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Märkische Heide, märkischer Sand

Märkische Heide, märkischer Sand

Nach einer vielhundertjährigen Geschichte, die gleichbedeutend war mit einer ständigen Expansion, ist Brandenburg-Preußen im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs wieder zurückgefallen auf die ungefähren Umrisse seines geschichtlichen Anfangs unter dem Askanierfürsten Albrecht, genannt der Bär.
Brandenburg war damals Mark, was bedeutet: Grenzland. Die Abgrenzung erfolgte zum Osten hin. Das Territorium war ein Kolonialgelände, abgerungen, mal kriegerisch, mal friedlich, den zuvor hier seßhaften Slawenstämmen. Dies geschah im Gesamtzusammenhang jener Ostbesiedlung, deren Erfinder und prominentester rfechter Weifenfürst Heinrich der Löwe war und die sich vor allem entlang der Ostseeküste vollzog. Mit dem späteren Mecklenburg und Pommern hatte Brandenburg die Herkunft der Siedler gemeinsam, landloser Bauern aus Niedersachsen und Westfalen. Immer dabei waren auch die emsigen Mönche des Reformordens von Citaux, die das Land mit ihren backsteingotischen Klöstern überzogen. Wie in Mecklenburg blieben Teile des wendischen Adels im Land und arrangierten sich mit den Eroberern. Junkernamen wie Bredow, Zitzewitz und Quintz machen darauf aufmerksam. Die am Ende alles bestimmende Herrschersippe Hohenzollem war ein Import aus dem Fränkischen, ihr Stammschloß stand in Schwaben, ihr politischer Anspruch griff bald weit über die märkischen Grenzen hinaus, bis zur Memel im Osten und im Westen bis zum Rhein. Drei aufeinanderfolgende Monarchen, der Kurfürst Friedrich Wilhelm, der Soldatenkönig gleichen Namens und dessen Sohn Friedrich, von manchen der Große geheißen, machten binnen eines Jahrhunderts aus einem armseligen, durch Krieg verwüsteten und von der Natur benachteiligten Land eine Großmacht mit europäischen Ehrgeizen.



Preußen, wie das nunmehr hieß, hatte seinen Namen von einer untergegangenen baltischen Völkerschaft bezogen und den Ort seiner Königskrönungen aus der Konkursmasse eines in der Reformationszeit aufgelösten Ritterordens.

Seine Erfolge waren fast immer militärische. Der wahre Ort seiner Identität blieb das Schlachtfeld. Der Staat, den sich das Heer hielt, verdankte seine zivilisatorischen Fortschritte der kriegerischen Logistik: im weitesten Sinn, denn dies schloß die Manufakturen, die Administration und den schönen Geist mit ein. Das Bürgertum in Brandenburg-Preußen wurde wohlhabend durch Zuarbeit für die Kriegsindustrie und erwarb sich ein Selbstbewußtsein, das sich manchmal durchaus in antiautoritären Gebärden äußern konnte, vornehmlich in der Residenzstadt Berlin.
Als stärkste aller deutschen Teilmächte schmiedete Preußen das einheitliche Reich und beanspruchte die Hegemonie. Der Rest ist Weltgeschichte und endete im Desaster. Preußen wurde durch ein Abkommen der vier Siegermächte im Jahre 1945 förmlich ausgelöscht, pikanterweise in Preußens anderer Hauptstadt Potsdam. Fortan gab es bloß ein kleines Land namens Brandenburg, das im Jahre 1952 nochmals zerschlagen wurde in drei gesichtslose rwaltungsbezirke. Erst mit dem Ende der DDR-Diktatur elierte sich Brandenburg, das Bundesland, erneut. Der Geist des Provisorischen ist ihm geblieben, und mit dem Bundesland Berlin sollte es zu einer größeren Einheit verschmelzen, worin Geschichtsskeptiker ebenso wie verhohlene Chauvinisten bereits wieder eine Restitution der einstigen preußischen Großmächtigkeit erkennen wollten. Die Sache ist gescheitert. Dabei ging es lediglich darum, den in sich gespaltenen, da an seiner früheren Spaltung immer noch erkennbar leidenden Stadtkoloß Berlin und sein Umland administrativ zusammenzuführen. Die Absicht hatte eher mit pragmatischer rnunft zu tun als mit überbordendem Nationalismus. Die bereits zu Brandenburg gehörigen Dörfer an der Berliner Peripherie, im Vulgärmund Speckgürtel geheißen, füllen sich, aufgrund des Regierungsumzugs von Bonn an die Spree, bereits mit Einkaufszentren, Wohnanlagen und Golfplätzen.

Der Bedürftigkeit Fluch und Segen

Brandenburg ist armselig, Brandenburg ist arm. Die Landschaft, bestimmt von den geologischen Hinterlassenschaften der letzten Eiszeit, besteht aus Binnenseen und Sand. Es gibt einige Hügelketten, die zum Beispiel Fläming heißen oder Hoher Barnim, aber sie sind sehr flach. Die Wälder haben als Vorzugsgewächse die Kiefer und die Birke.
Das Land ist dünn besiedelt. Es gibt zweieinhalb Millionen Brandenburger, von denen ein nicht unbeträchtlicher Teil in kleinen Landstädten oder in Dörfern lebt. Die Agarwirtschaft, die betrieben wurde und teilweise noch betrieben wird, läßt ihre Ursprünge in der Latifundial-organisation des preußischen Landadels erkennen. Sie war eher extensiv als intensiv, denn die Böden waren meistens schlecht. Am besten gedieh der Erdapfel, den als erster der Alte Fritz anzupflanzen befahl. Man konnte diese Frucht auch vergären und brennen. Der billigste Fusel im wilhelminischen Deutschland war der in brandenburgischen Destillerien erzeugte Kartoffelschnaps.
Eine nur mäßig abgewandelte Form dieser Zivilisation bietet das Oderbruch. Es wurde von dem schon erwähnten Alten Fritz meliorisiert, also trockengelegt; in die neugeschaffenen Herrenhäuser setzten sich dechargierte Offiziere der friderizianischen Armeen. Die Böden im Oderbruch sind fetter als die Acker weiter westlich, was freilich heute, im Zeitalter Brüsseler Agrarkommissare, europäischer Ausgleichszahlungen und Stillegungsprämien nicht mehr besonders viel zählt.
Das gewöhnliche brandenburgische Dorf besteht aus einer langen Durchgangsstraße, von der ein paar Querwege abgehen. An den Rändern hocken langgestreckte und niedrige Siedlerhäuser mit Satteldach. Den Dorfmittelpunkt bildet eine aus Felssteinen errichtete Kirche, und dann gibt es noch das Gutshaus, ausgestattet mit spätbarockem oder klassizistischem Zierrat. Meist ist es ziemlich verfallen, wofür es gleich zwei Ursachen gibt: Der Staat DDR nutzte dergleichen erbarmungslos als rwaltungsgebäude oder Kindergarten und tat für den Erhalt überhaupt nichts. Zusätzlich zeigte und zeigt sich die Bausubstanz so miserabel, weil sie so billig war. Die ostelbischen Landjunker hatten für die höheren Formen feudaler Repräsentation kein Geld, und sofern sie doch welches hatten, verjuxten sie es lieber am Spieltisch oder bei der Parforcejagd und spendierten es nicht etwa für die Kultur.
Gleichwohl hat Brandenburg eine Garde respekler Architekten beschäftigt, von denen wenigstens einer, Friedrich Schinkel, europäische Bedeutsamkeit erlangte, als der wichtigste Baumeister des preußischen Klassizismus. Ihm zur Seite stand der Gartenarchitekt Peter Joseph Lenne dessen härtester Konkurrent ein preußischer Aristokrat war, Fürst Pückler-Muskau. Lenne und Schinkel, zusammen mit des letzteren Schülern Persius und Stüler, haben Potsdam, jene eigentümliche Mischung aus preußischem rsailles und Kasernenhof, zu der singulären Kulturlandschaft gemacht, die heute rechtens als Weltpreziose gilt und auf einer entsprechenden Liste der reinten Nationen verzeichnet steht.

Ammen, Gurken, Kähne

Die Parkschöpfung des Fürsten Pückler-Muskau (der auch die nach ihm benannte Komposition aus mehreren verschiedenen Sorten Halbgefrorenem ersann) heißt Branitz und befindet sich in der Nähe von Cottbus. Hier, am äußersten Zipfei des Landes, gibt es gleich mehrere von der sonstigen brandenburgischen Norm abweichende Eigentümlichkeiten. Eine heißt Spreewald und ist ein intakt gebliebenes, also nicht reguliertes und meliorisiertes Augelände aus natürlichen Wasserläufen, in denen man sich, mangels fester Straßen, mit dem Kahne fortbewegen muß. Die Leute, die hier wohnen, sind die Nachfahren einer auf deutschem Boden verbliebenen westslawischen Völkerschaft, die eine eigene Kultur und Sprache besitzen. Zur eigenen Kultur gehört die Religion. Die Sorben im Spreewald sind Katholiken, im Gegensatz zu den übrigen überwiegend protestantischen Brandenburgern. Für die ist der Spreewald ein teils touristisches, teils kulinarisches Ereignis. Der Spreewald gilt als Herkunftsgebiet von besonders guten Gewürzgurken und besonders scharfem Meerrettich. Zu Ostern werden kunstvoll bemalte Hühnereier verkauft, und in früheren Zeiten waren junge Spreewälder Mütter bei den reichen Leuten Berlins als milchspendende Ammen begehrt. Zum späten Frühjahr, wenn noch keine Mücken schwirren, stellen sich sonntags die in Omnibussen herangekarrten Leute vor den Kirchen auf und bewundern die besondere Tracht der den Gottesdienst verlassenden Frauen. Hernach nehmen die Besucher auf Spreekähnen Platz und lassen sich durch die Wasserarme staken. Die Weiden tunken ihre Zweige ins dunkle Gewässer, und im blassen Himmel trällern die Lerchen.

Schöner Geist

Es existieren außer Cottbus und Potsdam noch ein paar andere größere Städte im Land, zum Beispiel Rathenow, Luckau, Neuruppin, Bernau oder Brandenburg, die Stadt. Dort befinden sich jeweils wenigstens eine alte Backsteinkirche, ein paar Patrizierhäuser und ein rechteckiger Markt-platz. Manchmal ist er so ausgedehnt, daß er seine Herkunft aus einem ehemaligen Exerziergelände kaum verbergen kann. Die Stadt Brandenburg wird, wenn die benötigten Gelder alle geflossen sind, wieder als überaus anmutige alte Stadt gelten dürfen, aber noch herrscht das städtebauliche Siechtum. Seit knappen einhundert Jahren haben sich manche Schöngeister angewöhnt, die in der Mark Brandenburg unübersehbare Kargheit ästhetisch bemerkenswert zu finden und zu preisen. Inzwischen gibt es förmliche Afficiona-dos der von Kiefernforsten eingeschlossenen Seen und der dümpelnden Schleppkähne auf der Havel. Solche etwas flagellantischen Vorlieben gehen auf einen deutschsprachigen Schriftsteller zurück, Theodor Fontane, der eine mehrbändige Sammlung seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg zusammenstellte. Sie enthusiastisch zu rühmen gehört zum guten gebildeten Ton, obschon kaum einer alle jene Texte gelesen hat
Fontane war ein hingebungsvoller Hymniker alles Märkischen: der Natur, der Bauten, der Menschen, der Geschichte. Er blieb darin nicht der einzige, wie er auch nicht der erste hier gebürtige Literat war, der es zu grenzensprengendem Ruhm brachte. Diesen Rang darf vielmehr der Selbstmörder Heinrich von Kleist beanspruchen. Er hat mit einem grandiosen Prosawerk, der Novelle vom Pferdehändler Kohlhaas, und einem Theaterstück, über den feldherrlichen Prinzen von Homburg, gleich zwei brandenburgische Nationaldichtungen erzeugt. Sie messen, ließe sich sagen, zudem ein paar wesentliche Züge des brandenburgischen Kollektivcharakters aus: die starrsinnige Rechthaberei, die todessüchtige Unterwerfungslust und das ehrgeizige Träumen. Nun ist unübersehbar, daß sich die drei genannten Eigenarten irgendwie ausschließen, und überhaupt läßt sich anzweifeln, daß es so etwas wie einen Kollektivcharakter überhaupt gibt. Die literarische Ernte Brandenburgs, Berlin hier immer eingeschlossen, ist reich. Vielfach lebt sie von Importen, wofür etwa der junge Gerhart Hauptmann steht. Dessen Diebeskomödie vom Biberpelz spielt in Erkner, dort ist sie auch entstanden. Das erste klassische Lustspiel des deutschen Theaters, Minna von Barn heim, dessen männlicher Held ein friderizian ischer Major ist, schuf gleichfalls ein Zugereister, der Sachse Lessing, der mit seinem Stück über den weisen Nathan eine Hommage auf seinen guten Freund verfaßte, den preußischen Juden Moses Mendelssohn.
Es gab weitere berühmte Juden im Brandenburgischen. Sie profitierten von der (zeitweiligen) Toleranzpolitik des Hauses Hohenzollern und vom berlinischen Pluralismus. Es gibt da Industrielle, wie die Rathenaus, und Politiker, wie Jaco-bi, es gibt Dichter, wie Heym und Tucholsky, Komponisten, wie Mendelssohn-Bartholdy und Meyerbeer, Kunstmaler, wie Liebermann und Ury.
Die beiden letzten, dazu noch Leistikow und Held, haben den von Fontane erstmals behaupteten Charme der märkischen Landschaft in impressionistische und postimpressionistische Farben gesetzt. Sie haben dann auch vor allem die Großstadt gemalt, Kunst in Brandenburg ist stets bezogen auf Berlin, im Kontrast, in der Ergänzung, in der Abwehr. Das hält so bis heute. Die Kunst folgt dem Denken, und das Denken folgt der Wirklichkeit. Vier Millionen Bewohner sind eben mehr als bloß zweieinhalb.

Der Krähensitz

Es gibt eine brandenburgische Hymne. Sie beginnt so: Märkische Heide./märkischer Sand/ sind des Märkers Freude,/sind sein Heimatland. Der Kehrreim hebt an mit den Worten: Steige hoch, du roter Adler.
Letzterer ist das Wappentier, das übrigens im Wappen des Landes Tirol wiederkehrt und von einer hochmittelalterlichen Connection erzählt. Seine Farbe aber meint das Blut. Daran denken die Sänger des noch ziemlich jungen Liedes kaum. Das heutige Brandenburg ist eher zivil und friedvoll. Als Symboltier wäre ein Vogel wie die Saatkrähe inzwischen angemessener. Das Gefälle hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Wohlstand im Land ist groß, wahrscheinlich größer als in irgendeinem der neuen Bundesländer, es reicht vom vergleichsweise satten Leben im Schatten Berlins bis zur Tristesse von Eisenhüttenstadt oder Zehdenick, wo die Industrien wegbrachen und die jungen Leute fliehen. Manche Dörfer in der Prignitz wirken heute so, als schriebe man immer noch das Jahr 1988. Oder das Jahr 1903. Da wurde der Poet Peter Huchel geboren. Er war ein gewissermaßen exemplarischer Dichter Brandenburgs, sensibel und starrsinnig, neugierig, witzig, weltläu und heimatsüchtig. Er legte sich mit den Nazis an und mit den Kommunisten, und seine vorwiegend auf die märkische Natur eingestimmten rse sind die vielleicht intimsten lyrischen Zeugnisse dieser Landschaft:
Wie du nun gehst im späten Regen, der Mond und Himmel kälter flößt und auf den laubverschwemmten Wegen den Riß in die Gespinste stößt, flammt über Tor und Efeumauer, die Gräber wärmend, noch ein Blitz Und flatternd schreit im hellen Schauer das düstre Volk am Krähensitz.

Karger Sandboden und topfebene Landschaft charakterisieren Brandenburg, das Theodor Fontane (1819-l898) zwei Jahrzehnte durchreiste. Seine "Wanderungen durch die Mark Brandenburg erschließen selbst die verborgensten Winkel dieser einst "des Reiches Streusandbüchse genannten Landschaft.

"Es schwelgt in freien Sichten, schwärmte Friedrich II. (der Große) von Sanssouci, seiner geliebten Sommerresidenz. Das kleine Schloß, von 1745 bis 1748 errichtet, wird als "Juwel des triderizianischen Rokoko gepriesen und ist eine weltberühmte Attraktion.

Das "Chinesische Teehaus im Park von Sanssouci mit seinem Skulpturenschmuck und den vergoldeten Standbildern bezopfter China-Männer. Hier verwahrte Friedrich II. seine wertvolle ostasiatische Porzellansammlung.

Schloß Babelsberg war die Sommerresidenz Prinz Wilhelms, der 1871 Deutscher Kaiser wurde. In den in der Nähe liegenden Filmstudios von Babelsberg wird seit 1912 gedreht (oben).

Das Holländische Viertel in Potsdam, ein beliebtes Wohnquartier, wurde zwischen 1733 und 1742 von dem Amsterdamer Baumeister Johann Boumann angelegt (unten).

Blick auf Schloß Rheinsberg (1736) und seine Säulengalerie. Schloß und See sind Schauplatz eines der schönsten deutschen Liebesromane, "Rheinsberg, von Kurt Tucholsky (1890-l935).

Über das mittelalterliche Zisterzienserkloster Chorin schrieb Theodor Fontane: "Wer plötzlich zwischen den Pappeln hindurch einen still einsamen Prachtbau halb märchenhaft, halb gespenstisch auftauchen sieht, dem ist das Beste zuteil geworden.

Früher Morgen am Ruppiner See. Die Ausflugsschiffe - sie tragen die Namen der beiden großen Söhne Neuruppins "Theodor Fontane und "Karl Friedrich Schinkel - werden wenige Stunden später Passagiere zur Seenkette der Ruppiner Schweiz bringen.

Der Spreewald bietet ein für Mitteleuropa einzigartiges Landschaftsbild. Er ist geprägt von einem weitverzweigten Geflecht von Flußverästelungen, das die ungefähr 50 Kilometer lange und bis zu 15 Kilometer breite Niederung durchzieht. Noch immer ist der Kahn ein wichtiges rkehrsmittel und darüber hinaus eine Attraktion für Besucher.







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