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Im Norden und Nordosten: Altenessen, Stoppenberg, Katernberg

Im Norden und Nordosten: Altenessen, Stoppenberg, Katernberg

Das Düsseldorfer Rcgicrungspräsidium beschrieb Altenessen vor hundert Jahren als ein Konglomerat von weit über das platte Land hin rstreuten Zechen, Arbeiterkolonien, einzelnen Häusern von Grubenbeamten und kleinen Gewerbe treibenden, Kirchen und Schulen. Nur eine einzige Straße sei gepflastert, und auch dort gebe es nicht durchgängig Bürgersteige Ahnlich wie in Borbeck muss es auch in Altencsscn während der Industriellen Revolution chaotisch zugegangen sein. So lag hier z. B. eine evangelische Volksschule direkt neben dem größten Schweinemarkt Deutschlands, und eine Polizeirordnung monierte noch 1897 den misslichen Umstand, dass Schulschwänzer gerne als Schweinetreiber jobbten, um ihr Taschengeld aufzubessern.

Manche der älteren Baudenkmäler Altcncssens - z. B. ein repräsentatis Gymnasium im Neurenaissancestil - zeugen allerdings durchaus von einem Bemühen um Kultur. Aber auch solche Bauten spiegeln unterschwellig die lokale Industriegeschichtc wider: So sind z. B. in der evangelischen Kirche am Karlsplatz die Säulen aus Ruhrstahl gegossen (Architekt: C. Nordmann, 1887-90). In der weiträumigen Emporenhalle, die in den 1990er Jahren durch eine einfühlsame Restaurierung ihr originales Erscheinungsbild weitgehend wiedergewann, beeindruckt eine >romantische< Sauer-Orgel von 1890. Die benachabarte katholische St. Johanneskirche muss auf Grund von Bergsenkungen heute durch ein Netz aus Zugankern gegen weitere Bergschäden gesichert werden. Mit Hilfe eines modernen Farbkonzepts wurde rsucht, die optische Wirkung dieser Störclcmente zu mildem. Die neugotische Kirchenhalle entstand übrigens nicht »aus einem Guss«, sondern musste zwischen 1860 und 1901 mehrfach erweitert werden, um die stark wachsenden Bergbaubevölkc-rung aufnehmen zu können. Im Kaiscr-Wilhelm-Park erinnert ein Arbeiterdenkmal mit den Skulpturen von Bergmann und Schmied an die beiden wichtigsten Branchen der lokalen Industrictradition.



Altehrwürdiges Relikt der Bergbaugeschichtc Altenessens ist der Malakoffturm über Schacht Carl (ursprünglich >Schacht HerculesOffcnen Produktionsort der Künste« ausgebaut. Im Sommer wird der alte Zechenhof zum stimmungsvollen Biergarten, wo sich nicht nur die alternati Szene trifft. Nördlich von Altenessen wird die Schurenbach-Halde neuerdings durch eine monumentale Landmarke gekrönt, die >Bramme für das Ruhr-gebiet< von Richard Serra.
Im Gegensatz zu Altenessen besitzt das östlich anschließende Stoppenberg noch ein bauliches Zeugnis aus dem Mittelalter: Zur religiösen Betreuung eines zinspflichtigen Oberhofs ließ die Essener Abtissin Swanhild (1073-85) auf einem steilen Hügel eine Kirche errichten, die durch den Kölner Erzbischof Anno II. 1074 geweiht werden konnte. Ein im 12. Jh. angegliedertes Prämonstratenserin-nenkloster wurde im 15. Jh. in ein Frauenstift umgewandelt. Seit 1964 betreuen Unbeschuhte Karmeliterinnen die kleine dreischife Basilika, die heute im Wesentlichen ihren Bauzustand aus der Mitte des 13. Jh. widerspiegelt: Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt sie anstelle des zerstörten gotischen Netzgewölbes z. T. wieder eine Flachdcckc. Der romanische Taufstein stammt noch aus dem 11. Jh. In der Kirche fand der Gründer der St. Antony-Hütte in Sterkrade seine letzte Ruhestätte (s. S. 235).
Am Fuß des Hügels entstand 1906-07 der prächtigste Sakralbau auf (heutigem) F.sscner Stadtgebiet. Angesichts des ungewöhnlichen Bauwerks war der konservati Kölner Kardinal Antonius Fischer zunächst hochgradig irritiert, sodass er die Weihe rweigern wollte: »Ein guter Konzertsaal, aber keine Kirche«, soll sein erster Kommentar gewesen sein. Sicherlich ist eine solche Einschätzung nicht völlig abwegig, denn der Architekt, Carl Moritz, machte sich damals gerade mit repräsentatin Theaterbauten für Bochum, Köln und Kattowitz einen Namen. Bei der Stoppenberger Kirche, die dem hl. Nikolaus geweiht ist, kombinierte er romanische und gotische Elemente mit spätanliken Raumvorbildern und Jugendstil-Akzenten.
Zwei sehr schlanke, achteckige Türme flankieren die dreifach gestaffelte Hauptfassade, der eine Eingangshalle und eine Loggia vorgelagert sind. An drei Stellen werden die Mauern von Fensterrosen durchbrochen. Hoch oben am Hauptgiebel ist eine Kreuzigungsgruppe aus Tuffstein angebracht: Christus triumphans, umgeben von vier Engeln. Gerade hier wird der Einfluss des Jugendstils deutlich. Ihren Widerpart findet diese Kreuzigung im - ebenfalls dem Jugendstil rpflichteten - Schwanhild-Brunnen am Fuß der Treppenanlage, die zur Kirche hochführt.

Für den Innenraum von St. Nikolaus (s. Abb. hintere Umschlagklappe) hat offenbar die römische Konstantinbasilika Pate gestanden. Das hohe, sehr breite Mittelschiff dominiert stark gegenüber den schmalen, niedrigen Seitenschiffen. Zur Ableitung der Kräfte des Tonnengewölbes wurden schlanke Rundsäulen vor die Innenwände postiert. Ungewöhnlich ist die Anbringung der Kreuzwegstationen als Fries vor den Blcndarkaden der Triforicnzone. Sic wurden von dem Wiedenbrücker Bildhauer Pütz geschaffen, von dem auch weitere Stücke der weitgehend erhaltenen Ausstattung in Jugendstil und Beuroner Stil stammen. Einer der Nebenaltäre zeigt, wie die hl. Barbara zwei Bergleute segnet, die sich auf Schlägel und Eisen stützen. Im Chorraum blieben kleine Fußbodentliesen mit Bergbaubezug erhalten: mit einer Grubenlampe und dem Schriftzug GLÜCK AUF.
Im Laufe ihrer recht jungen Geschichte litt die Kirche stark unter Bergsenkungen. Bereits 1912 wurden erste Schäden an Fußboden und Gewölben konstatiert. Noch unter Mitwirkung des inzwischen 81 Jahre alten Architekten musste 1936 eine neue Decke eingebaut werden. Dieses Mal wählte man eine Kassettendecke aus Sperrholz, nachdem von dem alten, steinernen Tonnengewölbe häu Putzplacken herabgefallen waren. Anlässlich einer weiteren Grundrenovierung erhielt der Kirchenraum in den 1970er Jahren seine heutige, sehr bunte Farbgestaltung. Dabei restaurierte man auch die ursprüngliche Ausmalung der Apsiskuppel, die Christus als Weltenrichter zeigt, umgeben von den vier Evangelisten.

Der nordwestlich anschließende Vorort Katernberg wurde durch die Zeche Zollrein geprägt, die um 1930 im Umfeld ihrer Schachtanlagen allein ca. 3 000 werkseigene Wohnungen besaß. Alte Koloniehäuser gibt es heute in Katernberg u. a. noch an der Schlägel- und Eisenstraße (1883) sowie nördlich der Zollreinstraße (1890). In unmittelbarer Nähe zur zentralen Schachtanlage liegen an der Haldenstraße mehrere aufwändig gestaltete Steigerhäuscr aus den 1890er Jahren sowie eine Höhere Mädchenschule für die Töchter der Zechenbeamten.
Im Zentrum von Katernberg förderte Zollrein den Kirchbau beider Konfessionen. Die erste evangelische Kirche von 1877 genügte allerdings nach nur zwei Jahrzehnten den Anforderungen der stark gewachsenen Gemeinde nicht mehr und war überdies durch Bergsenkungen bereits schadhaft geworden. Unter maßgeblicher Hilfe der Zeche wurde sie 1900/01 durch einen großzügigen Neubau am Katernberger Markt ersetzt (Architekt: C. Nordmann). Die neuromanische Fmporcnhalle mit Stahlstützen hat ihren ursprünglichen Raumeindruck bis heute weitgehend bewahren können, wenngleich der Chorraum nach Kriegsschäden in ränderter Form wieder aufgebaut wurde. In der Turmhalle der St. Josefskirche am Josef-Schüllcr-Platz erinnert eine Gedenktafel daran, dass auch die katholische Kirchengemeinde von der Zeche Zollrein finanziell unterstützt wurde. Die neugotische Basilika besitzt noch beachtliche Teile ihrer Originalausstattung an Altären, Heiligenuren, Kreuzwegstationen, Beichtstühlen, Bänken.







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