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Köln im Nationalsozialismus

Köln im Nationalsozialismus

Rasche Machtübernahme und Gleichschaltung

Die Nachricht von der überraschenden Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 sprach sich in Köln wie ein Lauffeuer herum. Die Nationalsozialisten brachen - so der »Westdeutsche Beobachter« - in »Jubelrausch« aus und veranstalteten anderntags eine »Weihestunde« in den Messehallen mit anschließendem Fackelzug durch Köln. Der Rest der Kölner Bevölkerung reagierte keineswegs, wie vielfach behauptet wird, geschlossen ablehnend oder wie gelähmt. Einig waren sich Gegner und Anhänger der neuen Regierung nur in einem, in der Überraschung über den plötzlichen Regierungsantritt Hitlers, der trotz der häuen Regierungswechsel der Jahre zuvor als etwas Besonderes erlebt wurde. Die Folgen jedoch dürften die wenigsten erahnt haben. Konservativ-nationale Kreise befürworteten die neue Regierung, weil sie als ein Musterfall ihrem »Zähmungskonzept« entsprach: rstand sich doch die neue Regierung als eine Regierung der »nationalen Erhebung« und nicht der nationalsozialistischen Revolution und schienen die drei Nationalsozialisten in der Regierung (Hitler, Gö-ring und Frick) »eingerahmt« von sieben konservativ-deutschnationalen Ministern. Großspurig wie je meinte Vizekanzler von Papen: »Wir haben ihn (Hitler) uns engagiert!« und »In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, daß er quietscht«. Selten hat sich eine politische Aussage so schnell ins Gegenteil verkehrt.




Die Parteien rechts vom Zentrum begrüßten demnach die neue Regierung, während das Zentrum - von der Kölner Partei und Presse nachdrücklich unterstützt - sich intensiv, aber vergeblich bemühte, doch noch in irgendeiner Form an der neuen Regierung beteiligt zu sein. Daß die Regierung Hitlers sich durchaus auf eine breite Zustimmung im Bürgertum stützen konnte, zeigen beispielsweise die Berichte in der »Kölnischen Zeitung«. Das Motto lautete dort: »Das nationale Bürgertum marschiert!«: »Das vaterländisch gesinnte Bürgertum hat den Zusammenschluß aller nationalen Kräfte zu gemeinsamer Arbeit begrüßt«. In der Tat bestanden zwischen der NSDAP und der konservativ-nationalen Rechten fundamentale Gemeinsamkeiten: »Marxisten« und »Novemberverbrecher« sollten ausgeschaltet und anstelle der parlamentarischen Demokratie eine reaktionäre Diktatur errichtet werden.

Die Arbeiterbewegung vermochte aufgrund ihrer Spaltung keine einheitliche und machtvolle Gegenwehr zu leisten. In weiten Teilen der SPD und der KPD herrschte die Fehleinschätzung vor, daß der ganze Nazi-Spuk bald vorbei sei. rgeblich warteten insbesondere junge SPD-Mitglieder auf das Signal der Partei- und Gewerkschaftsleitung zum aktiven Kampfund zum Massenstreik. Die KPD unterlag dem Trugschluß, daß der faschistische Staat bereits 1930 ausgebrochen sei und die Regierung Hitlers demnach nur dessen rschärfung darstelle. Zwar forderte die KPD von der SPD, eine Einheitsfront zu bilden und einen Massenstreik mitzutragen, doch mußte diese Forderung in sozialdemokratischen Ohren hohl klingen, da zugleich selbst in diesen Tagen der altbekannte Vorwurf, die SPD sei der »gemäßigte Flügel des Faschismus« (so in der »Sozialistischen Republik«) erhoben wurde. Die Diffamierung der Sozialdemokraten als »Sozialfaschisten« stellte die KPD erst im Sommer 1934 ein und gab sie endgültig 1935 auf. Die Spaltung der Arbeiterbewegung erleichterte die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Die Kölner Juden hatten in der Regel die ernsthafte Gefahr, die ihnen durch den Nationalsozialismus drohte, erkannt, ohne allerdings die Konsequenzen sehen zu können: In Zeitungen zumindest wurden staatliche Pogrome und antijüdische Gesetze in Deutschland für ausgeschlossen gehalten.

Die Kölner Nationalsozialisten ließen bereits in den Tagen nach der Machtübernahme keinen Zweifel an ihren Absichten. So erklärte Gauleiter Grohe in der »Weihestunde« am 31. Januar 1933 unmißverständlich, daß die Nationalsozialisten »diese Macht niemals mehr preiszugeben« gedachten und daß die »Zeit der Parteien in Deutschland vorbei« sei. Der Hauptschriftleiter des »Westdeutschen Beobachters«, Peter Winkelnkemper, sprach in einem Kommentar am 31. Januar 1933 von »erbarmungsloser Rache« an der »Novemberbrut«, dem »roten Menschengetier«, dem »fremden Blut«, der »gesinnungslosen jüdischen Pressekanaille«. Dies brauchte man den Schlägertrupps der SA und SS ohnehin nicht zweimal zu sagen. Unmittelbar nach der Machtübernahme setzte der brutale Terror der Nationalsozialisten gegen ihre Gegner ein. Straßenkämpfe und Prügeleien bis hin zu Mord und Totschlag hatte es bereits in den Jahren zuvor häu gegeben. Jetzt aber nahmen SA- und SS-Trupps Gefangene und brachten sie in illegale Konzentrationslager, die sie bald an zahlreichen Stellen einrichteten wie in der Aquinostraße, am Bonner Wall, in den Riehler Heimstätten, am Hochkreuz Porz oder im Keller der Gauleitung im »Braunen Haus« in der Mozartstraße. Häu wurden die Gefangenen dort brutal gefoltert. So erging es auch Wilhelm Sollmann und Hugo Efferoth, einem Redakteur der »Rheinischen Zeitung«, die am 9. März dorthin verschleppt wurden. Bald füllten sich auch die staatlichen Gefängnisse wie der Klingelpütz oder das Polizeipräsidium mit politischen Gefangenen.

Die Nazis gingen nach der Machtübernahme gezielt zu Provokationen über und versuchten nun, in Straßen einzudringen, in die sie sich bislang nicht getraut hatten, weil sie als Hochburgen der Arbeiterparteien galten. So kam es zu großen Straßenschlachten in Kalk Anfang Februar und in der Elsaßstraße am 3. März 1933. In der Elsaßstraße mußte die SAzunächst abziehen, nachdem sie von der Bevölkerung mit einer Reihe von Gegenständen beworfen worden war, um mit großem Polizeiaufgebot einschließlich gepanzerten Fahrzeugen und unter der Leitung von Polizeipräsident Lingens wiederzukommen. Dieser Vorgang charakterisiert das entscheidend Neue: Die Polizei arbeitete mit SA und SS Hand in Hand, denen rasch die Rolle einer Hilfspolizei zukam. Nichts anderes hat die nationalsozialistische Machtergreifung in Köln so sehr begünstigt wie die Tatsache, daß die Burg dereinst sozialdemokratisch geprägten Polizei seit dem »Preußcnschlag« geschleift war. Lingens, der den neuen Herren noch bis 1935 diente, garantierte, daß sich die Kölner Polizei in den Machtergreifungsprozeß der Nationalsozialisten reibungslos einfügte. Bei den Wahlkämpfen zu den Wahlen zum Reichstag und zum Preußischen Landtag am 5. März und zur Stadtverordnetenversammlung am 12. März 1933 attackierten die Nationalsozialisten ihre Gegner bereits scharf und konnten nun alle staatlichen Machtmittel gegen sie einsetzen. Innerhalb weniger Tage und Wochen wurden die Freiheit der Bürger und der Handlungsspielraum der Parteien erheblich eingeschränkt: rsammlungen wurden verboten oder massiv gestört; zunächst noch vorläue Presseverbote trafen zuerst die kommunistische »Sozialistische Republik« (3.2.1933), dann die sozialdemokratische »Rheinische Zeitung« (6.2.1933) und schließlich - die zunehmende Einengung deutlich machend - die zentrumsnahe »Kölnische Volkszeitung« (10.3.1933). Die letzte Ausgabe der »Sozialistischen Republik« erschien am 22. Februar, die letzte Ausgabe der »Rheinischen Zeitung« am 28. Februar, während die »Kölnische Volkszeitung« und die »Kölnische Zeitung« in der NS-Zeit weiter erscheinen konnten.

Nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 waren Kommunisten zu Freiwild geworden. Einen Tag später wurden in Köln 50 kommunistische Funktionäre verhaftet und die örtlichen Parteibüros besetzt. Die danach ergangene »rordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat« setzte wesentliche Grundrechte der Weimarer rfassung außer Kraft. Sie legalisierte politische rfolgung und Terror, einschließlich der Errichtung von Konzentrationslagern, und ermöglichte - als zentrales Machtmittel - die »Schutzhaft«, ohne daß eine richterliche Kontrolle möglich war. Im Wahlkampf führten die Nazis gegen Oberbürgermeister Adenauer eine wahre Hetzkamne mit der Parole »Fort mit Adenauer!« Erbost waren die Nationalsozialisten besonders darüber, daß Adenauer sich nachdrücklich geweigert hatte, Hitler, der am 19. Februar 1933 in Köln eine große Kundgebung abhielt, als Reichskanzler in Köln zu empfangen, mit der Begründung, er sei nur als Wahlkämpfer nach Köln gekommen; dementsprechend ließ Adenauer die an der Deutzer Hängebrücke angebrachten Hakenkreuzfahnen entfernen und untersagte eine festliche Rheinbeleuchtung.
Der Tag nach der Kommunalwahl, der 13. März 1933, stellt den Tag der eigentlichen Machtergreifung der Nationalsozialisten in Köln dar: Gauleiter Grohe erklärte vom Balkon des Rathauses aus den nach Berlin abgereisten Adenauer und die in »Schutzhaft« befindlichen sozialdemokratischen Beigeordneten Fresdorf und Meerfeld für abgesetzt und rief den bis dahin völlig unbekannten Nationalsozialisten Günther Riesen zum neuen Oberbürgermeister aus. Bei den Reichstagswahlen am 5. März hatte die NSDAP in Köln mit 33,1 °/o deutlich weniger Stimmen als im Reichsdurchschnitt (43,9 %) erhalten, war aber zum ersten Mal stärkste Partei vor dem Zentrum geworden. Bei den Kommunalwahlen eine Woche später gewann sie noch hinzu, blieb aber mit 39,6 % noch weit von der absoluten Mehrheit entfernt.

Die Tatsache, daß die NSDAP in Köln bei Wahlen rund zehn Prozent weniger Stimmen erhielt als im Reichsdurchschnitt, bildet den Kern der in Köln so häu zu hörenden Legende, in Köln habe es großen Widerstand gegen das NS-Regime gegeben, zumindest sei er größer als andernorts gewesen und somit hätte der Nationalsozialismus im liberalen Köln nie richtig Fuß fassen können. Jedoch sind die Kölner Wahlergebnisse kein Gradmesser für eine größere Widerstandsbereitschaft oder auch nur stärkere Reserviertheit der Kölner Bevölkerung gegenüber dem Nationalsozialismus, sondern eher ein Gradmesser für ihre rasche Anpassung an die neuen rhältnisse. Das opportunistische Anbiedern bei den neuen Herren war nun an der Tagesordnung. Spitzenbeamte wie Regierungspräsident Elfgen und Polizeipräsident Lingens exerzierten dies vor. Die geringere Zahl von NSDAP-Wählern in Köln im rgleich zum Reichsdurchschnitt blieb ohne praktische Auswirkungen. Denn in Köln verlief der Prozeß der »Machtergreifung« und »Gleichschaltung« ebenso rasch und reibungslos wie in Städten, die bereits vor 1933 Hochburgen der NSDAP waren. Auf manchen Gebieten übernahmen die Kölner nun sogar Vorreiterrollen: so bei der Selbst-Gleichschaltung der Universität oder bei der Diskriminierung und Ausgrenzung der Juden.

Trotz des Terrors bei den Wahlen hatte es nicht zur absoluten Mehrheit für die NSDAP in der Stadtverordnetenversammlung gereicht, auch nicht zusammen mit den Stimmen der »Kampffront Schwarz-Weiß-Rot«, einem Zusammenschluß der DNVP und des Stahlhelms. Die Mehrheit kam erst zustande, als kurzerhand die Mandate der kommunistischen Stadtverordneten aberkannt wurden. Fast alle sozialdemokratischen Stadtverordneten wurden nach der ersten Sitzung des neugewählten Rates am 30. März 1933 verhaftet; sie hatten sich bei der Wahl Hitlers und Hindenburgs zu Ehrenbürgern der Stadt Köln der Stimme enthalten. Die erste Sitzung sollte auch die letzte Sitzung für sie werden. Gauleiter Grohe verkündete bei dieser Sitzung von der Tribüne des Rathauses aus offen: »Wir lassen aber keinen Zweifel daran, daß wir alle Volksschädlinge radikal zu vernichten gewillt sind.« Die Zentrumsfraktion erklärte ihre »Bereitwilligkeit zur positiven Mitarbeit«: »Der Geist katholisch-deutschen Volkstums mündet gerne in den christlich-nationalen Volksstaat und stellt jahrhundertealte Erfahrung staatsbejahender Arbeit zur rfügung«. Diese Anbiederung soll Adenauer als »eine Gemeinheit« bezeichnet haben. Bald bemühten sich die meisten bürgerlichen Stadtverordneten, als Hospitanten in die NSDAP-Fraktion aufgenommen zu werden. Ab 1934 entstand per Gesetz aus der Stadtverordnetenversammlung ein Ratsherrenkollegium, eine Honoratiorengesellschaft führender Kölner NS-Funktionäre, das nur noch zu unverbindlichen Anhörungen berechtigt war. Rat - so wurde erklärt - käme von Rat geben.

Ebenso reibungslos und zügig verlief in Köln der Prozeß der »Gleichschaltung«: innerhalb weniger Wochen und Monate wurden Parteien und Gewerkschaften, Presse und Rundfunk, rbände und reine »gleichgeschaltet«. KPD und SPD sowie die reine der Arbeiterbewegung wurden im Februar
bzw. Mai 1933 reichsweit verboten, ihre führenden Funktionäre in Köln wurden zum großen Teil verhaftet oder waren geflohen, die Zeitungen der Arbeiterparteien wurden verboten und ihr rmögen eingezogen. So wurde das erst zwei Jahre zuvor fertiggestellte rlagshaus der sozialdemokratischen »Rheinischen Zeitung«, das »August-Bebel-Haus«, beschlagnahmt und vom NS-Blatt »Westdeutscher Beobachter« übernommen. Die bürgerlichen Zeitungen durften weiter erscheinen, waren aber der Presselenkung unterworfen. Die anderen Parteien lösten sich selbst auf. Das Zentrum war ohnehin durch den »Görreshaus-Skandal« in den Wochen nach der Machtübernahme geschwächt. Die Görreshaus AG, die die »Kölnische Volkszeitung« verlegte, geriet in Konkurs und Vorstandsmitglieder des Görreshauses wurden wegen des rdachts geschäftlicher Unregelmäßigkeiten verhaftet, unter ihnen am 27. April 1933 auch der Vorsitzende des rheinischen Zentrums, Hugo Mönnig. Das Kölner Zentrum vollzog seine Selbstauflösung am 20. Juli 1933, allerdings ohne seinen Vorsitzenden, Bibliotheksdirektor Reuter: Er war bereits zu den Nationalsozialisten übergelaufen. Am 2. Mai, einen Tag nach den aufwendig gestalteten Maifeierlichkeiten, wurden die Gewerkschaften gleichgeschaltet und das »Volkshaus« in der Se-verinstraße besetzt. Die Kölner Universität schaltete sich am 11. April 1933 in vorauseilendem Gehorsam noch vor der Gleichschaltung der Universitäten auf Reichsebene selbst gleich und gab damit, wie der NS-Kultusminister Rust lobend hervorhob, ein »richtungsgebendes Beispiel«.

In den Wochen und Monaten nach der Machtübernahme besetzten die Nationalsozialisten die Führungspositionen in nahezu allen Bereichen der kommunalen und staatlichen rwaltung, der Wirtschaftsverbände bis hin zu den reinen neu. Das sogenannte »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933, das sich bald auch auf Angestellte und Arbeiter erstreckte, bot die rechtliche Möglichkeit zu Entlassungen: Betroffen waren vor allem Juden, Kommunisten und auch Sozialdemokraten. In Köln war es allerdings bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zu Entlassungen gekommen. Spitzenpositionen wie die des Regierungspräsidenten, des Landgerichtspräsidenten oder des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer wurden neu besetzt. Zu Letzterem wurde Kurt Freiherr von Schröder ernannt. Im Westdeutschen Rundfunk wurde die gesamte Führungsspitze um Intendant Ernst Hardt entlassen. Im Kulturbereich mußten Generalmusikdirektor Eugen Szenkar, der Direktor der Musikhochschule Walter Braunfels und der Direktor des Völkerkundemuseums Julius Lips gehen. An der Universität wurden vor allem jüdische Hochschullehrer wie der bedeutende Rechtsgelehrte Hans Kelsen und der Romanist Leo Spitzer sowie politisch mißliebige Wissenschaftler wie Benedikt Schmittmann, Paul Honigsheim und Eugen Schmalenbach entlassen. Am 17. Mai 1933 kam es vor dem Gebäude der alten Universität zu Bücherverbrennungen »undeutscher« Schriften und Bücher. Bereits am 10. Mai 1933 hatte die »Organisation der Buchhändler in Köln« 1.176 Bücher und Bilder vernichtet. Der Prozeß der Gleichschaltung wirkte aber nicht nur auf der oberen Ebene; er ging hinunter bis zum kleinsten rein. reine wurden verboten bzw. ihre Führung von Nationalsozialisten übernommen, oder der bisherige Vorstand bekannte sich nun zum Nationalsozialismus. Jedenfalls tauchten im Nu allerorten NS-Symbole auf, auf der reinsfahne und im Briefkopf.

Mit großer Brutalität gingen die Nazis direkt nach der Machtübernahme gegen Juden vor. Schon im Februar und März häuften sich antisemitische Aktionen; so wurde die Aufführung von »Fidelio« in der Oper mit Rufen wie »Juden raus« gestört und landen Ausschreitungen gegen jüdische Bürger statt. Einen vorläuen Höhepunkt dieser Entwicklung bildete die erste reichsweite Aktion gegen die Juden, der Boykott von jüdischen Geschäften, Arzten und Rechtsanwälten am 1. April 1933. Wachposten von SA und Hitlerjugend bezogen vor den Geschäften Stellung und versuchten Käufer einzuschüchtern. Wer es trotzdem wagte, ein jüdisches Geschäft zu betreten, wurde fotografiert, und die Fotos wurden in der Zeitung veröffentlicht. Jüdische Geschäftsleute trieb man durch die Straßen, wobei sie demütigende Transparente tragen mußten. Jüdische Richter und Rechtsanwälte wurden aus dem Gerichtsgebäude am Reichenspergerplatz gezerrt und auf Müllwagen durch die Straße gefahren. Doch all dies geschah ohne erkennbaren Widerspruch der Kölner Bevölkerung. Rasch und rücksichtslos wurde gegen Juden vorgegangen. Die Kölner Stadtverwaltung leitete zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und Entrechtung von Juden in die Wege, lange bevor es überhaupt entsprechende gesetzliche Bestimmungen gab: Juden wurden in Köln entlassen, ehe dies auf Reichsebene möglich war, von städtischen Spiel- und Sportplätzen wurden Juden bereits im März ausgeschlossen; Firmen in jüdischem Besitz erhielten keine städtischen Aufträge mehr, obwohl die Reichsregierung die Kölner Stadtverwaltung wiederholt deswegen kritisierte, weil reichsweit die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben aus wirtschaftlichen und außenpolitischen Gründen vorerst wieder gestoppt wurde; der Kölner Polizeipräsident bekam 1934 höchstrichterlich bestätigt, daß der von ihm angeordnete Ausschluß der Juden vom Kölner Viehmarkt rechtswidrig war.

Der NSDAP gelang es auch, sich einen _________________
weitgehenden Einfluß in der Kölner Stadtverwaltung zu sichern. Die Beigeordneten wurden bis auf zwei amtsenthoben. Bis Ende März 1934 wurden insgesamt 3,6 °/o (587 Personen) der städtischen Beschäftigten aus politischen und rassischen Gründen entlassen, drei Viertel davon Arbeiter. Dies entsprach dem auch in anderen Städten üblichen Rahmen. Ein beträchtlicher Teil von langjährigen Parteimitgliedern, den »Alten Kämpfern«, wurde in die Stadtverwaltung eingeschleust, fast 90 % der Neueinstellungen kamen aus dieser Gruppe. Bis März 1936 waren bereits 1.412 »Alte Kämpfer« untergebracht, dies entsprach über 8 % der städtischen Beschäftigten. Dennoch blieb die personelle Kontinuität zwischen der städtischen rwaltung der Weimarer Zeit und der NS-Zeit weitgehend gewahrt. Die meisten leitenden Beamten (Direktoren, Amts- und Abteilungsleiter) blieben im Amt, paßten sich den neuen rhältnissen an und traten reihenweise in die NSDAP ein.

Kontrolle, Zustimmung und Gewalt

Die NSDAP maß Köln als »Metropole des Westens« besondere Bedeutung zu. Hier befand sich von Anfang an der Sitz der Gauleitung. Der Gau Köln-Aachen umfaßte die Regierungsbezirke Köln und Aachen. Der bald ausufernden Verwaltung der Gauleitung mit 29 Ämtern stand seit 1934 das große Gebäude der alten Universität in der Claudiusstraße zur Verfugung. Die Gauleitung, nicht die Kölner NSDAP-Führung, bestimmte die Politik der NSDAP in Köln und die Kölner Kommunalpolitik. Auffallend ist die personelle Kontinuität bei den Spitzenfunktionen der Kölner NSDAP: Ein kleiner Kreis von Parteimitgliedern spielte von Anfang der zwanziger Jahre bis 1945 eine führende Rolle in der NSDAP, allen voran Gauleiter Josef Grohe und sein Stellvertreter Richard Schaller. Grohe (1902-1987) war kaufmännischer Angestellter und trat
1922 in die NSDAP ein. Bereits 1925 wurde er Schriftleiter des »Westdeutschen Beobachters« und stellvertretender Gauleiter, 1929 Stadtverordneter und 1931 Gauleiter des neugeschaffenen Gaus Köln-Aachen. Nach 1933 bekleidete er u.a. die Amter des Preußischen Staatsrats und seit 1944 des Reichskommissars für die besetzten Gebiete von Belgien und Nordfrankreich. Richard Schaller (1903-1972), von Beruf Bauarbeiter, trat, nachdem er kurze Zeit KPD-Mitglied gewesen war,
1923 in die NSDAP ein, wurde 1929 Stadtverordneter, 1930 Reichstagsabgeordneterund 1932 Stellvertreter Grohes. Nach der Machtübernahme war er Bürgermeister und Beigeordneter (1933-36), Gauführer der NS-Volkswohlfahrt (1933-39, 1942-45) und Gauführer der Deutschen Arbeiterfront (DAF) (1936-45).

Die Kölner NSDAP war zunächst von 1932 bis 1941 organisatorisch in drei Kreise eingeteilt, die 1941 zusammengelegt wurden. Unterhalb dieser Kreise gab es Ortsgruppen (höchstens 1.500 Haushalte), Zellen (160 bis 480 Haushalte) und schließlich Blocks (40 bis 60 Haushalte). Im Januar 1942 bestanden in Köln 125 NSDAP-Ortsgruppen mit einer entsprechenden Anzahl von Geschäftsstellen. Ein Netz von Gliederungen und Nebenorganisationen sollte alle Bevölkerungsgruppen erfassen, sei es nach Geschlecht, Alter, Beruf oder anderen Kriterien. Um nur einige der wichtigsten zu nennen: die Wehrverbände der SA und SS, Hitler-Jugend und NS-Frauenschaft, berufsständische Gliederungen und Deutsche Arbeitsfront (DAF), NS-Volkswohlfahrt im sozialen Bereich und »Kraft durch Freude« in Kultur und Freizeit. In jeder Ortsgruppe und jeder Nebenorganisation der Partei waren zahlreiche Amter und Funktionen zu besetzen. Allein in Ortsgruppen ging es vom Ortsgruppen-, Propaganda-, Organisations- und Kassenleiter und ihren jeweiligen Stellvertretern hinunter bis zum Hilfskassenobmann, Zellen-, Block- und Marschblockleiter. Demnach waren Tausende Kölnerinnen und Kölner aktive NSDAP-Mitglieder. Die zahlreichen Funktionen boten auch für viele kleine Parteimitglieder soziale Aufstiegsmöglichkeiten. Durch die vielen Organisationen entstand ein kaum mehr durchschaubarer Dschungel von Parteigliederungen, der einen ständigen Streit um Zuständigkeiten und Einfluß entstehen ließ. Ernste Auseinandersetzungen lassen sich nur erahnen. Auf schwere Konflikte innerhalb der Kölner NSDAP deuten etwa die mehrfachen Wechsel im Amt des Regierungspräsidenten oder die brüske Abservierung des ersten NS-Ober-bürgermeisters hin. So wurde der Beigeordnete Zülch fristlos entlassen, weil er Ley beleidigt haben soll.

Die Kölner Kommunalpolitik wurde maßgeblich von Gauleiter Grohe bestimmt. Sie bildete seine eigentliche Machtposition außerhalb der Partei, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Gauleitern war er nach 1933 in kein hohes Staatsamt berufen worden. Die NSDAP sicherte sich ihren Einfluß in der Stadtverwaltung unter anderem dadurch, daß mehrere Gauamtsleiter in einer Doppelfunktion auch Beigeordnete der
Stadt waren und andererseits Spitzenbeamte Funktionen in der Gauleitung übernahmen, so daß zwei Drittel der Beigeordneten sowie der Oberbürgermeister mit Ämtern in der Gauleitung eingebunden waren. Grundlegend Neues und Bleibendes in der Kommunalpolitik vermochten die Nationalsozialisten in Köln nicht zu schaffen. Vor allem gelang es ihnen - glücklicherweise - nicht, die weitgehenden Pläne, Köln als Gauhauptstadt radikal umzugestalten, zu verwirklichen. Wahrzeichen Kölns sollte nicht mehr der Dom, sondern das gigantische Gauforum der NSDAP mit riesigem Aufmarschfeld und Versammlungshalle sein, das man auf der Fläche des abzureißenden Deutz errichten wollte. Hitler hatte diese Pläne persönlich gutgeheißen. Dies wurde jedoch ebensowenig realisiert, wie der Bau der Zentrale der Deutschen Arbeitsfront (DAF) in Köln. Die Altstadt der »Hansestadt Köln«, zu der die Stadt 1935 feierlich erklärt wurde, sollte von einem gewaltigen Verkehrskreuz, einer Ost-West- und einer Nord-Süd-Achse, durchbrochen werden. Die Ost-West-Achse wurde zwischen Rudolfplatz und Heumarkt in einer deutlich schmaleren Variante verwirklicht und an die Idee der Nord-Süd-Achse wurde nach dem Krieg angeknüpft. Die Sanierung des Martinsviertels ging im späteren Bombenhagel unter. Realisiert wurde auch ein riesiges Aufmarschfeld am Aachener Weiher. Mit ihren zahlreichen Organisationen betrieben die Nationalsozialisten eine möglichst andauernde politische Mobilisierung der Bevölkerung, der sie ständig neue Loyalitätsbekundüngen für das Regime abnötigten. Dies reichte von der Teilnahme an den Feiern, Aufmärschen oder Massenveranstaltungen, die rund ums Jahr an den zahlreichen Gedenktagen stattfanden, bis hin zum Hitler-Gruß, dem Hissen der Hakenkreuzfahne sowie den Betriebsappellen oder dem Eintopfsonntag und den Sammelaktionen wie für das Winterhilfswerk. In anderen Lebensbereichen wie Betrieb oder Schule wurde die Indoktrination fortgesetzt.
Die Jugend verkörperte für das NS-Regime die Zukunft des Nationalsozialismus: Die weltanschauliche Schulung und die paramilitärische Ausbildung sollte aus den Jugendlichen die »neuen Menschen« formen. In der Schule wurden die Lernin-haltc nationalsozialistisch bestimmt. Weltanschauliche Fächer wie Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Biologie und Ras-senkundc rückten neben dem Schulsport in den Mittelpunkt. Der propagierten Erziehung zum »neuen Menschen« dienten die Flaggenappelle, Aufmärsche, Schulungslager und sehr häufigen Feiern ebenso wie Weihestunden und Treuegelöbnisse. Außerhalb der Schule wurden die Kinder und Jugendlichen in der Hitler-Jugend erfaßt. Die 10-14jährigenjungen kamen ins Deutsche Jungvolk, die 14-18jährigen männlichen Jugendlichen in die Hitlerjugend und die Mädchen entsprechend zu den Jungmädeln und bis zum 21. Lebensjahr zum Bund Deutscher Mädel (BDM). Streng militärisch organisiert bot die HJ eine Mischung aus Fahrten und Wanderungen mit Lagerromantik und einem öden Drill und militärischem Zwang.

Die positiven Wirkungen im Sinne des Regimes blieben nicht aus. Die »Erfolge« des Systems beeindruckten viele: Der spürbare Rückgang der Erwerbslosigkeit und der wirtschaftliche Aufschwung vor allem infolge der Aufrüstung und des Autobahnbaus, der Anschluß des Saarlandes 1935, die Olympisehen Spiele und der als »Rheinlandbefreiung« begeistert gefeierte Einmarsch deutscher Truppen in das bislang entmilitarisierte Rheinland 1936, die Eingliederung Österreichs und die Abtretung der Sudeten 1938, die raschen militärischen Siege zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Dies alles führte auch in Köln zur Zustimmung des großen Teils der Bevölkerung zu dem System. Hitler, der anders als die beliebte Legende es will, Köln nicht gemieden hat, sondern wiederholt zu Veranstaltungen hierhin kam, wurde von der eindeutigen Mehrheit der Bevölkerung durchaus begeistert empfangen. Hitler hatte Köln offensichtlich nicht in schlechter Erinnerung. Er soll -nach den Aufzeichnungen von Henry Picker über ein Gespräch Hitlers - gesagt haben, daß bei seinem letzten Besuch in Köln »ihm mehrere Hunderttausend die größten Ovationen seines Lebens vor dem Hotel gebracht hätten. Vor Freude über sein Erscheinen habe die ganze Menge jedesmal bei seinem Betreten des Dom-Hotel-Balkons geschunkelt.«

Wer nicht mitmachen wollte und sich gegen das Regime stellte, lief Gefahr, gnadenlos verfolgt zu werden. Das entscheidende Instrument des Terrors und der Einschüchterung war die Gestapo. Im Dezember 1935 bezog sie mitten in der Stadt, am Appellhofplatz, das EL-DE-Haus. Es wurde zum Inbegriff der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in Köln. Die erhalten gebliebenen Wandinschriften in den Gefängniszellen legen Zeugnis ab von der Verzweiflung und der Todesangst der Gefangenen. Im Innenhof des EL-DE-Hauses wurden von Oktober 1944 bis Anfang März 1945 mehrere hundert Menschen hingerichtet. Auf dem Westfriedhof existiert noch heute das sogenannte »Gestapo-Feld« mit Opfern der Kölner Gestapo. Ihre Arbeit funktionierte nur durch die Mitwirkung aus der Kölner Bevölkerung, die in den zahlreichen Denunziationen sichtbar wurde. Auch die Polizei war intensiv in das NS-Regime verstrickt. Die Kriminalpolizei verfolgte - ebenso bereitwillig wie die Gestapo - »Asoziale«, Prostituierte, Homosexuelle sowie Sinti und Roma. Bei ihren Einsätzen in den besetzten Gebieten im Osten Europas waren Kölner Schutzpolizisten an der Ermordung von Tausenden Menschen beteiligt. Der Kölner SA-Führer Walter Hoevel übte das Amt des Polizeipräsidenten von 1935 bis 1945 aus. Die Sondergerichte fällten insbesondere im Krieg brutale Urteile. Das Gefängnis Klingelpütz war die zentrale Hinrichtungsstätte der Kölner und westdeutschen Sondergerichte; mehr als 1.500 Menschen wurden hier hingerichtet.


Köln: Zentrum der NS-Rassenpolitik im Rheinland

Der Rassismus bildete das Kernstück der NS-Ideologie. Die Kölner Nationalsozialisten waren bereits in den zwanziger Jahren durch ihre extreme rassistische Hetze aufgefallen; nach der Machtübernahme ging man in Köln besonders rigoros gegen Juden vor. In den Jahren der NS-Herrschaft entwickelte sich Köln zum Zentrum der Rassenpolitik im Rheinland. Mehrere Institutionen von Partei, Stadt,Justiz und Universität befaßten sich in Köln mit »Rassenfragen«; um nur die wichtigsten zu nennen: die Amter für Rassenpolitik und für Volksgesundheit bei der Gauleitung, die »Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege« und die »Nervösenfürsorge« beim Gesundheitsamt der Stadt Köln, der Lehrstuhl und das Institut für »Erbbiologie und Rassenhygiene« sowie die Psychiatrische und Nervenklinik an der Universität Köln, das Erbgesundheitsgericht und Erbgesundheitsobergericht, das über Zwangssterilisationen entschied, sowie die Sondergerichte, die über Fälle von »Rassenschande« urteilten.

»Ausmerze« und »Aufartung« waren die beiden untrennbaren Seiten der NS-Rassenpolitik: einerseits die Bekämpfung der »Volksschädlinge« und »Untermenschen« bis hin zu ihrer Vernichtung und andererseits die Aufzucht »reinrassiger«, »arischer« Deutscher, die als auserwählte »Herrenrasse« über minderwertige Völker herrschen sollten. Hitler hatte bereits in »Mein Kampf« zur »heiligsten Pflicht« eines Volkes erklärt, »dafür zu sorgen, daß das Blut rein erhalten« bleibe. Zum Alltag der Bevölkerung gehörten nun bald Appelle zur »Volksgesundheit« und zur »Reinhaltung der Rasse«. Für Eheschließungen mußte der »Ariernachweis« geführt werden; in Heiratsanzeigen galten nun als besonders erwähnenswert die Bezeichnungen »erbgesund« und »arisch«. Die Familien- und Sippenforschung wurde zur Notwendigkeit, für manche zum Steckenpferd. Frauen drängte man unter dem Schlagwort »Kampf dem Doppelverdienertum« aus dem Erwerbsleben heraus und in die Rolle der Hausfrau und Mutter hinein. Kinderreichtum wurde zu einem wichtigen Staatsziel und mit dem »Mutterkreuz« hoch dekoriert. In den Schulen stellte Rassenkunde den zentralen Lerninhalt dar. Hitler hatte zum Grundsatz seiner Pädagogik erklärt, daß »das Schwache weggehämmert« werden sollte. »Rassenschande«, der außereheliche Geschlechtsverkehr zwischen Juden und »Ariern«, wurde hart bestraft, bis hin zur Todesstrafe.

Die Kehrseite von »Volksgemeinschaft« und »Volksgesundheit« bildete das »Ausmerzen« der »Gemeinschaftsfremden«. Der Rassenwahn traf zunächst und vor allem die Juden. Die unmittelbar nach der Machtübernahme begonnene systematische Diskriminierung und Ausgrenzung setzte sich bald besonders in der »Arisierung« der Wirtschaft fort. Die wirtschaftliche Ausplünderung und Enteignung von Juden schritt rasch voran. Eng arbeiteten dabei Partei, Wirtschaft und Stadtverwaltung zusammen, zum wirtschaftlichen Vorteil nicht weniger Kölner, die einen lästigen Konkurrenten los wurden oder jüdische Geschäfte und Häuser zu einem Spottpreis übernehmen konnten. Die rasch einsetzenden Drangsalierungen und Einschüchterungen wurden zu Mitteln im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf: Kunden wurden vom Betreten von jüdischen Geschäften abgehalten; der Besitzer konnte auch schon mal von der SA tagelang festgehalten werden; städtische Behörden gewährten rechtlich zustehende Steuernachlässe nicht, mit der Folge, daß das Geschäft in wirtschaftliche Schwierigkeiten getrieben wurde und schließlich zu einem übervorteilenden Preis verkauft werden mußte. Einer der ersten und bekanntesten Fälle bildete das renommierte Kaufhaus Tietz, aus dem bereits 1933 der Kaufhof entstand. Es häuften sich die Anzeigen in Tageszeitungen, in denen die neuen Besitzer voller Stolz mitteilten: »nach erfolgter Erneuerung ein deutsches Geschäft« oder schlicht »jetzt arisch!«. Bereits Ende 1937 befand sich der größere Teil der jüdischen Unternehmen nicht mehr in jüdischen Händen. Einen vorläufigen schrecklichen Höhepunkt bildete der Pogrom vom 9./10. November 1938. Alle Kölner Synagogen wurden zerstört, Geschäfte und Wohnungen verwüstet und geplündert, Menschen zusammengeschlagen, und von der Gestapo mehrere hundert jüdische Männer in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. So abscheulich der Pogrom auch war, er bildete nur den Auftakt zu noch Schlimmerem: den Weg in den Holocaust. Nun erfolgte die vollständige Ausgrenzung und Ghet-toisierung sowie die Zerstörung der jüdischen Institutionen. Seit Juni 1941 waren diejuden gezwungen, nur in bestimmten Häusern, den »Judenhäusern«, zu wohnen, und später wurde ein Teil von ihnen im Fort V in Müngersdorf konzentriert. Jüdische Schüler mußten die allgemeinen Schulen verlassen, kulturelle Veranstaltungen oder städtische Einrichtungen durften nicht mehr besucht werden, Straßenbahn zu fahren war bald ebenso verboten wie ein Radiogerät zu besitzen, und seit September 1941 mußte ein Judenstern getragen werden. Vom Oktober 1941 bis Oktober 1944 erfolgten schließlich über den Bahnhof Deutz-Tief die Deportationen in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten. Über 7.100 Kölner Juden, Männer, Frauen und Kinder, wurden ermordet. Darüber hinaus wurden mehrere tausend Juden aus dem Kölner Umland deportiert.

Auch die Sinti und Roma wurden aus rassischen Gründen verfolgt. Einige Hundert Familien hatten ihren festen Wohnsitz in Köln. Als »artfremde« und »minderwertige« Rasse wurden sie systematisch diskriminiert und entrechtet. So nahm man ihnen durch das Verbot des Hausierens die Existenzgrundlage. Ab Mai 1935 wurden die Sinti und Roma in einem zentralen »Zigeunerlager« an der Venloer Straße 888 in Bickendorf, auf dem Schwarz-Weiß-Platz, zwangsweise zusammengefaßt. Es war das erste kommunale Lager dieser Art und Muster für entsprechende Lager in anderen Städten; somit spielte Köln auch hier eine unrühmliche Vorreiterrolle. Mit einer perfiden Schein-Wissenschaftlichkeit wurden die Sinti und Roma in diesem Lager von Mitarbeitern der reichsweiten »Rassenhygienischen und bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle« vermessen, in Erbtafeln erfaßt und nach rassistischen Gesichtspunkten eingestuft. Ein Urteil, das über Leben und Tod entscheiden konnte. Die Verfolgung der Sinti und Roma lag in der Zuständigkeit der Kriminalpolizei, bei der eine »Dienststelle für Zigeunerfragen« eingerichtet wurde. Bereits seit Ende 1939 durften die Sinti und Roma ihren Aufenthaltsort nicht verlassen und wurden polizeilich überwacht. Am 16. Mai 1940 führte man die Sinti und Roma von dem Lager durch die Innenstadt zur Deutzer Messe, von wo aus etwa 1.000 Sinti und Roma, unter ihnen viele Kinder, über den Bahnhof Deutz-Tief in die Ghettos und Lager nach Polen deportiert wurden. Im Oktober 1940 wurden weitere rund 500 Sinti und Roma von Deutz aus in das Ghetto Lodz verschleppt. Nur wenige von ihnen überlebten. Die Sinti und Roma sind die erste Gruppe überhaupt, die zwangsweise in einem Lager zusammengefaßt wurde, die erste Gruppe, die deportiert wurde. Als wäre ihre Deportation eine Art Probelauf gewesen, konnten die Behörden die dabei gesammelten Erfahrungen bei den großen Deportationen der Juden verwerten.

Ein anderes düsteres Kapitel des Rassenwahns der Nationalsozialisten bilden die vom Erbgesundheitsgericht in Tausenden von Fällen verfügten Zwangssterilisationen. Ermöglicht wurde dies durch das bereits im Juli 1933 verkündete »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses«, das Geistesschwache wie Epilepsiekranke, aber auch sozial auffällige Personen einbezog. Hier entschied bereits eine falsche Antwort auf unsinnige Fragen bei der Untersuchung das Schicksal eines Menschen. Richter, Ärzte, Schulärzte, Lehrer, das Gesundheitsamt und das städtische Krankenhaus Lindenburg und das evangelische Krankenhaus Weyertal waren alle an Zwangssterilisationen beteiligt. Opfer von Zwangssterilisationen wurden auch Kinder farbiger Besatzungssoldaten, die verächtlich »Rheinlandbastarde« genannt wurden. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begann die systematische Ermordung von Insassen aus Heil- und Pflegeanstalten, die sogenannte »Euthanasie«. Geistig und körperlich Behinderte galten für die Nationalsozialisten als »lebensunwertes Leben«, das vernichtet werden müsse. Auch von Köln aus wurden viele über die Zwischenanstalt Galkhausen (Langenfeld) in die Tötungsanstalt Hadamar transportiert. Der Direktor des Kölner Waisenhauses, Friedrich Tillmann, war vom Frühjahr 1940 bis Herbst 1941 neben seiner Tätigkeit in Köln Leiter der Büroabteilung der »Euthanasie«-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, »T4«. Er pendelte von Woche zu Woche zwischen Köln und Berlin hin und her, zwischen Kindererziehung und der organisatorischen Vorbereitung zum Massenmord. Diskriminierungen und Verfolgungen bis hin zur Internierung in Konzentrationslagern erlitten auch Homosexuelle und sogenannte »Asoziale« wie Bettler, Obdachlose oder Prostituierte.

Opposition und Widerstand

Die Herrschaft der Nationalsozialisten in Köln war zu keinem Zeitpunkt ernsthaft durch Widerstand bedroht. Zwar leisteten eine Reihe von Gruppen und Personen Widerstand, jedoch waren sie zum Mißerfolg verurteilt, da sie keinen Rückhalt in der Bevölkerung fanden. Es war ein »Widerstand ohne Volk«. Die Formen von Verweigerung, Opposition und Widerstand waren vielfältig: Sie reichten etwa vom Vermeiden des Hitler-Grußes, vom »Flüsterwitz«, der Weigerung, beim Drill in der HJ mitzumachen, dem Verstecken von Juden und dem öffentlichen Protest bis hin zum aktiven politischen Kampf, der auf den Sturz des Regimes zielte, dem eigentlichen Widerstand. Die Widerstandsarbeit der verschiedenen Gruppen glich sich in vielem: Widerstand bedeutete vor allem, auf einfachen Vervielfältigungsapparaten Flugblätter, Zeitungen oder Tarnschriften herzustellen oder illegales Material aus dem Ausland einzuschleusen und unter die Leute zu bringen oder antinazistische Parolen auf Häuserwände und Bürgersteige zu malen und Unterstützungsgelder für bereits Inhaftierte und für die illegale Arbeit zu sammeln. Aus Sicherheitsgründen arbeitete man in kleinen Gruppen von drei bis fünf Personen, um das Risiko, von der Gestapo enttarnt zu werden, so gering wie möglich zu halten. Der Widerstand kann in drei Phasen unterteilt werden. In den ersten Jahren der NS-Herrschaft wurde er beherrscht von Parteien und Gruppierungen der Arbeiterbewegung, die noch von Emigranten im Ausland unterstützt wurden. Bis 1936 gelang es der Gestapo, bis auf wenige Kleingruppen alle organisierten Widerstandsformen zu zerschlagen. Danach hielt man den Zusammenhalt untereinander in Form von Gesinnungszirkeln, geselligen Runden oder Wanderungen aufrecht. Organisierter Widerstand lebte erst in der Endphase des Krieges und der dadurch bedingten Auflösungserscheinungen der Gesellschaft wieder auf, der aber im Unterschied zur ersten Phase punktuell und ohne Unterstützung von außen blieb. Die KPD leistete den frühesten und umfängreichsten Widerstand. Der NS-Terror traf die Kommunisten zuerst und am brutalsten. Sie hatten den größten Blutzoll zu zahlen und die meisten Opfer zu beklagen. Von den bislang bekannten 142 Prozessen gegen Kölner Widerstandskämpfer in den Jahren 1934 bis 1938 fanden 113 gegen Mitglieder der KPD und ihrer Organisationen statt. Nach einer Schätzung des Leiters des Amtes für Wiedergutmachung der Stadt Köln waren zwei Drittel der nach 1945 erfaßten ca. 3.000 politisch Verfolgten Kommunisten. Auf die illegale Arbeit war die KPD gut vorbereitet, hatte sie sich doch bereits vor 1933 darauf einstellen müssen. Doch ihre Untergrundarbeit wurde dadurch erschwert, daß bereits in den ersten Wochen und Monaten nach der Machtübernahme ein großer Teil ihrer Funktionäre verhaftet worden war. Die umfangreiche illegale Tätigkeit der Kommunisten gründete sich auf die noch bis 1935 gehegte Hoffnung auf ein baldiges Ende des NS-Regimes. Die Auflagen der in Köln hergestellten Flugblätter und Zeitschriften wie die »Sozialistische Republik«, »Jungprolet« und »Rote Fahne« reichten von wenigen Hundert bis zu 15.000 Exemplaren. Wiederholte Verhaftungswellen machten einen ständigen Wechsel von Aufbau -Zerschlagung - Wiederaufbau der illegalen Arbeit der KPD notwendig. 1935/36 war es Otto Kropp und seinem Nachfolger Ulrich Osche noch einmal für über ein halbes Jahr gelungen, eine zentrale Organisation in Köln aufzubauen. Im März 1936 wurden Kropp und Osche sowie 150 weitere Personen verhaftet. Kropp wurde im Mai 1937 hingerichtet. Damit war der organisierte kommunistische Widerstand für lange Zeit zerschlagen. Die Gestapo konnte feststellen, daß es »einen organisatorischen Aufbau der KPD in Köln nicht gibt«. Erst Ende 1944 lebten mit dem »Nationalkomitee Freies Deutschland« auch die kommunistischen Widerstandsaktivitäten wieder auf.

Der sozialdemokratische Widerstand war erheblich geringer als der der Kommunisten. Verhaftungen und zum Teil brutalen Mißhandlungen durch die Gestapo waren auch sehr viele Sozialdemokraten ausgesetzt, mehrere von ihnen wurden in Konzentrationslager eingewiesen, wo einige starben. Wegen mangelnder Erfahrung im politischen Untergrund fiel es der SPD schwer, sich auf die illegale Arbeit umzustellen. Ein großer Teil der Mitglieder zog sich vollständig ins Privatleben zurück. Diejenigen, die Widerstand leisteten, stellten Verbindungen zu den bereits Emigrierten ins Saarland her, wo Soll mann bis zur Saarabstimmung 1935 die Tageszeitung »Deutsche Freiheit« herausgab. Kontakte bestanden auch zu einem Verbindungsbüro des Prager Exilvorstandes in Brüssel. Die mit Abstand bedeutendste Gruppe organisierten Willi Schirrmacher, Franz Bott und Hein Hamacher, die 1934 ein Verteilernetz aufbauten, über das vor allem im Ausland gedruckte Schriften der Exil-SPD vertrieben wurden wie der »Neue Vorwärts«, »Freiheit«, »Sozialistische Aktion« oder kleine Tarnschriften wie »Die Kunst des Selbstrasierens« mit dem Prager Manifest der Exil-SPD. 1935 flog die Gruppe auf. Damit war der organisierte sozialdemokratische Widerstand zerschlagen. Jetzt zogen sich die Sozialdemokraten in kleine private Zirkel zurück. Eine wichtige Rolle im Widerstand spielten in Köln mehrere kleinere linkssozialistische und oppositionell kommunistische Gruppen. Sie zeichneten sich im Vergleich zu KPD und SPD durch eine deutlich realistischere Analyse des Nationalsozialismus aus und drängten auf eine Einheitsfront der Nazigegner. Zwischen diesen Gruppen gab es umfangreiche Verbindungen. Zahlreiche Mitglieder der Gruppen mußten mit langen Haftstrafen, Konzentrationslager und dem Tod ihre Widerstandstätigkeit bezahlen. Zu diesen Gruppen zählte der »Internationale Sozialistische Kampfbund« (ISK) um das jüdische Ehepaar Fliess, Josef Houber, Wilhelm Heidorn, Karl Neumann und Hans Dohrenbusch, die von Köln aus den Vertrieb illegaler Schriften an die Gruppen im Westen organisierten und auch Berichte über Köln an die Reichsleitung sandten. Eine der größten dieser Gruppen war die »Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands« (SAP), deren treibende Kraft Erich Sander, ein Sohn des Fotografen August Sander, war. Sie bauten Verteilernetze für die verbotenen Schriften auf und traten über Wilhelm Pertz in Verbindung mit der »Schwarzen Front«, der »linken« Abspaltung der NSDAP um Wilhelm Kayser, den ehemaligen HJ-Führerim Rheinland, der 1932 aus der NSDAP ausgetreten war. In der kleinen Gruppe der »Kommunistischen Partei Deutschlands (Opposition)« (KPO) wirkten u.a. Hans Mayer, Ludwig August Jacobsen und Hans Lö-wendahl. Anarcho-Syndikalistischer Widerstand wurde in Köln von dem Ehepaar Hans und Magareta Saballa organisiert, die u.a. illegales Material der »Freien Arbeiter-Union Deutschlands« (FAUD) verteilten. Das einzige bekannte Beispiel eines längerfristigen organisierten gewerkschaftlichen Widerstands in Köln bildeten die Aktivitäten der ehemaligen Funktionäre des verbotenen Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands, Willi Komorowski und Max Pester. Aus den Reihen der katholischen Kirche und des Zentrums gab es zunächst kein nennenswertes oppositionelles Verhalten. Viele Katholiken sahen in den Erklärungen der Bischöfe und vor allem im Konkordat Hitlers mit dem Vatikan vom 20. Juli 1933 eine Aussöhnung zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus. Das Konkordat garantierte das Weiterbestehen der katholischen Vereine und Verbände. Anders als bei den Arbeiterparteien richtete sich die Gegnerschaft der Kirche gegenüber dem NS-Regime nicht auf einen politischen Sturz, sondern ihr ging es um die Selbstbehauptung des kirchlichen Freiraums gegenüber nationalsozialistischen Übergriffen. In den zahlreichen katholischen Jugendgruppen konnte zunächst das Eigenleben gegenüber dem NS-Staat gewahrt werden. Auch die starke Beteiligung am kirchlichen Leben wie zum Beispiel an Wallfahrten demonstrierte die kirchliche Eigenständigkeit vor den Zugriffen des Staates. Jedoch gelang es den Nationalsozialisten, durch Einschüchterungen, Zensurmaßnahmen oder Verbote und seit 1936/37 im offenen »Kirchenkampf« den Handlungsspielraum der katholischen Vereine zunehmend einzuschränken und sie schließlich bis 1939 zu verbieten. Die »Abwehrstelle gegen die nationalsozialistische antichristliche Propaganda« unter der Leitung von Domvikar Josef Teusch verbreitete zahlreiche Broschüren in einer Gesamtauflage von 17 Millionen Exemplaren. Vor allem setzte er sich mit Alfred Rosenbergs »Mythus des 20. Jahrhunderts« auseinander. Während Kardinal Schulte sich sehr zurückhaltend gegenüber den NS-Herrschern verhielt, kritisierte sein seit 1942 amtierender Nachfolger Josef Frings öffentlich die Euthanasiemorde und die Verfolgung der Juden. Zum Widerstand im engeren Sinn gehörte in der Endphase des Krieges die Kölner Verbandsführung der Zentrale der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) im Kettelerhaus, die überJakob Kaiser in Verbindung mit dem Verschwörerkreis des 20. Juli 1944 kam. Nach dem Scheitern des Putsches wurden Nikolaus Groß, Schriftleiter der »Westdeutschen Arbeiterzeitung«, später der »Ketteler-Wacht«, und Bernhard Letterhaus, Verbandssekretär der Westdeutschen Arbeitervereine, hingerichtet. Prälat Dr. Otto Müller, Leiter der Zentrale der KAB, starb in der Haft in Berlin. Von der Zentrale des Kolpingwerkes in Köln kamen wegen Widerstandsaktivitäten Theodor Babilon und Heinz Richter im Konzentrationslager ums Leben. Die große Mehrheit der Protestanten hatte den NS-Staat bejaht. Die »Deutschen Christen« orientierten sich an der NS-Ideologie und gründeten eine nach dem Führerprinzip aufgebaute evangelische Reichskirche. Die innerkirchliche Oppositionsgruppe »Die Bekennende Kirche« blieb in der Minderheit. Ihr Vertrauensmann in Köln war Pfarrer Hans Encke von der Gemeinde Riehl. Am deutlichsten gegen die Nationalsozialisten wandte sich Georg Fritze, der als »roter Pfarrer« bekannt war, weil er Sozialdemokrat, Pazifist und Anhänger des religiösen Sozialismus war. Fritze wurde vom Presbyterium der Kartäuserkirche aus dem Amt gedrängt; zermürbt starb er wenig später. Auch die Bibelforscher (Zeugen Jehovas) gerieten mit dem NS-Staat in Konflikt, weil sie sich weigerten, Wehr- und Luftschutzdienste abzuleisten und in der Rüstungsindustrie zu arbeiten.

Jugendgruppen wie die »Navajos« oder andere Gruppen der bündischen Jugend sowie später in den Kriegsjahren die sogenannten Edelweißpiraten entzogen sich dem Drill und dem öden Alltag der HJ, indem sie eine eigene Welt lebten und zum Teil provokativ ein unangepaßtes Verhalten zeigten, was am augenfälligsten bereits in ihrer Kleidung und in ihren Liedern zum Ausdruck kam. Einige wenige Jugendliche gingen zu gewaltsamen Aktionen über. Besonders in den Kriegsjahren wuchs die Zahl der Jugendlichen, die in Konflikt mit dem NS-Regime gerieten. Im April 1943 wurden in Köln 55 Jugendliche wegen »bündisch-oppositioneller Umtriebe« festgenommen. 1943 wurden im Bereich des Landgerichts Köln zwischen 1.000 und 1.200 Jugendliche staatspolizeilich gewarnt, 250 festgenommen und zum Teil insjugendgefangnis undjugend-dienstlager eingewiesen.

Krieg und Kriegsgesellschaft

Die Nachricht vom Kriegsausbruch am 1. September 1939 löste anders als 1914 keine Begeisterung, sondern Betroffenheit und Bedrückung aus, obgleich die Bevölkerung seit 1933 systematisch auf einen Krieg vorbereitet wurde und eine Militarisierung der gesamten Gesellschaft erfolgte, wie häufige Luftschutzübungen und die paramilitärische Ausbildung der Jugend deutlich machen. Am Tag des Kriegsausbruchs wurden Regimegegner verhaftet, deren Namen die Gestapo seit längerem auf einer Liste, der sogenannten »A-Kartei«, für den Fall eines Kriegsausbruchs zusammengestellt hatte. Unmittelbar nach Kriegsbeginn wurden die ersten Karten zur Rationierung von Lebensmitteln und Textilien ausgegeben. Trotz erster Luftalarme waren die Folgen des Krieges in der Stadt in den ersten Monaten noch nicht deutlich zu spüren. Am 13. Mai 1940 erfolgte der erste britische Luftangriff auf Köln, dem bis Ende 1941 bereits 100 weitere Luftangriffe folgten. Jedoch erst 1942 änderte sich die Situation grundlegend: Ab jetzt erlebten die Kölner die fürchterlichen Schrecken der modernen Kriegsführung. In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 mußten sie den ersten »Tausend-Bomber-Angriff« in der Kriegsgeschichte über sich ergehen lassen: Über 1.000 britische Flugzeuge waren an dem Angriff beteiligt, 486 Menschen kamen ums Leben, über 5.000 wurden zum Teil schwerverletzt, 45.000 Kölner wurden obdachlos. Die Obdachlosen wurden unter anderem mit beschlagnahmten Möbeln von Kölner Juden versorgt.

Zur Abschreckung wurde nach der »Volksschädlings-Verord-nung« eine 46jährige Näherin zum Tode verurteilt, weil sie sich nach dem Angriff mit einigen Kleidungsstücken und einem Koffer versorgt hatte. Die Hinrichtung wurde auf großen roten Plakaten in der gesamten Stadt bekannt gemacht. Der Bombenkrieg bestimmte nun das Leben der Kölner. Einer der schwersten Angriffe des Krieges war der sogenannte »Peterund Paul-Angriff« am 29. Juni 1943, bei dem 4.377 Menschen ums Leben kamen, die Innenstadt in ein Trümmerfeld verwandelt wurde und die Zahl der Obdachlosen auf 230.000 stieg. Schwere Angriffe folgten im Herbst 1944. Der letzte, verheerende Angriff am 2. März 1945, wenige Tage vor dem Einmarsch amerikanischer Truppen, traf besonders die Altstadt und die Neustadt und verwüstete zahlreiche romanische Kirchen. Die Stadt lag in Schutt und Asche. Je länger der Krieg dauerte, desto mehr hatte die Zivilbevölkerung darunter zu leiden. Sie mußte in Bunkern und Kellern die Luftangriffe ertragen. Die Greuel des Krieges, die allgegenwärtige Zerstörung und die permanente Bedrohung sowie die Trauer um die Opfer der Angriffe und um die gefallenen Soldaten prägten nun das Leben der Kölnerinnen und Kölner. Es entstand ein Kampf ums tägliche Überleben: Die obdachlos gewordenen Menschen brauchten ein Dach über dem Kopr und das zum Leben Notwendige. Viele wurden im Verlauf des Krieges gleich mehrfach »ausgebombt« und mußten wiederholt von vorn anfangen. Die Stadt wurde zunehmend zur Trümmerlandschaft, die öffentliche Versorgung mit Energie, Wasser oder Verkehrsmitteln gestaltete sich immer schwieriger. Angesichts der großen Zahl von Obdachlosen wurden tausende Kölner in sicherere Gebiete evakuiert und Schulkinder seit Januar 1941 im Rahmen der »Kinderlandverschickung« aus der bedrohten Stadt weit weg von ihren Familien gebracht. 1941 wurden mehr als 15.000 Kölner Schüler »verschickt«. Frauen mußten anstelle der eingezogenen Männer verstärkt in der Kriegswirtschaft arbeiten. Vor allem wurden jetzt viele tausend Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Köln als Arbeitssklaven eingesetzt. Im August 1942 betrug allein d.e Zahl der ausländischen Zwangsarbeiter in Köln über21.000; im Januar 1944 waren es im Gau Köln-Aachen über 100.000 Zwangsarbeiter, nicht gezählt die Zigtausende von Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen. Sie mußten vor allem in Kölner Großfirmen arbeiten, aber auch bei der Stadt Köln, in kleineren Betrieben oder in Privathaushalten; zudem hatten sie Bunker zu bauen, Trümmer zu beseitigen und die lebensbedrohliche Arbeit des Bombenräumens zu verrichten. Allein bei den Ford-Werken waren im Juli 1943 etwa 2.500 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt, darunter 1.200 Russinnen und Russen. Die Zwangsarbeitcrinnen und Zwangsarbeiter waren in über 370 Lagern in Köln interniert. Das größte davon war die Messe in Deutz, wo sich mehrere Lager zugleich befanden, darunter auch ein Außenlager des KZ Buchenwald mit Häftlingen der SS-Baubrigade III. Viele Hunderte von ihnen sind in Lagern und bei Arbeitseinsätzen ums Leben gekommen. Die Alliierten hatten mit den verstärkten Bombardements auch beabsichtigt, die Bevölkerung dem Regime zu entfremden, jedoch erreichten sie damit zunächst das Gegenteil: die Angriffe waren auch in den Augen der Bevölkerung »Terrorangriffe« und zwangen zur Solidarität mit dem Regime. Die Stellung der NSDAP verstärkte sich im Krieg noch, weil sie immer mehr Aufgaben der Stadtverwaltung übernahm. Erst angesichts der immer spürbareren Folgen des Krieges mit Bombenangriffen und Versorgungsengpässen wuchs die skeptische Stimmung und die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges in der Bevölkerung. Am Ende des Krieges 1944/45, als sich die Niederlage deutlich abzeichnete, herrschten in Köln fortschreitende Auflösungserscheinungen. Jetzt erstarkte auch widerständisches Verhalten wieder. Eine herausragende Rolle spielte dabei das Ende 1943/Anfang 1944 entstandene »Nationalkomitee Freies Deutschland«, die größte Kölner Widerstandsorganisation der NS-Zeit. Unter maßgeblicher Beteiligung von KPD-Kadern waren hier über 200 Menschen unterschiedlicher politischer Richtung zusammengekommen, neben Kommunisten, Sozialdemokraten, Bibelforschern sogar zwei NSDAP-Mitglieder. Sie strebten ein rasches Ende des Krieges an und entwickelten bereits Überlegungen für den demokratischen Neuanfang nach dem Sturz des NS-Regimes. Im November 1944 wurden von der Gestapo 59 Mitglieder des Komitees verhaftet; Willi Tollmann, der führende Kopf, Otto Richter und Engelbert Brinker überlebten die Quälereien während ihrer Haft in Brauweiler nicht, Johannes Kerp, Max Neu-gebauer und Kurt Stahl starben in Haft bzw. unmittelbar danach. Die anderen Festgenommenen entgingen den Hinrichtungen nur wegen des raschen Vormarsches der Alliierten. In der Trümmerlandschaft von Köln kam es Ende 1944 sogar zu politischen Attentaten, denen u.a. der Kölner Gestapoleiter und ein Ortsgruppenleiter zum Opfer fielen. Auf die Auflösungserscheinungen seiner Herrschaft reagierte das System mit brutaler Gewalt. Durch verschärften Terror sollte jeder Protest gegen das Regime im Keim erstickt werden. Das Kölner Sondergericht fällte verstärkt Todesurteile wegen »Wehrkraft-
zersetzung« oder »Miesmachertum«; schon Diebstahl reichte nun für ein Todesurteil aus. Zur Einschüchterung der Bevölkerung wurden am 25. Oktober 1944 elf Zwangsarbeiter aus Polen und der UdSSR und am 10. November 1944 dreizehn Deutsche, unter ihnen »Edelweißpiraten«, ohne Gerichtsurteil öffentlich gehängt. In der »Gewitteraktion« wurden im August 1944 zahlreiche ehemalige Mandatsträger und Funktionäre der seit 1933 aufgelösten Parteien verhaftet, unter ihnen Konrad Adenauer. Manche von ihnen kamen in den Konzentrationslagern um, so zum Beispiel der frühere Reichstagsabgeordnete des Zentrums Otto Gerig oder der frühere kommunistische Stadtverordnete Johann Mattlener. Die Elsässe-rin Martha Heublein, ihr Mann und der französische Jude Jean Pierre May wurden nach einem Urteil des Kölner Senats des Volksgerichtshofs vom 16. Januar 1945 hingerichtet, weil sie in kleinen Wurfzetteln zur Beendigung des Krieges aufgerufen hatten. Das Leben in den Trümmern nahm chaotische Züge an. Die Versorgung mit Lebensmitteln wurde immer problematischer, die Infrastruktur und das öffentliche Leben brachen zusammen. Im Herbst 1944 wurden die Kölner Schulen geschlossen und stellte die Universität den Lehrbetrieb ein. Ende 1944 lebten nur noch rund 170.000 Menschen in Köln.

Angesichts der näherrückenden Front wurde Köln zur »Festungsstadt« erklärt. Goebbels erließ bei seinem letzten Besuch in Köln am 4. Oktober 1944 Durchhalteappelle. Gauleiter Grohe rief die Bevölkerung noch am 28. Februar 1945 zum Widerstand »mit allen Mitteln und Waffen« auf. Seit Anfang 1943 waren ganze Schulklassen als Flakhelfer verpflichtet. Als letztes Aufgebot wurde in den letzten Monaten des Krieges der »Volkssturm« aufgestellt. Ältere Männer und vor allem Jugendliche wurden besonders zu Schanzarbeiten an der Westfront eingesetzt. Schlecht ausgebildet und mit unzureichendem Material ausgestattet, wurden noch viele in einen sinnlosen Tod geschickt. Am 6. März 1945 befreiten die Amerikaner das linksrheinische Köln. Am Ende der zwölf Jahre des NS-Regi-mes stand eine fürchterliche Bilanz: Köln lag in Trümmern, über 40 °/o, in der Innenstadt über 90 % der Gebäude waren völlig zerstört, ca. 20.000 Luftkriegstote und über 40.000 Verletzte, 17.000 Wehrmachtsgefallene und 16.000 Vermißte und Kriegsgefangene, viele als Regimegegner Verfolgte und Ermordete, viele tausend aus rassischen Gründen Gedemütigte, Gepeinigte und Ermordete. All dies war nicht auf erheblichen Protest gestoßen; gegen all dies gab es Widerstand nur von einer kleinen Minderheit, der große Teil der Bevölkerung hatte die NS-Herrschaft in Köln mehr oder weniger erzwungen geduldet und mitgetragen, ein Teil von ihr als Täter mitgemacht. Das NS-Regime in Köln war zu keinem Zeitpunkt von innen her ernsthaft bedroht, sondern erst durch den Druck von außen zusammengebrochen.







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