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Sorge um das Seelenheil - Himmelslicht und Höllenfeuer

Sorge um das Seelenheil - Himmelslicht und Höllenfeuer

Mit eine der wichtigsten Antriebsfedern mittelalterlicher Menschen war die von der Kirche geschürte Angst vor dem Jüngsten Gericht. Ständig liefen die Gläubigen Gefahr, ihr Sündenkonto weiter aufzufüllen und damit nach dem Tod vom Teufel in die ewige rdammnis gerissen zu werden. Doch die Kirche schuf auch einen raffinierten Ausweg aus diesem Dilemma: Selbst nach dem Tod konnten Buße, Gebete und fromme Stiftungen die arme Seele wenigstens etwas reinigen, bis das Jüngste Gericht sein endgültiges Urteil sprach.

Engel, Teufel und die arme Seele

Die mittelalterliche Gesellschaft war durch und durch kirchlich geprägt, und so konnte sich kein Mensch ihrem strengen Wertekatalog entziehen. Dabei wurde der Sündenbegriff auch auf immer mehr Kleinigkeiten ausgedehnt. Wortgewaltige Prediger bläuten den Gläubigen ein, dass die Fallstricke der Hölle überall lauerten und der Teufel jede Gelegenheit nutze, die Menschen in die Hölle zu ziehen. In keiner Kirche wurde darauf verzichtet, die Endabrechnung des Sündenkontos bildlich darzustellen -so, dass sie jeder sehen musste. Das Apsisgewölbe romanischer Kirchen schmückte als Blickfang ein raumbeherrschendes Fresko des endzeitlichen Christus mit den vier Wesen, wie ihn die Apokalypse des Johannes schildert. Noch weitaus drastischer, weil eindeutiger waren die in der Gotik beliebten Wandfresken mit dem Jüngsten Gericht. Sie wurden bevorzugt über dem Chorbogen oder über dem Ausgang angebracht, damit sie ja keiner übersehen konnte. Gerade bei der Ausgestaltung der Hölle samt ihrer Monster konnten die Maler ihrer ansonsten von den Klerikern arg beschnittenen Kreativität freien Lauf lassen. Wie ein Standbild aus einem heutigen Horrorfilm brannten sich die dargestellten Höllenqualen den Gläubigen, die so zur Umkehr ermahnt werden sollten, ins Gedächtnis ein.



Kathedralen oder bedeutende Pfarrkirchen leisteten sich darüber hinaus ausführliche Schilderungen des endzeitlichen Geschehens als Relief über dem Hauptportal. Mit großer Dramatik finden sich hier die Toten dargestellt, die von den Posaunen des Jüngsten Gerichts aus dem Grab gerufen werden. Teufel zerren mit den Ketten der Sünde die Verdammten in den Höllenrachen, wo sie auf viele Arten gequält werden. Um klar zu machen, dass selbst die Mächtigen nicht verschont werden, finden sich unter den Sündern immer auch die höheren Stände mit Kaiser, Papst und Bischöfen. Geldsäcke oder Spielwürfel bei beleibten Herren oder modischer Putz bei den Frauen signalisierte klar erkennbar den offiziellen Moralkodex der Kirche. Auf der anderen Seite geleiten Engel die Seligen zur Himmelstür. Dazwischen erscheint meist der Erzengel Michael mit der Seelenwaage sowie Engel, die mit Teufeln noch dramatisch um einzelne Seelen kämpfen. Mit diesen kirchlichen Propagandamitteln waren die Gläubigen nun täglich konfrontiert. Für das mittelalterliche Lebensgefühl spielte dieses Schreckensszenario in seiner Unaus-weichlichkeit und Endgültigkeit eine enorme Rolle. Denn die Ankunft des Herrn und damit das Weltgericht konnte jederzeit ohne Vorwarnung eintreten.
Schon früh entwickelte sich zusätzlich die unangenehme Vorstellung eines Zwischenaufenthaltes der Seele zwischen Tod und Jüngstem Gericht im Fegefeuer. So ungemütlich, wie sich der Begriff anhört, war er auch gemeint. Die Seele, die zwangsläufig mit Sünde befleckt war, schmorte in der Vorstellungswelt der Gläubigen hier unter Schmerzen und Wehklagen vor sich hin, konnte aber einiges schon einmal abbüßen. Für Angehörige Verstorbener war es ein unerträglicher Gedanke, nichts für ihre Lieben tun zu können. Daher entwickelte sich die Annahme, dass der leidenden Seele auch noch nach dem Tod geholfen werden konnte, natürlich ausschließlich unter Vermittlung der Kirche. Gebete, Messen und gute Werke waren hier sehr hilfreich - je mehr, umso besser. Dies führte im Spätmittelalter zu fast inflationären Zuständen postmortaler Seelenrettung. Da auch damals die Menschen schon misstrauisch waren, ob ihre Erben einen Teil der hinterlassenen Barschaft tatsächlich wie gewünscht für das Seelenheil der Verstorbenen investierten, regelten sie dies meist minutiös im Testament oder trafen noch zu Lebzeiten entsprechende Vorsorge. Gerade aus diesen sehr persönlichen Verfügungen Iässt sich deutlich ablesen, wie tief verwurzelt die Angst vor dem Jüngsten Gericht im Denken des mittelalterlichen Menschen war.

Seelenrettung selbst gemacht

Von der Kirche wurden nicht gerade uneigennützig vielerlei Maßnahmen zur Seelenrettung angeboten, die aber in materieller Hinsicht erst einmal ihr selbst zugute kamen. So wurde der Gedanke sehr gefördert, dass Gaben zum Bau und zur Ausstattung von Kirchen als finanzielles Opfer Gott und den Heiligen gefallen und beim Jüngsten Gericht sehr gnädig aufgenommen würden. Von der Kathedrale bis hin zur kleinsten Kapelle gibt es daher keine Kirche des Mittelalters, die nicht zu einem überwiegenden Teil aus diesen kleinen oder größeren Spenden errichtet worden wäre. Ein beliebtes Mittel, gerade für aufwendige und damit teure Klosterkirchen Geld herbeizuschaffen, waren Privilegien an die Mönche, mit den Reliquien ihrer Heiligen eine Bettelfahrt zu unternehmen. Kleinere Baumajinahmen wie Kapellen waren oft aus einer Hand zu finanzieren, womit sich ein Stifter oder eine Familie ganz gut ins rechte Licht setzen konnte. Bei der reichhaltigen Ausstattung mittelalterlicher Kirchen gab es nichts, was nicht durch Stiftungen finanziert wurde: Liturgische Gefäße, Reliquiare, Sakramentshäuser, Glasfenster, Fresken, Gestühle, Türen, Glocken, Orgeln und vor allem Altäre.

Die Stiftung eines Altares war gerade im Spätmittelalter ein beliebtes Mittel zur Seelenheil-Sicherung. So füllten sich allmählich große und kleine Kirchen mit einer erstaunlichen Fülle an Altären, die leider fast nirgendwo mehr in ihrer Gesamtheit erhalten blieben. Meist ist nur noch in Urkunden der originale Bestand fassbar. So standen etwa in größeren Stiftskirchen häufig um die zwanzig Altäre. Was eine Altarstiftung richtig teuer machte, war nicht allein der Altar selbst mit seinen Reliquien und dem kunstvollen Aufbau in Schnitzkunst und Malerei. Zusätzlich musste Grundbesitz oder Kapital bereitgestellt werden, aus dessen Erträgen der für den Altar zuständige Priester seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Denn Zweck einer Altarstiftung war vor allem die damit verbundene Abhaltung von Messen, die dem Seelenheil des Stifters zugute kamen. Bis zum Ende der Welt sollten die Messen gelesen werden. Gestiftet wurde auch eine liturgische Grundausstattung aus Kelchen, Büchern und Messgewändern. Ein sehr wohlhabender Stifter konnte es sich auch leisten, eine eigene Kapelle mit Altar und Grablege an eine Pfarr- oder Klosterkirche anfügen zu lassen, manchmal sogar mit einem eigenen Knabenchor. Bestand einmal ein Altar, konnten dort auch weitere regelmäßige Messstiftungen getätigt werden. Auch hierfür musste der Kirche ein bestimmtes Kapital übergeben werden, aus dessen Zinsen der Priester bezahlt wurde.

Kapitalanlage für die Ewigkeit

Die sicherste weil aufwendigste Variante, die Sündenlast zu mindern, war eine Klostergründung. Denn so betete gleich ein ganzer Konvent für den Stifter, und dies für alle Zeiten. Dem Gründer stand der bestmöglichste Begräbnisplatz zu, den das Kloster zu vergeben hatte: zwischen Chorgestühl und dem Hochaltar mit seinen Reliquien. Ein aufwendiges Hochgrab sowie Darstellungen der Klosterstiftung in Wand- und Glasmalerei dienten dazu, das tägliche Gedenken der Mönche und Nonnen an den Gründer über Jahrhunderte wach zu halten. Da im Mittelalter nie jemand je daran gedacht hätte, dass es einmal zur Auflösung von Klöstern kommen könnte, war dies eine Stiftung für die Ewigkeit. Selbst wenn nicht eigens für den Stifter gebetet wurde, so nahm er dennoch Anteil am permanenten Gotteslob und den Messen, die ohne sein Zutun hier nie stattgefunden hätten.

Eine Klosterstiftung wurde vor allem durch die vom Stifter zu gebende materielle Grundausstattung an großem Landbesitz sehr teuer. Dies machte es nur für wenige erschwinglich, sich so von der Hölle freizukaufen. Aber vor dem Hintergrund, dass hierdurch auf ewig zu erleidende Qualen und Schmerzen verhindert werden konnten, war selbst die teuerste Klosterstiftung gut angelegtes Geld. Um sicher zu gehen, dass Mönche oder Nonnen nicht vor allem ihr eigenes Wohlergehen im Sinn hatten und die Gebetspflichten vernachlässigten, wählte der oder die Stifter immer den gerade modernsten, d. h. strengsten und damit vor Gott wirksamsten Orden oder Reformzweig aus. Die Stifterfamilie behielt sich die weltliche Schutzherrschaft (Vogtei) über ihre Gründung vor, um so auch weiterhin über deren Entwicklung zu wachen. Da schließlich das gesamte Seelenheil der Adelsdynastie im Vordergrund stand, traten immer wieder Familienmitglieder ein, um stellvertretend für alle zu beten und zu büßen. Die meisten Klosterstiftungen stehen am Anfang oder am Ende des Aufstiegs einer Adelsfamilie. Denn ein Hauskloster galt als unverzichtbares Prestigeobjekt, mit dem der neu gewonnene Status nach außen markiert wurde. Gab es keine männlichen Nachkommen mehr, setzte die Familie oft Gott zum Erben ein und wandelte den Familien-zum Klosterbesitz um. Ganze Residenzen verwandelten sich so in Gottesburgen.
Nicht jeder hatte das nötige Kleingeld für eine solche Tat. Dennoch drängte es viele, sich wenigstens in einem Kloster bestatten zu lassen, um so an den Gebeten und Messen des Konvents teilhaftig zu werden. Doch die Mönche und Nonnen machten auch hieraus eine ergiebige Einnahmequelle. Am preiswertesten war es noch, sich unter einem einfachen Holzkreuz auf dem Klosterfriedhof beerdigen zu lassen, der in unmittelbarer Nähe der Kirche lag. Richtig teuer wurde es innerhalb der Kirche oder im Kreuzgang. Eine Grabplatte mit Wappen und Inschrift oder sogar ein repräsentatives Hochgrab sorgten für die nötige Aufmerksamkeit. Am Todestag zog der Konvent hierher, um für den Verstorbenen zu beten. Da auch für sonstige Wohltäter an deren Sterbetag gebetet wurde, erforderte dies im Kloster eine genaue Buchführung, damit keiner vergessen wurde, was wiederum eine schwere Sünde gewesen wäre.
Wie erfindungsreich die Menschen im Mittelalter waren, wenn es um ihr Seelenheil ging, zeigen unter anderem die sogenannten Pitanzien. Dies sind Sonderstiftungen wie Eier, Fische, Kuchen, Wein etc. an ein Kloster, die jeweils am Jahrgedächtnis des Gebers ausgeteilt wurden. Durch diese willkommene Bereicherung des doch etwas schlichten klösterlichen Speiseplans erreichten die Stifter, dass der Konvent besonders motiviert für sie betete.

Trotz des mehr oder weniger frommen Lebens innerhalb der Klöster regte sich auch dort das Misstrauen, ob man wirklich genügend für das eigene Seelenheil tat. So kamen einzelne Konvente schon früh auf den genialen Gedanken, sich mit anderen zu verbrüdern, damit die Gebetsleistung im Sinne einer Heilsmaximierung allen zugute kam. Vor allem den Toten sollte diese Maßnahme helfen. Daher meldeten die Klöster penibel ihre jeweiligen Sterbefälle an verbrüderte Abteien, die diese in eine Totenliste eintrugen. Mit der Verlesung all jener Namen am jeweiligen jährlichen Sterbetag in vielen Gemeinschaften vervielfachte sich auf einfache Art das liturgische Totengedenken. Nach dem Motto »viel wirkt viel« sollte so die einzelne Seele rascher aus dem Fegefeuer gelangen.

Die kleinere Variante zur Klostergründung war die Stiftung eines Hospitals. Hierfür reichte oft schon eine Hofanlage in der Nähe des Stadttores oder der Hauptverkehrsstraße mit einigem Grundbesitz. Die Armen, Verkrüppelten und Pilger, die hier aufgenommen wurden, waren verpflichtet, vor dem Essen für das Seelenheil der Stifter zu beten. Auch die Messen in der meist angeschlossenen Spitalkapelle kamen ihnen zugute. Überhaupt kam dem Mitleid mit den Armen gemäß der christlichen Lehre ein besonderer Stellenwert zu. Denn im Armen konnte man Jesus selbst begegnen. Daher versammelten sich die Bettlermassen einer mittelalterlichen Stadt bevorzugt vor den Kirchenportalen, da gerade hier das schlechte Gewissen der Reichen besonders gut in ein Almosen umgewandelt werden konnte. Wie alle Werke der Barmherzigkeit reduzierte auch dies die Sündenlast. In vielen Testamenten Adeliger oder reicher Bürger tauchen Essens- oder Geldspenden an Arme am Tag des Jahrgedächtnisses auf. Gerade dadurch, dass sie sich nicht mit der Sündenlast des Reichtums befleckt hatten, galten ihre Gebete als besonders rein und wirksam.


Seelenheil für den kleinen Mann

In überwiegend katholischen Gegenden fällt noch heute die Vielzahl an meist neuzeitlichen Bildstöcken auf, doch mittelalterliche Stiche und Gemälde zeigen, dass dieser Brauch auch schon zu dieser Zeit sehr gängig war. Erhaltene Beispiele sowie Gründungslegenden zahlreicher Wallfahrtsorte, die hierin ihren Ursprung haben, bestätigen dies. Einen Bildstock mit einem Kreuz, einer Pieta oder Heiligenfiguren aufzustellen, war auch für den kleinen Mann finanzierbar. Damit konnte er ein Gelübde erfüllen oder dank der Gebete, die von den Vorübergehenden gesprochen werden mussten, auch für sein Seelenheil sorgen. Weit verbreitet waren einst auch Sühne-Kreuze. Sie mussten vom Täter in der Nähe jenes Ortes aufgestellt werden, an dem er sein Opfer getötet hatte. Denn schlimmer noch als das gewaltsam verlorene Leben war für den mittelalterlichen Menschen die Vorstellung, dass der Ermordete plötzlich und daher ohne Möglichkeit, Vorsorge für sein Seelenheil zu treffen, aus dem Leben geschieden war. Das Sühnekreuz sollte daher durch die Gebete der Vorübergehenden einen gewissen Ausgleich für ihn schaffen. Um zu erreichen, dass möglichst Viele beteten, stellte man es wie die Bildstöcke gerne an Wegkreuzungen oder belebten Strafen auf.

Zwei beliebte Mittel zur Minderung der Sündenlast, die sowohl von arm als auch reich ausgiebig genutzt wurden, waren Ablässe und Gebetsbruderschaften. Besonders im Spätmittelalter erfreuten sich diese einer ungeheuren Beliebtheit. Ablässe waren von der Amtskirche ausgestellte Privilegien, die den Gläubigen beim Besuch einer Kirche an bestimmten Tagen einen zeitlich genau befristeten Sündener-lass gewährten - meist waren dies Kirchweih- oder Wallfahrtstage. Ablässe konnten auch mit einzelnen Altären verbunden sein. Von der Kathedrale bis hin zur Wallfahrtskapelle versuchten so alle Kirchen, ihre Attraktivität und damit natürlich ihre Einnahmen zu steigern, indem hier möglichst viele Ablasstage zu erhalten waren. Gerade für die kostenintensiven Bau-majsnahmen waren Ablässe ein beliebtes Mittel der Finanzierung. Gläubige, die in die Baukasse spendeten, erhielten eine gewisse Sündenstundung.
Im Wettbewerb um den Ort, an dem man die meisten Sünden loswerden konnte, überboten sich die einzelnen Kirchen förmlich. So konnten verschiedene Klöster bis in die Hunderttausende gehende Ablasstage anhäufen. Da die jeweiligen Kirchen versuchten, mit ihren Ablässen Profit zu machen, indem immer mehr Gläubige hierher strömten und ihre Gaben spendeten, machte auch die Amtskirche ein Geschäft daraus. Sie gab diese Ablässe nur gegen entsprechende Fürsprache, Gegenleistungen oder gleich gegen Geld heraus. Das groteske Anwachsen und der Missbrauch des Ablasswesens im frühen 16. Jh. war einer der Gründe, warum es zur Reformation kam. Denn das Motto »Das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt« war offensichtlich überstrapaziert worden.

So fremd wie auf uns das mittelalterliche Ablasswesen wirkt, so fern ist der heutigen Zeit auch die stupide Aufrechnerei der Gebetsbruderschaften - im Mittelalter ein weiteres Mittel zur Verringerung der Sündenlast. Denn diese waren Vereinigungen, in denen die von den Einzelnen zu leistenden Gebete sich zu einem immensen Gnadenschatz summierten, an dem dann alle Mitglieder teil hatten. Auch die Messen, die vor Ort gestiftet und gefeiert wurden, kamen allen zugute. Vorrangiger Zweck war die Errettung der armen Seelen verstorbener Mitglieder aus dem Fegefeuer. Neben lokalen Bruderschaften gab es einige von europaweiter Bedeutung mit Tausenden von Mitgliedern, in denen vom Herrscherhaus bis zu einfachen Bürgern ständeübergreifend alles vertreten war. Eine besondere Kraft zur Errettung armer Seelen schrieb man den Rosenkranz- und Skapulierbruder-schaften zu. Der Legende nach verlieh die Gottesmutter Maria den Rosenkranz dem hl. Dominikus, dem Gründer des Dominikanerordens, und das Skapulier (schmaler Schurz über der Mönchstunika) dem hl. Simon Stock, der den Karmelitenorden nach Europa brachte. Sie gab hierbei das Versprechen, dass beide Gegenstände den Träger vor der Hölle bewahrten, so dass diese bis ins Grab ständig mitgeführt wurden.

Repräsentation bis zum jüngsten Gericht

Teil der Memoria (Erinnerung, Andenken), des liturgischen Totengedächtnisses, war auch die Gestaltung der Grablege. Bevorzugter Bestattungsort des Adels und der hohen Geistlichkeit war das Kircheninnere nahe dem Altar mit seinen Reliquien, deren Heilswirkung noch auf den Toten ausstrahlen sollte. Erst ab dem 12. Jh. kommen anstelle der bisher üblichen schlichten Grabplatten, die sich nur wenig über das Fußbodenniveau erhoben, aufwendigere und vor allem figürliche Gestaltungen hinzu.
Die repräsentativste Form war das Hochgrab, das vom 13.-16. Jh. beim Hochadel und den Bischöfen ein absolutes »Muss« war. Über der Bestattung unter dem Kirchenfußboden erhob sich ein kastenförmiger Aufbau (Tumba) mit einer Deckplatte. Auf dieser befand sich eine dreiviertelrunde Liegefigur, die den Verstorbenen mit den Insignien seiner weltlichen und geistlichen Würde zeigt. Die Darstellungen sind aber keine Portraits, sondern Idealbilder. Sie bilden den Toten fast durchweg in der Blüte seiner Jahre in ebenmäßiger Schönheit ab, auch wenn derjenige erst im hohen Alter gestorben war. Diese Zeitlosig-keit verweist schon auf die Auferstehung. Denn nicht mit den Gebrechen des Alters, sondern in jugendlicher Kraft und Schönheit wollte man unbeschwert ins Ewige Leben aufbrechen.
Die Grabfiguren sind immer in betender Haltung dargestellt. So wird demonstrativ fromme Gesinnung und Vorbereitung auf die Ewigkeit vorgeführt. Zudem schien es bei den Jahrgedächtnissen, bei denen das Grab von Klerikern und der Verwandtschaft aufgesucht wurde, dann so, als betete der Verstorbene mit - also auch hier wieder die unauflösliche Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Heute haben die allermeisten Hochgräber ihre einst reiche Farbfassung verloren. Durch sie wirkte die Grabfigur wie lebend im Moment ihrer Auferstehung. Deshalb sind die Augen geöffnet. Die steinernen Aufbauten waren üppig mit Maßwerkschmuck verziert, teilweise begleitete ein ganzer Trauerzug oder Heilige als Reliefs den Toten.

Rund um die Deckplatte läuft immer eine Inschrift um, die Sterbedatum, Name und Titel nennt. Waren die Gräber des Frühmittelalters noch weitgehend schlicht und anonym, so änderte sich dies in den folgenden Jahrhunderten radikal. Zwar wird persönliche Eitelkeit auch schon eine große Rolle bei der Größe der Grabmäler und der Anbringung von Inschriften gespielt haben. Aber Hauptmotivation war die Angst vor dem Vergessen, dem geistigen Tod.
Erst im Spätmittelalter verbreitete sich, ausgehend vom Kunstzentrum Burgund, auch in Deutschland eine makabre Doppelgestaltung. So findet sich auf der Deckplatte der Verstorbene in seiner ganzen Pracht dargestellt, während eine zweite Platte darunter den nackten Toten im fortgeschrittenen Zustand der Verwesung zeigt - eine ständige Mahnung an die Vergänglichkeit allen irdischen Ruhms (memento mori).

Mittelalterliche Kirchen glichen wahren Grabhäu sern. Denn die sperrigen Hochgräber standen mitten im Raum, der damals noch keine Bankreihen besaß. Der Boden war im Lauf der Jahrhunderte fast ganz bedeckt mit zahllosen ebenerdigen Grabplatten in flachem Relief oder Ritztechnik, manchmal ausgefüllt mit Messing oder Marmor. Doch auch die Wände waren in den Totenkult miteinbezogen. Hier hingen in der Nähe des Grabes bei Bischöfen und Herrschern rühmende Inschrifttafeln, die ausführlich auch deren Stiftungen für ihr Seelenheil bekannt gaben. Aus der Sitte, die Turnierschilde der Verstorbenen in der Kirche aufzuhängen, entwickelten sich bei den Patriziern die runden Totenschilde, die das jeweilige Wappen zeigen. Wer es sich leisten konnte, stiftete zudem ein Ewiges Licht, das über dem Grab brannte. Alle Gräber in und um die Kirchen waren mit Blickrichtung nach Osten angelegt. So wie dort jeden Tag die Sonne aufgeht, so erwartete man von hier die Wiederkunft Christi beim Jüngsten Gericht.

Nicht nur in ihren Grabmälern, auch in der von ihnen bezahlten Kirchenausstattung blieben die frommen Stifter bildlich präsent und damit Teil ewigen Angedenkens. Besonders beliebt waren Darstellungen der Stifterwappen oder -figuren in den teuren Glasfenstern, denn hier fielen sie besonders gut ins Auge. Noch weitgehender war die Stifterrepräsentation auf den vielen Altären, die in einer mittelalterlichen Kirche standen. Hier tauchen inmitten des gemalten heiligen Geschehens unvermittelt kleine Figürchen der Stifter auf. Mit der Zeit wurden die stets kniend und betend gezeigten Bittsteller immer größer. Da sie im Spätmittelalter mit ihren realen Gesichtszügen gemalt wurden, war es von hier nur noch ein kleiner Schritt zur Entwicklung des selbstständigen Portraits, das des religiösen Vorwands nicht mehr bedurfte. Gerade auf den Altartafeln, die sich an den liturgisch zentralen Stellen des Kirchenraums erhoben, zeigt sich deutlich die Vermischung des Wunsches nach ewigem Gebetsgedenken für das Seelenheil und ganz eitler Repräsentation der Frömmigkeit und des Reichtums einer Familie. Da auch die Messgewänder der Priester nicht nur mit religiösen Darstellungen, sondern auch mit den Wappen der Stifter bestickt waren, wurde dem Kirchenvolk selbst beim heiligsten Geschehen werbewirksam die führende Familie präsentiert.

Tod als Teil des Lebens

Im Mittelalter war der Tod und die Toten allgegenwärtig. Heute sterben die meisten in der sterilen und halbanonymen Umgebung eines Krankenhauses, Leichenwagen sind bis zur Unkenntlichkeit neutral gehalten und Friedhöfe können nicht weit genug außerhalb der Siedlungen liegen. Der mittelalterliche Mensch hatte aufgrund der Vorstellung vom Jüngsten Gericht sicher größere Angst vor dem Tod als wir heute, doch war das Sterben eine anerkannte Lebensphase. Schon aufgrund der geringeren Lebenserwartung, die mangelhafter Hygiene, unfähigen Ärzten, Seuchen und Kriegen geschuldet war, war der Tod innerhalb der Familie, des Dorfes oder der Stadt Alltag. Gestorben wurde öffentlich, d.h. Familie, Freunde und Nachbarn versammelten sich am Bett des Sterbenden, um ihm mit Gebeten beizustehen. Der Priester, der die letzte Ölung brachte, tat dies für alle sichtbar als Versehgang, begleitet von zwei glöck-chenschwingenden Messdienern. Aufgebahrt wurde zu Hause, so dass genug Zeit zum Abschiednehmen war. An der Beerdigung nahm nicht nur die engere Familie teil, sondern alle, die Zeit hatten, da dies als eines der Werke der Barmherzigkeit galt.
Friedhöfe lagen im Mittelalter rund um die Pfarrkirche und damit mitten im Dorf oder der Stadt. Erst im späten 18. und frühen 19. Jh. spielten Hygienegesichtspunkte eine Rolle, die zur Verlegung der Friedhöfe vor die Stadtmauer oder an den Dorfrand zwangen. Die Toten wurden rund um die Kirche bestattet, da sie nach mittelalterlichem Verständnis mit den Lebenden eine unauflösliche Gemeinschaft bildeten. Denn gemäß dem christlichen Glauben an die leibliche Auferstehung beim Jüngsten Gericht entstiegen sie ja irgendwann wieder ihren Gräbern. Durch die räumliche Nähe hatten sie auch Anteil an den Gebeten und Messen der Lebenden. Da in jedem Altar Reliquien von Heiligen geborgen waren, hatte auch die Nähe zu ihnen eine segensstiftende Wirkung auf die Toten. Ganz deutlich wird dieser Aspekt bei den sehr beliebten Bestattungen rund um eine Kirche mit Heiligengrab. Hier hofften die Verstorbenen, sich einst am Tag des Jüngsten Gerichts an den Heiligen als Fürbitter klammern zu können, um Gott gnädig zu stimmen. Dieser Gedanke färbte auch auf die kleinen Reliquienpartikel in den Altären aller Kirchen ab.

Meist stand auf den Friedhöfen eine Kreuzigungsgruppe und ein Ewiges Licht, das den Verstorbenen leuchtete und Dämonen abwehrte. Die Gräber waren überwiegend nur mit einem einfachen, anonymen Holzkreuz gekennzeichnet. Erst ab dem Spätmittelalter finden sich steinerne Kennzeichnungen. Da Friedhöfe mitten im Ort lagen, konnten sie nicht erweitert werden. Die bei Neubelegungen oftmals noch vorhandenen Gebeine wurden sorgfältig dem Grab entnommen und in einem Beinhaus (Karner), das jeder Friedhof besaß, fein säuberlich nach Knochensorte aufgestapelt, manchmal sogar die Schädel mit Namen beschriftet oder Wände und Gewölbe mit Ornamenten aus Knochen verziert. Mit dem Beinhaus war meist eine Kapelle für Seelenmessen verbunden, die häufig dem Erzengel Michael geweiht war, der beim Jüngsten Gericht die Sündenlast der Seelen wog.

Hier finden sich auch Wandfresken mit Darstellungen des sogenannten Totentanzes. Mit mahnenden Inschriften versehen lädt der als Gerippe personifizierte Tod Frauen und Männer aller Alters- und Gesellschaftsschichten nacheinander zum Tanz ins Jenseits. Vom Kaiser bis zum Bettler, von der Königin bis zur Bauersfrau holt der Tod alle ohne Ansehen des Standes, des Alters oder Vermögens. Die Beliebtheit dieses Themas im Mittelalter zeigt, dass der Tod zum einen auch positiv als der große Gleichmacher empfunden wurde; ein starkes soziales Ventil für das einfache Volk. Zum anderen sind Totentänze die bildliche Umsetzung des beherrschenden Vergänglich-keits(Vanitas)-Gedankens, der gerade bei den Volkspredigern des Dominikaner- und Franziskanerordens eine große Rolle spielte. Beliebt war neben den Totentänzen auch die Darstellung der Begegnung der drei Lebenden mit den drei Toten als weiteres drastisches Memento Mori (Gedenke, dass du sterblich bist). Der weit verbreiteten und variationsreichen Legende nach trafen drei junge Adelige bei einer Jagd mitten im Wald auf drei offene Bestattungen. Die Toten, die oft in den unterschiedlichen Phasen der Verwesung dargestellt sind, sprechen mahnend zu den Lebenden »Wir waren einst, was ihr seid und ihr werdet bald sein, was wir sind«.
Mittelalterliche Friedhöfe waren nicht wie heute stille, parkartige Anlagen mit steinernen Monumenten, versteckt hinter hohen Mauern. Sie waren zentrale Orte des Gemeinschaftslebens. Nach dem Kirchgang wurde hier ausgiebig getratscht, Verabredungen getroffen oder Geschäfte gemacht. Viele Friedhöfe dienten als Gerichtsort, teilweise wurden dort Urkunden ausgestellt, ja sogar Jahrmärkte abgehalten. Wie eng geschlossen die mittelalterliche Gesellschaft in den Städten war, zeigte sich auch nach dem Tod. Denn Fremde (im Mittelalter Elende genannt), die hier zufällig gestorben waren, ließ die Obrigkeit abgesondert auf eigenen (Elends-) Friedhöfen oder auf den Friedhöfen der Hospitäler bestatten.

Ars moriendi - die Kunst des Sterbens

Während wir uns heute einen raschen Tod wünschen, möglichst im Schlaf, damit wir gar nichts davon merken, war im Mittelalter die Vorstellung vom »guten Tod« eine völlig andere. Der plötzliche und damit »schlechte Tod« ließ keine Zeit mehr, um sich christlich darauf vorzubereiten. Ein Ausdruck dieser Angst hat sich bis heute in den Christophorus-Plaket-ten erhalten, die sich noch viele als Talisman ins Auto kleben, ohne den Ursprung zu kennen. Dieser Brauch verbindet uns noch mit der mittelalterlichen Vorstellung vom »guten Tod«, dessen Patron Christophorus (griech. Christus-Träger) war. Der Legende nach war er ein Riese, der nur dem Mächtigsten dienen wollte. Nachdem auch der Teufel ihm nicht mächtig genug erschien, ging er schließlich in die Dienste eines Einsiedlers und trug auf seinen Schultern Pilger durch einen wilden Fluss. Eines Tages setzte er ein Kind über, dessen Gewicht ihn fast niederdrückte. Schließlich gab sich dieses als das Christkind zu erkennen, das die Last der Welt trug. So wurde Christophorus zunächst Patron der Pilger, die sich Schutz vor den vielen Gefahren des Weges von ihm erbaten. Schließlich entwickelte sich hieraus ab dem 13. Jh. die Vorstellung, dass derjenige, der eine Darstellung dieses Heiligen gesehen hatte, an diesem Tag vor dem plötzlichen und damit »schlechten Tod« geschützt war. So erklärt sich die Fülle an mittelalterlichen Christopho-rus-Figuren und -Wandgemälden, die meist in der Nähe des Ausgangs in der Kirche angebracht wurden. Sie besitzen teils eine enorme Größe, damit sie auch wirklich jedem Kirchenbesucher ins Auge fielen und somit ihre Schutzwirkung entfalten konnten.

Sterben galt bis ins 19. Jh. hinein als eigenständige Lebensphase, die für einen Christen gut vorbereitet angegangen werden musste. Denn vorher sollte unbedingt noch Zeit bleiben, den Nachlass zu regeln, die letzte Ölung zu empfangen und noch beichten zu können. Denn nur so war gesichert, dass man sein Bestmöglichstes getan hatte, um als reuiger Sünder vor dem Jüngsten Gericht zu bestehen. Manchen erschien dies zu unsicher, so dass sich selbst höchste Herrschaften entschlossen, beim Herannahen des Todes noch schnell in ein Kloster einzutreten, um im Mönchsstand begraben zu werden, in der Kutte aufzuerstehen und damit vor Gott besser zu bestehen. Für uns heute ein frommer Betrug, zeigt dies deutlich die enorme Angst vor dem Jüngsten Gericht. Häufig wird überliefert, dass die Menschen des Mittelalters ihren Tod kommen fühlten. Dies setzt eine Bereitschaft zur Akzeptanz voraus, die uns heute fremd ist. Doch für den Gläubigen war der Tod ja nur das Tor in eine bessere Welt, das Himmlische Jerusalem, das in den schönsten Farben ausgemalt wurde.

Ein gerade im Spätmittelalter äußerst beliebtes Bildmotiv, dasden»guten Tod« exemplarisch schildert, ist die Darstellung des Todes Mariens. Der Legende nach wünschte sich die Gottesmutter, als sie ihren Tod kommen fühlte, dass sich die über die ganze Welt verstreuten Apostel noch einmal in ihrem Haus versammeln und ihr in ihren letzten Stunden beistehen sollten. Ihr Sohn schlug ihr diesen Wunsch nicht ab und ermöglichte das Wunder. So zeigen viele Reliefs und Tafelmalereien Maria auf dem Totenbett, umgeben von den zwölf Aposteln, die Gebete sprechen und sie mit Weihwasser besprengen. Hinter ihr steht Christus und nimmt ihre Seele in Empfang, um sie in den Himmel zu geleiten. Die Seele eines Verstorbenen ist im Mittelalter immer als Kind dargestellt, um deren geläuterte Reinheit auszudrücken. Im Zuge des wachsenden Kultes um die Heilige Familie stellte man schließlich als ein weiteres Beispiel des "guten Todes die hl. Anna, Mutter Mariens, dar, wie sie getröstet in den Armen ihres Enkels Jesus verstirbt.
Im Spätmittelalter entwickelte sich eine eigene, weit verbreitete Literaturgattung, die sich mit der Vorbereitung einer guten Todesstunde beschäftigte. Wie wichtig diese erachtet wurde, zeigt sich schon im Titel »Ars moriendi« (Kunst des Sterbens). Denn weitaus schlimmer als der körperliche Tod war der Tod der Seele. Gerade der Sterbephase kam hierbei entscheidende Bedeutung zu, da am Bett des Todkranken der Vorstellung nach die Teufel noch einmal alles aufboten, um die Seele auf ihre Seite zu ziehen, und mit den Engeln um sie kämpften. Deshalb war vor allem hier der Beistand von Priestern oder Sterbehelfern wichtig, um die Anfechtungen zu bestehen. Die Ars moriendi-Texte sind eine Zusammenstellung von Ermahnungen, Fragen und Gebeten, die dem Sterbenden vorgelesen werden sollten. Sie dienen dazu, ihn fest im Glauben zu verankern, damit er nicht noch kurz vor dem Ende abfiele und damit ewige Verdammnis erleiden müsste. Ihm sollte ganz klar vor Augen geführt werden, dass der Tod jetzt unausweichlich sei, damit er seine letzte Chance auch entsprechend nutzen konnte. Unzufriedenheit oder Verzweiflung über das eigene Leid galten als Anfechtungen des Teufels. Schmerzen sollten als Form der Buße geduldig angenommen werden. In Ruhe und Gefasstheit den eigenen Tod anzunehmen, den Glauben zu bekräftigen, die Sünden zu bereuen und die Heiligen als Fürbitter anzurufen war das Ziel der Anleitung.

Die Ars moriendi-Literatur wurde gerade von jenen Kreisen verfasst und verbreitet, die sich im Umfeld der Konzilien von Konstanz und Basel um eine umfassende Reform der Kirche an Haupt und Gliedern bemühten. Schon mitten im Leben sollte sie gelesen werden, um die eigene Vergänglichkeit ständig mahnend vor Augen zu haben, die Kunst des »guten« Sterbens zu erlernen und allzeit bereit zu sein. Denn der Tod war allgegenwärtig und konnte jederzeit jeden treffen. Das zeitlich begrenzte irdische Leben war letztendlich nichts anderes als die Vorbereitung auf das eigentliche, weil ewig andauernde Leben im Himmel.


Doppelkapelle Bonn-Schwarzrheindorf

Die 1151 unter Anwesenheit König Konrads III. geweihte Doppelkapelle gehört dank ihrer innen wie außen vollständig erhaltenen ursprünglichen Farbigkeit und ihrer reichen architektonischen Gestaltung zu den eindrucksvollsten mittelalterlichen Sakralbauten. Sie legt zudem ein wichtiges Zeugnis ab als Seelenheilstiftung eines hochrangigen Reichspolitikers. Gestiftet wurde sie von Arnold von Wied, Kanzler Konrads III., kurz nach seiner Wahl zum Kölner Erzbischof als Kapelle seiner Burg. Die Form der Doppelkapelle orientiert sich an den königlichen Pfalzkapellen, die als Typus letztendlich auf die Pfalzkapelle Karls des Großen zurückgehen. 1156 starb der Erzbischof als Teilnehmer an einem Osterlauf und wurde seinem Wunsch entsprechend in der Kapelle begraben, deren Wandmalereien er schon ganz auf die ihr zugedachte Funktion als Mausoleum anbringen ließ. Sie zeigen in seltener Vollständigkeit ein ausgefeiltes theologisches Programm, das sich ganz auf das Jüngste Gericht und die ersehnte Himmelsstadt bezieht. Aus seinem Grab in der Unterkirche blickte der verstorbene Stifter imaginär durch die achteckige Mittelöffnung auf die Erscheinung des endzeitlichen Christus in der Apsis des Obergeschosses. Arnold von Wieds Schwester Hadwig, Äbtissin der In typischer Zisterzienserlage erhebt sich im wasserreichen Tal der Dhünn unweit Kölns die gotische Abteikirche von Altenberg. 1133 wandelte Graf Adolf von Berg seine alte Burg in ein Zisterzienserkloster um, da sein Bruder Eberhard wenige Jahre zuvor in Morimond in den Orden eingetreten war. Ein weiterer Bruder war zu dieser Zeit Erzbischof von Köln und engagierte sich ebenfalls stark für die Gründung seiner Familie, die zu ihrem Hauskloster und ihrer Grablege werden sollte. 1259 wurde die romanische Kirche abgebrochen und es entstand jener großartige hochgotische Bau, den wir heute noch vor uns haben. Dieser orientiert sich an den aufwendigen Formen der Kathedralgotik, wie sie zeitgleich in Köln verwirklicht wurden, jedoch auf zisterziensische Einfachheit reduziert; Vorbild waren auch die leider zerstörten französischen Mutterklöster des Ordens. Die Grafen von Berg erhielten im nördlichen Querhaus eine exklusive Grablege. Zusätzlich wurden für einige von ihnen repräsentative Hochgräber im Chor gefertigt. Anlässlich der Erhebung Wilhelms I. von Jülich-Berg in den Herzogsstand 1380 stiftete dieser zusammen mit seiner Gemahlin Anna von der Pfalz die Glasmalereien für das riesige Westfenster. Unter ungemein prächtigen gotischen Goldbaldachinen stehen als Bewohner der Himmelsstadt zahlreiche Heilige.

tagsüber geöffnet
www.altenberger-dom.de

St. Sebald und St. Lorenz in Nürnberg
Die Entstehung Nürnbergs aus zwei ursprünglich selbstständigen Stadtteilen dokumentiert sich bis heute in den beiden Hauptkirchen St. Lorenz und St. Sebald. Beide entwickelten sich zu Stiftungsmittelpunkten der reichen Bürgerschaft und wurden daher ungemein prachtvoll ausgebaut und ausgestattet. Die vornehmen Patrizier unterhielten hier eigene Kapellen, in denen die Familie ihre Grablege besaß. Langhaus und Westchor von St. Sebald folgten bei ihrer Errichtung im 13. Jh. noch dem Vorbild des Bamberger Domes. 1361-1379 wurde der kathedralhafte Hallenchor angefügt. Hier steht der Schrein des Stadtpatrons und Pilgerheiligen Sebaldus, der im frühen 16. Jh. durch Peter Vischer und seine Werkstatt einen großartigen Bronzebaldachin in fantasievollen Renaissanceformen erhielt. Glasmalereien, Grabplatten, Epitaphien, Altäre und Totenschilde zeugen von den Seelenheilstiftungen der Patrizier. Auch St. Lorenz erhielt im 15. Jh. einen riesigen Hallenchor und wurde zudem mit einer prachtvollen Fassade versehen. Aus der Fülle der reichhaltigen Ausstattung ragen mit dem großartigen Sakramentshaus des Bildhauers Adam Krafft und dem hoch im Chor hängenden Englischen Gruß des Veit Stoß Spitzenleistungen der Spätgotik hervor.

St. Sebald geöffnet vonjan. bis März: 9.30 -16 Uhr; 1. Advent bis Silvester, April, Mai und Okt.: 9.30-18 Uhrjuni, Sept.: 9.30 - 20 Uhr
St. Lorenz geöffnet werktags g-17 Uhr, sonntags
13 -16Uhr

www.nuemberg.de
www.lorenzkirche.de

Landgrafenchor Elisabethkirche Marburg
Um beim Jüngsten Gericht von ihrer berühmten Urahnin zu profitieren, ließen sich viele hessische Landgrafen mit ihren Gemahlinnen in der Grabkirche der hl. Elisabeth beisetzen. Dabei wählten sie das südliche Querhaus als Familiengrablege, die somit genau dem Grab der Heiligen im nördlichen Querhaus gegenüber lag. In der Vierung dazwischen steht noch heute das Chorgestühl der Deutschordensritter, die für das Seelenheil der Verstorbenen beten mussten. Wie ein Lehrbuch mittelalterlicher Grabmalskunst entfaltet sich hier ein in Deutschland wohl einmaliger Reichtum an hochqualitativen, reich geschmückten mittelalterlichen Hochgräbern vom 13. bis zum 16. Jh. Einst waren sie farbig gefasst. Betende Nonnen und Mönche begleiten als kleine Steinfiguren die Toten in die Ewigkeit wie ganze Trauerzüge an den Seitenwänden. Das Grabmal für Landgraf Wilhelm II. führt durch die Gegenüberstellung des Toten in prächtiger Rüstung auf der Deckplatte mit dem verwesenden Leichnam darunter die Vergänglichkeit allen irdischen Ruhms drastisch vor Augen. An den Wänden haben sich noch einige Totenschilde erhalten, die früher weitaus zahlreicher vertreten waren.

Nicht weit von Marburg erhielt in der Kirche des Prämonstratenser-Chorfrauenstifts Altenberg bei Wetzlar die Meisterin Gertrud, Tochter der hl. Elisabeth, eines der schönsten Frauengrabmäler der Hochgotik in Deutschland. Zusammen mit der von ihr errichteten Klosterkirche, die ein Musterbeispiel einer mittelalterlichen Nonnenempore bewahrt hat, lohnt dieser Abstecher allemal.

Okt.: tägl 10 -17 Uhr

Limburg an der Lahn
Eine der schönsten Stiftungen für das Seelenheil hat sich mit dem Limburger Dom erhalten, der sich mit seinen sieben Türmen höchst malerisch auf steilem Felsen über der Lahn erhebt. Einst zierte diese Ansicht sogar einen Schein der guten alten D-Mark. Die 1973 gegen viele Widerstände wiederhergestellte mittelalterliche Farbigkeit des Außenbaus trägt wesentlich zur imponierenden Erscheinung bei. Da in seltener Weise zudem im Innern große Teile der originalen Ausmalung des 13. Jh. erhalten blieben, kann der Limburger Dom als ein Musterbeispiel für die mittelalterliche Gesamtfarbigkeit von Kirchen gellen. Zur Kathedrale eines Bistums wurde der Bau, der als Stiftskirche errichtet worden war, erst 1827. 910 gründete Graf Konrad Kurzbold innerhalb seiner Burg das dem Ritterheiligen Georg geweihte Stift, in dem er auch begraben wurde. Beim Neubau der Kirche vom späten 12. bis zum frühen 13. Jh. wurde sein Grab ungewöhnlich prächtig neu gestaltet. Einst stand es direkt vor der Vierung, heute im Querhaus. Die hoch aulragende Stiftskirche stellt eine äußerst reizvolle Kombination einer spätromanischen rheinischen Emporenbasilika mit vorbildhaften nordfranzösischen Kathedralen wie Laon dar. Gerahmt wird das Ensemble von Resten der Burg und den Gebäuden der Stiftsherren. Die wichtigsten Stücke des Domschatzes wie der Stab Petri und die byzantinische Kreuzreliquie stammen aus dem Trierer Dom. Die kleine Altstadt zu Füßen des Stiftes verdankt ihre Bedeutung der Lage am Lahnübergang wichtiger Handelsstraßen. Hier haben sich einige der ältesten Fachwerkbauten Deutschlands erhalten. Etwas lahnaufwärts liegt in Dietkirchen mit der romanischen Stiftskirche St. Lubentius auf einem Felsen über der Lahn eine ähnlich reizvolle Anlage. Erhalten blieb hier das romanische Kopfreliquiar des Titelheiligen.

Domschatz und Diözesanmuseum geöffnet vom 15. März bis 15. Nov.: Dienstag bis Samstag 10-13 Uhr und 14-17 Uhr; Sonn-und Feiertage 11-17 Uhr
www.limburg.de
www.staurothek.de







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