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In der Oberlausitz

In der Oberlausitz

Oberlausitz - das ist der nordöstliche Teil Sachsens, das Gebiet zwischen der Königs-brücker Heide im Westen und der Neiße im Osten, dem Lausitzer Ursprungtal mit der Muskauer Heide im Norden und dem Lausilzer Bergland mit dem anschließenden Zittauer Gebirge im Süden. Hügel, Heide, Wald und Teiche prägen die Landschaft im Westen, Granitkuppen, lange Bcrgrük-ken und breite Täler den Süden, Sandsteinfelsen mit ihren oft bizarren Formen den Südosten. Nur im Nordosten läßt sich das Gruseln lernen, beginnt doch am Rande der Niederlausitz das rücksichtslos ausgebeutete Braunkohlengebiet. Insgesamt aber ist es eine reizlle Landschaft, und so kann man auch heute noch durchaus verstehen, daß die Oberlausitzer Ende des 19. Jahrhunderts in ihrer typischen Mundart sich selbst und ihre Heimat allen Besuchern empfahlen:

"Sahn muß mrsch, sinst'n weeß mrsch ne,
Wie's ei d'r Lausitz is,
Und war'sch ne g'sahn, dar thull mr leed,
Dos is ak mol gewiß.
Ehr könnt oich imsahn, wu d'r wullt,
D'r Kroiz und Quarc ginn,
Kommt ak mol hen, d'r werd's schu sahn.
Dort is es wunderschin.
Doa machen's im de Säcksche Schweiz
Wull anne grüße Sach;
Nu ju! 's is wuhr, war dortn is,



Soit immer O! und Ach!
Do sahtt irscht unse Bärge va,
Wos doa fer Karle sin!
Kommt ak mol hen: doa werd'r soin:
's is nirgends ne su schin.
Schirgswale, Kirsche, Czernebog
Und woas su no droan rum,
Dar Kottmar und dar Spitzbarg no,
Oach Hernhut is ne dumm.
Dar Huchwald und de Lausche irscht!
Und goar no dar Oybin!
Doa bleibt cen' vur Bewunderung
Dar Mund weit off n stihn.

Wer die Oberlausitz näher kennenlernen will, muß sich auch mit ihrer Geschichte näher beschäftigen; denn politisch nahm sie einmal eine Sonderstellung ein, war eigentlich gar nicht sächsisch, sondern böhmisch. Die eigentliche Mark Lausitz, das Gebiet um das heutige Cottbus zwischen Sorau, Fläming und Bober, hatte im hohen Mittelalter den Wettinern gehört, war 1304 an die Mark Brandenburg gelangt und mit dieser zusammen an den deutschen Kaiser und böhmischen König Karl IV. gekommen. Der auf seine Hausmachl bedachte König hatte dann schrittweise auch das Gebiet südlich bis zur böhmischen Grenze erworben. Während die alte Mark fortan Niederlausitz genannt wurde, erhielten die neuen Gebiete den Namen Oberlausitz. Sie blieben fast drei Jahrhunderte lang bei der böhmischen Krone, gelangten 1526 zusammen mit den böhmischen Ländern an das Haus Habsburg und wurden schließlich 1620 und endgültig im Westfälischen Frieden 1648 an Sachsen abgetreten. Der Ostteil der Oberlausilz kam dann 1815 an die preußische Provinz Schlesien, dan wiederum wurde das Gebiet östlich der Neiße 1945 n Polen besetzt, der verbliebene Rest kehrte zum Bezirk Dresden zurück und gehört somit heute wieder zu Sachsen.
Die Beziehungen zu Böhmen waren stets eng gewesen. Noch heute erinnert der böhmische Löwe in den Wappen n Löbau, Zittau, Kamenz und Görlitz an diese Zeit, und der Blick auf die Landkarte beweist, daß die natürliche Grenze zwischen Böhmen und Oberlausitz eigentlich am Südrand des nordböhmischen Niederlandcs oder "Schluckenauer Zipfels, wie man ihn auch nannte, entlangläuft.
Eine auch heute noch augenfällige Klammer zwischen den Gebieten diesseits und jenseits der Grenze bildet das alte Oberlausitzer Umgebinde haus. Der merkwürdige Name, eine Wortschöpfung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, will die Holzkonstruktion erklären, die als Stützgerüst einen Teil des Erdgeschosses umgibt, um dieses n der Last des Obergeschosses oder des Daches zu befreien. Über Herkunft und Entstehungszeit dieser Umgebindehäuser sind gewichtige wissenschaftliche Abhandlungen geschrieben worden, die aber letztlich doch eine ganz klare Aussage schuldig bleiben. So sollten wir uns auch weniger mit der Theorie als mit der Praxis beschäftigen, daß heißt den Anblick dieser Häuser genießen. Es sind einfache Bauernhäuser darunter, große Höfe und r allem im Kreis Zittau auch stattliche Bürgerhäuser, die m Wohlstand ihrer Erbauer zeugen.

Im Kreis Zittau beginnen wir auch unsere Rundfahrt, also heute im östlichsten Zipfel Deutschlands im Drei ländereck zwischen Deutschland, der Tschechoslowakei und Polen. Die Grenze zu Böhmen ist dabei ja alt, Polen hat sich erst nach 1945 bis an die Neiße und damit auch fast r die Tore Zittaus herangeschoben. Die böhmischen Prcmysliden-Könige hatten die Stadt im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts an der wichtigen Handelsstraße nach Böhmen anlegen und befestigen lassen. Sie gewann rasch an Ansehen und schloß sich 1346 mit den Städten Bautzen, Löbau, Kamenz, Görlitz und Lauban im sogenannten Oberlausitzer Sechsstädtebund zusammen. Das anfangs ziemlich unbedeutende Bündnis erlangte zunehmend an Bedeutung und wurde zu einem Machtfaktor im Osten des Reiches. Was allerdings nicht heißen soll, daß sich die Städte nicht gelegentlich untereinander bekriegten. Zur letzten derartigen Auseinandersetzung kam es noch 1491 im sogenannten Bierkrieg zwischen Zittau und Görlitz, bei dem die Ziltauer gegen Görlitz zogen, nur weil dieses eine Fuhre Zittaucr Bier zerstört hatte. Solche kindischen Schildbürgereien bildeten allerdings die Ausnahme. Im allgemeinen sorgten die Städte für Ordnung und Sicherheit und bildeten ein politisches Gegengewicht gegen die Macht des Adels. Schweren Belastungen sahen sie sich während der Hussitenkriege ausgesetzt. Die Ober-lausitzer versuchten tapfer den Angriff der hussiti-schen Scharen aus Böhmen r allem in den Jahren zwischen 1427 und 1431 abzuwehren, und es ist gerade dem Sechsstädlebund zu danken, daß sich die Verwüstungen in Grenzen hielten. Die schwersten Schäden erlitt Zittau erst 1557, als wahrend des Siebenjährigen Krieges österreichische Truppen die Stadt angriffen und innerhalb n sechs Stunden zerstörten. Anfangs des 19. Jahrhunderts waren die Schäden allmählich wieder behoben, und 1840 wurde mit dem Neubau des heutigen Rathauses nach Plänen n Carl Friedrich Schinkel und dessen Schüler Carl August Schramm begonnen.

Tuchmacherei und Leinenweberei brachten Zittau seit dem 14. Jahrhundert zunehmenden Wohlstand, und wer heute auf dem "Kulturpfad durch die Stadt schlendert, spürt trotz vielen zeitbedingten Verfalls doch noch etwas dan. Auf dem Weg kommt man auch am Alten Gymnasium rbei, wo der Zittauer Christian Weise (1642-l708) seit 1678 als Rektor wirkte. Er galt nicht nur als tüchtiger Schulmeister, sondern auch als vielseitiger Schriftsteller und Dichter. Für die jährlich drei Tage umfassenden Theateraufführungen seines Gymnasiums verfaßte er über fünfzig Stücke, Dramen wie Komödien, die zu den bemerkenswertesten Werken seiner Zeit gehörten. Nicht nur durch die Art der Schulspiele, an denen manchmal bis zu hundert Personen mitwirkten, auch durch seine literarischen und politischen Ansichten war er seiner Zeit raus, das spürt man am deutlichsten in seinem "Trauerspiel n dem neapolitanischen Hauptrebellen Masaniello (1682), das eine Reihe dramatisch ungemein wirksamer Szenen aufweist.
Der 1. Auftritt mit einem Gespräch zwischen dem neapolitanischen Vizekönig Roderigo und seiner Gemahlin Leonisse mag als Kostprobe für Weises Stil dienen:

"Rod. Es ist eine Furcht, die n Weiblicher Schwachheit entstehet. Wer seinen Halß einmahl der Regiments-Last unterworffen hat, der muß ein solches Ungewitter verachten können. Leon. Ich wolte wünschen, daß meine Furcht aus Weiblicher Schwachheit entstanden wäre; allein, ich höre solche Zeitung, darüber ich r Angst zerspringen möchte: ach wer wil dem ragenden Volcke wiederstehen! Ist uns und unserer Familie der unglückselige Tod zu Neapolis bestirnt, und sollen wir das jenige, was andere verschuldet haben, mit unserm Blute büssen?

Rod. Ihr Liebden beschämen mich mit der unzeitigen Furcht.
Leon. Ihr Liebden halten mir es zu Gnaden, daß ich spreche, die Furcht sey etwas langsam: Ach! ich sehe mein Verderben schon r Augen! und weil doch so viel hundert tausend Menschen nach unserm Blute durstig sind, so gebe doch der barm-hertzige Himmel, daß ich zu erst einen tödlichen Stoß bekommen möge, ehe ich den Tod meiner hertzliebsten Kinder, und so denn auch das euser-ste Unglück meines Hertzgeliebtesten Ehe-Gemahls anschauen müsse.
Rod. Wie hat doch die eitele Einbildung, so eine mächtige Operation, daß man dem Tode entgegen lauften wil, wenn man noch gute Gelegenheit zum Leben hat.
Leon. Ich sehe bey dem gegenwärtigen Zustande nichts, als einen geschwinden Tod, oder ein dienstbares Leben. Nun weiß ich wohl, wie mein Stand, meine Ehre und meine inbrünstige Liebe gegen den Hertzgeliebtesten Ehegemahl aus zweyen Übeln das geringste erwehlen sol. Rod. Der Aufstand wird nicht so gefährlich seyn, und wenn es zum eusersten komt, so wird dem Volcke viel versprochen, das man hernach desto weniger halten darff.
Leon. Eben dieses besorge ich, das Volck werde sich ins Künfftigc mit solchen Versprechungerj nicht abweisen lassen. Es ist wahr, wir haben un-sern Leuthen zu viel nachgesehen; wir haben dem Volcke manche unnölhige Last auf dem Rücken gelassen, und nun wird die Rache zugleich auf uns hereinstürmen, und so werden wir so wohl die eigene, als die fremde Schuld ertragen müssen. Rod. Mein allergnädigster König hat mir eine Autorität beygelegt, welche kein Sclavisches Lumpen Gesinde zwcifclhafftig machen sol. Ich bin des Adels versichert, welcher mich nimmermehr verlassen wird: So hab ich vier Theile n der Stadt: wer fragt nach dem fünfften Theile, der aus geringschätziger Canaille besteht? Leon. Desto schlimmer ist es r uns, wenn uns die Canaille so weit bringt, daß wir n derselben Gnade bitten müssen.
Rod. Ich sehe wohl, die Furcht ist eine Kranck-heit, die sich so bald nicht vertreiben last. Wir haben das neue Castell in der Nähe, ihre Liebden machen sich bereit, daß sie mit den furchtsamen Personen daselbst verwahret werden. Leon. Auch dieser Platz wird uns zu keiner steten Sicherheit dienlich seyn: Doch wo das Wasser schon biß an die Seele gehet, da müssen die nähe-sten und die möglichsten Mittel die besten seyn. Rad. Die Mittel sind zulänglicht.2
Wer mehr über Weise erfahren will, der auch als Lyriker und Autor n Romanen herrtrat und sogar Proben der Oberlausitzer Mundart in seinem Werk verarbeitete, wird in der Stadtbibliothek, die seinen Namen trägt und seinen Nachlaß verwaltet, die nötigen Informationen erhalten. Den Touristen aber lockt die Umgebung des Zittauer Gebirges mit den herrlichen Ausflugsplätzen und Wandermöglichkeiten. Zur allerdings gilt ein kurzer Besuch dem nur wenige Kilometer westlich n Zittau unmittelbar an der böhmischen Grenze gelegenen Großschönau, nicht nur wegen seiner schönen Umgebindehäuser, sondern auch wegen seines Heimatmuseums, das an die Damastweberei erinnert. Diese aus China stammende Web-lechnik, bei der im Leinen ein Musler bzw. ein Bildgewebe entstand, wurde seil der Mitte des 17. Jahrhunderts in Großschönau gepflegt. Noch kurz r der Mitte des 19. Jahrhunderts arbeitete n damals etwa 5000 Einwohnern des Ortes ein Viertel in der Damastweberei, und es gab rund 1100 Webstühle. Erst die Einführung neuer und weniger arbeitsaufwendiger Webtechniken ließ die Da-maslweberei allmählich eingehen. Doch heute noch kann man prachtlle Stücke wie Tischdek-ken und ähnliches, die m Handwcrkerfleiß der Bewohner zeugen, im Museum bewundern und sogar an einem Webstuhl die Technik der Damastweberei studieren.

Die Leinenweberei spielte an der Oberlausitz wirtschaftlich eine bedeutende Rolle. Die Weber selbst waren arme, bescheidene und fleißige Leute, die sich in ihrer Not im 19. Jahrhundert kaum n ihren Zunftgenossen im schlesischen Eulengebirge unterschieden, denen ja Gerhart Hauptmann in seinen "Webern ein so beeindruckendes Denkmal gesetzt hat. Der ärmliche Alltag eines Leinenwebers spiegelt sich auch in seinem Speisezettel oder, wie er zutreffend genannt wurde, in dem "Lcinewaberfraßzettl. Es mag dabei dem Leser überlassen bleiben, sich in diesem Muster der Oberlausitzer Mundart zurechzufindcn, wobei das R schön gerollt werden muß. Deshalb bezeichnen die Oberlausitzer ihre Sprechweise auch in feiner Sclbstironie als "Quirln oder "Kwuerln. Nur eine kleine Vorgabe sei für das Studium des frugalen Speisezettels gestattet: Abern (auf böhmischer Seite Apun) sind Kartoffeln, und hinter dem schönen Wort Abernmauke verbirgt sich der Kartoffelbrei:

"Mondsch Frieh Bruhdsubbe, zun Friehsticke Budderschnitte, zun Mittsche ganse Abern un Harch, zun Vaspern ane Quaorkschnitte, ohmds gewärmde Abern.
Dintsch Frieh Bruhdmahlsubbe, zun Friehsticke ane Budderschnitte, zun Mittsche Abern un Braglsalz, zun Vaspern ane Sirubschnitle, ohmds Abernsub-be.
Mietwuche Frieh Bruhdmahlsubbe, zun Friehsticke ane Budderschnitte un a Dibbl Buddermilch, zun Mittsche Abern un Leinehle, zun Vaspern ane Quaorkschnitte, ohmds gewärmde Abern.
Durnsch Frieh Bruhdmahlsubbe, zun Friehsticke ane Griefenfettschnitte, zun Mittsche Heedegritze, zun Vaspern ane Sirubschnitte, ohmds gewärmde Abern.
Fretsch Frieh Mahlsubbe, zun Friehsticke ane Wurschtfettschnitte, zun Mittsche Roffkolchl, zun Vaspern ane Budderschnitte, ohmds Abernsubbe.
Simbd Frieh Waossersubbe, zun Friehsticke
ane Wurschtfettschnitte, zun Mittsche ganse Abern un Harch, ohmds Abernsubbe.
Sunntsch Frieh Kaoffee un a Kolchl, zun Friehsticke ane Schnitte, zun Mittsche Abernmauke un gebrod'n Harch, no-mitsch Kaoffee un a Kolchl oder ane halbe Samml, ohmds was g'warmds.
Festtags Abernmauke un Fleesch.
wie Sunntsch

Östlich n Zittau und Großschönau grüßen die Vulkankuppen des Zittauer Gebirges, die Lausche (793 m) und der Hochwald (749 m), heute, da die Grenze nicht mehr zu schrecken braucht, wieder beliebte Wanderziele. Freilich, die einst bekannte "Baude auf der Lausche, die 1945 ein Raub der Flammen wurde, wird wohl kaum mehr wiedererstehen. Früher einmal ging dort die Landesgrenze durch Flur und Küche, und es gab eine sächsische und eine böhmische Gaststube, wobei letztere allerdings wegen des Bieres stärker frequentiert war.

Die bedeutendste Sehenswürdigkeit des Zittauer Gebirges ist auch heute noch der Oybin, ein eigenartiger Sandsteinfelsen, der m Spiegel des Dorfbaches 116 Meter hoch aufragt und dessen Gipfel damit insgesamt eine Höhe n 514 Metern erreicht. In der n der Natur begünstigten Lage nahe der alten Handelsstraße n Zittau nach Prag war schon im 13. Jahrhundert eine Burg errichtet worden. Ihre frühe Geschichte ist eng verbunden mit der Geschichte böhmischer Adliger und böhmischer Burgen. Anfang des 14. Jahrhunderts bemächtigten sich Raubritter der Burg. Der junge Kaiser Karl IV. soll dann persönlich die Aktionen gegen diese Gesellen geleitet haben, aber erst 1365 entschied er sich, anstelle der Burg auf dem Oybin ein Kloster einzurichten und es Coelestiner-Mönchen zu übertragen, die er während eines Besuches am päpstlichen Hofe in Avignon kennengelernt hatte. Karl ließ eine schöne gotische Kirche erbauen, die Mönche, die in der Folgezeit dann meist aus dem benachbarten Schlesien kamen, widmeten sich in der Einsamkeit rwiegend theologischen Studien, auch in der Reformationszeit blieb das Kloster ein Refugium des alten Glaubens. Aber Ende des 16. Jahrhunderts wurde es n einem Blitzschlag zerstört, und ein Felssturz knapp hundert Jahre danach machte Burg und Kloster llends zur Ruine. Der Oybin geriet in Vergessenheit, bis die Romantiker seine Schönheit wiedererkannten. Caspar David Friedrich kam im Sommer 1810 auf den Felsen und fertigte hier eine Bleistiftzeichnung, die ihm Jahre später als Grundlage für zwei seiner bekannten Gemälde diente. Auch Ludwig Richter zeichnete hier ebenso wie Carl Gustav Carus. Als dann llends Ende des rigen Jahrhunderts n Zittau aus eine Kleinbahn nach Oybin gebaut wurde, die auch heute noch gemütlich bimmelnd an der Straße entlangzockelt, war die Ruine dem Fremdenverkehr erschlossen, der sie heute schon fast verschlungen hat.

In der entgegengesetzten Richtung sind es n Zittau aus nur etwa 20 Kilometer nordwestwärts bis nach Herrnhut, das glücklicherweise nichts mit dem Fremdenverkehr zu tun hat, doch nicht weniger bemerkenswert ist. Graf Nikolaus Ludwig n Zinzendorf hatte dort 1722 auf seinen Gütern Mitgliedern der "Mährischen Brüder (auch "Böhmische Brüder) Zuflucht gewährt. Diese "milden Erben der grimmigen Hussiten, wie sie einmal ein mährischer Schriftsteller im 19. Jahrhundert sehr treffend nannte, hatten sich schon im 15. Jahrhundert n den Hussiten gelöst, in Böhmen und später r allem in Mähren kleine, aber sehr aktive Gemeinden gegründet. Im 17. Jahrhundert kam aus ihren Reihen der große Pädagoge und Religionsphilosoph Johann Comc-nius. Um 1720 versuchte der Zimmermann Christian David aus Fulnek in Mähren dann die verstreuten und unterdrückten Brüder zu sammeln und fand eben in dem Grafen Zinzendorf einen Gönner, der ihm und seinen Glaubensgenossen eine neue Heimat anbot. Eine gewisse Annäherung an den Protestantismus war seit der Reformation sowieso erfolgt, und daher entwickelte sich in Herrnhut rasch eine pietistisch geprägte neue Brüdergemeinde, die auch heute noch besteht. Jeder Besucher Herrnhuts ist tief beeindruckt n der aufrechten Gläubigkeit der Gemeinde. Schon 1736 hatte sie ein lutherischer Pfarrer besucht und darüber berichtet:

"Donnerstag, den 16. Aug., wohnten wir erstlich der täglichen Morgenübung im Waisenhause bei, woselbst sich die starke Anzahl der herrnhuti-schen Einwohner versammelten und wobei es folgendermaßen herging: Es plazierte sich das männliche und weibliche Geschlecht jegliches auf eine besondere Seite in einem für dergl. Übung eingerichteten und mit einer kleinen Orgel versehenen Saal. In die Mitte zwischen die Männer- und Weiberstühle setzte sich ein junger Mensch; dieser ließ erstlich ein geistliches Lied aus dem hiesigen neugedruckten Gesangbuch absingen. Darnach wurde die sogenannte heutige Losung abgelesen aus einem Anfang dieses Jahres gedruckten Büchlein, welches man wohl einen geistlichen Kalender nennen möchte, weil nämlich auf jeglichen Tag des Jahrs ein Spruch aus der h. Schrift samt etlichen Reimzeilen aufgezeichnet stehen. Solche Losung ward hierauf auch erbaulich erklärt und zugeeignet. Endlich schloß der unstudierte Propo-nent, ein Töpfer n Profession, und so ward mit einem kurzen Liedchen beschlossen. Über solchen Losungstext haben die herrenhutischen Brüder sowohl in loco als außerhalb den ganzen Tag über ihre besondern andächtigen Gedanken und mithin eine recht katholische Erbauungsart
Endlich kamen abends um 8 Uhr abermals die erwachsenen Leute in dem Waisensaal zusammen und hielten ihre Singstunde. Sie sangen etliche n verschiedenen Personen angegebene Lieder und verrichteten ein stilles Gebet. Darauf gingen sie auseinander und wir in unsre Herberge, woselbst uns Herr Mitschmann noch verschiedene alte und neue Einzelheiten n seinem lieben Grafen erzählte, wie auch n der neulich allhicr gewesenen königl. Kommission, was für Fragen selbige proponieret und wie man darauf geantwortet habe. Wobei uns denn sonderlich wohlgefiel die Konduite eines Mohren, den die Herrnhuter aus Indien mitgebracht und der eben damals anwesend war. Derselbe sprach zu den Kommissariis, er wäre hier, sich im Christentum zu stärken und sodann wieder zu seinem Volke zu kehren, das Evangelium zu predigen. Ob er aber seinen Leuten auch werde erzählen dürfen, wie man mit den redlichen Herrnhuter verfahre? Ob nicht die Nachricht hiern der Ausbreitung des Evangelii hinderlich sein dürfte?
Am Samstag besuchten wir die Junggesellen, welche allhier als Fremdlinge leben und die ganze obere Etage in unserem Gasthofe, welche aus vielen kleinen Zimmern oder Zellen besteht, innehaben und meistens ein strenges Leben führen, mithin auch des Nachts sich keiner Betten bedienen, sondern nur so auf dem Stroh oder auf der mit einer Decke belegten Bettlade auszuruhen pflegen.
Die Herrnhuter waren stets eifrige Missionare, die r allem in abgelegensten Gebieten im Hima-laya, in Grönland, Alaska, Australien ihren Glauben verbreiteten. Dabei wurden gewöhnlich unverheiratete junge Männer ausgeschickt. Hatten sie Fuß gefaßt, teilte ihnen die Gemeinde eine Ehefrau zu, und diese jungen Frauen folgen ohne zu zögern den Anweisungen, ein entbehrungsreiches Leben mit ihrem oft kaum bekannten Mann zu teilen. Hielten sie auch im Leben fest zusammen, so wurden sie im Tode allerdings getrennt; denn auf dem Friedhof am Fuße des Hutbergs liegen fein säuberlich geschieden links die Gräber der Frauen und rechts die der Männer.

Wir können n hier aus gleich nach Görlitz weiterfahren, das schon um 1220 glücklicherweise westlich der Neiße, müssen wir heute sagen, an einem wichtigen Kreuzungspunkt n Handelsstraßen angelegt wurde. Die alte Reichsstraße n Frankfurt nach Leipzig trifft als "Hohe Straße in ihrer östlichen Verlängerung nach Schlesien auf die n Prag zur Ostsee führende Straße. Dank dieser günstigen Lage entwickelte Görlitz einen beachtlichen Wohlstand, zum Handel gesellte sich die Tuchmacherei, und so stieg es zum mächtigsten Mitglied des Sechsstädtebundes auf. Görlitz hat sein geschlossenes historisches Stadtbild weitgehend bewahrt. Es wird zwar noch sehr vieler Arbeit bedürfen, bis die Bürger und Denkmalpfleger wieder zufrieden sein können, aber der Unter-markt mit den schönen alten Bürgerhäusern, das Renaissancerathaus, die Pfarrkirche St. Peter und Paul, das Heilige Grab, die Reste der Stadtmauer und die Kaisertrutz laden zur Besichtigung ein. Die Neiße durchfließt heute nicht mehr die Stadt, sondern bildet die Grenze, östlich dan ist eine Art polnische Trabantenstadt entstanden.

Im Stadtpark erinnert ein Brunnen mit einer Bronzestatue an Jakob Böhme, den wohl bedeutendsten Bürger der Stadt. Geboren wurde er 1575 in Alt-Seidenberg in Schlesien, nach der üblichen Wanderzeit ließ er sich n 1599 an erst als Schuhmacher, später als Garnhändler in Görlitz nieder. Als ungemein spekulativer Geist baute er sich eine eigene Kosmogonie auf, in der er Elemente mittelalterlicher Mystik mit naturphilosophischen und pantheistischen Gedanken vereinigte, und er veröffentlichte mehrere Werke, die ihm schon bei den Zeitgenossen den Ehrennamen "Philosophus Teutonicus eintrugen und mit denen er starken Einfluß auf das zeitgenössische Denken und später auch noch auf die Romantiker ausübte. Dem Görlitzer Hauptpastor war, wie nicht anders zu erwarten, dieser schreibende Schuhmachermeister und philosophierende Querdenker verdächtig, und er erwirkte beim Magistrat ein Schreibverbot, an das sich Böhme aber glücklicherweise nicht hielt. Seine Aussage n der "inneren Kirche mag als kleines Beispiel für sein n tiefer Frömmigkeit und kritischem Geist zeugendes Denken dienen:

"Man bindet uns anjetzo an die Historien, an die steinerne Kirche, welche zwar in ihrem Werte gut wäre, so man auch den Tempel Christi darein brächte.

Man lehrt, ihre Absolution sei eine Vergebung der Sünden. Item, das Abendmahl nehme die Sünden weg. Item, der Geist Gottes werde m Predigtamt eingegossen.
Es ist doch in den Heiligen mit den Sakramenten kein Sündewegnehmen oder dadurch -vergeben. Sondern also ist's: wenn Christus aufsteht, so stirbt Adam in der Schlange Essenz. Wenn die Sonne aufgeht, so wird die Nacht in Tag verschlungen, ist keine Nacht mehr. Also ist die Vergebung der Sünden: der Geist Christi isset n seinem h. Wesen, der innere Mensch ist die Fassung des hl. Wesens, er nimmt an, was der Geist Christi in ihn einführte als den Tempel Gottes, Christi Fleisch und Blut. Was geht das ein Tier an? Oder was geht's die Teufel oder die Seele in Gottes Zorn an? Sie essen n ihrem himmlischen Leibe, in welchem Himmel sie wohnen als im Abgrund.
Der Heilige hat seine Kirche an allen Orten bei sich und in sich. Denn er steht und geht, er liegt und sitzt in seiner Kirche, er ist in der wahren christlichen Kirche, im Tempel Christi, der h. Geist predigt ihm aus allen Kreaturen, alles, was er ansieht, sieht er einen Prediger Gottes.
Ein rechter Christ bringt seine heilige Kirche mit in die Gemeinde, sein Herz ist die wahre Kirche, da soll man Gottesdienst pflegen. Wenn ich tausend Jahre in die Kirche gehe, auch alle Wochen zum Sakrament, lasse mich auch alle Tage gleich absolvieren: habe ich Christum nicht in mir, so ist alles falsch und ein unnützer Tand, ein Schnitzwerk in Babel und ist keine Vergebung der Sünden.
Heuchle, heule, schreie, singe, predige, lehre, wie du willst - ist nicht der innere Lehrer und Hörer offen, so ist's alles Babel und Fabel und ein Schnitzwerk, da der äußere Weltgeist ein Modell oder Schnitzwerk nach dem innern macht, und damit gleißt er, als ob er einen heiligen Gottesdienst hätte.5
Über Löbau, ebenfalls einst Mitglied des Sechsstädtebundes, geht es weiter westwärts nach Bautzen, aber wir sollten den kleinen Umweg über Cunewalde wählen; denn hier steht die größte Dorfkirche der Oberlausitz, die immerhin 3000 Sitzplätze faßt! Und auf Schloß Obercunewalde wurde Wilhelm n Polenz (1861-l903) geboren. Ein Gedenkstein erinnert an den m Naturalismus beeinflußten Erzähler, der in seinen sozialkri tischen Romanen die wirtschaftliche Not der Bauern im Bismarckreich ungemein eindringlich gestaltete. Im "Büttnerbauer schilderte er den Untergang einer alten Bauernfamilie, deren Besitz zum Objekt n Spekulanten wird. Die Beschreibung eines alten Oberlausitzer Bauernhofes ist diesem Roman entnommen:
"Der Bauernhof Büttners bestand aus drei Gebäuden, die ein nach der Südseite zu offenes Viereck bildeten. Das Wohnhaus, ein geräumiger Lehmfachwerkbau, mit eingebauter Holzstube, ehemals mit Stroh gedeckt, war n dem jetzigen Besitzer mit Ziegeldach versehen worden. Mit dem schwarzgestrichenen Gebälk und den weiß abgeputzten Lehmvierecken zwischen den Balken, den unter erhabenen Bogen, wie menschliche Augen, versteckten Dachfenstern, blickte es sauber, freundlich, altmodisch und gediegen drein. Die Winterverpackung aus Moos, Laub und Waldstreu war noch nicht entfernt worden. Das Haus war wohl versorgt, die Leute, die hier wohnten, das sah man, liebten und schätzten ihren Herd.
Unter einem langen und hohen Dache waren Schuppen, Banse und zwei Tennen untergebracht. Ein drittes Gebäude enthielt Pferde-, Kuh- und Schweineställe. Scheune wie Stall wiesen noch die althergebrachte Strohbedachung auf.
Die Gebäude waren alt, aber gut erhalten. Man sah, daß hier Generationen n tüchtigen und fleißigen Wirten gehaust hatten. Jeder Ritz war zugemacht, jedes Loch bei Zeiten verstopft worden.
In der Mitte des Hofes lag die Düngerstätte mit der Jauchenpumpe daneben. Am Scheunengiebel war ein Taubenhaus eingebaut, welches eine Art n Schlößchen darstellte; die Türen und Fenster des Gebäudes bildeten die Ein- und Ausfluglöchcr für die Tauben. Ein Kranz n scharfen, eisernen Stacheln wehrte dem Raubgetier den Zugang. In dem offenen Schuppen sah man Brettwagen, Leiterwagen und andere Fuhrwerke stehen, die Deichseln nach dem Hofe gerichtet. Unter dem rspringenden Scheunendach waren die Leitern untergebracht. Im Holzstall lag gespaltenes Holz für die Küche, Reisig zum Anfeuern und Scheitholz. Das Kalkloch, der Sandhaufen und der Stein zum Dengeln der Sensen fehlten nicht.

Der Sinn für das Nützliche und Notwendige herrschte hier, wie in jedem rechten Bauernhofe, r. Aber auch der Gemütlichkeit und dem Behagen war Rechnung getragen. Ein schmales Gärt-chen n einem Holzstaket eingehegt, lief um die Süd- und Morgenseite des Wohnhauses. Hier zog die Bäuerin neben Gemüsen und nützlichen Kräutern verschiedene Blumensorten, r allem solche, die sich durch starken Geruch und auffällige Farben auszeichnen. Und um die Pracht ll zu machen, hatte man auf bunten Stäben leuchtende Glaskugeln angebracht. In der Erde des Gärtchcns stand eine aus Brettern zusammengestellte Holzlaube, die sich im Sommer mit bunt blühenden Bohnenranken bezog. Im Grasgarten standen Obstbäume, n denen einzelne ihrem Umfange nach an hundert Jahr alt sein mochten.
Die Tür des Wohnhauses war besonders schön hergestellt. Drei glatt behauene steinerne Stufen führten hinauf. Die Pfosten und der Träger waren ebenfalls n Granit. Auf einer Platte, die über der Tür angebracht war, stand folgender Spruch eingegraben:

Wir bauen alle feste und sind doch fremde Gäste, und wo wir sollen ewig sein, da bauen wir gar wenig ein!

Mit Bautzen ist dann nicht nur die bedeutendste Stadt der Oberlausitz erreicht, sondern auch eine neue Landschaft. Im Süden und Südwesten zeichnen sich die Berge ab, nach Norden zu geht der Blick in die Heide- und Teichgebiete. Die alte Stadt mit ihren Türmen, Mauern, Kirchen und Wohnhäusern, die n der auf einem Granitplateau über der Spree gelegenen mächtigen Orten-burg überragt werden, hat noch viel n ihrem mittelalterlichen Charakter bewahrt. Bautzen führte den Vorsitz im Städtebund und im Rat die erste Stimme. Kein Wunder, daß die Ratsherren in ihrem Stolz forderten, Briefe an den Bund oder an einzelne Bundesmitglieder dürften nur n ihnen persönlich geöffnet werden. Bautzen kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, schon kurz nach dem Jahrtausend wird der Ort Budysin erstmals erwähnt, 1213 erhielt er n Pfemysl Ottokarl, das Stadtrecht, der Ungar Matthias Corvinus ließ in seiner Eigenschaft als böhmischer König die Ortenburg, die alte Grenzveste der Meißner Markgrafen, neu erbauen. Heute noch erinnert sein Reliefbild über der Durchfahrt des Schloßturms an ihn.

Wer eine augenfällige Einführung in die Geschichte der Oberlausitz sucht, wird im Audienzsaal der Burg die neun Reliefs mit historischen Szenen betrachten, die hier 1662 italienische Stukkateure schufen. Auch der Gang entlang der alten Stadtbefestigung mit ihren reizllen Motiven wie der Alten Wasserkunst, dem Mühltor oder dem Reichentorturtn bietet eine Lektion in der Stadtgeschichte. Eine Lektion in Toleranz erhält der Besucher des Doms St. Peter, einer gotischen Hallenkirche, die seit 1524 Katholiken und Protestanten gemeinsam als Gotteshaus dient. Das Langhaus ist dabei letzteren rbehalten, während die Katholiken im Chor ihren Gottesdienst abhalten.

Lektion 4 zur Zeitgeschichte ist kurz, aber bedeutsam. Für viele Gegner des SED-Regimes hatteder Name Bautzen einen üblen Klang, und so sollten wir auch die zwei Zuchthäuser nicht vergessen, in denen zahlreiche Opfer oft jahrelang inhaftiert waren, manche n ihnen auch sterben mußten.
Die letzte Lektion dient der Volkskunde und ist wohl hier die wichtigste; denn Bautzen ist das kulturelle Zentrum der Sorben in der Oberlausitz. Dem Reisenden sind schon längst auf der Fahrt hierher die zweisprachigen Ortsschilder aufgefallen. Die Sorben oder Wenden, wie sie auch genannt werden, gehören zu den Westslawen und leben in der Ober- und Niedcrlausitz. Die Angaben über Bevölkerungszahlen schwanken, doch dürften es heute etwa hunderttausend sein. Sie haben sich allen Germanisierungsbestrebungen zum Trotz seit dem frühen Mittelalter hier gehalten und ihre Sprache und völkisch-kulturelle Eigenart bewahrt. Schon Karl IV. hatte - nicht zuletzt mit dem Blick auf die Sorben - in Kapitel 31 der Goldenen Bulle rgeschrieben, daß außer den Söhnen und Nachfolgern des Böhmenkönigs auch die des Herzogs n Sachsen und des Markgrafen n Brandenburg die tschechische Sprache lernen sollten, um ihre slawischen Untertanen besser verstehen zu können. Nicht alle Fürsten waren so tolerant. Mit dem Aufleben eines slawischen Nationalbewußtseins besannen sich die Sorben im 19. Jahrhundert auf ihre nationalen Eigenarten, glücklicherweise gerade noch rechtzeitig; denn die wachsende Industrialisierung führte zur Einengung der ländlichen Bevölkerung, die den Hauptteil der Sorben bildet. 1912 wurde dann die "Domowina als Dachorganisation aller sorbischen kulturellen Vereinigungen gegründet. Während die Sorben nach dem Ersten Weltkrieg und r allem im Dritten Reich wieder stärkerer Unterdrückung ausgesetzt waren, erlebten sie in der ehemaligen DDR eine starke Aufwertung, wobei die Domowina allerdings im politisch-ideologischen Sinne umfunktioniert und gelegentlich auch mißbraucht wurde.

Heute hat sich in der Oberlausitz in den Kreisen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda die sorbische Bevölkerung konsolidiert, die Trachten sind erhalten geblieben, wenn sie meistens auch nur zu besonderen Anlässen herrgeholt werden, an manchen alten Bräuchen halten die Sorben fest. Wer sich mit sorbischem Schrifttum beschäftigen möchte, findet im "Serbski Dom, dem "Haus der Sorben in Bautzen, ein Museum sorbischen Schrifttums und eine reichhaltige Sammlung. Stellvertretend für die dort Vertretenen sei der Dichter Cisinski, "der Schweigsame, genannt. Eigentlich hieß er Jakub Bart und stammte aus Panschwitz-Kuckau, einem Ort halbwegs zwischen Bautzen und Kamenz. Dort wurde er 1856 geboren, nach dem Theologiestudium in Prag wurde er 1883 Ka, da er aber auch die Redaktion einer sorbischen Zeitschrift übernommen hatte, stieß er immer wieder auf das Unverständnis seiner kirchlichen Behörden. 1903 schied er schließlich aus dem Kirchendienst aus und widmete sich bis zu seinem Tode 1909 nur noch der Schriftstellerei. Gleichermaßen am Volkslied wie an der deutschen Dichtung der Klassik orientiert, spiegelt seine Lyrik sorbisches Nationalbewußtsein. Seinem epischen Frühwerk dagegen kommt rwiegend genrehistorische Bedeutung zu. Von sich selbst sagte er:

"Cisinski? Der will mir gar nicht liegen! Muß er so laut in die Welt posaunen? Die Worte stieben, wie wenn Federn fliegen, dazu die fremde Art, die Städterlaunen!
Dieser Hang, sich schwierig auszudrücken, blitzend donnernd durch den Vers zu rasen, Gedanken bös und schwerterscharf zu zücken, als wolle ständig er zum Aufruhr blasen!
Und je mehr du n dem Zeug gelesen,
desto seltsamer wird dir zumute.
Ist eben Jubels ll dein Herz gewesen,
so züchtigt er dich jetzt mit grimmer Knute.
Lies den Unfug, und es gibt kein Halten! Alle seine Qualen mußt du leiden, er kann in dir mit Zauberkräften walten, und teilen mußt du alle seine Freuden.
Und das wird mit jedem Buche übler,
er verführt die Jugend, wird uns schädlich!
Ein Schwärmer ist er, Wirrkopf, Narr und
Grübler!
Gott, sei dem armen Cisinski doch gnädig!
Laßt es gut sein, Leutchen, bleibt so bieder, Leben wird der "Unfug meiner Lieder, wenn viele Namen, die euch löblich klangen, schon längst wie Schall und Rauch in Nichts vergangen.

Die Oberlausitz ist reich an Sagen, und die Sorben haben ihren gewichtigen Anteil daran. Da wimmelt es nur so n Wassermännern und Nixen, n Zauberern und Teufelsbündnern, n Hexen und Kobolden. Zu den bekanntesten Oberlausitzer Gestalten gehört der Müllerbursche und Zauberer Pumphut, der sein Unwesen bis nach Böhmen hinein trieb, und unter den Sorben erlangte Krabat große Berühmtheit, ebenfalls ein Müllerbursche, der in seiner Jugend ein Bündnis mit dem Teufel schloß, später aber seine Fähigkeiten als Zauberer für seine Landsleute nutzte. "Krabat bese dobrocel mal'eho luda a podperase dzejz so jemu hodzeze a sicy wjesnjenjo sejbi jeho wazachu - Krabat war der Wohltäter des kleinen Volkes und unterstützte, wo er nur konnte, und alle Dorfbewohner schätzten ihn -, heißt es in der sorbischen Sage. Die wohl schönste moderne Gestaltung des Krabat-Stoffes schuf Otlried Preußler mit seiner gleichnamigen Erzählung. Sic beginnt mit Krabats Suche nach der Teufelsmühle im Koselbruch in der Nähe n Hoyerswerda nördlich n Bautzen, schon an der Grenze zur Niederlausitz:
"Es war in der Zeit zwischen Neujahr und dem Dreikönigstag. Krabat, ein Junge n vierzehn Jahren damals, hatte sich mit zwei anderen wendischen Betteljungen zusammengetan, und obgleich Seine allerdurchlauchtigste Gnaden, der Kurfürst n Sachsen, das Betteln und Vagabundieren in Höchstderoselben Landen bei Strafe verboten hatten (aber die Richter und sonstigen Amtspersonen nahmen es glücklicherweise nicht übermäßig genau damit), zogen sie als Dreikönige in der Gegend n Hoyerswerda n Dorf zu Dorf: Strohkränze um die Mützen waren die Königskronen; und einer n ihnen, der lustige kleine Lobosch aus Maukendorf, machte den Mohrenkönig und schmierte sich jeden Morgen mit Ofenruß ll. Stolz trug er ihnen den Bethlehemstern ran, den Krabat an einen Stecken genagelt hatte.
Wenn sie auf einen Hof kamen, nahmen sie Lobosch in die Mitte und sangen: .Hosianna Davidssohn!* - das heißt: Krabat bewegte nur stumm die Lippen, weil er gerade im Stimmbruch war. Dafür sangen die anderen Hoheiten um so lauter, da glich sich das wieder aus.

Viele Bauern hatten auf Neujahr ein Schwein geschlachtet, sie beschenkten die Herren Könige aus dem Morgenland reichlich mit Wurst und Speck. Anderswo gab es Apfel, Nüsse und Backpflaumen, Honigbrot manchmal und Schmalzküchlein, Anisplätzchen und Zimtsterne. .Das Jahr fängt gut an!' meinte Lobosch am Abend des dritten Tages, .so dürfte es bis Silvester weitergehen!' Da nickten die beiden anderen Majestäten gemessen und seufzten: .Von uns aus -gern!'
Die folgende Nacht verbrachten sie in der Schmiede n Petershain auf dem Heuboden; dort geschah es, daß Krabat zum erstenmal jenen seltsamen Traum hatte.
Elf Raben saßen auf einer Stange und blickten ihn an. Er sah, daß ein Platz auf der Stange frei war, am linken Ende. Dann hörte er eine Stimme. Die Stimme klang heiser, sie schien aus den Lüften zu kommen, n fernher, und rief ihn bei seinem Namen. Er traute sich nicht zu antworten. .Krabat! erscholl es zum zweitenmal - und ein drittesmal: .Krabat!' Dann sagte die Stimme: .Komm nach Schwarzkollm in die Mühle, es wird nicht zu deinem Schaden sein!' Hierauf erhoben die Raben sich n der Stange und krächzten: .Gehorche der Stimme des Meislers, gehorche ihr!'
Dan erwachte Krabat. ,Was man nicht alles zusammenträumt!' dachte er, wälzte sich auf die andere Seite und schlief wieder ein. Anderntags zog er mit seinen Gefährten weiter, und wenn ihm die Raben einfielen, lachte er.
Doch der Traum wiederholte sich in der Nacht drauf. Abermals rief ihn die Stimme beim Namen, und abermals krächzten die Raben: ,Gehorche ihr!' Das gab Krabat zu denken. Er fragte am anderen Morgen den Bauern, bei dem sie genächtigt hatten, ob er ein Dorf kenne, das Schwarzkollm heiße oder so ähnlich.
Der Bauer entsann sich, den Namen gehört zu haben. .Schwarzkollm ', überlegt er. Ja doch -im Hoyerswerdaer Forst an der Straße nach Leip-pe: da gibt es ein Dorf, das so heißt.'
Das nächstemal übernachteten die Dreikönige in Groß-Partwitz. Auch hier träumte Krabat den Traum n den Raben und n der Stimme, die aus den Lüften zu kommen schien; und es spieke sich alles genauso ab wie beim ersten und zweiten Mal. Da beschloß er, der Stimme zu folgen. Im Morgengrauen, als die Gefährten noch schliefen, stahl er sich aus der Scheune. Am Hoftor begegnete er der Magd, die zum Brunnen ging. .Grüß mir die beiden', trug er ihr auf, ,ich hab wegmüssen.'
Von Dorf zu Dorf fragte Krabat sich weiter. Der Wind trieb ihm Schneekörner ins Gesichl, alle paar Schritte mußte er stehenbleiben und sich die Augen wischen. Im Hoyerswerdaer Forst verlief er sich, brauchte zwei lle Stunden, bis er die Straße nach Leippc wiederfand. So kam es, daß er erst gegen Abend sein Ziel erreichte.
Schwarzkollm war ein Dorf wie die anderen Heidedörfer: Häuser und Scheunen in langer Zeile zu beiden Seiten der Straße, tief eingeschneit; Rauchfahnen über den Dächern, dampfende Misthaufen, Rindergebrüll. Auf dem Ententeich liefen mit lautem Gejohle die Kinder Schlittschuh.
Vergebens hielt Krabal Ausschau nach einer Mühle. Ein alter Mann, der ein Bündel Reisig trug, kam die Straße herauf; den fragte er.

Wir haben im Dorf keine Mühle', erhielt er zur Antwort.
,Und in der Nachbarschaft?'
.Wenn du die meinst' Der Alte deutete mit dem Daumen über die Schuller. ,1m Koselbruch hinten, am Schwarzen Wasser, da gibt es eine. Aber Er unterbrach sich, als habe er schon zuviel gesagt.8
Wollen wir den Spuren Krabats folgen, so führt uns ein Abstecher n Bautzen aus nordwärts in das Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet, rbei an Königswarlha mit seinem Barockschloß und dem schönen um 1800 angelegten Landschaftspark nach Hoyerswerda. Das einst stille Städtchen in einer Flußniederung der Schwarzen Elster ist längst zum Mittelpunkt des Braunkohlengebietes geworden und wird n modernen Geschäfts- und Wohnhäusern geprägt, in denen nun an die 70 000 Menschen leben.
Hoyerswerda gehörte bis 1945 zu Niederschlesien und damit zu Preußen. Nach der Aufteilung in DDR-Bezirke kam es zum Bezirk Cottbus und nach der Neugründung der Länder zu Sachsen. Das gilt auch für den nordöstlichen Zipfel des Landes mit Bad Muskau am Rande der Oberlausitzer Heide. Wir müssen es unbedingt noch aufsuchen, erinnert es uns doch an den Fürsten Hermann n Pückler (1785-l871), dem die Herrschaft einmal gehörte. Viele kennen ihn nur als den Namensgeber des nach ihm benannten Speiseeises. Dabei trat der berühmte und extravagante Herr als Reiseschriftsteller mit Büchern herr, die sich durch ungemein lebendige Schilderungen der Zeitverhältnisse auszeichneten und heute noch lesenswert sind. Nach einem längeren Aufenthalt in England wandte er sich der Land-schaftsgärincrei zu und schuf so prachtlle Anlagen wie die Parks in Branitz und Muskau. Dort wurden zwar die Schlösser zu Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört, das Alte ist wieder aufgebaut, das Neue blieb Ruine. Der große Landschaflspark aber entzückt die Besucher und die Blumen- und Pflanzenfreunde. Sein östlicher Teil ist heute durch die polnische Grenze abgeschnitten.
Ein anderer Abstecher geht n Bautzen aus in der entgegengesetzten Richtung unmittelbar südwärts nach Schirgiswalde, wo es zwar auch nicht viel mehr zu besichtigen gibt als in Hoyerswerda, das wir so rasch wieder verlassen haben. Aber im Gegensatz zu der Industriesicdlung im Norden verdient der Ferienort schon seinen Beinamen "Perle der Obcrlausitz, und außerdem wird der Besucher des Heimatmuseums zu seinem Erstaunen feststellen, daß er unversehens in ein Musterbeispiel deutscher Zerrissenheit und Kleinstaaterei geraten ist. Als die Oberlausitz nämlich als Lehen an Sachsen übertragen wurde, blieb Schirgiswalde als Teil der böhmischen Herrschaft Tollenstein weiterhin böhmisch. Die kirchliche Betreuung der katholischen Bevölkerung übernahm das Bistum Leitmeritz. Dank Leinenweberei und Garnhandel blieb die enge wirtschaftliche Bindung an das benachbarte böhmische Schluckenau und an Rumburg bestehen, wenn auch der gesamte Verkehr dabei die sächsischen Zollschranken passieren mußte. Daß die Bürger n Schirgiswal-de ihre Sonderstellung geschickt auszunutzen verstanden, Gewürze, Kaffee, Zucker usw. zollfrei über die großen Seehäfen besorgten und mit Gewinn in die umliegenden Oberlausitzer Orte weiterverkauften, sei nur am Rande erwähnt. Als 1809 Österreich im Frieden n Schönbrunn seine sächsische Enklave einbüßte, hingen die Schirgis-walder zunächst einmal in der Luft, beeilten sich auch gar nicht mit dem rgesehenen Anschluß an Sachsen, sondern gründeten eine eigene Republik, an deren Spitze ein Stadtrichter stand. Da es weder Steuern noch Militärdienste gab. erfreute sich die selbsternannte Republik größter Beliebtheit bei Zufluchtsuchenden aus der Nachbarschaft. Die politische Idylle dauerte immerhin sechsunddreißig Jahre und endete erst 1845 mit der Eingliederung in das Königreich Sachsen.
Von hier läßt sich bequem eine letzte Schleife mit einer kleinen Rundfahrt m Lausitzer Gebirge durch das Nordwestlausitzer Hügelland ziehen. Über die Tuchmacher- und Strumpfwirkerstadt Bischofswerda geht es nach Rammenau mit seinem Barockschloß, wohl einem der schönsten in Sachsen, das dank sorgfältiger Restaurierung in den sechziger Jahren im alten Glanz wiedererstanden ist. Hier in Rammenau wurde 1762 der große Philosoph Johann Gottlieb Fichte geboren, nicht im Schloß, sondern als Sohn eines Bandwebers. Sein Lebensweg führte ihn als Schüler nach Schulpforte und als Student nach Jena und Leipzig. Sein "Versuch einer Kritik aller Offenbarung machte ihn rasch berühmt, dann wirkte er in Jena und Erlangen als Professor, bis er schließlich nach Berlin ging, wo er 1807/08 in der geistigen Auseinandersetzung mit Napoleon und den Franzosen seine berühmten "Reden an die deutsche Nation verfaßte.
In der Nähe liegt Panschwitz-Kuckau, das wir schon als Geburtsstätte des sorbischen Dichters Cisinski kennengelernt haben und wo in einer Gedenkstätte dessen Andenken gepflegt wird. Das Kloster Marienstern wurde schon 1248 gegründet und ein paar Jahre später den Zisterzienserinnen übergeben. In seiner Blütezeit besaß es einmal 52 Dörfer. Es ist ohne Unterbrechung bis heute als Kloster erhalten geblieben!

Aus dem nur ein paar Kilometer nördlich gelegenen Kamenz stammt ein weiterer berühmter Sohn der Oberlausitz; denn in dieser westlichsten Stadt des Sechsstädtebundes wurde 1729 als Sohn eines Pfarrers Gotthold Ephraim Lessing geboren. Das Geburtshaus wurde 1842 bei einem Brand zerstört, dafür hat die Stadt aber ihrem großen Sohn ein eigenes Museum eingerichtet. Lessing verbrachte die Kinderjahre in Kamenz, mit zwölf Jahren kam er schon an die berühmte Fürstenschule zu St. Afra in Meißen, danach wurde er Student in Leipzig. Und wir werden nicht versäumen, ihm in beiden Städten erneut und noch ausführlicher zu begegnen.
Kamenz verfügt heute über Textil- und Keramik-Industrie. In alten Reiseführern wird noch auf die Pfefferkuchenerzeugung hingewiesen, aber als eigentliche "Stadt der Pfefferkuchen gilt das benachbarte Pulsnitz. Es ist diesem Ruf bis heute treu geblieben und wird ihn hoffentlich in Zukunft weiter festigen können. Der Wohlgeruch nach köstlichen Gewürzen wie Zimt, Nelken, Karda-mom, Fenchel, Anis, nach Muskatnüssen und Mandeln liegt (zumindest gelegentlich) hier in der Luft.
In Pulsnitz wurde 1804 der Bildhauer Ernst Rietschel geboren, dem wir das Lutherdenkmal in Worms, die Lessingstatue in Braunschweig und r allem das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar verdanken. Sein eigenes Denkmal steht-r dem Renaissancerathaus, mehr noch als dieses erinnern aber seine "Jugenderinnerungen an die Kindheit in dem kleinen Städtchen. Sie sind zugleich ein beredtes Zeugnis m bescheidenen Leben der Pulsnitzer Kleinbürger zu Beginn des 19. Jahrhunderts:
"Es hielt immer schwer, daß die Eltern sich ein neues Stück Kleidung für den täglichen Gebrauch, der doch nichts Gewähltes und Ausgezeichnetes erforderte, anschaffen konnten. Der sogenannte Sonntagsputz, für den Mann ein Tuchoberrock, für die Frau der Kirchenstaat, das hatte weniger zu bedeuten; das ging und hielt n Jahrzehnt zu Jahrzehnt, wenn ein solches Kapital in guten Zeiten und in der Jugend oder als Erbteil der Eltern und Großeltern angelegt war. Jede Handwerkerfrau, wenn sie auch unbemittelt war, hatte einen violetten oder lilafarbenen seidenen Rock, ein ebensolches Mieder, eine Schürze n Spitzengrund, ein Brusttuch, oft mit echten Spitzen besetzt, ein Häubchen oder Mützchen n seidenem Brokat oder Silber- und Goldbrokat, eine Zobelmutze und einen Muff n Iltis oder Marder, auch Zobel. Dieser gediegene und teure Staat erbte n Großmutter auf Enkelin fort, und wenn ein Stück dazu fehlte, so war es ein jahrelanges Trachten und Sparen, das Fehlende anzuschaffen und die Lücke auszufüllen. Es machte nichts aus, daß die Frau, welche so zur Kirche ging, in den Wochentagen auch Holz im Walde holte, Streu machte, Korn las, war sie doch die Frau eines Bürgers und ehrbaren Handwerkers. Arbeit schändete nicht. Der Putz kostete im Verhältnis weniger als der unserer Zeit, welcher billiger, aber der schnellen Mode unterworfen und ohne inneren Wert und Dauer ist. Zu diesem Putz gehörte auch eine goldene Halskette. Wer keine hatte, wurde als sehr arm und herabgekommen betrachtet, und als meine Eltern in der Not diese kleine, goldene Kette der Mutter n 10-l2 Talern Wert versetzen mußten, um eine Verlegenheit zu beseitigen, da fühlte dies meine arme Mutter als ein beschämendes Unglück, sie wagte nicht mehr in die Kirche zu gehen, weil andere Frauen diese Kette an ihr gesehen und nun raussetzen konnten, daß sie verkauft oder versetzt sei.

Weil man in kleinen Städten bestrebt ist, alle innern häuslichen Verhältnisse zu erspähen, um sie unter der Bitte um Verschwiegenheil zum Gemeingut zu machen und zu besprechen, so wurde einerseits alles vermieden oder heimlich getan, was der Ehre des Hauses zu nahe treten und die Voraussetzung erzeugen konnte, daß der so anspruchslose arme Hausstand nur mit Entbehrungen durchgeführt werden könne, wie andererseits auch jede kleine Ausgabe verheimlicht wurde, die nicht unbedingt notwendig war, sei es die eines Groschens zu Obst oder Brezeln oder früh zu einer Semmel zum Kaffee. Es kam das freilich selten r, galt nur als ein Festvergnügen, und doch wurde es, wenn man jemand kommen hörte, schnell weggeräumt, daß niemand etwa meinen Eltern nachsagen könnte, sie verständen nicht sparsam zu wirtschaften und gäben Geld für Dinge aus, welche besser entbehrt würden. Diese Rücksicht fand nun besonders am Weihnachtsfeste statt. Jede noch so dürftige Familie suchte zum Weihnachtsfest einige Stollen und Kuchen zu backen. Es war dies das eine Mal im Jahre, wo jeder glaubte, ein Recht zu haben, sich einen Genuß zu verschaffen, gleich andern Menschen n nur einigermaßen bessern Verhältnissen. Jeder halte durch den lebhaften Verkehr mehr Arbeit und Verdienst, und so fehlte es auch bei meinen Eltern nicht, daß die Mutter einige Stollen und Kuchen backen, daß ein Braten gekauft und daß sogar einigemal für die Mutter m Vater ein Tuch oder ein kleiner Vorrat n Kaffee, Zucker. Reis und dergleichen als Christgeschenk angeschafft werden konnte. Wir Kinder hatten nur in den frühesten Jahren ein kleines Christbäumchen mit einigem billigen Spielzeug angeputzt erhalten. Ich erinnere mich auch eines kleinen Schattenspiels, das mein Vater gemacht hatte. Vom achten Jahre an kam es zu keiner Bescherung mehr.'

Die letzte Station an der Oberlausitz ist das Städtchen Stolpen schon am Nordrand des Elb-sandsteingebirges, das beherrscht wird n einer alten Veste. Eigentlich sind es nur noch Ruinen; denn die Franzosen halten 1813 bei ihrem Rückzug aus Sachsen die Anlage gesprengt, und da sie keine größere strategische Bedeutung mehr besaß, wurde sie nicht mehr aufgebaut und bildete r allem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zunehmend eine Touristenattraktion. Das Interesse der Besucher gilt auch heute noch r allem dem "Coselturm, der nach 1716 der Gräfin Cosel (1680-l765) als Wohnsitz diente. Die intrigante Dame galt als eine der schönsten und intelligentesten Frauen ihrer Zeit. Sie wurde 1707 Mätresse König Augusts des Starken und konnte sich immerhin neun Jahre in seiner Gunst behaupten, was bei der Wankclmütigkeit und dem Frauenverschleiß dieses Herrn schon etwas heißen will. Dann aber führte die Hofkamarilla ihren Sturz herbei, und August verbannte sie auf die Veste Stolpen. Hier mußte sie die nächsten sechsundvierzig Jahre ihres Lebens verbringen, erst streng bewacht, nach dem Tode Augusts seit 1738 in freiwilliger Verbannung. Sie starb im Alter n sechsundachtzig Jahren und wurde in der Schloßkapclle beigesetzt. Erst 1881 entdeckte man ihr Grab.







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