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Industriestrukturen und Industriewirtschaftsräume

Industriestrukturen und Industriewirtschaftsräume

Deutschlands Industrie unterliegt an der Wende zum 21. Jahrhundert einem tiefgreifenden Strukturwandel. Strukturwandel bedeutet Veränderungen in der technologischen und ökonomischen Entwicklung einzelner Branchen und ihrer Stellung in der Welt- und Volkswirtschaft. Zugleich damit rschiebt sich auch die Bedeutung von Regionen und Standorten, da sie häu von einer oder wenigen Branchen bestimmt sind. Man kann die damit rbundenen Standortprobleme in vier Fragen zusammenfassen: a)Bedeutet der seit Ende der 1970er Jahre zu beobachtende Trend eines sinkenden Wertschöpfungsanteils des Verarbeitenden Gewerbes bei gleichzeitiger Zunahme des Tertiären Sektors einen Deindustrialisie-rungsprozeß in Deutschland ?
b)lst mit der Globalisierung und dem Export von Arbeitsplätzen in Länder mit niedrigeren Produktionskosten ein Abwanderungsprozeß der Industrie aus Deutschland rbunden ?
c) Läuft die deutsche Industrie durch ihre Spezialisierung auf traditionelle Technologien Gefahr, ihre Position im Welthandel zu rlieren ?
d)Welche Konsequenzen ergeben sich für die deutsche Industrie aus der fortschreitenden europäischen Integration ?

Aktuelle Probleme des Standortes Deutschland

.1 Deindustrialisierung in Deutschland ? Weltweit beobachten die Ökonomen seit den 1970er Jahren in fast allen Industrieländern das gleiche Phänomen: Der Beitrag des Verarbeitenden Gewerbes an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung nimmt kontinuierlich ab. Dies gilt auch für Deutschland. Zwischen 1978 und 1996 ist der Industrie-Anteil am westdeutschen Bruttoinlandsprodukt von fast 35 % auf 28 % geschrumpft. Im Hintergrund stehen veränderte Ansprüche der Kunden. Gefragt sind nach Kundenwünschen maßgeschneiderte Produktion, Wartung und Service. Daraus resultiert eine zunehmende Vernetzung wirtschaftlicher Aktivitäten, auch zwischen den Wirtschaftssektoren. Die statistischen Daten über das Verhältnis der Wirtschaftssektoren zueinander verkünden also nur die halbe Wahrheit. Die Industrie ist größter Lieferant und größter Abnehmer von Vorleistungen. K. Lichtblau u.a. (1996) haben daher einen \"Kombinierten Sektor\" gebildet, der das gesamtwirtschaftliche Gewicht des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland realitätsnäher wiedergeben kann. Werden die vielschichtigen Vorleistungsverflechtungen des Sekundären Sektors in die Wertschöpfungsberechnungen eingebaut, erscheint das Ergebnis des dadurch entstehenden Kombinierten Sektors ein ganzes Stück positiver. Die überraschende Erkenntnis: Aus dieser Sicht hat die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verarbeitenden Gewerbes - über die beiden letzten Jahrzehnte betrachtet - sogar leicht zugenommen; der Wertschöpfungsanteil des Kombinierten Sektors ist von 35,6% im Jahre 1978 auf 36,4 % 1996 gewachsen (Abb. 4.1). Zwar hat nach 1986 auch der Kombinierte Sektor Anteile am gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsvolumen verloren. Sein Anteil an der Bruttowertschöpfung ging von 1986 bis 1996 ohne die Effekte des Vorleistungsverbundes um 5 Prozentpunkte zurück, einschließlich dieser Effekte jedoch nur um 2 Punkte. Die Konstruktion des Kombinierten Sektors liefert wichtige Antworten auf die Frage, wie der allgemein fortschreitende Rückgang der Industrie ökonomisch zu begründen und zu bewerten ist; zwei Tendenzen spielen eine Rolle: I.Out-Sourcing: Die seit Jahren im weltweiten Kosten-Wettbwerb stehende westdeutsche Industrie hat sich zunehmend auf ihr Kernge-schäft konzentriert und folgerichtig zahlreiche Tätigkeitsbereiche ausgelagert - vornehmlich an Dienstleister. 2. Produktkomplexität: Die Kundenwünsche haben sich radikal verändert. Mittlerweile verlangt der Markt kompakte Produkte, hergestellt vom Verarbeitenden Gewerbe und von Dienstleistungsbetrieben. Folge davon ist, daß der Service rund um das Produkt fast ebenso wichtig ist wie dessen technische und stoffliche Eigenschaften. Beide Entwicklungen zusammen bewirken vor allem eines: Das Geflecht zwischen sekundärem und tertiärem Sektor ist viel enger geworden. Industrie und Dienstleistung konkurrieren nicht miteinander, sondern ergänzen sich wechselseitig. Wer deshalb die tatsächliche Bedeutung der Industrie für die deutsche Volkswirtschaft ermitteln will, muß, dieser simplen Logik folgend, die vielschichtigen Verflechtungen des Verarbeitenden Gewerbes mit dem Tertiären Sektor berücksichtigen. Daraus folgt: Out-sourcing und zunehmende Produktkomplexität lassen eine trennscharfe Abgrenzung von sekundärem und tertiärem Sektor immer weniger zu. Die räumlichen Konsequenzen dieses Prozesses liegen auf der Hand. Standortvorteile ergeben sich nur noch teilweise aus der Summe verfügbarer materieller Ressourcen. Zunehmend wichtig werden immaterielle Kompetenzen, wie leistungsfähige Telematik- und Kooperationsnetze, Wissen und Kreativität. Standorte mit standardisierter Massenproduktion verlieren an Bedeutung gegenüber Regionen, die kundenspezifische Produkt-Service-Pakete anbieten. Das räumliche Kreativpotential umfaßt die \"hochwertigen unternehmensorientierten Dienstleistungen\", also Forschung und Entwicklung, Organisation und Management sowie Information und Kommunikation. Im Zuge dieser Entwicklung veraltet das Humankapital für die Produktion schneller, Ausbildungsstrategien und berufliche Prognosen verlieren an Wert. Außerdem geht der Proporz von Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum verloren. Es ist also unter allen diesen Gesichtspunkten nur bedingt richtig, den Strukturwandel am Standort Deutschland als Deindustrialisierung zu kennzeichnen, auch wenn der Dienstleistungssektor - gemessen an den Beschäftigtenanteilen - stark an Bedeutung gewonnen hat. 2 Globalisierung und \"Export\" von Arbeitsplätzen ? Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts begann für die Industrie eine Periode zunehmender Globalisierung. Der Markt, der für die Industrie und viele Dienstleistungen bedeutsam ist, umfaßt jetzt mehr und mehr die ganze Welt. Begünstigt und gefördert wird die Globalisierung der Märkte auf mehrfache Weise: - durch das Sinken der Kosten für den Transport von Gütern und Leistungen über weite Entfernungen; - durch kostensparende Techniken für die Kommunikation von Worten, Texten, Tabellen und Grafiken, kurz: von Informationen und Wissen; - durch die internationale Freizügigkeit des Finanz- und Investitionskapitals; - durch eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften und Steuern, die vom internationalen Wettbewerb von Staaten vorangetrieben, teilweise auch erzwungen wird (im Sinne von Porter 1993). Mithin sinken auf breiter Front die Transaktionskosten im weitesten Sinne. Dies läßt sich praktisch nicht mehr aufhalten. Es ist irreversibel. Die Unternehmen können an Standorten produzieren, die von politischen Grenzen völlig unabhängig sind; sie können von beliebigen Orten Vorleistungen beziehen, Produktionsstätten sind ähnlich mobil geworden wie Güter. Die Unternehmen werden internationaler, sie werden \"global player\". Die Produkte büßen ihre Nationalität ein: Statt \"Made in Germany\" heißt es z. B. \"Made by Mercedes Benz\". In der Standortwahl für die Produktion verliert die Rohstofforientierung an Gewicht. Wichtiger wird der Arbeitsmarkt, wobei es darauf ankommt, Standorte mit Lohnkosten zu finden, die durch die Arbeitsproduktivität gerechtfertigt sind. Von den Unternehmen gemieden werden Länder mit hohen Unternehmenssteuern, bürokratischer Regulierungsdichte und kostspieligen Umweltauflagen. Die Globalisierung geht einher mit der Renaissance des Wettbewerbskapitalis-mus, besonders in jenen Ländern, die früher die Zweite und Dritte Welt bildeten. Aufholprozesse an der Peripherie setzen die alten Industriekerne in Ostasien, Nordamerika und Westeuropa unter einen neuen Wettbewerbsdruck. In diesem Wettbewerb ist die Position Deutschlands gegenwärtig nicht sehr günstig. Das kommt bei einem Vergleich der deutschen Direktinvestitionen im Ausland und der ausländischen Investitionen in Deutschland klar zum Ausdruck. Die deutschen Direktinvestitionen im Ausland haben sich von 1985 bis 1994 auf 348 Mrd. DM weit mehr als verdoppelt. Die Globalisierung der deutschen Wirtschaft hat 1994 eine erhebliche Größenordnung erreicht: Über 7 000 Investoren betreiben 21000 Auslandsgesellschaften mit über 2,6 Mio. Beschäftigten. Allein die industriellen Auslandsgesellschaften hatten 1,8 Mio. Beschäftigte, das entspricht etwa einem Viertel der Industriebeschäftigten in Deutschland. Daran sind nicht zuletzt auch die Schlüsselbranchen (s. Kap. 4.3) beteiligt. Als herausragende Beispiele aus der Automobilindustrie können die Werke von BMW in Spartanburg (South Carolina), von Daimler-Benz in Tuscaloosa (Alabama) und VW in Shanghai und Changchun (Südostchina und Mandschurei) genannt werden. Allein in den mittel- und osteuropäischen Ländern (zu den mittel- und osteuropäischen MOE-Ländern zählen: Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn) sind etwa 250 000 Personen bei deutschen Auslandsgesellschaften beschäftigt. Die in diese und andere Niedriglohnländer ausgelagerten Produktionen könnten aufgrund der höheren Produktionskosten in der Regel nicht mehr in Deutschland durchgeführt werden. Produktionsprozesse werden dabei häufig unternehmensintern aufgespalten. Die Direktinvestitionen in Niedriglohnländer sind also keineswegs mit einer Abwanderung der deutschen Industrie verbunden; sie bieten eine Chance zur Erhöhung der Produktivität deutscher Unternehmen. Allerdings geht dies in aller Regel zu Lasten der Beschäftigung und damit erhöhter Arbeitslosigkeit. Besonders betroffen vom Druck des neuen globalen Wettbewerbs sind Industriearbeitskräfte, die nur einfache Qualifikationen besitzen, Fähigkeiten, die sich leicht erwerben lassen (vgl. Kap. 4.1.3). 3 Die deutsche Industrie in der internationalen Arbeitsteilung Deutschland ist ein rohstoffarmer, aber humankapitalreicher Produktionsstandort. Sein Wohlstand hängt von der Fähigkeit seiner Unternehmen ab, international wettbewerbsfähige Produkte herzustellen. Folgt man den neuesten Modellen der Außenhandelstheorie, dann ist der Wohlstand eines humankapitalreichen Landes davon abhängig, daß es sich auf technologisch hochwertige Güter spezialisiert. In Übersicht 4.1 ist eine Klassifizierung der Branchen des Verarbeitenden Gewerbes nach Wachstums- und Technologiesektoren vorgenommen: Die deutsche Industrie weist eine deutliche Spezialisierung auf die Bereiche der Mitteltechnologie auf (Abb. 4.2). Diese Spezialisierung der deutschen Industrie wird im wesentlichen von vier Schlüsselbranchen getragen (Anteile am Gesamtexport 1992): - der Automobilindustrie (19,3 %), - dem Maschinenbau (18,5%), - der Chemischen Industrie (13,6%), - der Elektroindustrie (12,8 %). (Die Beschäftigungsanteile sind ähnlich: Automobilindustrie 11,1%, Maschinenbau 13,8%, Chemische Industrie 8,1 %, Elektrotechnik 13,5%.) Mit diesem Spezialisierungsmuster unterscheidet sich Deutschland signifikant von Japan und den USA. Im Mitteltechnologiesektor allerdings verfügt Deutschland -gemessen an der \"Patent-Intensität\" -über hohe Innovationsintensität (Legler u.a. 1992). Allerdings bestehen große Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern: 1994 hatten fast 79 % aller in Ostdeutschland erzeugten Produkte einen geringen Technologiegehalt (Westdeutschland 53 %) (Tab. 4.2). Die Forschungsintensität im ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbe lag bei nur zwei Dritteln des westdeutschen Niveaus. Zwischen den Branchen bestehen große Unterschiede. Gerade in den forschungsintensiven Wirtschaftsbereichen - Fahrzeugbau, Chemische Industrie, Elektrotechnik - sind die Forschungsaufwendungen im Osten deutlich niedriger als im Westen. Einzige Ausnahme ist der Maschinenbau. Die Schlußfolgerung, die Unternehmen hätten keine besondere Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Marktchancen unternommen, erscheint jedoch voreilig, weil die Umsätze wegen der Transformationskrise in diesen Branchen sehr niedrig waren. In wichtigen Teilen der Hochtechnologie hat Deutschland - schon seit den 1970er Jahren - Weltmarktanteile verloren. Im besonders dynamischen Bereich der Mikroelektronik weist Deutschland erhebliche Schwächen auf. Vor allem bei EDV, Telekommunikation, Büromaschinen und Nachrichtentechnik haben sich für die deutsche Industrie Nachteile im internationalen Wettbewerb ergeben (Abb. 4.3). 4 Folgen der fortschreitenden europäischen Integration Durch die Errichtung des Binnenmarktes in der Europäischen Union ist es zum Abbau der Schranken des Güteraustausches gekommen. Die Unternehmen sind gezwungen, auf eine verschärfte Wettbewerbssituation zu reagieren, können aber auch zugleich die Vorteile größerer Standorträume und Märkte nützen. Die gleichzeitig begonnene allmähliche Überwindung der Abschottung Mittel- und Osteuropas hat darüber hinaus zu einer \"doppelten Öffnung\" der nationalen Wirtschaften geführt. Für die deutsche Industrie ergeben sich aus den \"Vier Freiheiten\", die im Binnenmarkt seit 1993 bestehen, erhebliche Vorteile. Aus dem Außenhandel zwischen den EG-Mitgliedsländern wurde durch die Einführung des freien Warenverkehrs ein Binnenhandel ohne Grenz- und Zollkontrollen (mit Ausnahme sog. \"Ausgleichsmaßnahmen\" insbesondere auf den Gebieten des Gesundheitsschutzes, des Veterinärbereiches, des Pflanzenschutzes, des Umweltschutzes und der öffentlichen Sicherheit). Neben dem freien Personenverkehr besteht seit dem Jahre 1993 ein freier Kapital- und Dienstleistungsverkehr. Der Wegfall der Devisenkontrolle ermöglicht einen ungehinderten Geld- und Kapitalfluß zwischen den Mitgliedsstaaten. Zugleich können Dienstleistungen - von der Unternehmensberatung über das Bank- und Versicherungswesen bis zu den Transportdiensten - allerdings noch mit einer Reihe von Einschränkungen -im Binnenmarkt frei in Anspruch genommen werden. Die Frage nach den wirtschaftsräumlichen Folgen des Binnenmarktes für die deutsche Industrie läßt sich gegenwärtig noch nicht zusammenfassend beantworten. Es liegt allerdings auf der Hand, daß die exportstarken Branchen mit hoher Konzentration auf den EU-Markt besondere Vorteile daraus ziehen können. Unternehmen dieser Branchen können ihren Marktanteil leichter ausweiten. Legt man die Klassifizierung der Branchen zugrunde, wie sie R. Döhrn (1989), für das Jahr 1987 vorgenommen hat, dann zeigt sich, daß von den Schlüsselindustrien besonders der Straßenfahrzeugbau und Teile des Maschinenbaus begünstigt sein dürften, die Elektrotechnische und die Chemische Industrie aber erst in zweiter Linie. Gerade auch für die mittelständisch geprägten Industriezweige sind mittelfristig Chancen zu erwarten, und zwar - durch den Wegfall der Handelsbarrieren wird für viele mittelständische Unternehmen der Handel mit den EG-Nachbarländern erstmals attraktiv: weniger Bürokratie, geringere Wartezeiten an den Grenzen, vereinfachte Verwaltungsverfahren erleichtern den Export und erhöhen neue Chancen, zusätzliche Märkte zu erschließen; - durch die erweiterte Nachfragesteigerung ergeben sich für flexible mittelständische Unternehmen zahlreiche Chancen, von dieser Marktexpansion zu profitieren und Marktnischen zu besetzen; - durch die Wahrscheinlichkeit, daß in einigen Großbetrieben die Strategie abnehmender Verarbeitungstiefe gewählt wird, werden größere Chancen für Zulieferbetriebe erwartet. Kurzfristig können in einer Übergangszeit für strukturschwache Regionen und schrumpfende Branchen Kostennachteile entstehen. Das Ausscheiden von \"Grenzanbietern\" und die notwendigen Umstrukturierungsprozesse verschlechtern möglicherweise zunächst die ökonomischen und sozialen Bedingungen in diesen Bereichen und verursachen hohe Anpassungskosten. Eine Schlüsselrolle für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie spielen die staatlichen Beihilfen bzw. Subventionen. Sie bedürfen der Gemeinschaftskontrolle, da sie möglicherweise den Wettbewerb verzerren, indem sie die Kostenstrukturen des Beihilfeempfängers (Unternehmen, Industriezweig) direkt zu dessen Gunsten verändern und beeinflussen. Damit könnte der Wettbewerb verfälscht und letzlich das Fundament des EU-Binnenmarktes ausgehöhlt werden. Zur Verhinderung dienen verstärkte Beihilfekontrollen. Vielfach besteht für die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Subvention - wie das Beispiel des VW-Werkes in Zwickau gezeigt hat - ein Ermessensspielraum. Nach Artikel 92/2, Buchst, c des EWG-Vertrages sind in der Bundesrepublik Beihilfen für die Wirtschaft erlaubt, soweit sie für die durch die Teilung Deutschlands benachteiligten Gebiete oder zum Ausgleich der durch die Teilung Deutschlands verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind. Auf makroökonomischer Ebene sind die Konsequenzen der Vollendung des Binnenmarktes als relativ positiv zu bewerten. Es erfolgt voraussichtlich ein Wohlstandsanstieg durch: - Produktionsverbilligung, - Beschäftigungsbelebung, - Preisstabilität, - Entlastung der Haushalte, - Stärkung auf dem Weltmarkt. Auf Unternehmensebene hingegen sind nur z.T. und differenziert nach Branchen Vorteile zu erwarten, da sich der Wettbewerb verschärft und in einigen Branchen und Regionen Anpassungsverluste entstehen können. Empirische Analysen der Auswirkungen seit 1993 liegen verständlicherweise noch nicht vor.


Die Folgen der deutschen Wiedervereinigung für die Industrie in Deutschland

1 Die Transformation in den neuen Bundesländern 40 Jahre Teilung des deutschen Wirtschaftsraumes haben auch in der Industrie in West und Ost völlig unterschiedliche Verhältnisse entstehen lassen. Während in der Bundesrepublik Deutschland Soziale Marktwirtschaft und Integration in den Weltmarkt die Rahmenbedingungen bestimmt haben, war die Branchen- und Standortstruktur der Industrie der DDR Ausdruck strukturpolitischer und standorttheoretischer Leitsätze sozialistischer Wirtschaftsdoktrin. Demnach mußte jede sozialistische Wirtschaft über eine eigene Schwerindustrie und metallurgische Basis sowie über einen hohen Selbstversorgungsgrad mit industriellen Endprodukten verfügen. Gleichsam sollte eine ausgewogene industrielle Standortstruktur räumlichen Disproportionen entgegenwirken (Kehrer 1980, S.106); dieses Ziel wurde aber nur ansatzweise erreicht. Die ostdeutsche Industrie war zudem durch ein Übergewicht an Großbetrieben (\"Kombinaten\") geprägt. Kleinere und mittlere Betriebe fielen anteilmäßig kaum ins Gewicht. In diesen im Wirtschaftssystem begründeten Vorgaben sind zum einen Teil die Ursachen der heutigen Standortprobleme in den neuen Bundesländern zu sehen: 1. Produktionsstätten der neu geschaffenen Grundstoffindustrien (Metallurgie, Energie, Chemie) wurden noch bis in die 1970er Jahre an teilweise suboptimalen Standorten (Stahlindustrie ohne Rohstoffbindung) ausgebaut bzw. neu angelegt. Die Regionen mit diesen künstlich geschaffenen Monostrukturen zählen heute zu denjenigen mit den größten Transformationsproblemen und den höchsten Arbeitslosenquoten (z.B. der Raum Leuna -Bitterfeld, Eisenhüttenstadt, Schwedt). 2.Um den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, erfolgte noch bis in die 1970er Jahre hinein der Ausbau technologisch wenig anspruchsvoller \"Leichtindustrien\" (Konfektionierung, Baumwollspinnereien, Schuhfabriken). Aus heutiger regionaler Sicht besonders problematisch ist die Tatsache, daß diese Leichtindustrien an den Standorten der Schwerindustrien mit ihrer überwiegend männlichen Beschäftigung angesiedelt wurden. Dadurch kumulierten nach der Wende regionale sozialökonomische Probleme. 3.In den 1980er Jahren erfolgte zwar der Ausbau von auch nach westlichen Maßstäben als wachstumsträchtig eingeschätzten Branchen, wie Elektrotechnik und Maschinenbau. Der Diversifikationsgrad auf der Produktebene erreichte jedoch nur einen Bruchteil desjenigen in den alten Bundesländern. Dabei spielten in erster Linie gesamtwirtschaftliche Ziele wie Importsubstitution und Deviseneinsparung eine Rolle (Halstrick-Schwenk 1990, S. 27). Die Einbindung der DDR-Wirtschaft und ganz besonders dieser Branchen in die internationale Arbeitsteilung war gering und konzentrierte sich auf die wirtschaftlich und technologisch zurückgebliebenen RGW-Länder. Die Öffnung der Grenzen und die Transformation zur Marktwirtschaft bedeutete für die bis dahin abgeschottete Industrie der neuen Bundesländer einen \"Wettbewerbsschock\" durch die Notwendigkeit schwieriger Anpassungsprozesse. Die Schaffung marktwirtschaftlicher und demokratischer Rahmenbedingungen, das \"Erlernen\" marktwirtschaftlicher Verhaltensweisen, die Umstrukturierung der Verwaltung sowie die Korrektur der durch die beschriebenen Spezialisierungsmuster geprägten Wirtschaft in Ostdeutschland benötigen geraume Zeit. Im Falle der deutschen Einigung kam verschärfend noch der Aufwertungsschock durch die Währungsumstellung hinzu; dadurch wurde die ohnehin unter Marktbedingungen nicht sehr hohe Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft zusätzlich erheblich geschwächt. Zudem ließen die lohnpolitischen Rahmenbedingungen eine Spezialisierung gemäß der spezifischen Standorteigenschaften beider Regionen -eines qualitativ hochwertigen Kapitalstocks in West- und reichlich vorhandener qualifizierter Arbeitskräfte in Ostdeutschland -nicht zu. Ungeachtet massiver Transfers aus Westdeutschland hat sich bisher ein selbsttragender dynamischer Wachstumsprozeß, der die wirtschaftliche Erholung in Ostdeutschland \"auf eigene Füße\" stellen würde, trotz unverkennbarer Fortschritte bisher noch nicht herausgebildet; nach wie vor ist die wirtschaftliche Entwicklung zu sehr abhängig von staatlicher Förderung. In der Produktivität bestehen zwischen den Unternehmen in den neuen Bundesländern gravierende Unterschiede. In einzelnen neuerrichteten Unternehmen, die über einen modernen Kapitalstock verfügen, liegt die Produktivität sogar über der vergleichbarer Betreiber in Westdeutschland. Beispiel dafür ist das Opel-Werk in Eisenach. Insgesamt aber liegen die Einkommen aus unselbständiger Arbeit immer noch deutlich höher als das Volkseinkommen, d.h. die Lohnquote beträgt mehr als 100%. Für die Chancen der Anpassung der ostdeutschen an die westdeutsche Produktivität schien 1991 -1993 die deutlich höhere Investitionsquote in den neuen Bundesländern, gemessen am BIP, aber auch pro Einwohner, zu spechen (Burda/ Funke 1993). Seit 1995 hat sich der Aufholprozeß deutlich verlangsamt. Diese Feststellung gilt insbesondere für Investitionen im Verarbeitenden Gewerbe (DIW, Wochenbericht 27/96). Eine der Hauptursachen dafür ist die Tatsache, daß in fast allen Gewerbezweigen die Lohnstückkosten in Ostdeutschland höher sind als in Westdeutschland (Tab. 4.4). Ausnahmen sind das Ernährungsgewerbe, die Steine- und Erdenindustrie und das Druckgewerbe. Hierbei handelt es sich um Branchen, in denen die Produktion auf lokale Märkte ausgerichtet ist und nach der Wende rasch anzog. In den Schlüsselindustrien -Chemieindustrie, Maschinenbau, Elektroindustrie und Straßenfahrzeugbau - überstiegen dagegen die Lohnstückkosten deutlich das westdeutsche Niveau. Gravierend war die aus diesen Gründen erforderliche Reduzierung der Beschäftigtenzahlen. Von den 2075858 im Januar 1991 in der Industrie in den neuen Bundesländern (einschließlich Bergbau) tätigen Personen waren 1995 nur noch 1 039111 beschäftigt; das sind etwa 50 % (Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit, Sondernummer v. 14.6.1996). Absolut gesehen sind die meisten Industriearbeitsplätze im Zeitraum von Juni 1991 bis Januar 1992 verlorengegangen. Sachsen mit fast 300 000, Thüringen mit knapp 180000 und Sachsen-Anhalt mit annähernd 140 000 Personen verzeichneten die höchsten Verluste. Wie in allen postsozialistischen Ländern kann man also auch in den neuen Bundesländern aus arbeitsmarktpolitischer Sicht von einer Transformationskrise sprechen. Gleichzeitig erfolgten aber auch Neuansiedlungen von Industriebetrieben, z.T. Standortverlagerungen aus den alten Bundesländern. Von 1990 - 1992 wurden 231 interregionale Industrieansiedlungen mit zusammen 36 500 Beschäftigten erfaßt (nach Pieper 1994). Bezieht man die Arbeitsmarkt-Effekte dieser Neuansiedlungen auf die industrielle Ausgangsbasis vor der Wende (über 2,0 Mio. Beschäftigte im Produzierenden Gewerbe), ergibt sich ein Wert, der kaum über einen Beschäftigtenanteil von 2 % hinausgeht. Diese Zahlen geben allerdings nur insofern die Realität wieder, als sie beschränkt sind auf neue interregionale Ansiedlungen und Übernahmen im Zuge der Privatisierung nicht berücksichtigen. Der regionale Effekt dieser interregionalen Industrieansiedlungen ist aber insgesamt gering. Nur drei Regionen weisen größere Beschäftigungsanteile neuer Industriebetriebe auf. An erster Stelle steht Thüringen mit 31 Ansiedlungsbetrieben und knapp 8 000 Beschäftigten, die ca. 3,5% der Beschäftigung von 1989 im Sekundären Sektor in diesem Gebiet ausmachen. Bei der Verteilung neuer Industrieansiedlungen ergibt sich insgesamt folgendes Bild: 1 .Der Schwerpunkt der Ansiedlungstätigkeit liegt eindeutig im traditionell industrialisierten und verdichteten Süden. 2. Es lassen sich vier Ansiedlungsachsen entlang großräumiger Verkehrslinien ausmachen: entlang der A4 von Eisenach bis Dresden, an der A14 von Leipzig bis Dresden, entlang der A2 von Magdeburg bis Berlin und im Verlauf der A24 zwischen der ehemaligen Grenze und Berlin. 3. Fast keine Ansiedlungen sind in den peripheren nördlichen und östlichen Regionen zu verzeichnen. Benachteiligte Regionen finden sich aber auch in der Nähe der alten Bundesländer, und zwar in erster Linie dort, wo Fernstraßenanschluß nicht gegeben ist (Altmark, Nordthüringen). 2 Folgen im vereinten Deutschland Die Frage nach den Auswirkungen der Wiedervereinigung auf die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands insgesamt muß von der grundsätzlichen ökonomischen Hypothese ausgehen, daß ein solcher Zusammenschluß im Prinzip auf längere Sicht für alle Teile erhebliche Wachstumsund Wohlstandsgewinne - und damit auch eine Verbesserung der Standortqualität -erwarten läßt; dies gilt, wie das Beispiel der Süderweiterung der EU zeigt, selbst zwischen Ländern mit deutlichen Unterschieden im Entwicklungsstand. Positive Effekte resultieren insbesondere aus dem Abbau von Handelsschranken und der Öffnung neuer Märkte, aus der Verbreiterung der Ressourcenbasis und dem Abbau möglicher Engpässe sowie aus der effizienteren Nutzung der Ressourcen infolge verstärkter Arbeitsteilung. Insgesamt eröffnete also die Wiedervereinigung die Chance für mehr Wachstum und für eine Verbesserung der Standortqualität in beiden Teilen Deutschlands. Allerdings müssen dazu erst die Folgen der Transformationskrise in den neuen Bundesländern überwunden werden. Bei der Frage nach den bisherigen Folgen der Wiedervereinigung auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Westdeutschland stehen zwei Aspekte im Vordergrund: - Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, - Auswirkungen auf den Umfang der Staatstätigkeit. Das Arbeitskräftepotential in den alten Bundesländern ist durch die Wiedervereinigung spürbar gestiegen. Die Zahl der Übersiedler nahm nach dem Fall der Mauer kräftig zu. 1989 und 1990 dürften insgesamt rd. 700000 Personen aus der ehemaligen DDR zugewandert sein; der größte Teil davon waren Erwerbspersonen. Nach der Umstellung des Aufnahmeverfahrens und dem Fortfall der Starthilfen ebbte der Zustrom dann deutlich ab. Gleichzeitig nahm die West-Ost-Wanderung zu, so daß sich der Saldo von Zuzügen aus und Fortzügen nach Ostdeutschland drastisch verin-gerte; 1992 betrug er nur noch rd. 88 000 Personen. Parallel dazu stieg die Zahl der Einpendler aus Ostdeutschland sprunghaft an. 1994 waren rd. 415000 Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Ostdeutschland in den alten Bundesländern beschäftigt; die Zahl der Pendler von West- nach Ostdeutschland betrug rd. 60000 (vgl. Kap. 2). Die Zuwanderung aus Ostdeutschland half, Engpässe beim Arbeitskräfteangebot in Westdeutschland abzubauen; insbesondere bei den Pendlern waren Facharbeiter überdurchschnittlich vertreten (Krakowski / Lau / Lux 1992, S. 62). Negativ dagegen wirkte sich die Wiedervereinigung auf den Standortfaktor Arbeitskosten aus. Nach relativ moderater Entwicklung im letzten Drittel der 1980er Jahre hat sich der Anstieg der Lohnstückkosten in Westdeutschland im Gefolge der Wiedervereinigung - auch relativ zu wichtigen Konkurrenzländern - deutlich verstärkt. Maßgeblichen Anteil daran hatten der durch die Nachfrage aus Ostdeutschland angeheizte Boom in den Jahren 1990/91 sowie die diversen Steuer- und Abgabenerhöhungen des Staates zur Finanzierung des wachsenden Transferbedarfs für Ostdeutschland; diese erhöhten teils unmittelbar die Lohnnebenkosten. Der Umfang der staatlichen Aktivität hat als Folge der Wiedervereinigung erheblich zugenommen. Die Staatsquote, gemessen als Relation von Staatsausgaben und Bruttoinlandsprodukt, lag 1993 bei 51 %; in den alten Ländern hatte sie 1989 nur knapp 46% betragen. Ausschlaggebend dafür waren die wachsenden Ausgaben für Ostdeutschland; die Transfers dorthin erreichten jährlich etwa 150 Mrd. DM. Da die Mehreinnahmen durch höhere Steuern und Abgaben zur Deckung des wachsenden Transferbedarfs für Ostdeutschland bei weitem nicht ausreichten, wurde gleichzeitig die öffentliche Verschuldung kräftig ausgeweitet. Zweifellos ist damit die wirtschaftliche und soziale Stabilität der Bundesrepublik Deutschland erheblich belastet worden. Die enorme Ausweitung der Staatstätigkeit engte den Spielraum für private Aktivitäten ein und beeinträchtigte die Investitionsneigung und Leistungsbereitschaft der Wirtschaft, nicht zuletzt auch des Verarbeitenden Gewerbes (Wohlers 1994/95). 3 Perspektiven für die Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern In den neuen Bundesländern hat sich bisher eine duale wirtschaftliche Entwicklung gezeigt. Positiv, mit beachtlichen Zuwächsen und z. T auch Zunahme der Beschäftigtenzahlen, haben sich insbesondere das Handwerk sowie einige konsumorientierte Dienstleistungen entwickelt. Im Industriebereich haben hingegen Wertschöpfung und Beschäftigung abgenommen. Doch auch innerhalb der Industrie ist eine differenzierte Entwicklung festzustellen. Relativ gut haben Industrien abgeschnitten, deren Absatz vergleichsweise stark auf lokale Märkte gerichtet ist. Produktionseinbrüche waren vor allem in den exportorientierten Industriebereichen zu verzeichnen. Die ostdeutsche Industrie leidet insbesondere darunter, daß sie auf den Exportmärkten nicht wettbewerbsfähig ist, worunter auch die Märkte in Westdeutschland fallen. Die Leistungsschwächen vieler Hersteller in Ostdeutschland spiegeln sich in der räumlichen Verteilung der Umsätze wider. Die neuen Bundesländer sind und bleiben vorerst auch der wichtigste Absatzmarkt für ostdeutsche Hersteller. Doch auf den lokalen und regionalen Märkten haben sie ihr Absatzpotential schon weitgehend ausgeschöpft. Neue Absatzchancen müssen vor allem auf überregionalen und internationalen Märkten gesucht werden. Und das gelingt offenbar nur wenigen. Nach einer Befragung des DIW vom Frühjahr 1995 wurde im Jahre 1994 knapp die Hälfte des Umsatzes in den neuen Bundesländern selbst erwirtschaftet, ein Fünftel sogar im Nahbereich von bis zu 30 km (Tab. 4.5). Vor allem auf Auslandsmärkten kommen die Hersteller aus Ostdeutschland bisher kaum zu nennenswerten Erfolgen. An der gesamten Ausfuhr deutscher Unternehmen in westliche Industrieländer sind sie im Jahr 1995 mit gerade 1 v. H. beteiligt, deutlich höher (9 v. H.) war nur ihr Anteil an der Ausfuhr in die mittel- und osteuropäischen Länder. Hierbei spielten freilich staatlich subventionierte oder verbürgte Lieferungen an die Länder der ehemaligen Sowjetunion eine große Rolle. Die Wirtschaftspolitik versucht, die Absatzschwächen vieler Produzenten in Ostdeutschland mit einer Fülle von Förderprogrammen zu beheben. Diese umfassen ganz unterschiedliche Maßnahmen wie Messeförderung, Einkäufertage, Marketingberatung, Qualitätsmanagement, ExportKreditversicherung, Sonderregelungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe und - last but not least - die Einkaufsoffensive Ost. In Einzelfällen können diese Maßnahmen sicherlich einiges bewirken. Dennoch fällt auf: Die Hersteller in Ostdeutschland bewerten die meisten dieser Maßnahmen recht zurückhaltend; im Vergleich zu solchen Maßnahmen, die ihnen finanziell weiterhelfen, bewerten sie diese sogar deutlich schlechter. Nach einer Erhebung des Instituts für Marktforschung (1995) erhält nur die Messeförderung ähnlich gute Noten wie etwa die Eigenkapitalhilfe oder die anderen Förderkredite. Der Einsatz dieser \"klassischen\" finanziellen Förderinstrumente ist jedoch umstritten. Seit 1991 wurden zahlreiche Förderprogramme der EU, des Bundes, der Länder und der Kommunen eingerichtet: - Einbeziehung in die Gemeinschaftsaufgabe \"Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur\"; - Sonderprogramm \"Problemregionen\" im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe; - Hilfen aus den europäischen Strukturfonds; - Beratungshilfe für die Erstellung regionaler Entwicklungskonzepte; - Hilfen für die Werften in den neuen Bundesländern; - verschiedene Programme für zinsgünstige Kredite und Investitionsbegünstigungen, die wichtigsten davon sind . Eigenkapitalhilfen, . ERP-Kredite, . Sonderabschreibungen; - Beschleunigung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen; - verschiedene Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit zur Umschulung, Fortbildung und Qualifizierung; - beschleunigte Verbesserung der Ver-keh rsi nf rast ruktur; - Telekommunikationsinfrastruktur. (Raumordnungsbericht 1991) Die Grundlinie der Wirtschaftspolitik ist es bisher, die Standortqualität in Ostdeutschland zu verbessern und innerhalb einer Übergangsfrist den Investoren einen Nachteilsausgleich zu gewähren. Investoren, die sich in Ostdeutschland engagieren, sollen hinsichtlich der Standortbedingungen mindestens ebenso gestellt werden wie Investoren im Westen. Umstritten ist in gerade die Frage des Erhalts \"Industrieller Kerne\". Die Diskussion darüber wird sehr kontrovers geführt. Kritiker befürchten, daß diese neue Politikstrategie lediglich bestehende, am Markt kaum überlebensfähige Strukturen konservieren würde, so daß sie langfristig von staatlichen Subventionen getragen werden müßten. Die Befürworter dagegen vertreten die Meinung, daß sich aus den \"Industriellen Kernen\" Kristallisationspunkte künftiger wirtschaftlicher Aktivitäten - auch im Bereich der unternehmensbezogenen Dienstleistungen - ergeben würden. Sie sehen darin eine dynamische Bestandspflege und -entwicklung. Einig ist man sich allerdings weitgehend darüber, daß eine sektorale und regionale Konzentration der Fördermittel notwendig ist. Es spricht viel dafür, die Fördermittel auf ganz bestimmte Regionen zu konzentrieren, nämlich auf die \"Wachstumsknoten\", also auf solche Gebiete, bei denen aufgrund vergleichsweise guter infrastruktureller Ausstattung und hoher Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten am ehesten zu erwarten ist, daß sie rasch Produktivitätsrückstände gegenüber Westdeutschland aufholen können. Das dürfte sich auch auf andere Regionen positiv auswirken. Das Ziel eines regionalen Ausgleichs, wie es die jetzige Förderpolitik favorisiert, sollte zunächst zurückgestellt werden. Die Exportschwäche der Industrie in Ostdeutschland läßt es im Prinzip sinnvoll erscheinen, die Förderung auf solche Unternehmen zu konzentrieren, die auf überregionalen Märkten operieren. Das sind neben den Unternehmen in vielen Zweigen des Verarbeitenden Gewerbes auch Unternehmen in einigen Zweigen des produktionsnahen Dienstleistungsgewerbes. Daher wird bei der Investitionsförderung für Ostdeutschland bei den Zuschüssen seit kurzem bereits ein sogenanntes Exportbasiskriterium angewandt. Nach diesem Kriterium kann ein Investor nur dann Zuschüsse erlangen, wenn in der zu fördernden Betriebsstätte überwiegend Tätigkeiten ausgeübt werden, von denen anzunehmen ist, daß sie \"der Art nach\" zu einem überregionalen Absatz führen. Dies gilt als erfüllt, wenn die betreffenden Tätigkeiten in einer sogenannten Positivliste aufgeführt sind, die das gesamte Verarbeitende Gewerbe, 13 Zweige des Dienstleistungsbereichs sowie 21 handwerkliche Tätigkeiten umfaßt. Als überregional gilt ein Absatzradius von mehr als 30 Kilometern. Ausdrücklich nicht förderbar, weil kein überregionaler Absatz vermutet wird, sind u.a. das Baugewerbe, der Einzelhandel (ohne Versandhandel), der Großhandel (soweit nicht Import-Export-Großhandel) sowie das Transport- und Lagergewerbe. Anders als bei den Zuschüssen wird bei den Eigenkapitalhilfen und den ERP-Darlehen ein Exportbasiskriterium nicht zur Voraussetzung einer Förderung gemacht. Daher haben von diesen Hilfen schwerpunktmäßig auch jene Wirtschaftsbereiche stark profitiert, die bei der Zuschußförderung weitgehend ausgeschlossen sind: Handwerk, Handel, Verkehr und andere Dienstleistungen (Tab. 4.6). Die Investitionsförderung in Ostdeutschland differenziert bislang kaum zwischen verschiedenen Standorten. Investitionszulagen, Sonderabschreibungen, eigen-kapitalähnliche Hilfen und ERP-Kredite werden überall an jedem Ort der neuen Bundesländer in gleicher Höhe gewährt. Bei der Förderung über Zuschüsse wird allerdings inzwischen eine räumliche Differenzierung vorgenommen, nachdem diese zunächst flächendeckend gewährt wurden. Die einzelnen Bundesländer, denen die Kompetenz zur räumlichen Differenzierung zusteht, sind mehr und mehr dazu übergegangen, die Zuschüsse auf Investitionen in ländlichen, abgelegenen Regionen zu konzentrieren; in hochentwickelten Regionen werden mittlerweile nur noch wenige Investitionen gefördert. Was auch immer der Wirtschaftspolitik im einzelnen einfallen mag, in einer Hinsicht, vielleicht sogar der wichtigsten, sind ihre Möglichkeiten eng begrenzt: Es steht nicht in ihrer Macht, Einfluß auf die Entwicklung der Lohnkosten zu nehmen, von der Entwicklung der Lohnzusatzkosten einmal abgesehen. Das Grundproblem der ostdeutschen Wirtschaft ist weiterhin das viel zu hohe Lohnniveau. Die Lohnstückkosten sind im Durchschnitt um rund ein Drittel höher als in der westdeutschen Wirtschaft, und alle Anstrengungen, sie nach unten zu drücken, erweisen sich bisher als nicht durchsetzbar. Neben generellen Maßnahmen der Wirtschaftspolitik haben nach und nach alle Länderregierungen Überlegungen zur Sicherung ihrer industriellen Basis angestellt, die über die klassische regionale Wirtschaftsförderung hinausgehen und Betriebe in Treuhandverwaltung miteinbeziehen. Das Land Sachsen nahm in bezug auf die konzeptionelle Ausgestaltung des \"Erhalts industrieller Kerne\" eine Pionierrolle ein (Nolte 1993). Im November 1992 nahm das \"ATLAS\"-Projekt (ausgesuchte Treuhandunternehmen, vom Land angemeldet zur Sanierung) offiziell seine Arbeit auf. Die Treuhand verpflichtete sich, unter bestimmten Voraussetzungen regional bedeutsame Unternehmen mit einem Unternehmenskonzept zu sanieren. Das Land erklärte sich im Gegenzug bereit, den betrieblichen Umstrukturierungsprozeß mit Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe \"Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur\" sowie Bürgschaften zu unterstützen. Ganz ähnlich arbeiten die Projekte \"ANKER\" und \"ANKER II\" in Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Kap. 4.4.7). Das Land Brandenburg setzte auf die Konzeption \"ZEUS\" (Zukunftsorientierte Entwicklung und Umstrukturierung der Standorte). Abgesehen von der frühen Beteiligung des Landes Thüringen an Carl Zeiss Jena und Mikroelektronik Erfurt, stellte die thüringische Landesregierung im Frühjahr 1993 als letztes ostdeutsches Bundesland ihre Konzeption \"Entwicklung industrieller Zentren\" zur Sicherung der industriellen Kerne vor (vgl. Kap. 4.4.8).

Die Entwicklung der Schlüsselbranchen

1. Die räumliche Verteilung im Überblick Die vier Schlüsselbranchen der deutschen Industrie zählen wegen ihres Umfangs, ihrer Bedeutung als Exportindustrien und ihrer vielfältigen Verflechtungsbeziehungen zu den tragenden Säulen der deutschen Volkswirtschaft. Sie sind zugleich auch ein Maßstab für die Standortverteilung wachstumsstarker Industriezweige in der Bundesrepublik Deutschland. Abbildung 4.4 zeigt die Anteile dieser vier Schlüsselindustrien an den Beschäftigtenzahlen aller Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes (mit mindestens 20 Mitarbeitern). Die Karte zeigt sehr deutlich beim Anteil der vier Schlüsselbranchen das zur Zeit bestehende Gefälle zwischen den alten und den neuen Bundesländern, aber auch - sieht man einmal von der besonderen Stellung Nordrhein-Westfalens ab - das vielbeschriebene Nord-Süd-Gefälle in den alten Bundesländern. 2 Die Automobilindustrie Bereits über viele Jahrzehnte hinweg ist die Automobilindustrie (Herstellung von Kraftwagen und -motoren, von Anhängern, Aufbauten und Containern sowie von Kraftfahrzeugteilen und -zubehör) eine der wichtigsten Schlüsselbranchen der deutschen Volkswirtschaft: Beim Bau eines Automobils werden die Leistungen fast aller Sektoren der Wirtschaft zusammengeführt. Die direkte Produktionsleistung der Automobilindustrie macht etwa 12% der gesamten Industrieproduktion Deutschlands aus. Die Auto mobilindustrie beeinflußt vorgelagerte Branchen, wie die Chemie, die Eisenschaffende Industrie, die Elektroindustrie, den Maschinenbau oder die Textilindustrie und nachgelagerte Sektoren, wie den Kraftfahrzeughandel, Servicebetriebe und Werkstätten, Tankstellen und andere Dienstleister (Kraftverkehrsbetriebe oder Taxiunternehmen). Die von Herstellung, Vertrieb und Nutzung des Automobils abhängige Bruttowertschöpfung belief sich 1995 auf nahezu ein Fünftel des Inlandsprodukts. Jeder sechste Arbeitsplatz in der Bundesrepublik hängt im weitesten Sinne von der Automobilindustrie ab. 1994 lebten in Deutschland rund 783 000 Menschen unmittelbar von der Automobilproduktion, Zulieferer haben etwa 240 000 Mitarbeiter. Hinzu kommen Reparaturleistungen und Service. Allein ein Sechstel aller Industrieinvestitionen der Jahre 1992 - 1995 entfielen auf die Automobilbranche davon in nicht unbeträchtlicher Höhe auf Investitionen in den neuen Bundesländern. Die zur Zeit zu beobachtenden Rationalisierungsbemühungen in der Automobilindustrie haben weitreichende Folgen für die Zahl der Beschäftigten, für die Zulieferer, aber auch für die regionalen Wirtschaftszusammenhänge an den Standorten der Automobilindustrie (Abb. 4.5). Die Gesamtumsätze der Branche sind zwar zwischen 1993 und 1994 von 223 Mrd. auf 240 Mrd. gestiegen, die Beschäftigtenzahl ist im gleichen Zeitraum um 47 000 gesunken (Mitteilungen des Verbands der Automobilindustrie e. V). Alle Prognosen über die weitere Entwicklung gehen davon aus, daß es auch künftig zu einem weiteren Beschäftigungsabbau in Deutschland kommen wird. Man rechnet in den nächsten Jahren allein in Westdeutschland mit einem Rückgang um 200 000 bis 300 000 Beschäf tigten (Hypobank, München, 1993, S. 8). Ein Beispiel dafür ist die internationale Standortplanung von Mercedes Benz. Die Pkw-Sparte setzt nicht mehr ausschließlich auf \"Made in Germany\", sondern auf einen weltweiten Produktionsverbund. Im Jahre 1996 fiel die Entscheidung für eine neue Autofabrik in der zentralbrasilianischen Stadt Juiz de Fora (Bundesstaat Minas Gerais), wo von 1999 an zunächst 70 000 \"Baby-Benz\" der A-Klasse montiert werden. Die älteste Autofabrik der Welt investiert allein dort 600 Mio. DM und schafft 1 500 Stellen. Im spanischen Vitoria nahe Bilbao wird bereits die Großraumlimousine V-Klasse hergestellt - dies ist ein wichtiger Standort neben Tuscaloosa, wo Fahrzeuge nicht nur für den heimischen Markt gefertigt werden. Die neue E-Klasse wird in Ägypten montiert oder auch in Vietnam. Im indischen Poona wird die alte E-Klasse zusammen mit einem Partner gebaut. Die Rationalisierungen sind begründet durch die Globalisierung, d. h. die Nutzung komparativer Kostenvorteile, verstärkter internationaler Kampf um Marktanteile bei weltweiten Überkapazitäten. Es handelt sich also beim Beschäftigungsabbau in Deutschland um strukturelle Umbrüche und nicht um eine konjunkturelle Krise. Die Branche ist daher zu strukturellen Änderungen gezwungen. Diese bestehen u. a. in - Kostensenkungen, - Verringerung der Fertigungstiefe, - Verringerung der Zahl der Direktzulieferer, - verstärktem weltweiten Einkauf (\"global sourcing\"), - strategischen Allianzen mit Konkurrenten, - höheren Qualitätsanforderungen, - Änderung der Logistikkonzepte, - Verlagerung von Entwicklungsarbeiten auf die spezialisierten Zulieferer, - neuer Arbeitsorganisation, z. B. Einführung von Gruppenarbeit, Nutzung des Produzentenwissens als Produktivkraft. Diese grundlegenden Veränderungen werden auch als \"Zweite Revolution der Automobilindustrie\" bezeichnet (Womack u.a. 1991, s.a. Schumann u.a. 1994, S. 347). Ihre wirtschaftsräumlichen Folgen sind in Deutschland außerordentlich stark: Die neuen, relativ kleinen Montagewerke, meist in kleineren Städten, weisen nur wenige Fertigungsfunktionen auf. Sie benötigen auch aufgrund neuer Lager- und Logistikkonzepte weniger Fläche je Arbeitsplatz, jedoch Flächen für werksnahe Zulieferer. Durch die neuen, modernen Werke von Volkswagen in Mosel bei Zwickau (vgl. Kap. 13.3.1), Opel in Eisenach und Mercedes-Benz in Rastatt gehen vor allem in großen und alten Werken in und am Rand der Agglomerationsräume Arbeitsplätze und Funktionen verloren. Die Investitionen verschieben sich also aus Gründen der Produktionsorganisation zu den neuen Standorten. (Gaebe 1993, S. 497) Auch wenn die traditionellen Standorte nicht aufgegeben werden, haben sie doch Funktions- und Kompetenzverluste hinnehmen müssen. Immerhin bestehen in Deutschland mit den alten Stammwerken der Automobilproduktion noch \"Dinosaurier\" dieser Branche: Im Volks wagen werk Wolfsburg sind mehr als 55000 Menschen tätig, im Kölner Ford-Werk, im Rüsselsheimer Opel-Werk und im Sindelfinger Mercedes-Benz-Werk jeweils mehr als 25000. Insgesamt ist die deutsche Automobilindustrie in den 1990er Jahren durch zwei miteinander verknüpfte Strategien gekennzeichnet: Europäisierung, teilweise auch Globalisierung der Produktionsstandorte bei gleichzeitiger Flexibilisierung der Fertigungsorganisation (Schamp 1995, S. 101 ff.). Abbildung 4.6 faßt diese Tendenzen zusammen. 3 Der Maschinenbau Der deutsche Maschinenbau setzt sich aus rund 5 500 Unternehmen zusammen, die eine sehr heterogene Palette von über 17000 Produkten anbieten. Mittelständische Unternehmen prägen die Branche, die im Jahre 1993 einen Gesamtumsatz von 91,2 Mrd. DM erzielte (Mitteilung des VDMA, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.). Die durchschnittliche Beschäftigungszahl der Unternehmen liegt bei 200 Mitarbeitern. Mit seinem Anteil von 20% am Weltexport zählt der westdeutsche Maschinenbau zu den weltweit größten Anbietern von Maschinenbaugütern. Dieser Anteil schwankt allerdings unter den 29 Fachzweigen dieser Branche. Man kann diese sehr verschiedenartigen Fachzweige nach ihrem Standardisierungspotential in drei Geschäftsbereiche zusammenfassen (Vieweg/ Hilpert 1993): - das Volumengeschäft, das die Serienfertigung von Maschinen umfaßt, - das Engineering-Geschäft mit einer kundenorientierten Fertigung, - das Technik-Geschäft, das durch die kundenorientierte Herstellung ganzer Produktionsanlagen gekennzeichnet ist. Im Volumengeschäft (u.a. im Werkzeugmaschinenbau und in Büro- und Informationstechnik) ist die japanische Konkurrenz führend. Die deutschen Unternehmen der Branche sind dagegen mehr auf das Engineering- und das Technik-Geschäft ausgerichtet und haben dort z. T die weltweite Marktführerschaft. Dies ergibt sich u.a. aus der Position Deutschlands als Hochlohnland. Bei Standarderzeugnissen kann der Kunde die Preise vergleichen. Spezial-maschinen hingegen, die komplizierte Problemlösungen bieten, beurteilt der Kunde nach anderen Kriterien. Zwar spielt dabei auch der Preis eine Rolle, aber die Technologie und die Qualität sind die entscheidenden Kriterien. Daher hat sich der deutsche Maschinenbau in solchen MarktSegmenten entwickeln können, in denen der Kostendruck geringer ist (Abb. 4.7). Damit war ein immenser Beschäftigtenrückgang verbunden: die Beschäftigtenzahl im westdeutschen Maschinenbau ist von 1990 bis 1994 von 1157000 auf 970 000 gefallen. Das ist eine dramatische Entwicklung, die im Gegensatz zum Fahrzeugbau mit einem deutlichen Umsatzrückgang verbunden war. In Ostdeutschland sind im Maschinenbau 1993 noch 106000 Personen beschäftigt. Die Produktion ist dort erheblich reduziert worden, hat sich aber Mitte der 1990er Jahre auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Das Produktionsniveau beträgt allerdings nur noch ein Viertel bis ein Fünftel des Ausgangsniveaus von 1990. Der ostdeutsche Maschinenbau stellt in der Produktion noch 4 % vom gesamtdeutschen Umsatz. Allerdings hat die überwiegend auf Werkzeugmaschinen spezialisierte Branche in den neuen Bundesländern erhebliche Wettbewerbsnachteile. Die Hauptgründe dafür sind (Fleischer 1991) - mangelhafte Ausstattung mit elektronischer Steuerungs- und Informationstechnik, - hohe Herstellungskosten, - fehlendes Angebot einer weltmarktgerechten Palette von Serviceleistungen. Es gibt heute aber noch eine weitere Tendenz im deutschen Maschinenbau: weg von der \"stand alone\"-Maschine hin zum Maschinensystem. Dies bedeutet auch, daß der Kunde immer mehr Dienstleistungen benötigt: Beratung, Schulung, SpezialSoftware usw. Mittlerweile erwirtschaftet der Maschinenbau ungefähr 15 % seines Umsatzes mit solchen produktbegleitenden Dienstleistungen. 4 Die Chemische Industrie Mit 570000 Beschäftigten (1994) gehört die Chemische Industrie zu den großen Industriebranchen in Deutschland. Mit 170 Mrd. DM (1993) liegt die deutsche Chemische Industrie gemessen am Umsatz im Weltvergleich an dritter Stelle (Abb 4.8). Gegenüber 1980 hat sie damit ihre Position und den Anteil verbessern können. 1991 war für die Chemische Industrie in Deutschland ein Rekordjahr, sowohl bei den Brutto-anlageinvestitionen (13,2 Mrd. DM) als auch bei der Beschäftigtenzahl (593 800). Allein im Jahre 1991 investierten Chemieunternehmen der alten Bundesländer 1 Mrd. DM in ostdeutsche Betriebe. Bis 1996 sind 14,6 Mrd. DM in die Chemische Industrie der neuen Bundesländer investiert worden (Angaben des Verbandes der Chemischen Industrie Ost), hinzu kommen 5 Mrd. DM für den Neubau der Raffinerie bei Leuna. Seitdem ist bei Investitionen wie bei der Beschäftigung ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Die Chemieinvestitionen in Deutschland gingen bis auf 8,7 Mrd. DM im Jahre 1994 zurück. Diesem Verlaufsmuster folgte die Beschäftigung. Von 1991 bis 1995 sind rd. 85 000 Chemie-Arbeitsplätze verloren gegangen. Ein großes Problem der Chemischen Industrie stellt der Umweltschutz dar. Seit Beginn der 1980er Jahre haben die Investitionen für den Umweltschutz ständig zugenommen. Ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen stieg auf ca. 15 %. Die Probleme zwischen Chemie und Umwelt umfassen folgende Teilprobleme: - interne wie externe Betriebssicherheit, - Dioxine und Furane, - die gesamte Chlorchemie, - Kunststoffe und polymere Verbundwerkstoffe und ihre Verwendung und Verwertung, - Biotechnologie und Gentechnik, insbesondere die genetischen Veränderungen des Erbgutes von Pflanzen und Tieren. Die generelle Erkenntnis, daß die Konkurrenzfähigkeit einer hochentwickelten Industrie auch von ihrer Innovationskraft abhängig ist, gilt in besonderem Maße für die Chemische Industrie. Wichtige Schlüsseltechnologien der Gegenwart und der Zukunft, die Mikroelektronik, die Lasertechnik, die Mikrosystemtechnik, die Supraleitertechnik und die Bio- oder Gentechnologie, hängen entweder von Werkstoff- oder sonstigen Chemikalienlieferungen ab oder sind überhaupt bei der Chemischen Industrie angesiedelt. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sind in der Chemischen Industrie besonders groß. Die F- und E-Ausgaben allein der deutschen Großunternehmen haben sich seit 1980 mehr als verdoppelt. Bemerkenswerterweise ist dabei der Auslandsanteil deutlich gestiegen (Abb. 4.10). Ein Teil der Ursachen dafür liegt in der mangelnden Akzeptanz der Chemie in Deutschland. In den letzten 10 bis 15 Jahren hat der Anteil der Mittel für die sogenannte Defensivforschung von Jahr zu Jahr stark zugenommen. Darunter versteht man Aufwendungen in der Forschung, um die ständig wachsenden Vorschriften und staatlichen Einschränkungen und Bedingungen zu erfüllen. In der deutschen Chemischen Industrie hat sich eine beträchtliche Verschiebung der Produktionsstruktur ergeben. Wir registrieren einen anteilsmäßigen Rückgang bei Grundstoffen und Basischemikalien sowie einen Zuwachs bei pharmazeutischen Produkten und Körperpflegemitteln, also in den konsumnahen Bereichen. Rückgänge gibt es des weiteren bei Chemieprodukten für Landwirtschaft und Verpackung, Zuwächse bei Chemieprodukten für die KFZ-Industrie, das Gesundheitswesen und den Konsum. Die Chemische Industrie erlebt die Globalisierung besonders deutlich. Neue Wettbewerber sind erstarkt, in Südostasien, im Pazifikraum und neuerdings auch in Osteuropa und vor allem in den Ölförderländern (Saudi-Arabien, Mexiko). Sie bieten Produkte zu Preisen an, die bei den deutschen Unternehmen nicht einmal die Herstellungskosten decken können. Das gilt besonders bei den Basischemikalien. Hinzu kommt eine Abwanderung von wichtigen Abnehmerbranchen, wie z. B. der Textilindustrie, die sich zunehmend in Osteuropa niederläßt und dann als Abnehmer für Chemiefaserprodukte entfällt. Es ist daher kein Zufall, daß gerade im Chemiefaserbereich starke Produktionsrückgänge zu verzeichnen sind. Andere wichtige Abnehmerbranchen, wie Fahrzeugbau, Elektronik und Maschinenbau, sind in einer tiefgreifenden Strukturkrise, manche Produktion wird verlagert. Auch das trifft die Absatzchancen der deutschen Chemischen Industrie gravierend. Im Hochtechnologiebereich gibt es einen beschleunigten Innovationswettbewerb, vor allem mit den USA und Japan, aber auch mit Frankreich und Großbritannien. In diesem Innovationswettbewerb, der sich weltweit beschleunigt, hat die deutsche Chemie Schwächen. Das betrifft sowohl einige Bereiche innerhalb der Chemie, wie bespielsweise die Bio- und Gentechnik, als auch Bereiche in wichtigen Abnehmerbranchen, wie etwa in der Elektronik oder in der Automobilindustrie, neuerdings auch im Maschinenbau. Zu beobachten ist eine Vielzahl von Produktionsstillegungen für nicht mehr unter wettbewerbsfähigen Bedingungen herstellbare Produkte. Dies ist in erster Linie die Basischemie, die zunehmend aus Billiglohnländern importiert wird. Aus diesem Grunde sind allein bei den drei größten Chemieunternehmen in den fünf Quartalen zwischen Januar 1992 und März 1993 15 Betriebsstillegungen mit einem Verlust von über 1 000 Arbeitsplätzen erfolgt. Derzeit wird geschätzt, daß in den Großunternehmen etwa ein bis zwei Betriebe pro Monat stillgelegt werden. Diese Prozesse erfolgen derzeit wesentlich schneller, als der Neuaufbau von Produktionskapazitäten im Hochtechnologiebereich. Ein besonderes Problem stellt die Chemische Industrie der neuen Ländern dar. Veraltete, energieintensive und umweltbelastende Produktionsstätten, die ineffiziente Nutzung einheimischer Braunkohle als Rohstoffbasis sowie ein, gemessen an der Produktivität, zu hoher Personalbestand verursachen Kosten, denen keine vergleichbaren Einnahmen gegenüberstehen. Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, hat die Chemieindustrie der neuen Länder daher unter anderem folgende Aufgaben zu lösen: - die Durchführung einer Sortimentsbereinigung mit Anpassung der Qualität an internationale Standards, - die Verbesserung der Rohstoff- und Energienutzung, - Sicherung und Entsorgung der angesammelten Altlasten, - Schaffung eines leistungsfähigen Vertriebssystems und eines mit guten Marktkenntnissen ausgestatteten Managements, - eine massive Erneuerung der Produktionsanlagen, - eine erhebliche Verringerung der Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung durch Maschinen und Anlagen, - die Steigerung und Qualitätssicherung von Forschungsanstrengungen, - Wiederbelebung der Ostexporte und Erschließung von Märkten im Westen. 1989 waren in der DDR 180000 Personen in der Chemischen Industrie beschäftigt, 1996 waren es in den neuen Bundesländern noch knapp 32 000 (FAZ v. 30.1.1997, S. 20). Am Beispiel der Großchemie in Sachsen-Anhalt zeigt sich, daß dabei eine Gratwanderung zwischen betriebswirtschaftlicher Rentabilität und volkswirtschaftlich wünschenswerten Zielsetzungen stattfinden muß. Während auf der einen Seite die Großunternehmen in Leuna, Buna, Bitterfeld und Wolfen betriebswirtschaftlich nicht als überlebensfähig angesehen werden, gelten sie doch als \"Industrielle Kerne\", so daß wirtschaftspolitische Überlegungen für den Erhalt dieser Standorte sprechen: Ein Verlust der Chemiestandorte würde nicht nur die Arbeitslosigkeit in den betroffenen Regionen hochschnellen lassen, sondern den wirtschaftlichen Aufschwung auf Dauer bremsen, weil Fachpersonal und leistungsfähige Arbeitskräfte abwandern sowie Klein-und Mittelbetriebe ihre Zulieferrolle einbüßen. Zudem würden Standortvorteile, wie die hohe Akzeptanz der Bevölkerung für die Chemieindustrie, aufgegeben. 5 Die Elektroindustrie Die Elektroindustrie gehört mit einem Umsatz von 221,8 Mrd. DM und einer Beschäftigtenzahl von 949 000 (1994) zu den \"großen\" Branchen der deutschen Industrie. Die Produktionspalette ist auch hier groß und vielseitig. Hergestellt werden sowohl elektrotechnische Investitionsgüter (Antriebstechnik, Energietechnik, Fahrzeugelektrik, Kommunikationstechnik, Datentechnik, Medizintechnik) als auch Gebrauchsgüter (Elektrohausgeräte, Beleuchtungstechnik, Unterhaltungselektronik, Bauelemente). Dieses breitgefächerte Produktionsspektrum, das in sehr unterschiedlichen Produktionsprozessen - von der einfachen Handarbeit bis zur vollautomatischen Fertigung - hergestellt wird, haben die Betriebsstruktur der Branche geprägt. Neben sehr großen Unternehmen steht eine Vielzahl mittlerer und kleinerer Firmen, die häufig eine starke Spezialisierung aufweisen. Für große und komplexe Anlagen, z. B. in der Energie- und Nachrichtentechnik, sind Großbetriebe erforderlich. Teilweise gilt dies auch für Erzeugnisse, die in großen Serien hergestellt werden, z. B. Haushaltsgeräte. Die Elektroindustrie gehört daher zu den stark konzentrierten Industriezweigen. Auf die zehn größten Unternehmen der Branche entfallen gegenwärtig rund zwei Fünftel der Umsätze und knapp die Hälfte der Beschäftigten. Die DDR war im Rahmen des RGW auf die Poduktion elektrotechnischer Güter spezialisiert. Die Produktionspalette war vorwiegend am Bedarf der Sowjetunion orientiert. Die Branche war daher für die DDR-Wirtschaft von großer Bedeutung, die Beschäftigtenzahl auch zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung mit 459 000 sehr hoch. Die Elektroindustrie ist sowohl auf der Beschaffungs- wie auf der Absatzseite stark mit anderen Wirtschaftszweigen verflochten. Die großen Lieferanten im Verarbeitenden Gewerbe sind die Kunststoffverarbeitung (10,8%) und die Nichteisen-Metaller-zeugung (10,4%). Die beiden letztgenannten Industrien sowie die Eisen- und Stahlerzeugung liefern vor allem Rohstoffe und Halbzeug, während Vor- und Zwischenerzeugnisse, also Zulieferungen im eigentlichen Sinn, aus verschiedenen anderen Bereichen kommen (Kunststoffverarbeitung, EBM Industrie, Maschinenbau, Papier- und Glasindustrie etc.) Der wichtigste Liefersektor der deutschen Elektroindustrie ist der Dienstleistungsbereich (1988: 47,9%), in dem als wichtigste Einzelbereiche der Handel und der Verkehr (einschließlich Nachrichtenverkehr) dominieren. Mit rund 50% (1995) ist die Exportquote hoch. Die deutsche Elektroindustrie hat in den letzten Jahren ihre Exporte erheblich steigern können. Seit Beginn der 1990er Jahre haben sich vor allem die Exporte nach Mittel- und Osteuropa verstärkt. Ganz ähnliches gilt auch für die Einfuhren, die allein 1995 gegenüber 1994 um 40% gesteigert wurden. Es handelt sich dabei in erster Linie um Eigenimporte von Vorerzeugnissen deutscher Auslandsunternehmen. Allerdings bestehen zwischen den Teilbranchen deutlich unterschiedliche Tendenzen. Beispielsweise ist der Auslandsumsatz der Kommunikationstechnik und der Antriebstechnik stark angestiegen, bei den Gebrauchsgütern - vor allem in der Unterhaltungselektronik -sind hingegen erhebliche Einbußen zu verzeichnen (Mitteilungen des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V.). Die Beschäftigtenentwicklung folgt zwar diesen unterschiedlichen Tendenzen, allerdings sind fast in allen Teilbranchen Beschäftigungsrückgänge zu verzeichnen. 1995 waren noch 910 000 Personen in der Elektroindustrie beschäftigt, allerdings mit deutlich rückläufigem Trend: 1994 waren es noch 943 000. Betrachtet man die neuen Bundesländer gesondert, ist dort aus bereits dargelegten generellen Gründen der Rückgang der Beschäftigtenzahl besonders stark. 1992 erreichte sie nur noch 82 000, davon rund 50000 in von westdeutschen übernommenen Unternehmen (Berger 1993, S.42ff.). Insgesamt hat sich die Konkurrenzsituation der deutschen Elektroindustrie im westeuropäischen Raum verschlechtert (Abb. 4.11). Für die Standortwahl der elektrotechnischen Industrie ist vor allem das Vorhandensein qualifizierter Arbeitskräfte wichtig. Daher hat die Branche immer schon großstädtische Ballungsräume bevorzugt, zumal dort auch die Verbindung zu den Universitäten und andere Fühlungsvorteile gegeben sind. Folgende Schwerpunkte in der Standortwahl haben sich in Deutschland im Laufe dieses Jahrhunderts herausgebildet: Berlin, München, Nürnberg - Fürth - Erlangen, Stuttgart, das Ruhrgebiet, Frankfurt am Main, Hannover, Hamburg, Mannheim und Köln. Die Verteilung der Beschäftigtenzahlen zeigt eine starke Konzentration auf nur drei Bundesländer: Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.







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