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Landschaft zwischen Saale und Elster

Landschaft zwischen Saale und Elster

Wer kennt sie nicht, den Fürsten Ypsheim-Gindelbach, Premierminister n Reuß-Schleiz-Greiz, und den lebenslustigen Grafen Zedlau, Gesandten n Reuß-Schleiz-Greiz beim Wiener Kongreß, und beide Haupturen der Operette "Wiener Blut n Johann Strauß? Aber wer kennt Reuß-Schleiz oder Reuß-Greiz, Reuß-Ebersdorf oder Reuß-Lobenstein, alle diese Muster deutscher Kleinstaaterei im Osten Thüringens, im Land zwischen Saale und Elster? Es bereitet geradezu Alpdrücken, den Verästelungen der Rcußschen Linien seit dem 15. Jahrhundert zu folgen. Vergnüglicher ist es da schon, entweder m Saaletal aus auf einer Rundfahrt oder auch nur durch ein paar kleinere Abstecher zu beiden Seiten der alten Transitautobahn die Städte, Schlösser und Burgen etwas näher kennenzulernen, in denen einst die Repräsentanten dieser und anderer Familien saßen, erlebt man dabei doch auch die reizlle Landschaft zwischen Saale und Elster mit ihren schattigen Tälern, den ausgedehnten Waldgebieten, den Stauseen und zahlreichen Teichen und den Landschaftsschutzgebieten.

Im Südwesten Thüringens prägen die Saaletalsperren die Landschaft. Hier ist ein Gebiet n 212 Quadratkilometern zum Landschaftsschutzgebiet erklärt worden, in dem viele m Aussterben bedrohte Vogelarten neue Niststätten gefunden haben, und selbst während des alljährlichen Vogelzuges rasten hier gern seltene Fluggäste. Schon 1926-32 war die Bleilochtalsperre gebaut worden, zehn Jahre später die Hohenwartetalsperre, zu der 1956-63 noch ein künstlicher See auf der Ama-lienhöhe kam. Die energiewirtschaftliche Bedeutung dieser Talsperren ist groß, mindestens ebenso groß aber der Freizeitwert dieser Seen. Nicht weniger reizll sind die kleinen Städtchen und die Burgen und Schlösser in der Umgebung. Da ist Lobenstein, in dem zweihundert Jahre lang bis 1848 das Haus Reuß-Lobenstein residierte, in malerischer Lage, umgeben n sieben Hügeln, am Nordrand des Frankenwaldes, mit einer Burgruine und einem Schloß. Manche Besucher mögen sich wundern, was sie da am Lobensteiner Rathaus Merkwürdiges erblicken. Sieht man dort doch unmittelbar unter der Rathausuhr ein Männlcin bei einer für die Stadt wichtigen Beschäftigung, da er gerade seine Notdurft in hellem Strahl in das Spundloch eines Fasses verrichtet. Es ist einer der "Fässleseecher, die Urin liefern mußten, mit dem die Gerber in der Stadt die Häute einweichten.



Ein Stück nordwärts liegt oberhalb der Bleilochtalsperre hoch über dem Saaletal Schloß Burgk, eine spätgotische Anlage, die durchaus mit den anderen Schlössern des Saaletales konkurrieren kann, und gleich in der Nähe Schleiz, natürlich ebenfalls eine ehemalige Residenzstadt. Zwei Stadtbrände und die Zerstörung des Zweiten Weltkriegs haben ihr schwer zugesetzt, aber es besitzt mit der Bergkirche eine kunstgeschichtliche Kostbarkeit, deren barocke Raumdekoration sich kaum ein Besucher entgehen lassen wird. Johann Friedrich Böttger, der Erfinder des Böttger-Steinzeugs, wurde hier geboren, und 1869-76 leitete der Rheinländer Konrad Duden das Gymnasium und bereitete in diesen Jahren schon sein berühmtes "Orthographisches Wörterbuch r, das heute noch als "Duden unerschöpfliche Dienste leistet. Damals hatte es der Herr Schuldirektor gar nicht so leicht, und wenn man seine Ausführungen im Vorwort des Wörterbuches liest, vermag man kaum zu glauben, daß seitdem erst hundert Jahre vergangen sein sollen:

"Hier gestatten wir uns nur noch, der Hoffnung Ausdruck zu geben, es möge dem rliegenden Buche vergönnt sein, zur schnellen Verbreitung der amtlichen preußischen Orthographie etwas beizutragen. Diese ist zwar nichts weniger als das Ideal des Verfassers; aber n allen Orthographien, die für den Augenblick möglich sind, ist sie die beste. Und wenn man dem bekannten Worte Raumers beipflichten muß, daß eine mindergute Orthographie, der ganz Deutschland zustimme, besser sei als eine rzüglichere, die sich auf einen Teil Deutschlands beschränke, so verdient die n der preußischen Regierung den preußischen Schulen rgeschriebene Orthographie - ganz abgesehen dan, daß sie an sich besser ist als die bisher üblichen und mindestens ebenso gut als irgend eine andere bisher amtlich empfohlene -schon darum am meisten die Unterstützung aller, weil sie die meiste Aussicht hat, binnen kurzem zur Alleinherrschaft in ganz Deutschland zu gelangen. Bildet sie ja doch jetzt schon nicht nur in Preußen, sondern auch bereits in einer Anzahl kleinerer Staaten für alle Schulen die Norm.

Und n einer Konkurrenz zu reden, die sie etwa gegenüber der bayerischen zu bestehen hätte, würde durchaus nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Wie der Herr Minister Doktor n Lutz in einem Schreiben an den Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig mit Recht herrhebt, sind es nur ,wenige und nebensächliche Punkte', in denen die bayerische Orthographie noch n der preußischen abweicht. Aus diesem Grunde wird auch, wie in demselben Schreiben ausdrücklich ausgesprochen ist, die Einführung in der preußischen Orthographie gedruckter Schulbücher in Bayern nicht beanstandet werden, gerade so wie umgekehrt Herr Minister n Puttkamer in einem ebenfalls an den Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler gerichteten Schreiben die Versicherung gegeben hat, daß für die Zulässig-keit n Schulbüchern zum Gebrauch in preußischen Schulen es keinen Unterschied mache, ob dem bayerischen oder dem preußischen Regelbuch Folge gegeben sei.

Die Gewässer lassen den Reisenden in dieser Gegend nicht mehr los. Nördlich n Schleiz kommt man in das Plothener Teichgebict, wo sich auf einer Fläche mit einem Radius n etwa fünf Kilometern über tausend Teiche zusammendrängen. Noch liegen hier Naturschützer und Urlaubsmanager im Kampf miteinander. Zwar ist das gesamte Teichgebiet zum Naturschutzgebiet erklärt worden, aber die zahllosen Feriengäste haben mit Campingplätzen und Bungalows den Lebensraum der seltenen Tier- und Pflanzenarten schon eingeengt. Und westlich n Schleiz liegt Ziegenrück mit seinem Wasserkraftmuseum, das aus einem Laufwasserkraftwerk herrgegangen ist. Fünfundsechzig Jahre war es seit der Jahrhundertwende in Betrieb, heute gehört es schon zur Industriearchäologie und bietet dem Besucher einen guten Einblick in die Geschichte der Wasserkraft-Nutzung.

Von hier sind es dann nur noch ein paar Kilometer nach Ranis mit seiner stattlichen Burg auf einem Zechsteinriff am Südrand der Orlasenke. Sie wurde im 11. Jahrhundert erbaut, gehörte zeitweilig als Reichsburg Kaiser Barbarossa und seinem Sohn Heinrich VI., gelangte an die Grafen n Schwarzburg und schließlich an die Markgrafen n Meißen, doch nur, um dann als Lehen an verschiedene Adelsfamilien weitergegeben zu werden. Es lohnt sich, den Turm der Burg zu besteigen, bietet sich doch ein herrlicher Rundblick über das Städtchen Ranis hinweg weit ins Thüringer Land hinein - wenn nicht gerade die Rauchschwaden der Maxhütte Unterwellenborn über der Landschaft lasten.
Die Industrie dominiert allmählich in dieser Gegend, auch Pößneck ist in erster Linie Industrieort, m einstigen Wohlstand des Tuchma-cherhandwerks zeugen nur noch wenige Spuren wie etwa das spätgotische Rathaus mit seinem schönen Staffelgiebel, und dar steht immer noch der Brunnen mit dem Marktbornmännchen, dem eher freundlichen als martialischen Sinnbild des wehrhaften Bürgers. Ahnlich wie in Pößneck ist auch die Struktur des nur zwölf Kilometer entfernten Neustadt an der Orla mit dem kleinen alten Stadtkern und dem schönen Rathaus, und n Weida, das n der Osterburg mit ihrem eigenartigen alten Bergfried überragt wird. Besonders wohlhabend waren die Städte hier in der Gegend nie, und so ist es kein Wunder, daß im Volke ein Sprüchlein umlief:

"Durch Adams Fall ist Trips verderbt.
Und Auma liegt daneben;
In Weida ist kein Heller Geld,
Und Neustadt kann nichts geben;
In Ziegenrück ist große Not,
In Ranis ist kein bißchen Brot
Und Pausa ist die Schwester -
Sind das nicht leere Nester?

Von Neustadt aus kann man einen Abstecher nach Renthendorf unternehmen, einem Ort, der kaum in einem Fremdenführer erwähnt wird, aber hier wurde 1829 im Pfarrhaus der große Zoologe und Reisende Alfred Edmund Brehm geboren. Natürlich hat jeder etwas n "Brehms Tierleben gehört, aber wer kennt schon den Verfasser dieses berühmten Werkes? E. Redslob möchte ihn nach Johann Sebastian Bach als den typischsten Thüringer gewertet sehen, und selbst wenn man diesem Urteil nicht uneingeschränkt folgen sollte, so verdient er es doch, daß man ihn der Vergessenheit entreißt und deutlich auf ihn hinweist. Sein Vater Christian Ludwig Brehm hatte schon den Beinamen "Vögelpastor erhalten, galt er doch als einer der besten Vögelkenner der Goethe-Zeit.
Man sagt n den Thüringern, sie seien besonders sangesfreudig und würden deshalb auch den Gesang der Vögel besonders schätzen. Daher sei Thüringen zum klassischen Land des Vogelschutzes, aber auch der Tierliebe und -beobachtung geworden. Brehm hatte m Vater die Tierliebe geerbt. Schon im Alter n achtzehn Jahren hatte er seine erste Reise in den Sudan unternommen, der sich 1849 eine zweite anschloß. Erst nach der Rückkehr studierte er in Jena und Wien Naturwissenschaften und Zoologie, schon während dieser Studienzeit veröffentlichte er 1856 sein erstes Werk über die Reisen in den Sudan, als Gymnasiallehrer und später als Direktor des Hamburger Zoologischen Gartens schrieb er noch zahlreiche andere Bücher, als wichtigstes wohl ab 1869 das "Tierleben, das sich durch wissenschaftliche Genauigkeit und eine ungemein lebendige Darstellung auszeichnet und für die naturkundlichen Sachbuchautoren bis heute noch das große Vorbild geblieben ist. Hören wir als Beispiel nur, was er über die Feldlerche in seiner thüringischen Heimat zu sagen hat:

"Uns gilt die Feldlerche als Frühlingsbote; denn sie erscheint zur Zeit der Schneeschmelze, bisweilen schon im Anfange des Februar, hat zu Ende dieses Monats meist bereits ihre Wohnplätze eingenommen, verweilt auf ihnen während des ganzen Sommers und tritt erst im Spätherbst ihre Winterreise an, welche sie bis Südeuropa, höchstens bis nach Nordafrika führt. Sie ist ein unsteter Vogel, welcher selten lange an einem und demselben Ort verweilt, vielmehr beständig hin und her läuft, hin- und widerfliegt, sich mit anderen ihrer Art streitet und zankt und dazwischen lockt und singt. Sie geht gut. bei langsamem Gange nickend, bei raschem Laufe fast wie ein Strandläufer, fliegt ausgezeichnet, je nach dem Zwecke, welchen sie zu erfüllen trachtet, sehr verschiedenartig, bei eiligem Fluge mit bald angezogenen, bald wieder schwirrend bewegten Schwingen in weiten Bogen-linien dahin, im Singen endlich in der allbekannten langsamen, oft schwebenden Weise mit gleichmäßigen Flügelschlägen, welche sie höher und höher heben. Auf dem Boden zeigt sie sich gerne frei, stellt sich deshalb auf Erdschollen, kleine Hügelchen oder Steine, zuweilen auch auf die Spitzen eines Strauches, Baumes oder Pfahles, und behauptet solche Lieblingsplätze mit zäher Beharrlichkeit. Der Lockton ist ein angenehmes ,Gerr' oder ,Gerrel welchem ein hell pfeifendes ,Trit' oder ,Tie' zugefügt wird. Bei dem Neste vernimmt man ein helles ,Titri', im Arger ein schnarrendes ,Scherrerererr'. Ihren allbekannten Gesang, welcher Feld und Wiese der Ebene und des Hügellandes, selbst nicht allzu nasse Sümpfe, in herzerhebender Weise belebt, beginnt die Lerche unmittelbar nach ihrer Ankunft und setzt ihn so lange fort, als sie brütet. Vom frühesten Morgengrauen an bis zur Abenddämmerung singt sie, ein um das andere Mal m Boden sich erhebend, mit fast zitterndem Flattern allmählich höher und höher aufsteigend, dem Auge zuweilen beinahe verschwindend, ohne Unterbrechung, ausdauernder als jeder andere Vogel, beschreibt dabei weite Schraubenlinien, kehrt allmählich zur Aufgangsstelle zurück, senkt sich mehr und mehr, stürzt mit angezogenen Flügeln wie ein fallender Stein in die Tiefe, breitet hart r dem Boden die Schwingen und läßt sich wiederum in der Nähe ihres Nestes nieder. Der Gesang besteht zwar nur aus wenigen hellen, reinen, starken Tönen, aber unendlich vielen Strophen, welche bald trillernd und wirbelnd, bald hell pfeifend erklingen, n den verschiedenen Sängern aber in mannigfach abändernder Weise rgetragen, n einzelnen Meistern auch durch nachgeahmte Teile aus anderen Vogelliedern wesentlich bereichert werden. Selbst die Weibchen zwitschern, und schon die jungen, erst r wenigen Wochen dem Nest entflogenen Männchen erproben ihre Kehle.

Als Sechsundvierzigjähriger kehrte Brehm nach Renthendorf zurück und lebte dort als Schriftsteller bis zu seinem Tode 1884. Sein Wohnhaus beherbergt heute eine Gedenkstätte an ihn und seinen Vater.
In Gera, der nächsten Station, wird der Aufenthalt wohl etwas länger dauern. Zwar ist auch diese Stadt nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges zu einem Verwaltungssitz und Industriestandort geworden, doch erinnern noch manche Zeugnisse an eine große Vergangenheit. Gera wird erstmals schon um das Jahr 1000 erwähnt und 1237 als Stadt bezeichnet. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts war es Residenz der jüngeren Reuß-Linie, und als diese gar 1806 einige Nebenlinien vereinigte und in den Fürstenstand erhoben wurde, erfuhr die kleine Stadt n rund 300 Häusern eine Aufwertung. Immerhin ging das Fürstentum erst 1920 in Thüringen auf. Auch hier brachte die Tucherzeugung über Jahrhunderle hinweg den Wohlstand, und als sich dann Ende des 17. Jahrhunderts niederländische Emigranten hier ansiedelten, erlebte die Kammgarnweberei durch die n ihnen eingeführten neuen Techniken einen weiteren Aufschwung. Die Bürger wußten zu leben, und im Thüringer Volksmund hießen sie nur "die Gärschen Fettguschen, was soviel wie die Geraer Fettmäuler heißt. Natürlich wollten sie auch repräsentieren, bauten sich ein entsprechend stattliches Rathaus, einen dreigeschossigen Renaissancebau mit einem wunderschönen 57 m hohen Treppenturm. Wie die meisten Bauten der Stadt fiel es 1780 dem großen Stadtbrand zum Opfer. Damals blieben n 900 Häusern überhaupt nur 135 übrig, alles andere mußte wieder aufgebaut werden, und ein Bombenangriff legte 1945 die Stadt ein weiteres Mal in Schutt und Asche.

Wie Gera war auch das etwa dreißig Kilometer südlich gelegene Greiz Residenzstadt, diesmal der älteren Reuß-Linie. Besonders angesehen waren sie alle nicht, diese kleinen thüringischen Residenzen, das wissen wir nicht nur aus der schon erwähnten Operette "Wiener Blut, auch im Volksmund spöttelte man:

"Greiz, Schleiz, Lobenstein
Sind drei kleine Nester
Greiz, das ist die Residenz
Zeulenroda die Schwester,
Und sind die beiden noch so klein
Lobenstein könnt größer sein!


Und doch besaß die Residenz gleich zwei Schlösser, das Obere und das Untere, und sogar ein Sommerschloß in einem englischen Landschaftspark. "Maison de la belle retraite - Haus der schönen Zurückgezogenheit - heißt es im Giebelfeld, und das gilt eigentlich mehr oder minder für die ganze Gegend, wie sie schon 1840 Gottfried Wilhelm Becker beschrieb:

"Endlich nahm der Wald ein Ende, und der Weg wurde besser, wie es gewöhnlich der Fall ist, wenn man einer belebten Stadt nahe kommt. Er senkte sich herab in's Thal; die Residenz des Fürsten n Greiz breitete sich an beiden Ufern der Elster aus. Gera hatte einen lachenden Anblick gewährt, aber wieviel schöner gestaltete sich hier das Bild! Die Stadt an sich war keineswegs so groß, so stattlich, so lkreich wie Gera, aber die Lage noch viel malerischer, die Aussicht n oben herab umso überraschender, je weniger der Weg dahin anmuthig gewesen war, und ein fürstlicher Park in der Tiefe einen Theil dan in reizendes Halbdunkel barg. Wir konnten, da es schon ziemlich spät war, uns nicht mehr weit ergehen, sondern weilten nur auf der schönen Elsterbrücke, sie im Glänze der heitern Abendsonne zu genießen. Aber als der Morgen nun erwachte, säumten wir nicht lange, uns mit allen den schönen Punkten näher bekannt zu machen. Jetzt fuhren wir auf dem großen Teiche, der das fürstliche Schloß hoch oben auf einem hohen isolierten Felsen in seiner ganzen Schönheit sehen ließ; dann erstiegen wir einen Berg, wo der Felsen mit seinem Schlosse tief unter uns lag und wir nun die ganze Stadt noch viel tiefer erblickten. Am Schießplatze breitete sich r uns die Elster aus und ließ Stadt und Schloß wieder in einer ganz neuen Richtung mustern. Ein dicht beschatteter Baumpfad führte uns auf den Schloßberg selbst hinan, und wir sahen nun die Stadt in ihrer ganzen Ausdehnung unten der Länge nach an der Elster; der Park des Fürsten bot die mannigfachsten Spaziergänge in den reizendsten Anlagen und mit dem Glänze eines Hofes wechselnd, der sich besonders an dem Palais kundthat, worin die fürstliche Familie verweilt, wenn es ihr oben im Schloß nicht gefällt.3
"Perle des Vogtlandes nennt man Greiz auch und weist damit gleichzeitig auf die alten Besitzverhältnisse dieses Raumes hin. Terra Adkato-rum - Land der Vögte - hieß es schon seit dem Mittelalter, da es als reichsunmittelbares Gebiet n den Reichsvögten n Weida verwaltet wurde. Nach verschiedenen Teilungen, Verkäufen und Verpfändungen fiel der größere Teil dieses Vogtlandes zu Beginn des 17. Jahrhunderts an Sachsen. Der kleinere - eben die Reußischen Besitzungen - blieb dagegen selbständig und kam erst 1920 an das Land Thüringen.

Das letzte Stück der Reise führt in den nordöstlichsten Zipfel Thüringens, nach Altenburg. Die wichtige Stadt am Südrand der Leipziger Tieflandsbucht im Tal der Pleiße gehört, geographisch gesehen, eigentlich schon zu Sachsen, und tatsächlich ist auch ihre tausendjährige Geschichte sehr wechselll. Die Marktsiedlung im Schutze der Burg war schon im 11. Jahrhundert entstanden, unter Barbarossa wurde sie Reichsstadt, kam dann in den Besitz der Markgrafen n Meißen und wurde im 17. und noch einmal im 19. Jahrhundert Residenz des Herzogtums Sachsen-Altenburg, das seinerseits 1920 im Land Thüringen aufging. Nach der Auflösung der Länder 1952 wurden Altenburg und sein Umland zum Bezirk Leipzig geschlagen und sind 1990 in den alten Länderverband zurückgekehrt.
Noch heute erinnert das Schloß an die alte große Zeit. In einzelnen Teilen stammt es schon aus dem 10./11. Jahrhundert, seine heutige Gestalt dagegen erhielt es erst seit dem 17. Es ist der Schauplatz des berühmt-berüchtigten "Sächsischen Prinzenraubes, eines Falles n Kidnapping, wie man heute zu sagen pflegt, aus dem 15, Jahrhundert. Kunz n Kaufungen, ein wohlverdienter Kriegsmann des Kurfürsten n Sachsen, hatte sich n diesem in einer finanziellen Angelegenheit hintergangen gesehen und 1455 zu einer Art Selbsthilfe gegriffen, mit Hilfe des Burgkochs die hohen Mauern des Altenburger Schlosses erstiegen und die beiden Söhnchen des Kurfürsten entführt, aber wie bei jeder echten Kriminalgeschichte half auch schon r fünfhundert Jahren der "Kommissar Zufall; denn der Entführer und eines seiner beiden Opfer wurde n ein paar Köhlern erkannt und gestellt, die Spießgesellen des Ritters bekamen daraufhin kalte Füße und lieferten den anderen Prinzen freiwillig aus. Und eine Volksballade, die schon Herder in seine Sammlung aufnahm, schildert das schreckliche Ende und die Moral n der Geschichte:

"So gehts, wer widr die Oeberkeit
Sich unbesonnen empöret;
Wer es nit meynt, der schaue an Kunzen,
Syn Kopp tut ze Freyberg noch runter
schmunzen
Und jedrmann dan lehret, ja lehret!

Heinrich Laube, einer der bekanntesten Schriftsteller des "Jungen Deutschland, gibt eine heitere Schilderung n Altenburg im Biedermeier und spielt dabei auch auf den Ritter Kunz an:
"Die Frauenzimmer müssen im Altenburgi-schen einmal großes Unglück angerichtet haben. Seit der Zeit hat man ihnen eine garstige Zwangstracht angelegt. Vor der Brust tragen sie ein Brett, hinter dem Herz und Busen verkümmern, die Röcke reichen nur bis ans Knie. Das Erzgebirge trägt einen seiner letzten Zweige in das Ländchen. Es ist merkwürdig, wie sich dieser kleine Distrikt absondert n seinen Nachbarn. Es ist Charakter im Altenburger, sollte er auch nur in der kurzen Jacke liegen, deren Teil unter den Armen steckt.

Seine Hautfarbe ist noch schwärzer als die der Braunschweiger. Aber sie ist trauriger, geschmackloser, nicht so mutig wie bei jenen. Sie sieht leidend, gottesfürchtig aus. Auf dem Kopfe trägt der Altenburger ein kleines unreifes Filzkäppchen. Um die Beine weite schwarze Lederhosen, die aber nur bis ans Knie reichen. Es muß viel Lederhandwerk in Altenburg geben. Das berühmteste in der Stadt sind schöne, solide und wohlfeile Handschuhe. Die Tracht der Landleute sieht steif, gemacht und geschraubt aus, es ist keine Leichtigkeit und Bequemlichkeit darin. Die Leute sehen trübselig daraus herr, obwohl es ihnen gut geht und sie meist wohlhabend sind. Es ist kein Feuer, keine Genialität in ihnen. Aber treuherzig sind sie und gut und lieben ihre niedrigen Berge.
In die Stadt selbst rollt man bergab schnell hinein. Langsam kommt man wieder heraus. Das ist ein gutes Zeichen, man wohnt nicht übel hier. Man findet viel Aufgeschlossenheit, viel Essen und Trinken, viel Gesundheit und viel schlechtes Wetter. Wenigstens regnete es immer, wenn ich nach Altenburg kam. Aber immer guckten hübsche Mädchenköpfe aus den Fenstern
Vorüber flog der Wagen. Der Eilwagen ist das moderne Fatum. Nichts hemmt seine Spanten. Vergeblich schrie ich, ich wolle aussteigen; es ging bergauf und bergab weiter durch das romantische Altenburg. Höhe und Tiefe, Begeisterung und Kot wechseln in dieser Stadt schnell. Prächtig verlassen steht jenseits eines kleinen Wassers das Herrenschloß. Ein Professor neben mir, der bereits die Homöopathie, das öffentliche Gerichtsverfahren, die Dampfwagen, die neuesten geographischen Entdeckungen und die preußische und sächsische Politik erschöpft hatte, detaillierte der Gesellschaft mit der todesverachtenden Redseligkeit deutscher Professoren den Prinzenraub, der da drüben im Schlosse llendet worden war. Er kannte jedes Fenster und jeden Absatz, dessen sich Kunz n Kaufungen bedient hatte. Er beschrieb so lebendig und genau, daß wir zehnmal fragen mußten, und als der Wagen rechts einbog und das Schloß verschwand, nicht klüger waren als zu-r.

Die modernen Reisenden, die das stattliche Rathaus aus dem 16. Jahrhundert, das Schloß mit der Schloßkirche und den ehemaligen Schloßpark besichtigt haben, werden wahrscheinlich nicht versäumen, auch das Spielkartenmuseum zu besuchen, gilt doch Altenburg als Mekka und Hochburg des Skatspiels. Wer dieses Spiel hier erfunden hat, ist nicht sicher belegt, eine Fama schiebt es dem Hofadkaten und Notar Hempel zu, auf alle Fälle hat das Skalspiel alle anderen Kartenspiele übertroffen, und die Altenburger zehren heute n dem Ruhm, als die "Skatstadt zu gelten und sogar ein berühmtes Skatgericht als letzte Instanz aller strittigen Spielentscheidungen zu besitzen. Kein Wunder, daß sie deshalb schon kurz nach der Jahrhundertwende einen schönen "Skatbrunnen errichten ließen.. Seine vier Bubengestalten sind allerdings nur noch Kopien der Originale n Ernst Pfeifer; denn diese sollten während des Zweiten Weltkrieges das Vaterland wohl als Wunderwaffen retten helfen und wurden eingeschmolzen!
Nur wenige Kilometer weiter nördlich liegt am Rande des Braunkohlengebietes die Wasserburg Windischschleuba aus dem 14. Jahrhundert. Heute ist sie ein Schullandheim, früher gehörte sie einmal der Familie Münchhausen, einem Zweig des Geschlechts, dem auch der berühmte Lügenbaron entstammte. Letzter Gutsherr auf Windischschleuba war jener Börries Freiherr n Münchhausen, der zu den bekanntesten Balladendichtern des Impressionismus gehörte. Viele seiner bekannten Balladen sind hier entstanden, so etwa die "Lederhosensaga oder die "Ballade m Brennesselbusch. Der Dichter verübte als Einundsiebzig-jähriger beim Einmarsch der Roten Armee Selbstmord, er mochte die alte Zeit, die ja schon zwölf Jahre zur zu Ende gegangen war, nicht überleben. Beim Anblick des zinnengeschmückten Rundturms mag der Kenner an den "Waldhornbläser denken, der n dort oben seine Lieder über Schloß und Park klingen ließ, aber warum sollen wir uns nicht fröhlich verabschieden und zum Schluß noch ein Stück jenes "Hofballs hören, der hier auf dem Gut n Windischschleuba spielt:

"Novembertag und windiges Wetter, Im Scheunenhof tanzen die Blätter, Und zwischen Kuh- und Pferdestall Ist Hofkonzert und großer Ball.
Der Wind trompetet um die Ecken. Milchkannendeckel schlagen die Becken, Die Leitungsdrähte harfen und schleifen, Wenn die Hände des Sturms in die Saiten
greifen, Die Wetterfahne geigt schrill und froh. Ein Kalb bläst unentwegt die Hoboe, Die Stalltür trommelt dazu Und das Bombardon übernahm eine Kuh.
Und zu Trompeten, Flöten und Geigen Dreht sich und wirbelt in fröhlichem Reigen Alles, was Herbst geweht n den Zweigen, Alles, was rdem grünte im Land Und auf dem Pflaster des Hofes sich fand. Und während im Kehricht sie tanzen und
springen, Hör ich sie singen!
Vom Ahorn, der drüben im Parke ragt, Stelzt ein Blatt auf fünf Speichen und sagt: ,Wir hatten alle nichts zu tun Als schön zu sein und auszuruhn! In unserm Schatten man gerne saß, Wenn der Gärtner den Platz recht sauber rechte, Und als ein Dichter dort Verse las, Lachten darüber noch lange die Spechte. Der Springbrunnen machte sich was zu tun. Doch stieg er nur auf, um wieder zu sinken, Bisweilen in Seide und in Kattun, Saßen sie dort beim Kaffeetrinken. Ein Fräulein m sentimentalen Fach

Malte mich drüben am Teich n der Insel, Sie seufzte: ,Die herbstliche Färbung, - ach!' Und schob ins Kadmiumgelb den Pinsel, - Wir hatten alle nicht viel zu tun, Nur schon zu sein und auszuruhn!'

Ein Schlehenblatt, hereingeweht,
Vom Felde draußen, das sang diskret:
,Ich komme ferne m stillen Hag,
Wo der Sprosser rief,
Wo am Juniabend der Kirschpflücker lag
Und den Rausch verschlief,
Wo im Herbst die Jagd rübergesaust
Mit hundert Pferd,
Wo dem Leutnant so r dem Graben gegraust,
Daß er umgekehrt.
Und als er ihn sprang.
Da sprang er ihn so: -'
Und die Schlehe sprang
Und fiel in die Entenpfütze, - oh
Der Länge lang!







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