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Der Munizipalsozialismus

Der Munizipalsozialismus

Die Aufgaben
Der große Umfang der Aufgaben europäischer Stadtbehörden geht im Wesentlichen auf die mittelalterliche Bürgergemeinde zurück. Diese besaß eine Vielfalt von Funktionen. Historische öffentliche Bauten dokumentieren dies. In der Zeit des Absolutismus übernahm die staatliche Bürokratie einen großen Teil der Aufgaben, darunter das Schulwesen und die Sozialinstitutionen. Kulturelle Einrichtungen, Unirsitäten, Museen und Theater wurden zu einer Verpflichtung des Herrscherhauses. Das Städtewachstum des 19. Jahrhunderts brachte neue Aufgaben. Sie wurden vom technischen Städtebau, zunächst vielfach unter Beteiligung von Privatgesellschaften beim Bau der Massenrkehrsmittel und der Ver- und Entsorgungseinrichtungen, gelöst.
Seit der autonomen Gemeinderfassung des Liberalismus gelang es den städtischen Behörden, ihre alten Rechte und Verpflichtungen Schritt für Schritt zurückzugewinnen.
Der Munizipalsozialismus an der Wende zum 20.Jahrhundert, dessen Maßstäbe in Wien von Bürgermeister Lueger gesetzt wurden, brachte ein neues Kapitel der europäischen Kommunalpolitik.

Recht spektakulär vollzog sich in Wien die Verstaatlichung der öffentlichen Verkehrsmittel und anderer Versorgungseinrichtungen, wie der Gas-und Elektrizitätswerke. Weit unauffälliger folgten in der Zwischenkriegszeit die meisten Städte Europas dem Wiener Beispiel.



Gesellschaftspolitische Grundsätze des sozialen Wohlfahrtsstaates fanden in die Institions- und Tarifpolitik mit der Verbannung des Profitdenkens und der generellen Akzeptierung des Gemeinnutzenprinzips bei Sozial- und Infrastruktureinrichtungen Eingang. Die Konsequenzen für die Aufgabenstruktur der Kommunalbehörden im Hinblick auf die räumliche Organisation von Städten liegen auf der Hand. Dort, wo der Magistrat die Betriebsführung bei den Infrastruktureinrichtungen innehat, besteht in der Regel ein Qualitätsgradient vom Zentrum zur Peripherie und in vielen Fällen eine Unterrsorgung des Stadtrandes. Ferner ergibt sich daraus die Tendenz, die neue Verbauung möglichst eng an die bereits bestehende anzuschließen und damit die vorhandenen Versorgungseinrichtungen zu nutzen. Die Standortpolitik nicht nur des sozialen Wohnungsbaus der Zwischenkriegszeit, sondern auch die des Genossenschafts- und Eigentumswohnungsbaus der Gegenwart wird davon bestimmt.
Die Unterschiede im Bereich der sozialen Infrastruktur akzentuieren die obigen Aussagen. Unter den Einrichtungen der sozialen Infrastruktur kommt dem Schulwesen ganz allgemein eine besondere Bedeutung für die soziale Differenzierung von Städten zu. In den meisten europäischen Staaten ist das Schulwesen rstaatlicht und durch einheitliche Lehrpläne und eine einheitliche Bezahlung der Lehrer geregelt. Bildungspolitik ist ein Mittel des Disparitätenausgleichs, und zwar sowohl auf der interregionalen als auch auf der intraurbanen Ebene.

Der soziale Wohnungsbau

Der soziale Wohnungsbau wurde in Europa in Zeiten der Wohnungsnot "geboren und ist heute vielfach ein Instrument der Wahlgeometrie für sozialdemokratische Stadtverwaltungen. Auf ihn entfallen in den Niederlanden kO% des Wohnungsbestandes! Dementsprechend hoch ist seine Bedeutung als Integrationselement verschiedener Bevölkerungsgruppen. Wien hat in der Zwischenkriegszeit das architektonische Modell der riesigen kommunalen Wohnburgen weltweit exportiert (Abb. 6.20).
Ebenso wie ein Engagement im Wohnungsbau wird in weiten Teilen Europas auch die Schaffung von Erholungsflächen als ein integrierender Bestandteil der kommunalen Aufgaben angesehen. Auf diesem Felde hat sich freilich schon der aufgeklärte Absolutismus verdient gemacht. So erteilte in Wien Kaiser Joseph II. 1782 den Befehl, die staubigen Flächen des Glacis mit Gras und Bäumen zu bepflanzen, um für die in der Enge der dicht verbauten Stadt lebende Bevölkerung ein Erholungsgebiet zu schaffen. Im Liberalismus verschmolz das Konzept der Allmende der mittelalterlichen Stadtgemeinde mit dem ästhetischen Prinzip barocker Gartenkultur. Anstelle des Befestigungsareals entstanden in vielen Fällen Parkanlagen. Selbst das spekulationsfreudige späte 19. Jahrhundert sparte im gründerzeitlichen Rasterschema der Städte des kontinentalen West- und Mitteleuropa kleine Parks aus. Das soziale Grün des kommunalen Wohnungsbaus ist inzwischen zu einem selbstverständlichen Inventar auch von Genossenschaftsund Eigentumswohnbauten geworden, allerdings noch nicht in Südeuropa.

Der viel diskutierte "green belt, den E. Howard als Begrenzungsrahmen seiner "New Town vorsah, erhielt in den dicht verbauten kontinentaleuropäischen Städten in erster Linie eine Erholungsaufgabe zugewiesen, so im 1904 gesetzlich beschlossenen Lueger'schen Grüngürtel für Wien.

Kommunale Bodenpolitik

Damit erhebt sich die Frage nach der kommunalen Bodenpolitik. Mit ihr steht und fällt jegliche Möglichkeit, tatsächlich umfassende Pläne von Seiten der Kommunalbehörden zu realisieren. "Integrale Stadtplanung bedarf der Verfügungsgewalt über das Land. Schon die Preußenkönige wussten dies, als sie ihre ehrgeizigen Pläne zur Ausgestaltung und Verschönerung Berlins im 18. Jahrhundert in Angriff nahmen. Sie erwarben nach und nach so viele Grundstücke, dass sie schließlich kO% der Stadtfläche ihr Eigen nennen konnten. Im 20. Jahrhundert eiferten sozialdemokratische Stadtbehörden diesem Beispiel nach. So begann Stockholm schon zu Beginn des 20.Jahrhunderts mit dem Aufkauf von Grundstücken außerhalb und innerhalb der damaligen Stadtgrenze.
Bereits auf die mittelalterliche Bürgerstadt gehen die Bauordnungen zurück. Sie entsprechen der Kontrollfunktion der Bürgergemeinde über die Bautätigkeit ihrer Mitglieder. So zwangen z.B. italienische Städte die Adelsfamilien, ihre Turmbauten abzubrechen.
Der Liberalismus hat von der Bürgergemeinde die Grundvorstellung einheitlicher Traufhöhe und Fassadengestaltung übernommen. Das liberale Zeitalter stanzte sie über Europa hinweg in erstaunlich einheitlicher Weise in Bauklassen um. Paris gab mit der Bauordnung von 1795 mit einer maximalen Bauhöhe von 25 Metern, die der damaligen Gerüsttechnik entsprach, das Vorbild ab. Auch der technische Fortschritt der Stahl-Zement-Konstruktion um die Wende zum 20. Jahrhundert mit den Möglichkeiten des Hochhausbaus konnte diese bereits genormten und eingespielten Regulierungen und verwaltungsrechtlichen Durchführungsbestimmungen sowie die traditionellen städtebaulichen Vorstellungen nicht durchbrechen (Abb. 6.21,6.26, 6.27).

Dies gelang erst nach dem Ersten Weltkrieg, jedoch auch dann nur bis zu einem gewissen Grad, mit der Einführung des in der Vertikalen elastischen Begriffs der Geschossflächendichte.
Das Aufbrechen der traditionellen Reihenhaus-verbauung zu Baublöcken verhalf zwar dem Hochhausbau zum Durchbruch, wenn auch nicht einem von amerikanischem Zuschnitt. Diesen schließen die seit der Zwischenkriegszeit im Zuge des sozialen Wohnungsbaus in die älteren Bauordnungen eingefügten Bestimmungen aus, wonach der Lichteinfallswinkel bei der lichten Weite zwischen Nachbarbauten zu berücksichtigen ist.
Wenn auch das Bauhöhenprinzip der Reihen-hausverbauung heute durch das Geschossflächenprinzip ersetzt ist, so wurde das in den alten Bauordnungen der Großstädte in Form von Bauklassen festgelegte Zonenmodell nicht fallen gelassen, sondern nur durch ein Modell von Zonen unterschiedlicher Geschossflächendichte ersetzt.
In der Praxis unterliegt damit die Bautätigkeit in den großen Agglomerationen drei unterschiedlichen Grundsätzen:

1. einem modifizierten Bauklassenprinzip im geschlossen verbauten Stadtkern,
2. der Geschossflächenregulierung im Weichbild innerhalb der Stadtgrenze und
3. örtlichen Flächenwidmungsplänen in den Randgemeinden außerhalb der Stadtgrenze.


Steuerpolitik

Die Frage der Steuerpolitik kann hier nur angerissen werden. In weiten Teilen Europas sind die Steuern, die auf Haus- und Grundbesitz lasten, zu reinen Anerkennungsgebühren geworden. Anders war die Situation vor dem Ersten Weltkrieg. Die Hauszinssteuer in der österreichisch-ungarischen Monarchie bildete die Basis des Steueraufkommens des Staates. Auf sie entfielen ca. 40% der Einnahmen des Budgets. Das geringe Steueraufkommen der Wohnsatelliten europäischer Großstädte, selbst wenn sie von gehobenen Sozialschichten bewohnt werden, wird gegenwärtig als Strukturmangel hingenommen.
Ein heute gleichfalls mehr oder minder in Vergessenheit geratenes Mittel der Behörden zur Regulierung der Bautätigkeit bildeten die "Steuerfreijahre. Mit ihrer Hilfe hatte schon das absolutistische Landesfürstentum seine Stadtbürger dazu gebracht, die Häuser "zur Zier der Stadt zu verschönern oder, wie sich etwas despektierlich ein Wiener Obersthofmeister im 17. Jahrhundert ausdrückte, "respektierliche Fassata vor die Wanzen-kobeln zu setzen. Im Liberalismus wurden die Steuerfreijahre zu einem Schrittmacher für die Citykräfte bei ihren Bestrebungen um die Erneuerung des Baubestandes im Stadtkern. Das Ausmaß der Umbautätigkeit in der Stadtmitte und längs der von dort ausstrahlenden Ausfallstraßen kann in der viel zitierten Gründerzeit geradezu als ein Gradmesser für das mit der Intensität der Citybildung Hand in Hand gehende Steigen der Bodenpreise und Mieten angesehen werden.

Verkehrsprogramme

Langfristige Verkehrsprogramme gehören seit den 1960er Jahren zu einem integrierenden Bestandteil der Flächenwidmungspläne der meisten Großstädte. Sie enthalten folgende Grundsätze: Die Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen öffentlichen Verkehrs und damit auch des Verkehrsprimats der City zählt zum allgemein akzeptierten Glaubensbekenntnis. Wohl mit keiner anderen Maßnahme können kommunale Behörden auch derart entscheidend in das Standortgefüge von Städten eingreifen. Dies wird vor allem im Vergleich mit Nordamerika klar, wo bis zu den Millionenstädten die von Privatgesellschaften betriebenen öffentlichen Verkehrsmittel bereits zusammengebrochen sind. Der Niedergang der amerikanischen Downtown steht zweifellos in Wechselwirkung mit dem Primat des Autoverkehrs.
Miteinander wetteifernd begannen dagegen die Kommunalbehörden der großen europäischen Städte bereits ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts mit dem Bau von Untergrundbahnen. In allen Metropolen Europas ab einer halben Million Einwohner sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts U-Bahnen gebaut worden. Nur in britischen Metropolen wie Manchester fehlen sie, ebenso in Dublin.
Das Primat der öffentlichen Verkehrsmittel wurde in den ehemals sozialistischen Staaten zur Planungsdoktrin erhoben und dementsprechend der öffentliche Verkehr, insbesondere der U-Bahn-Bau, forciert. Die Moskauer U-Bahn ist heute mit 8,9 Millionen Passagieren pro Tag und 3 Milliarden im Jahr die am stärksten frequentierte U-Bahn der Welt. Ihre Konstruktion begann 1932 mit eleganten und weiträumigen Stationen. Sie galt als Kunstwerk und gleichzeitig als nationales Symbol. Die Moskauer U-Bahn ist 269km lang und hat 160 Stationen. Die Züge sind identisch mit jenen in anderen zur UdSSR bzw. zum COMECON gehörenden Millionenstädten, z.B. St. Petersburg, Nowgorod, Minsk, Kiew, Charkow, Bukarest, Sofia, Warschau und Prag, wo sich die tschechische Regierung seinerzeit bemüht hat, das Moskauer Vorbild im U-Bahn- und Straßenbau nicht nur zu erreichen, sondern - wenn möglich - sogar zu überbieten. In monumentaler Granitbauweise ausgeführt, mit sorgfältig ausgebildeten Oberflächen der Wände und Decken, perfekten Beleuchtungsverhältnissen und übersichtlicher Orientierung ausgestattet, werden die U-Bahnen von den tschechischen Architekten mit Stolz als "eine alltägliche Schule des Geschmacks und der bürgerlichen Moral bezeichnet.
Nun wäre es aber unrichtig anzunehmen, dass der Ausbau von Straßen und Autobahnen in der sozialistischen Stadtplanung kein Gewicht besessen hätte. Das Beispiel von Moskau mit einer vorbildlich ausgebauten, an die historischen Torstraßen anknüpfenden Radiale und einem kreisförmigen Netz von Schnellstraßen und Autobahnen belegt das Gegenteil.
Zum Unterschied von Amerika hat die "autogerechte Stadt in Westeuropa nur kurzfristig als Leitbild gedient. Es erfolgte bereits in den 1960er Jahren eine Abkehr von diesem Modell mit seinen Straßendurchbrüchen, Fußgängerunterführungen usw. Ein duales Modell der Verkehrsentflechtung überschwemmte unter dem Slogan "Jeder Kleinund Mittelstadt eine Fußgängerzone Europa mit Lösungen verschiedener Art. Neue Zielsetzungen standen Pate:

■ dem Fußgänger sollte die Stadt wieder "zurückgegeben werden (Verkehrsentflechtung),
■ das zentrale Geschäftszentrum sollte gestärkt und
■ der historische Baubestand erhalten werden.
In der Realität sind in Abhängigkeit von der historisch-topographischen Struktur der jeweiligen Städte sehr unterschiedliche Lösungen entstanden. Fußgängerbereiche rückten seit dem Denkmalschutzjahr 1975 auf Platz eins der Zielsetzungen der Innenstadtplanung. In den 1980er Jahren gewann das Ziel der flächenhaften Verkehrsberuhigung an Bedeutung. In den 1990er Jahren trat dazu die Zielsetzung, in der Innenstadt eine gehobene Lebensqualität zu "inszenieren (Abb. 6.22, 6.23).

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts besitzt nahezu jede deutsche Stadt in den alten und neuen Bundesländern Fußgängerstraßen. Netzwerke von vier bis neun Kilometer Fußgängerzonen sind inzwischen Instrumente des Stadtmarketings geworden, wobei nach einer Phase der Funktionalität nunmehr Lebensqualität und die Inszenierung von Events im Vordergrund stehen. In der wettbewerbsorientierten Welt wird mit dem Image von Produkten geworben. Dabei werden auch Ereignisse und Symbole vermarktet. Fußgängerzonen wurden auch zu einer Bühne der hedonistischen Freizeitgesellschaft. Dazu gehören die von öffentlicher wie privater Seite inszenierten Freiraum-Events, Open-Air-Konzerte, sogar ganze Kulturprogramme auf zentralen Plätzen, Bürgerfeste, historische Märkte und Festivals, die sich oft über die gesamte Innenstadt erstrecken.







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