Das ausgedehnte Krankenhausvicrtel der Charite an der Luisenstraße wird im Norden von der Invalidenslraßc und im Westen von S-Bahn und Spandauer Schiffahrlskanal begrenzt. Der Hauptzugang erfolgt im Süden von der Schumannstraßeaus. ImJahre 1710, als in der Mark Brandenburg eine Pestepidemie ausgebrochen war, ließ Friedrich I. vor den Toren der Stadt ein Pesthaus errichten. Dieses wurde später als Spinn- und Arbeitshaus, dann als Garnisonslazarett genutzt. Nach der Umwidmung in ein »Bürgerlazarett« erhielt es 1727 den französischen Namen »Charite« (Nächstenliebe, Barmherzigkeit). Mit den Umbaumaßnahmen des Gebäudckom-plexes von 1785-1800 entstand die größte Krankenhausanlagc Berlins. Bereits 1811, unmittelbar nach der Gründung der Friedrich-Wilhelms-Univcrsi-tät, wurde deren Medizinische Fakultät in der Charite angesiedelt. Ihre vollständige Eingliederung in die Universität erfolgte 1829. Die Entwicklung der Medizin und die Auffächerung in immer mehr Fachgebiete erforderten einen weiteren Ausbau; 1831-35 entstanden die Gebäude der »Neuen Charite«.
Die medizinische Versorgung ließ jedoch weiterhin zu wünschen übrig. Im Zuge der Seuchenbekämpfung fand sich unter Leitung des Arztes Dr. J. Zadeck eine Arbeilcrsanitätskommission zusammen, die sich auch mit den Zuständen in der Charite befaßte. 1893, nachdem die Forderungen der Kommission nach Abschaffung der Mißstände bei den zuständigen Behörden keine Resonanz gezeigt hallen, rief diese zum Charite-Boykott auf. Tatsächlich verbesserte sich nun im Laufe der nächsten Jahre die Krankenversorgung, und 1897 begann man endlich mit dem Neubau der Charite. Es entstanden die Klinikgebäude für Chirurgie, innere Medizin und Kinderkrankheiten, die Nervenklinik, das pathologische Institut und andere Gebäude. In der Zeit von 1870 bis 1933 erreichte die Charite ihren höchsten wissenschaftlichen Stand und genoß weltweites Ansehen. Es wurde begründet durch die Namen der dort tätigen Mediziner und Wissenschaftler, z.B. Robert Koch (1843-1910), Entdecker des Milzbrand-, Tuberkel- und Cholcraerregers, und Rudolf Virchow (1821 1902). Virchow erhielt 1856 die Stelle des Direktors des pathologischen Instituts, die er bis zu seinem Tod innehatte. Hier begründete er die Zcllularpathologie: Krankheit als Veränderung der Zellen, eine umwälzende Neuerung in der Medfzin des 19. Jahrhunderts. Besondere Verdienste erwarb sich Virchow auch um die öffentliche Gesundheitspflege. So setzte er sich mit Erfolg für den Bau einer städtischen Kanalisation in Berlin ein. Seit 1859 war Virchow Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, später Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses und des Deutschen Reichstags. Andere berühmte Ärzte der Charite waren Otto Hcubner, Ernst von Leyden, Albrecht von Graefe, Adolf Bardeleben, Theodor Brugsch, Ferdinand Sauerbruch. Nach der Zeit ihres größten Ruhmes erfolgte ab 1933 die Unterordnung der Charite unter den Nationalsozialismus. So blieben auch bekannte Mediziner jüdischer Herkunft nicht von Entlassung und Verfolgung ausgenommen. Die Liste der Angehörigen der Charite, die ihre Arbeit aufgeben mußten, umfaßt 138 Namen. Ganze Forschungszweige wurden abgeschafft oder umfunktioniert. So leitete ab 1937 Max de Crisis, einer der Begründer der Euthanasie, die Nervenklinik.
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