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Im Süden: Rellinghausen, Rüttenscheid, Margarethenhöhe, Bredeney

Im Süden: Rellinghausen, Rüttenscheid, Margarethenhöhe, Bredeney

Südlich des Essener Stadtzentrums steigt das Gelände stetig an und fällt nach mehreren Kilometern schließlich steil zum Ruhrtal wieder ab. Ausgedehnte Waldstücke und viel frische Luft machten die Region bereits früh zum bevorzugten Wohngebiet für die Besserrdienenden und zum temporären Erholungsgebiet für die übrige Bevölkerung, die weiter nördlich im Bannkreis der Zechen und Fabriken leben musste. Auch wenn der Himmel über Essen heute wieder zumeist blau ist, sind Stadtwald, Ilügelpark und Gruga allgemein beliebte Ausflugsziele geblieben.
Im Übrigen birgt diese Region manche Sehenswürdigkeit aus dem Mittelalter. Da ist z. B. die Ruine der Neu-Isenburg zu nennen, die südwestlich von Rellinghausen in einem Waldgcbict in der Nähe der Heisinger Straße liegt. Die Anlage wurde 1241 von Dietrich Limburg, einem Sohn des Grafen Friedrich von Isenberg, errichtet und gelangte 1244 in den Besitz der Erzbischöfe von Köln. Sie wurde zerstört, nachdem Erzbischof Friedrich von Westerburg 1288 die Schlacht von Worringen gegen eine Koalition aus der Kölner Bürgerschaft und einer rheinisch-westfälischen Adclsopposition rloren hatte. Von Schloss Schcllcnberg in Rellinghausen stammt der älteste Teil noch aus dem 14. Jh. Im 17. und 19. Jh. wurde die Anlage an der Schellenbergstraße allerdings gründlich umgebaut und dient heute als Landespolizeischule. Im >Rittersaal< blieb eine prächtige barocke Stuckausstattung erhalten.




Die Lambertuskirche im Zentrum von Rellinghausen gehörte ursprünglich zu einem Damenstift, das die Essener Abtissin Mathilde 990 gegründet hatte. Der romanische Glockenturm der heutigen Kirche stammt noch aus dieser Zeit. Das klassizistische Langhaus entstand 1826-29; an der Neuung war u. a. Karl Friedrich Schinkcl beteiligt. Von der mittelalterlichen Ausstattung besitzt das Gotteshaus noch den romanischen Taufstein. Rings um den Stiftsplatz blieben mehrere Fachwerkhäuser aus dem 17. und 18. Jh. erhalten. Außerdem steht hier das Steinhaus, das als ältestes erhaltenes Haus auf Essener Stadtgebiet gilt, da seine Grundmauern noch aus dem 13. Jh. stammen. Der Gerichtsturm aus dem 16. Jh. war zeitweilig Verhör-, d. h. Folterstätte für Frauen und Männer, die man der Hexerei beschuldigte. Später nannte man ihn »Blücherturm«, da sein letzter Bewohner - ein Stadtpolizist - angeblich dem berühmten Feldmarschall erstaunlich ähnlich gesehen hat.
Bei der gotischen Klusenkapelle im Essener Stadtwald beflügelte eine kleine Wandöffnung die Phantasie zu zwei Legendensträngen. Die eine Überlieferung, die auch in einem Farbfenster dargestellt ist, bringt die Kapelle mit der Ermordung des Kölner Erzbischofs Engelbert von Berg durch Friedrich von Isenberg im Jahr 1225 in Verbindung: Eine nahe Verwandte des Mörders habe das Gotteshaus gestiftet und sich dort nachträglich einmauern lassen, um die Untat stellrtretend zu sühnen. Eine andere Legende will wissen, dass man hier eine lepröse Stiftsdame von der übrigen Bevölkerung isolierte und durch die Öffnung mit Nahrung rsorgte. Für eine solche Deutung spricht das Patrozinium des kleinen Gotteshauses: St. Agidius gilt als Schutzheiliger aller ansteckend infizierten Kranken. Im Übrigen gibt es für die Isolation von Leprakranken ein weiteres Beispiel auf Essener Stadtgebiet. Die Siechenhaus-Kapelle im Süden von Rüttenscheid - weit vor den Toren der mittelalterlichen Stadt gelegen -war früher einer Leprastation zugeordnet. Die kleine Kirche aus dem 15. Jh. liegt an der Ecke Riittenscheider Straße/Franziskastraße.

An rschiedenen Orten stößt man im Essener Süden auf >WohI-fahrtseinrichtungcn< der Firma Krupp. Hier sind z. B. die beiden Altcnhof-Siedlungcn im Süden von Rüttenscheid zu nennen. Nach einem Entwurf von Robert Schmohl ließ Friedrich Alfred Krupp 1892-l900 zunächst die Kolonie Altenhof I errichten. Die Siedlung wurde in einem rustikalen >Heimatstil< gestaltet. Sic gewann ihr nuancenreiches Erscheinungsbild durch eine gefällige Abwechslung von zehn einander ähnlichen Haustypen. Die phantasievollc Verwendung rschiedenster Baumaterialien - Ziegel, Putz, imitierter Haustein, Fachwerk, Bretterrkleidung - rlieh ihr ein pittoreskes Aussehen. Nach Kriegsschäden existieren allerdings heute nur noch drei dieser Häuser (am Hundackerweg) sowie die geschlossenere, platzartige Bebauung der Gußmannstraße. Die katholische Kapelle der Rentner-Kolonie wurde nach schweren Bombenschäden 1952 in reinfachter Form wiederhergestellt und dient heute beiden Konfessionen zur Seelsorge der Patienten des benachbarten Alfried-Krupp-Krankenhauses. An älterer Ausstattung gibt es noch farbig glasierte Jugendstil-Medaillons. Sic stammen aus dem ehemaligen Kruppschen Wöchnerinnenheim und zeigen Mütter und Kinder.
Im Gegensatz zu Altenhof 1 blieb die 1907-l3 errichtete Siedlung Altenhof II bis heute vollständig erhalten. Vom Materialaufwand her ist sie sparsamer gestaltet. Stilistisch nahm der Architekt Schmohl u. a. Anleihen bei englischen und skandinavischen Vorbildern, Die kleine Konsumanstalt erinnert an ein bergisches Haus. Die Straßenführung passt sich dem hügeligen Gelände gekonnt an und rstärkt den Eindruck einer dörflichen Idylle. Ein Denkmal am Eingang der Siedlung zeigt, wie ein Hüttenarbeiter bei der Heimkehr nach der Schicht seine beiden Kinder herzlich begrüßt.
Den qualitätvollen Höhepunkt im Kruppschen Siedlungsbau bildet anerkanntermaßen die Gartenstadt Margarethenhöhe westlich von Rüttenscheid. Sic trägt den Namen ihrer Stifterin, der Witwe Friedrich Alfred Krupps, die 1906 anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter Bertha 50 ha Land und 1 Million Reichsmark zum Zweck »der Wohnungsfürsorge für minderbemittelte Klassen« zur Verfügung stellte. Bei der Vermietung des Wohnraums waren zwar laut Stif-tungsurkundc »die Angehörigen der Kruppschen Werke in angemessener Weise zu berücksichtigen«. Darüber hinaus durften aber auch andere Personen hier einziehen. Die einzelnen Wohnungen waren auf praktische Belange hin zugeschnitten und jeweils mit einem zentralen Kachelofen ausgestattet, der auch zur Warmwasserbcrcitung diente. Dies galt damals als gelungene, die Lebensqualität rbessernde Neuerung.
Mit der Margarethenhöhe entstand 1910-39 quasi eine eigene kleine Stadt für mehrere tausend F.inwohner. Die Siedlung liegt auf einer Hochfläche, die an drei Seiten durch Taleinschnitte begrenzt wird. Dadurch kommt ein F.indruck von Geschlossenheit zu Stande, der durch die von Georg Metzendorf entworfene Architektur - sie wirkt trotz großen Formenreichtums wie aus einem Guss - sublim rstärkt wird. Die Margarethenhöhe besitzt Kirchen für beide Konfessionen und einen urbanen Mariaplatz mit stattlicher Konsumanstalt.

Südlich von Rüttenscheid, in der Nähe von Essen-Bredeney, ließ Alfred Krupp für sich und seine Familie 1869-72 die Villa Hügel errichten. Dabei war er sein eigener >Ober-Architekt< und gab seinen Baumeistern mehr als nur die großen Linien vor. Demzufolge spiegelt das Gebäude in Konstruktion und Erscheinungsbild das autokratische Selbstrständnis seines prominenten Bauherrn wider und dokumentiert dessen Orientierungsprobleme zwischen dem Ideal einfacher Lebensführung und der Pflicht zu aufwendiger Repräsentation: Das Haus »sollte ein Symbol der Macht sein, die sich in Essen zusammenballte«. Es wirkte schließlich wie »die Klage eines großen Einsamen, dem seine Natur die harmlose Gemeinschaft mit den Menschen, die schlichte Lebensfreude rsagt hat« (Gert von Klass, 1953). So erreichte der größte Wohnhauskubus, den es im bürgerlichen Hausbau gibt, in seinem Tanzsaal zwar annähernd die Dimension des größten Saals im Berliner Kaiserschloss. In ihrem Baustil folgt die Villa Hügel aber nicht den Idealen historisierender Fcudal-architektur, sondern gibt sich mit soliden, glatten Steinfassaden bürgerlich-schlicht, zitiert in zahlreichen Bauelementen aus Gusscisen gar die den heimischen Fabrikbau.
Der Bauherr räumte technischen Aspekten absolute Priorität gegenüber allen Ansprüchen der Bauästhetik ein. Modernste Technik sollte die Bewohner gegen unkalkulierbare Übergriffe der Natur schützen, gegen Brandgefahr z. B. die bevorzugte Verwendung von Metall anstelle von Holz. Großzügige sanitäre F.inrichtungen - auch in den Wohntrakten des Dienstpersonals - ermöglichten eine anspruchsvolle Hygiene, und zwar zu einer Zeit, als Choleraepede-mien noch häu aus den F.lendsquartieren in die >besseren Viertcl< übergriffen. Letztlich war Krupp mit seiner Vision eines technisch-komforlen und mechanisch perfekt funtionierenden Hauses seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Seine Nachfahren fühlten sich allerdings in diesem Ambiente nicht wohl und rdarben das zurückhaltend-funktional gestaltete Hausinncre durch Pomp und Plüsch, Kunstwerke und Exotica zu einer >wohnlichen< Luxuslandschaft. So wurden z. B. die Gusseisernen Pfeiler in der unteren Halle um 1900 mit Stuck umkleidet.

Die Villa Hügel wurde 1954 einer gemeinnützigen Stiftung übereignet und ist seitdem für die Öffentlichkeit zugänglich. Ein Teil des originalen Mobiliars - darunter der ausladende Schreibtisch des Fir-menschefs - blieb am Platz. Ölgemälde zeigen Mitglieder der Krupp-Familie oder auch der Hohenhenzollerndynastie. Außerdem werden flandrische Gobelins des 16-l8. Jh. präsentiert: ein Zyklus aus der spanischen Geschichte zur Zeit Ferdinands und Isabellas, Allegorien der sieben Freien Künste, Szenen aus der Apostelgeschichte (Repliken nach Raffel).
Die Villa ist weiträumig von Parkanlagen umgeben. Da Alfred Krupp auf Grund seines fortgeschrittenen Alters fürchtete, die vollen Entfaltung des Hügelparks nicht mehr zu erleben, ließ er dort hochaufgeschossene Bäume anpflanzen, die woanders mühsam ausgegraben werden mussten. Nördlich der Umfriedung liegt die idyllische Gartenstadt Am Brandenbusch, wo Hügel-Bedienstete wohnen konnten. In der kleinen evangelischen Kirche ist die Familienbank der Krupps mit dem Symbol der >Drei Ringe< rziert. Die Familiengräber der Industriellenfamilie befanden sich ursprünglich auf einem stadtnahen Friedhof südlich des Hauptbahnhofs. Als dieser Gottesacker dem Ruhrschnellweg-Tunnel weichen musste, wurden die Gebeine 1955 auf den Brcdcncycr Friedhof umgebettet.







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