu »verheiraten«. Dann gibt es einige Wörter, die eine Sache bedeuten, wenn man die erste Silbe betont, aber etwas ganz anderes, wenn man die Betonung auf die letzte Silbe verlegt. Zum Beispiel gibt es ein Wort, das je nach der Betonung Ausreißen bedeutet oder das schnelle Durchblättern eines Buches; und ein anderes Wort, das mit jemandem »verkehren« oder jemanden »meiden« bedeutet, je nachdem, wohin man die Betonung verlegt - und man kann sich gewöhnlich darauf verlassen, daß man sie an die falsche Stelle verlegt und Arger bekommt.

In dieser Sprache gibt es einige höchst nützliche Wörter:

»Schlag« zum Beispiel, und »Zug«. Im Wörterbuch stehen drei viertel Spalten Schlags und anderthalb Spalten Zugs. Das Wort »Schlag« bedeutet Stoß, Streich, Schmiß, Hieb, Erschütte­rung, Klaps, Klatsch, Zeitmaß, Takt, Münzenprägen, Gepräge, Art, Rasse, Weise, Apoplexie, Holzfällen, Gehege, Flurstück, Waldrodung. Das ist seine einfache und genaue Bedeutung - das heißt, seine beschränkte, eingeengte Bedeutung; aber es gibt Mittel, es freizusetzen, damit es sich aufschwingen kann wie auf den Flügeln des Morgens, um nie zur Ruhe zu kommen. Man kann ihm jedes beliebige Wort an den Schwanz hängen und ihm jede Bedeutung geben, die man nur möchte. Man kann mit »Schlagader« anfangen, was Arterie bedeutet, und man kann das ganze Lexikon Wort für Wort anhängen, durch das ganze Alphabet hindurch, bis »Schlagwasser«, was Leckwasser bedeutet, und einschließlich » Schlagmutter«, was Schwiegermutter bedeutet.

Genauso mit »Zug«. Strenggenommen heißt Zug: Ruck, Zerren, Luftstrom, Prozession, Marsch, Vormarsch, Schar, Richtung, Feldzug, Eisenbahn, Karawane, Durchreise, Kolbenhub, Anflug, Linie, Schnörkel, Charaktereigenschaft, Gesichtsbildung, Merkmal, Schachbewegung, Orgel­klappe, Gespann, Hang, Neigung, Inhalation, Veranlagung; aber das, was es nicht bedeutet, wenn alle seine legitimen Anhängsel angefügt sind, hat noch niemand entdeckt.

Man kann die Nützlichkeit von Schlag und Zug gar nicht überschätzen. Nur mit diesen beiden und mit dem Wort »also« bewaffnet, was kann der Ausländer auf deutschem Boden nicht alles erreichen? Das deutsche Wort »also« entspricht der englischen Phrase »you know«, und das bedeutet überhaupt nichts - in der Unterhaltung, obwohl es gedruckt manchmal doch etwas bedeutet. Jedesmal, wenn ein Deutscher den Mund öffnet, fällt ein »also« heraus; und jedesmal, wenn er ihn schließt, beißt er eines entzwei.

Nun, mit diesen drei prachtvollen Wörtern ausgerüstet, ist der Ausländer Herr der Lage. Er mag nur furchtlos daherreden; er mag nur sein leidliches Deutsch dahinplätschern lassen, und wenn ihm ein Wort fehlt, mag er einen »Schlag« in das Vakuum ziehen; alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß es sauber hineinpaßt; aber wenn nicht, mag er sofort einen »Zug« hinterherstoßen; die zwei zusammen können kaum verfehlen, das Loch zu spunden; aber wenn sie durch ein Wunder doch versagen sollten, mag er einfach »Also!« sagen, und das verschafft ihm einen Augenblick Zeit, sich das benötigte Wort einfallen zu lassen. Wenn man in Deutschland seine Gesprächsflinte lädt, ist es immer zweckmäßig, einen oder zwei »Schlag« und einen oder zwei »Zug« mit hinein­zustecken; denn gleichgültig, wie weit die übrige Ladung streuen mag, mit diesen wird man unbedingt etwas zur Strecke bringen. Dann sagt man sanft »also« und lädt wieder auf. Nichts verleiht einer deutschen oder englischen Unterhaltung einen solchen Anstrich von Anmut und Eleganz, als wenn man genügend »Alsos« oder »You knows « einstreut.

In meinem Notizbuch finde ich folgende Eintragung:

»1. Juli. - Im Krankenhaus ist gestern einem Patienten mit Erfolg ein dreizehnsilbiges Wort entfernt worden - einem Norddeutschen aus der Nähe von Hamburg -, aber da ihn die Chirurgen unglücklicherweise unter dem Eindruck, er enthalte ein Panorama, an der falschen Stelle geöffnet hatten, ist er gestorben. Das beklagenswerte Ereignis hat die ganze Gemeinde in Trauer versetzt.«

Dieser Abschnitt liefert den Stoff für ein paar Bemerkungen über eine der seltsamsten und merkwürdigsten Besonderheiten meines Themas - die Länge der deutschen Wörter. Einige deut­sche Wörter sind so lang, daß sie eine Perspektive aufweisen. Man beachte folgende Beispiele:



Freundschaftsbezeigungen.

Dilettantenaufdringlichkeiten.

Stadtverordnetenversammlungen.



Diese Dinger sind keine Wörter, sie sind alphabetische Prozessionen. Und sie sind nicht selten; man kann jederzeit eine deutsche Zeitung aufschlagen und sie majestätisch quer über die Seite marschieren sehen - und wenn man nur einen Funken Phantasie besitzt, kann man auch die Banner sehen und die Musik hören. Sie verleihen dem sanftesten Thema einen kriegerischen Schmiß. Ich interessiere mich sehr für solche Kuriositäten. Wenn ich auf eine gute stoße, stopfe ich sie aus und stelle sie in mein Museum. Auf diese Weise habe ich eine recht wertvolle Samm­lung geschaffen. Wenn ich Doubletten bekomme, tausche ich mit anderen Sammlern und mehre so die elseitigkeit meines Bestandes. Hier folgen einige Exemplare, die ich kürzlich bei der Versteigerung der Habe eines bankrotten Nippesjägers gekauft habe:



Generalstaatsverordnetenversammlungen.

Altertumswissenschaften.

Kinderbewahrungsanstalten.

Unabhängigkeitserklärungen.

Wiederherstellungsbestrebungen.

Waffenstillstandsunterhandlungen.



Wenn sich eine dieser großartigen Bergketten quer über die Druckseite zieht, schmückt und adelt sie natürlich die literarische Landschaft - aber gleichzeitig bereitet sie dem unerfahrenen Schüler großen Kummer, denn sie versperrt ihm den Weg; er kann nicht unter ihr durchkriechen oder über sie hinwegklettern oder sich einen Tunnel durch sie hindurchgraben. Also wendet er sich hilfesu­chend an sein Wörterbuch; aber da findet er keine Hilfe. Irgendwo muß das Wörterbuch eine Grenze ziehen - und so läßt es diese Art von Wörtern aus. Und das ist richtig, denn diese langen Dinger sind kaum echte Wörter, sondern eher Wortkombinationen, und ihr Erfinder hätte umge­bracht werden müssen. Es sind zusammengesetzte Wörter, deren Bindestriche weggelassen sind. Die verschiedenen Wörter, aus denen sie aufgebaut sind, stehen im Wörterbuch, aber sehr verstreut, so daß man die Wörter nacheinander aufstöbern kann und schließlich den Sinn heraus­kriegt, aber das ist eine langwierige und aufreibende Beschäftigung. Ich habe dieses Verfahren an einigen der oben angeführten Beispiele ausprobiert. »Freundschaftsbezeigungen« ist nur eine dumme und ungeschickte Art, »demonstrations of friendship« zu sagen. »Unabhängigkeitserklä­rungen« ist keine Verbesserung gegenüber »Declarations of Independence«, finde ich. »General­staatsverordnetenversammlungen« ist, soweit ich es feststellen kann, bloß ein rhythmischer, überspannter, gespreizter Ausdruck für »meetings of the legislature«. In unserer Literatur hatten wir einmal eine ganze Menge Verbrechen dieser Art, aber sie sind jetzt verschwunden. Wir sprachen damals von einer »nie-zu-vergessenden« Sache, statt alles in das schlichte und hinreichende Wort »denkwürdig« zu zwängen und gelassen unseren Geschäften nachzugehen, als sei nichts geschehen. Damals waren wir nicht damit zufrieden, die Sache einzu­balsamieren und auf anständige Weise zu begraben, wir wollten noch ein Monument darüber errichten.



Aber in unseren Zeitungen wirkt die Zusammensetzungsseuche bis zum heutigen Tag noch ein bißchen fort, jedoch nach deutscher Art mit weggelassenen Bindestrichen. Sie nimmt folgende Form an: Statt zu sagen: »Mr. Simmons, Sekretär der Kreis- und Distriktgerichte, war gestern in der Stadt«, wird es auf die neue Art so formuliert: »Kreis- und Distriktsgerichtssekretär Simmons war gestern in der Stadt.« Das spart weder Zeit noch Tinte und klingt außerdem ungeschickt. In unseren Zeitungen findet man oft eine Bemerkung wie diese: »Frau Unterbezirksstaatsanwalt Johnson kehrte gestern für die Saison in ihre Stadtwohnung zurück.« Das ist ein Fall von wirklich unberechtigter Zusammenziehung; denn er spart nicht nur keine Zeit und Mühe, sondern verleiht Frau Johnson einen Titel, auf den sie kein Recht hat. Aber diese kleinen Beispiele sind wirklich Lappalien verglichen mit dem schwerfälligen und schrecklichen deutschen System, durcheinan­dergemengte Zusammensetzungen anzuhäufen. Ich möchte zur Illustration die folgende Lokalno­tiz aus einer Mannheimer Tageszeitung vorlegen:

Vorgesternkurznachelfuhrabend brannte der indieserstadtstehendegasthof Zum Fuhrmann ab. Als das Feuer das aufdemabbrennendenhausruhende Storchennest erreichte, flogen die Storcheneltern fort. Aber als das vondemtobendenfeuerumgebene Nest selbst Feuer fing, stürzte sich sofort die schnellwiederkehrende Storchenmutter in die Flammen und starb, die Flügel über die Jungen gebreitet.«

Selbst die schwerfällige deutsche Konstruktion ist nicht fähig, dem Bilde das Pathos zu nehmen - tatsächlich scheint sie es irgendwie zu unterstreichen. Diese Notiz ist Monate zurück datiert. Ich hätte sie früher verwenden können, aber ich wartete noch darauf, etwas von dem Storchenvater zu hören. Ich warte immer noch.

Also! Wenn ich nicht bewiesen habe, daß das Deutsche eine schwierige Sprache ist, so habe ich es wenigstens beabsichtigt. Ich habe von einem amerikanischen Studenten gehört, der gefragt wurde, wie er mit seinem Deutsch vorankomme, und prompt antwortete: »Ich komme überhaupt nicht voran. Ich habe drei volle Monate lang hart daran gearbeitet, und alles, was ich vorweisen kann, ist nur der eine deutsche Satz: >Zwei Glas!< « (Zwei Glas Bier.) Er hielt einen Augenblick nachdenklich inne, dann fügte er mit Nachdruck hinzu: »Aber das sitzt!«

Und wenn ich nicht auch bewiesen habe, daß Deutsch ein quälendes und erbitterndes Fach ist, dann ist meine Darstellung zu rügen, nicht meine Absicht. Ich habe kürzlich von einem verhärm­ten und schwergeprüften amerikanischen Studenten gehört, der immer, wenn er seine Kümmer­nisse nicht länger tragen konnte, zu einem bestimmten deutschen Wort seine Zuflucht nahm - dem einzigen Wort in der ganzen Sprache, dessen Klang seinem Ohr süß und köstlich und seinem gefolterten Geist wohltätig war. Es war das Wort »damit«. Nur der Klang war es, der ihm half, nicht die Bedeutung; und so wurde ihm schließlich, als er erfuhr, daß die Betonung nicht auf der ersten Silbe liege, seine einzige Stütze, sein einziger S genommen, und er schwand dahin und starb.

Ich glaube, die Beschreibung eines lauten, erregenden, tumulthaften Geschehens muß im Deut­schen zahmer als im Englischen klingen. Unsere bildhaften Wörter dieser Art haben einen so tiefen, starken, hallenden Klang, während ihre deutschen Entsprechungen so dünn und mild und energielos klingen. Boom, burst, crash, roar, storm, bellow, blow, thunder, explosion; howl, cry, shout, yell, groan; battle, hell. Das sind großartige Wörter. Ihr Klang besitzt eine Kraft und Mächtigkeit, die den Dingen angemessen sind, die sie beschreiben. Aber ihre deutschen Entspre­chungen wären niedlich genug, um Kinder damit in Schlaf zu singen, oder aber meine achtungge­bietenden Ohren sind nur Schaustücke und nicht wesentlich nützlichere Instrumente zur Klang­analyse. Würde irgendein Mensch in einer Auseinandersetzung sterben wollen, die mit einem so harmlosen Ausdruck wie »Schlacht« benannt würde? Oder würde sich ein Schwindsüchtiger nicht zu dick verpackt vorkommen, wenn er, nur mit Hemdkragen und Siegelring bekleidet, in einen Sturm hinausgehen wollte, den zu beschreiben das an Vogelgezwitscher erinnernde Wort »Gewitter« verwendet würde? Und man beachte die stärkste der verschiedenen deutschen Ent­sprechungen für »explosion« - »Ausbruch«. Unser Wort für Zahnbürste, »tooth-brush«, ist kräfti­ger. Mir scheint, die Deutschen könnten Dümmeres tun, als es in ihre Sprache einzuführen, um besonders ungeheure Explosionen damit zu beschreiben. Das deutsche Wort für »hell« - Hölle - klingt mehr wie »helly« als sonst etwas; wie dürr, nüchtern und ausdruckslos ist es also notwen­digerweise. Wenn einem Manne auf deutsch gesagt würde, er solle dorthin gehen, könnte er sich wirklich dazu aufschwingen, sich beleidigt zu fühlen?

Nachdem ich die verschiedenen Untugenden dieser Sprache ausführlich aufgezeigt habe, komme ich nun zu der kurzen und angenehmen Aufgabe, ihre Tugenden aufzuweisen. Die Großschrei­bung der Substantive habe ich bereits erwähnt. Aber weit vor dieser Tugend kommt noch eine andere - daß ein Wort entsprechend seinem Klang geschrieben wird. Nach einer kurzen Beleh­rung über das Alphabet weiß der Schüler schon, wie jedes deutsche Wort ausgesprochen wird, ohne fragen zu müssen; während wir in unserer Sprache einem Schüler auf die Frage: »Was bedeutet das Wort b-o-w?« antworten müßten: »Niemand kann sagen, was es heißt, wenn es für sich allein steht; man kann es nur sagen, wenn man es im Textzusammenhang betrachtet und auf diese Weise seine Bedeutung ermittelt - ob es eine Sache ist, mit der man Pfeile abschießt, oder ein Kopfnicken oder das Vorderende eines Bootes.«

Es gibt einige deutsche Wörter, die ungewöhnlich ausdrucksstark sind. Zum Beispiel diejenigen, die das stille, friedliche und zärtliche Familienleben beschreiben; diejenigen, die sich mit der Liebe in jeder Form befassen, von einfacher Freundlichkeit und ehrlichem Wohlwollen dem vorüberschreitenden Fremden gegenüber bis hinauf zum Liebeswerben; diejenigen, die sich mit der Natur draußen in ihren sanftesten und lieblichsten Formen befassen - mit Wiesen und Wäldern, Vögeln und Blumen, dem Duft und Sonnenschein des Sommers und dem Mondlicht friedvoller Winternächte; mit einem Wort, diejenigen, die sich mit allen nur möglichen Formen der Untätigkeit, der Ruhe und des Friedens befassen; auch diejenigen, die sich mit den Geschöp­fen und Wundern des Märchenlandes befassen; und schließlich und hauptsächlich ist die Sprache in denjenigen Worten, die Pathos ausdrücken, unübertrefflich reich und ausdrucksstark. Es gibt deutsche Lieder, die einen mit der Sprache nicht Vertrauten zum Weinen bringen können. Das zeigt, daß der Klang der Worte stimmt - er gibt den Inhalt haargenau wieder; und auf diese Weise wird das Ohr angesprochen und über das Ohr das Herz.

Die Deutschen scheinen keine Angst davor zu haben, ein Wort zu wiederholen, wenn es das richtige ist. Sie wiederholen es sogar mehrmals, wenn sie wollen. Das ist klug. Aber wenn wir im Englischen ein Wort in einem Absatz mehrmals verwendet haben, bilden wir uns ein, tautologisch zu werden, und dann sind wir so schwach, daß wir es gegen irgendein anderes Wort auswechseln, das der genauen Bedeutung nur nahekommt, um dem zu entgehen, was wir fälschlich für den größeren Makel halten. Wiederholung mag schlecht sein, aber bestimmt ist Ungenauigkeit schlimmer.

Es gibt in der Welt Leute, die sich ziemlich viel Mühe geben, die Mängel an einer Religion oder Sprache aufzuzeigen, und dann gelassen ihrer Wege gehen, ohne Abhilfe vorzuschlagen. Ich bin kein Mensch dieser Art. Ich habe bewiesen, daß die deutsche Sprache reformbedürftig ist. Nun gut, ich bin bereit, sie zu reformieren. Zumindest bin ich bereit, die geeigneten Vorschläge zu machen. Ein solches Vorgehen wäre bei jemand anderem unbescheiden; aber ich habe alles in allem mehr als neun Wochen einem gewissenhaften und kritischen Studium dieser Sprache gewidmet und daraus ein Zutrauen zu meiner Fähigkeit gewonnen, sie zu reformieren, das mir eine bloß oberflächliche Bildung nicht hätte verleihen können.

An erster Stelle würde ich den Dativ fortlassen. Er bringt die Plurale durcheinander; und außer­dem weiß man nie, wann man sich im Dativ befindet, wenn man es nicht zufällig entdeckt - und dann weiß man nicht, wann oder wo man hineingekommen ist, wie lange man schon drin ist oder wie man jemals wieder herauskommen soll. Der Dativ ist nur eine närrische Verzierung - es ist besser, ihn aufzugeben.

Als nächstes würde ich das Verb weiter nach vorn schieben. Man kann mit einem noch so guten Verb laden, ich stelle doch fest, daß man bei der gegenwärtigen deutschen Entfernung nie wirk­lich ein Subjekt zur Strecke bringt - man verletzt es nur. Deswegen bestehe ich darauf, daß diese wichtige Wortart an einen Punkt vorgeschoben wird, wo sie mit bloßem Auge leicht zu erkennen ist.

Drittens würde ich einige kräftige Wörter aus der englischen Sprache importieren - zum Fluchen und auch, um alle Arten kräftiger Dinge kräftig auszudrücken.

ertens würde ich die Geschlechter reorganisieren und sie entsprechend dem Willen des Schöpfers verteilen. Dies als Ehrfurchtsbeweis, wenn schon nichts anderes.

Fünftens würde ich diese großmächtigen, langen, zusammengesetzten Wörter beseitigen; oder den Sprecher auffordern, sie in Abschnitten vorzubringen, mit Pausen zum Einnehmen von Erfri­schungen. Das beste wäre, sie gänzlich zu beseitigen, denn Ideen werden leichter aufgenommen und verdaut, wenn sie einzeln kommen, als wenn sie in einem Haufen anrücken. Geistige Speise ist wie jede andere; es ist angenehmer und bekömmlicher, sie mit einem Löffel einzunehmen, statt mit einer Schaufel.

Sechstens würde ich einen Sprecher auffordern, aufzuhören, wenn er fertig ist, und seiner Rede nicht eine Girlande dieser unnützen »haben sind gewesen gehabt haben geworden seins« an den Schwanz zu hängen. Kinkerlitzchen dieser Art entehren eine Rede, statt ihr einen zusätzlichen Reiz zu verleihen. Sie sind daher ein Argernis und sollten verworfen werden.

Siebentens würde ich die Parenthese abschaffen. Ebenso die Unterparenthese, die Unterunterpa­renthese und die Unterunterunterunterunterunterparenthesen sowie die abschließende, weitrei­chende, allumfassende Hauptparenthese. Ich würde von jedem einzelnen, hoch oder niedrig, verlangen, daß er eine einfache, gradlinige Erzählung entwickle oder aber sie zusammenwickle, sich darauf setze und still sei. Übertretungen dieses Gesetzes sollten mit dem Tode bestraft werden.

Und achtens und letztens würde ich »Zug« und »Schlag« mit ihren Anhängseln beibehalten und den Rest des Vokabulars verwerfen. Das würde die Sache vereinfachen.

Nun habe ich angeführt, was ich als die notwendigsten und wichtigsten Anderungen betrachte. Man kann wohl kaum erwarten, daß ich umsonst noch mehr nennen würde; aber es gibt weitere Vorschläge, die ich machen kann und werde, falls meine beabsichtigte Bewerbung zur Folge hat, daß ich von der Regierung in aller Form dazu angestellt werde, die Sprache zu reformieren.

Meine philologischen Studien haben mich davon überzeugt, daß ein begabter Mann Englisch (ausgenommen Rechtschreibung und Aussprache) in dreißig Stunden lernen kann, Französisch in dreißig Tagen und Deutsch in dreißig Jahren. Es liegt also auf der Hand, daß die letztgenannte Sprache gestutzt und ausgebessert werden muß. Wenn sie so bleiben sollte, wie sie ist, müßte man sie sanft und ehrerbietig bei den toten Sprachen absetzen, denn nur die Toten haben Zeit, sie zu lernen.


»Verdammt« und seine Abwandlungen und Erweiterungen sind Wörter, denen viel Bedeutung innewohnt, aber der Klang ist so mild und wirkungslos, daß deutsche Damen sie gebrauchen können, ohne sieh zu versündigen. Deutsche Damen, die man durch keinerlei Überredung oder Zwang dazu bringen könnte, eine Sünde zu begehen, stoßen sofort eines dieser harmlosen kleinen Wörter aus, wenn sie ihr Kleid zerreißen oder die Suppe ihnen nicht schmeckt. Es klingt ungefähr so verrucht wie unser »My gracious!« Deutsche Damen sagen immerzu »Ach Gott!«, »Mein Gott!«, »Gott im Himmel!«, »Herrgott!«, «Herr Jesus!« und so weiter. elleicht glauben sie, unsere Damen hätten denselben Brauch, denn ich habe einmal eine freundliche und liebe alte deutsche Dame zu einem reizenden, jungen amerikanischen Mädchen sagen hören: »Die beiden Sprachen sind sich so ähnlich - wie nett; wir sagen >Ach Gott!<, und Sie sagen >Goddam!< «





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