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Die Städte - Motor des Mittelalters

Die Städte - Motor des Mittelalters

Neben Burgen und Klöstern sind es vor allem die historischen Altstädte, die unser Bild vom Mittelalter prägen. Trotz der immensen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg konnte Vieles gerettet oder wiederaufgebaut werden. So finden sich fast überall Reste von Toren, Mauern, Plätzen, Bürgerhäusern und Pfarrkirchen, die uns in die Blütezeit mittelalterlichen Städtewesens führen. Die Altstädte etwa von Lübeck, Wismar, Nördlingen oder Dinkelsbühl sind in ihrer perfekten Erhaltung wahre Zeitmaschinen und gehören mit zum Schönsten, was das Mittelalter in Deutschland hinterlassen hat. Doch wer das Ganze nur als malerische Kulisse wahrnimmt, rgisst, dass hier die Wurzeln unserer Gegenwart zu finden sind.

Zentren des Wirtschaftslebens

Seit der Antike war eine verkehrsgünstige Lage Grundvoraussetzung für Gründung und Wachstum einer Stadt. Daher verwundert es nicht, dass es zunächst die von den Römern in Deutschland gegründeten Städte an Rhein, Donau und Mosel waren, die dank ihrer bevorzugten Lage im Frühmittelalter weiter existierten. Die moderne Stadtarchäologie liefert immer mehr Beweise, dass hier die Besiedlung nie abbrach, da der Handel weiterlief. Zudem verliehen die frühchristlichen Bischofssitze in den alten Römerstädten Speyer, Worms, Mainz, Köln, Trier, Konstanz, Augsburg und Regensburg diesen Kontinuität und eine zentralörtliche Bedeutung. Im Gegensatz zur Römerzeit schrumpften diese Städte aber bis auf einen kleinen Kern zusammen, in dem das Leben im Vergleich zum Komfort und dem Entwicklungsstand der Antike nur noch auf Sparflamme weiterging. Stadterweiterungen gab es dann erst wieder vereinzelt im 10. Jh. und verstärkt ab dem 11. Jh.



Die Stadt als Motor der mittelalterlichen Entwicklung setzte sich jedoch erst in den Gründungswellen des 12. und 13. Jh. durch. Eine anhaltende Klimaverbesserung mit einhergehendem, starken Bevölkerungswachstum setzte die notwendigen Kapazitäten frei. Die aufstrebenden Landesfürsten erkannten das wirtschaftliche und politische Potential, das eine Stadtgründung bot. So erschlossen sie sich dadurch nicht nur neue, kontinuierlich fließende Einnahmequellen, sondern konsolidierten auch den Ausbau ihres Territoriums. Bei der Neuanlage einer Stadt versuchten sie, einen möglichst günstigen Platz wie z. B. an einem Flussübergang oder am Talausgang am Rand der Mittelgebirge zu finden. Durch Neugründungen stieg die Anzahl der Städte bis zum Ausgang des Mittelalters auf knapp 3500 an, wobei die Spannweite von der bevölkerungsreichen Grojsstadt bis hin zur winzigen Burgsiedlung mit Stadtrechten reichte. Selbst innerhalb der größten Stadt Deutschlands, Köln, rechnet man »nur« mit einer Einwohnerzahl von 40 000. Die überwiegende Zahl der Städte besaß wohl durchschnittlich 2-3000 Bewohner. Doch war nicht die Zahl der Menschen, die dort lebten, für die Stadtwerdung entscheidend, sondern die rechtliche Stellung, wie die vielen Burgstädtchen mit rund 2-300 Einwohnern zeigen.
Kerngedanke der Stadt ist die Ansiedlung eines permanenten Marktes mit garantierter Rechtssicherheit und Frieden für die Marktbesucher und Kaufleute. Deshalb nimmt der Marktplatz in den Städten fast immer die Mitte am Kreuzungspunkt der Hauptstraßen ein. Gerade der Markt bedeutete dank Zöllen, Abgaben, Strafgeldern und Standgebühren für den Stadtgründer und -herrn eine bedeutende Einnahmequelle. Um Bewohner aus dem Umland zu gewinnen, lockte er mit einer zeitlich befristeten Steuerbefreiung sowie einem Grundstück aus der in regelmäßige Parzellen unterteilten Stadtfläche. Hier konnten die Hörigen eines Grundherrn persönliche Freiheit gewinnen, sofern er sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist zurückforderte. Der Stadtherr verlieh zum Abschluss einer meist längeren Gründungsphase den Bewohnern der neuen Siedlung ein Stadtrecht, das ganz individuell zugeschnitten sein konnte. Hatte sich ein Stadtrecht bewährt, dann übernahmen es gerne auch andere Landesherren für ihre eigenen Gründungen. Florierte eine Stadtgründung, dann erweiterte sie sich rasch um Vorstädte, die später in die Stadtummauerung einbezogen wurden.

Gerade die großen Fernhandelsstädte leisteten einen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung einer Gesellschaft. Städte konnten sich dank des Reichtums und des Wagemuts ihrer Bürger aus der adeligen Herrschaft befreien bzw. freikaufen. In ihren Mauern herrschte eine bisher nicht bekannte soziale Differenzierung sowie handwerkliche und kaufmännische Spezialisierung. Neuartige Luxuswaren erreichten nun Zentraleuropa ebenso wie das Wissen um fremde Länder und Völker. Ein erhöhter Bargeldbedarf für den Handel führte zum Ausbau fürstlicher Silberbergwerke. Neben Klöstern gehören Städte dank ihrer Chroniken zu den ersten Trägern eines schriftlich niedergelegten Geschichtsbe-wusstseins. Eine sorgfältige städtische Schulbildung sollte nicht nur Grundkenntnisse vermitteln. Gerade die Mathematik war besonders gefragt, musste ein Fernhändler doch mit verschiedenen Währungen und Maßen umgehen können, ohne betrogen zu werden. Mittelalterliche Handelsstädte kümmerten sich erstmals seit der Antike um den Ausbau und um die Sicherung der Verkehrswege. Seestädte entwickelten neue Schiffstypen. Reitende Boten schufen regelmäßige Postverbindungen mit anderen Großstädten. Von Norditalien verbreiteten sich die Grundlagen unseres heutigen bargeldlosen Bankwesens mit Wechsel, Scheck, Kredit und Girokonto.
Schon ab dem späten 11. Jh. finden sich in den reichen Handelsstädten Köln und Worms Ansätze zur Befreiung von der als bedrückend empfundenen bischöflichen Stadtherrschaft. In einem jahrzehntelangen zähen, gewalttätigen und teuren Kampf gelang es manchen Städten, ihren ungeliebten Stadtherrn endgültig loszuwerden und zu wirklicher Freiheit aufzusteigen. Dies waren die sieben Freien Städte Köln, Mainz, Worms, Speyer, Straßburg, Basel und Regensburg. Daneben gab es noch rund 100 Reichsstädte, die keinem Landesfürsten, sondern allein dem deutschen König unterstanden. Teils waren sie vom König auf Reichsgut gegründet oder nachträglich von ihm erworben worden. Als im Spätmittelalter das deutsche Königtum in eine schwere Krise geriet, verpfändete der Herrscher oft einzelne Reichsstädte aus finanzieller Not oder um politische Weggefährten zu entlohnen. Manche Städte konnten sich mit erheblichen Finanzmitteln freikaufen, andere verblieben dann beim Landesherrn.

Mächtigen und reichen Städten wie z. B. Nürnberg, Frankfurt am Main, Rothenburg ob der Tauber oder Schwäbisch Hall gelang es, selbst zum Landesherrn zu werden und ein beträchtliches Territorium mit Dörfern, Burgen und Kleinstädten zu erwerben. Das Ganze wurde dann sogar komplett mit einer Landwehr aus Graben, Palisaden und dichten Hecken sowie Wachtürmen und Toren befestigt.
Die Freien und Reichsstädte nahmen teilweise eine bedeutende politische Rolle wahr und drängten sich als dritte Kraft zwischen Adel und Kirche. Gerade in den Wirren des Investiturstreits zwischen Kaiser und Papst standen die bedeutendsten Städte zum Kaiser, der hier allein Hilfe fand. In den Machtkämpfen zwischen Kaiser und aufstrebenden Landesfürsten erwiesen sie sich schon aus Eigeninteresse als Stützen des Herrschers. Mit dem Verfall der kaiserlichen Macht und den Doppelwahlen ab der Mitte des 13. Jh. begannen die bedeutendsten Städte, sich zu Schutzbündnissen zusammenzuschließen. Sie übernahmen mit Friedens- und Rechtsschutz jene Aufgaben, die der König nicht mehr ausfüllen konnte, um ihre Handelsinteressen zu sichern. Zu den einflussreichsten Vereinigungen zählte der Rheinische Städtebund, der sich Ende des 14. Jh. mit dem ebenfalls bedeutenden Schwäbischen Städtebund zusammentat. Am bekanntesten und bedeutendsten ist aber die im 13. Jh. entstandene Hanse, die den Handel auf Nord- und Ostsee kontrollierte und das dortige Machtvakuum kraftvoll politisch füllte. Von den 80 aktiven und 200 privilegierten Hansestädten lagen bei weitem nicht alle an der Küste. Ins Festland reichte die Hanse im Süden bis Erfurt und Köln.

Straffe Strukturen

Das enge Zusammenleben vieler Menschen innerhalb der Stadtmauern erforderte ein Höchstmaß an Organisation. Als oberstes Organ der Selbstverwaltung entwickelte sich im 13. Jh. in den Großstädten der Rat. Die Anzahl der Ratsherren und ihre Amtsdauer waren fast überall verschieden. Sie wurden aber weder demokratisch von der ganzen Stadtbevölkerung gewählt, noch war jeder für ein solches Amt wählbar. In der Realität teilten sich nur die reichsten und vornehmsten Familien einer Stadt Herrschaft und Ämter. An der Spitze stand der Bürgermeister, ein Amt, das in manchen Städten zur gegenseitigen Kontrolle von zwei oder noch mehr Personen ausgeübt wurde. Der Bürgermeister bewahrte das Stadtsiegel, die Stadtkasse sowie die Schlüssel zu Stadttoren und Archiv.

Die Stadtbevölkerung war stark durchgliedert. Eine Grobeinteilung erfolgte zunächst nach den Stadtvierteln, in denen man lebte. Hier waren die Bewohner jeweils für die Verteidigung ihres Abschnittes der Stadtmauer zuständig, wenn sich die Stadt selbst gegen Angreifer zur Wehr setzen musste. Dann erfolgte die Einteilung nach Kaufleuten oder Handwerkern. Die verschiedenen Handwerke waren in Zünften zusammengeschlossen. Neben religiösen und sozialen Pflichten für ihre Mitglieder sicherten sie durch ständige Kontrolle eine gleichbleibende Qualität ihrer Produkte, wehrten aber auch unerwünschte Konkurrenz von außen ab. Denn ein Handwerk durfte man innerhalb der Stadt nur ausüben, wenn man Mitglied der entsprechenden Zunft geworden war. Der Handwerker musste ein Meisterstück herstellen, um sein Können zu zeigen, und ein Aufnahmegeld zahlen. Die ansässigen Meister bildeten ein oder zwei Gesellen aus, die mit in ihrem Haus wohnten, wo auch die Werkstatt lag.

Das Stadtrecht setzte sich zusammen aus den Privilegien, die der Stadtherr gnädig erlassen hatte, und den grundsätzlichen Beschlüssen des Rates. Zahllose Verordnungen versuchten, in allen Bereichen des Lebens Ordnung und Rechtssicherheit zu schaffen. Angefangen von den Ausmaßen des Erkers an einem Wohnhaus bis hin zur regelmäßigen Leerung der Abortgruben wurde jedes Detail des Lebens erfasst. Ausgiebig lassen sich städtische Verordnungen über das richtige Maß bei Kleidung und Festen aus. Zum einen dienten diese zum Selbstschutz der Bürger, die dadurch nicht über ihre Verhältnisse leben sollten, zum anderen sollten so die einzelnen gesellschaftlichen Schichten innerhalb der Stadt schon äußerlich deutlich unterscheidbar sein.

Das Leben in der Stadt war teuer. Wer hier nicht geboren war sondern zuwanderte, musste ein Aufnahmegeld zahlen und einen Bürgereid leisten. Zudem waren Grund- und Hausbesitz in der Stadt Voraussetzung, um Bürger zu werden. Steuern zahlten die Bürger nach Vermögen. Daneben gab es Verbrauchssteuern, vor allem auf Wein und Bier. Eine überraschend hohe Zahl der Stadtbevölkerung wohnte zur Miete. Zwar gab es innerhalb der Stadtmauern immer noch viele Freiflächen, die man als Gärten oder Weinberge nutzte, die meisten Stadtbewohner mussten ihre Lebensmittel aber auf dem Markt kaufen. Die Vielzahl der hier angebotenen Waren konnte dazu führen, dass manche mehr kauften als sie sollten und sich verschuldeten. Auch Vergnügungsstätten wie Kneipen und Badehäuser zehrten am Geldbeutel.
Neben der Selbstverwaltung war die Erlangung einer eigenen Gerichtsbarkeit das Ziel der Städte. Nur so ließ sich die gewünschte Ordnung nach eigenen Vorstellungen umsetzen, aber auch die Einnahmen aus Straf- und Prozessgeldern selbst behalten. War ein Bürger außerhalb der Stadt wegen einer Straftat angeklagt worden, so musste er der Gerichtsbarkeit seines Wohnortes überstellt werden. Gerade die Städte trugen wesentlich zur Entwicklung unseres heutigen Rechtssystems bei, da sie schon früh von irrationalen Beweisen wie Gottesurteil oder Duell zu Tatzeugen und persönlichem Eid übergingen. Die städtische Gerichtsbarkeit hatte vor allem Fälle zu verhandeln, die das äußerst konfliktträchtige Marktgeschehen betrafen, wie zahlreiche Betrugsversuche mit minderwertiger Qualität oder falschen Maßen und Gewichten nahe legen. Die Normmaße, die von Stadt zu Stadt etwas abwichen, waren zur Kontrolle an der Pfarrkirche oder dem Rathaus angebracht, doch gab es wohl immer wieder Verstöße. Daneben mussten auch Gewalttätigkeiten, Steuerschulden oder Verstöße gegen die zahlreichen städtischen Verordnungen geahndet werden. Geringere Vergehen wurden mit Geldstrafen oder Gefängnisaufenthalten in einem der Stadttürme gebüßt.

Großen Wert legte das Mittelalter auf die abschreckende Wirkung der verhängten Strafen. Gerade das stundenlange Stehen am Pranger auf dem Marktplatz, wo man dem allgemeinen Spott ausgesetzt war, dürfte seine erzieherische Wirkung nicht verfehlt haben. In den Rathäusern wurde nicht selten eine Folterkammer zur sogenannten peinlichen Befragung eingerichtet. Wer hier gequält wurde, war wohl Zeit seines Lebens gezeichnet. Vor den Mauern der Stadt, aber an einem gut sichtbaren Platz, befand sich der Galgen. Gehängte wurden nicht abgenommen, sondern vermoderten zur Freude der Krähen allmählich am Strang. Auf dem Richtplatz vollstreckte der Henker auch andere Strafen wie Enthaupten, Abhacken einzelner Gliedmaße, Vierteilen oder Rädern. Manchmal musste er sogar die Todgeweihten lebendig begraben.


Aufstände, Konflikte und Pogrome

Ein erster Grundkonflikt mittelalterlicher Mittel- und Großstädte bestand zwischen Rat und Kirche. Vordergründig ging es dabei zunächst ums liebe Geld. Denn die Geistlichen, Mönche und Nonnen, die aufgrund der Fülle an Pfarrkirchen und Klöstern in etwa einen Anteil von maximal 10 Prozent an der gesamten Stadtbevölkerung ausgemacht haben dürften, waren überall von den städtischen Steuern befreit. Nun waren Pfarrkirchen und Klöster bevorzugte Begräbnisstätten der Ober- und Mittelschicht, die sich die Sorge um ihr Seelenheil, die von den Geistlichen nach ihrem Tod übernommen werden sollte, einiges kosten ließ. So wanderte gerade im Spätmittelalter immer mehr Besitz aus Bürgerhand zur Geistlichkeit, so dass die Steuereinnahmen der Städte entsprechend geringer wurden. In manchen Großstädten konnte der geistliche Grundbesitz bis zu einem Drittel der Stadtfläche betragen! Zahlreiche Städte sprachen daher Verbote der Besitzübertragung an Kirchen und Klöster aus. In zähem Ringen versuchten vor allem die Reichsstädte, die Pfarrkirchen innerhalb ihrer Mauern auswärtigen Besitzern wie Stiften und Klöstern abzukaufen. Denn so hatten sie nicht nur direkten Einfluss auf die Qualität der angestellten Priester, sondern vor allem auf das Vermögen der Pfarrkirche! Klöster und Kirchen, die ja nur zu einem geringen Teil dem Rat unterstanden, bildeten völlig unabhängige Rechtsbezirke innerhalb der Stadt.

Ihre sogenannte Immunität musste der Rat respektieren, da sonst Kirchenstrafen drohten, im schlimmsten Fall das Interdikt, das Verbot aller Gottesdienste und geistlichen Handlungen innerhalb der Stadt.
Zahllose Konflikte kreisten auch um das Thema Wein- oder Bierausschank durch Pfarrer und Klöster, was Wirte und Rat erboste, da ihnen Einnahmen und Steuern verloren gingen. Doch die meisten großen Klöster des Mittelalters, allen voran der Zisterzienserorden, besaßen in den wichtigen Handelsstädten der näheren und weiteren Umgebung große Stadthöfe, die in erster Linie dem Absatz der klostereigenen Überschussproduktion an Getreide, Wein oder Bier dienten. Dank ihrer zumindest in der Anfangszeit kostenlosen Arbeitskräfte sowie den zahlreichen Zollprivilegien konnten sie ihre Waren zu günstigeren Preisen anbieten als die übrigen Erzeuger. Dies schürte besonders in den Städten immer wieder Missmut gegen die angeblich so habgierigen Mönche, die mehr Zeit auf ihren wirtschaftlichen Erfolg als auf ihr Seelenheil verwendeten. Auch Frauenklöster und Be-ginenhäuser, die größere Mengen an Stickereien und Stoffen für den städtischen Markt produzierten, traf der Konkurrenzneid. Hier konnten die Stadträte immerhin Produktionsbeschränkungen verhängen.

Ab der Mitte des 13. Jh. kam es in den Großstädten immer öfter zu schweren inneren Unruhen. Nachdem der einigende Kampf um die Freiheit gegen den Stadtherrn abgeschlossen war und sich eine bürgerliche Stadtherrschaft etabliert hatte, trat der Gegensatz zwischen Arm und Reich immer stärker zu Tage. Die politische und wirtschaftliche Macht lag in den Händen weniger Patrizier- und Fernhändlerfamilien, die sich gegenüber der Bevölkerungsmehrheit stark abgrenzten. Die breite Mittelschicht aus kleineren Kaufleuten und Handwerkern sowie die vermögenslose Unterschicht, die in vielen Städten 50 bis 60 Prozent ausmachte, blieb ausgeschlossen. Dagegen regte sich vor allem im 14. Jh. immer stärkerer Unmut, der zu regelrechten Kämpfen unter Führung der Handwerker eskalierte. Anlass zum offenen Ausbruch der Feindseligkeiten gaben oft Erhöhungen der Verbrauchssteuern auf Bier und Wein durch den Rat. Am Ende kam es aber nicht zu Sozialrevolutionären Umstürzen. Vielmehr arrangierte sich die patrizische Oberschicht, die in manchen Städten zeitweise vertrieben wurde, mit einer Machtbeteiligung der wohlhabendsten Handwerker und Kaufleute. Je nach Stadt fand man individuelle Lösungen zur Erweiterung des Rates. Die Unterschicht blieb dabei politisch so einflusslos wie sie zuvor gewesen war.

Ein gerade in den Städten stark ausgeprägt vorhandenes Phänomen des Mittelalters waren die Judenverfolgungen. Sie entstanden aus der unheilvollen Mischung religiöser Propaganda und hasserfüllten Neids. Juden lebten schon seit römischer Zeit in den Zentren deutscher Städte. Ursprünglich waren sie sehr erfolgreiche Fernkauf leute, wurden aber seit dem 12. Jh. immer mehr aus diesem Bereich verdrängt. Auch die Zünfte und damit die Ausübung eines Handwerks blieben ihnen verschlossen. So entschlossen sich die Reichen unter den Juden, ihr Kapital durch Geldgeschäfte zu vermehren. Denn Christen war offiziell das Verleihen von Geld gegen Zinsen verboten. Zwar zeigte man in der Umgehung dieses Verbotes große Kreativität, indem Pfand- und Wechselgeschäfte sowie Warenkredite weit verbreitet waren. Doch wer schnell und umkompliziert Bargeld brauchte, ging zum Juden, der sich seine gesellschaftliche Ächtung durch hohe Zinsen vergelten ließ. Vom Hochadel bis hin zum Kleinbürger waren Viele hoch verschuldet, was die Vorbehalte gegen Juden weiter verstärkte.

Als Heilandsmörder sowie durch Schauergeschichten um Hostienfrevel und Ritualmorde an christlichen Knaben diffamiert, entlud sich der Hass gegen jüdische Mitbürger quer durch das gesamte Mittelalter immer wieder in schrecklichen Verfolgungen. Zudem war dies für die vielen Schuldner ein radikales Mittel, um gewaltsam alle Verbindlichkeiten loszuwerden. Einen unrühmlichen Beginn setzten die deutschen Ritterheere, die sich 1096 zum 1. Kreuzzug sammelten und das Rheintal hinab zogen. Prediger putschten die Bevölkerung zusätzlich auf, so dass es in allen rheinischen Großstädten zu Raub, Mord und Vergewaltigung gegen die jüdischen Mitbürger kam. Eigentlich war der Judenschutz ein königliches Vorrecht, das der Herrscher aber an Landes- und Stadtherren verliehen hatte. Juden mussten daher große Summen für ihre Sicherheit zahlen, was sich aber im Ernstfall allzu oft als wertlos entpuppte. Mit dem Auftreten der Pest Mitte des 14. Jh. begannen erneut entsetzliche Verfolgungen gegen Juden, die die meisten Gemeinden fast auslöschten. Ihnen wurde unterstellt, dass sie die Brunnen vergiftet und so das unerklärliche Massensterben ausgelöst hätten. In den großen Städten durften Juden sich aber später wieder ansiedeln, da man ihr Kapital und ihre Steuern brauchte. Zu ihrem Schutz gegen die immer wieder auflodernde Gewalt mussten sie nun eng gedrängt in einem ummauerten Ghetto innerhalb der Stadt leben. Als Erkennungszeichen mussten sie einen kegelförmigen, gelben Hut tragen. Im Spätmittelalter wurden die jüdischen Gemeinden dann oft ganz aus den Städten vertrieben, das Ghetto abgerissen und anstelle der Synagogen manchmal Marienkapellen errichtet, da Juden angeblich besonders die Gottesmutter beleidigt hätten. So erinnern die prachtvollen Marienkirchen in Nürnberg, Würzburg und Regensburg an Gewalt und Intoleranz innerhalb mittelalterlicher Städte. Am Ende des Mittelalters gab es nur noch in Frankfurt am Main, Worms und Speyer größere Gemeinden. Die meisten Juden waren nach Osten ausgewandert oder lebten auf Dörfern und Kleinstädten in bescheidenen Verhältnissen als sogenannte Landjuden.


Stolz der Städte

Jede Stadt war schon von weitem durch ihre markante Silhouette zu erkennen, mit der sie sich deutlich vom Umland abhob. Insbesondere die reicheren Handelsstädte schufen sich als Wahrzeichen einen möglichst hohen und eindrucksvollen Turm an ihrer Pfarrkirche. Das wohl gigantischste Projekt dieser Art, der Turm des Ulmer Münsters, war als höchster Kirchturm in den Formen der Kathedralgotik geplant, konnte aber erst im späten 19. Jh. vollendet werden. Mancherorts entwickelte sich gar ein ganz persönliches Verhältnis zum städtischen Wahrzeichen, wie z. B. der Name Daniel für den Turm der Nördlinger Pfarrkirche zeigt. Er ragt wie eine Nadel nicht nur inmitten des runden Stadtgrundrisses auf, sondern markiert auch annähernd die Mitte des kreisförmigen Nördlinger Rieses. Auch das Straßburger Münster, dessen Bauhütte ab dem 13. Jh. nicht mehr dem Domkapitel, sondern dem Rat der Stadt unterstand, erhielt mit großer Kunstfertigkeit einen himmelsstrebenden Turm zum Ruhm der Stadt. Einzelne Fernhandelsstädte wie Köln, Augsburg und Regensburg leisteten sich nach dem Vorbild ihrer Handelspartner in Flandern und Oberitalien zusätzlich einen aufwendigen Rathausturm als Zeichen städtischer Freiheit. In Bremen und einigen norddeutschen Städten war eine Figur Rolands aus der Legende Karls des Großen stolzes Freiheitssymbol.

Mit großem Aufwand schufen sich fast alle mittelalterlichen Städte eine steinerne Mauer zu ihrem Schutz. Vor der Mauer lag ein trockener oder wassergefüllter, breiter Graben als weiteres Angriffshindernis. Mit der Erfindung und allmählichen Verbreitung der Feuerwaffen mussten die Stadtmauern mit Zwischentürmen nebst Schießscharten, vorgelagerten Zwingermauern und weiteren Gräben modernisiert werden. Zinnen und ein umlaufender, hölzerner Wehrgang erleichterten die Verteidigung. Über eine Zugbrücke gelangten Bewohner und Besucher der Stadt zu den wenigen Toren, die Einlass in die Mauern boten. Sie waren mit einem oder zwei Türmen, Eisengittern sowie teilweise einem Vorwerk besonders geschützt. Bedeutende Städte machten die wichtigsten Stadttore zu weiteren Wahrzeichen, indem sie hier Reichtum und Wehrhaftigkeit besonders zur Schau stellten. Das Lübecker Holstentor, das Speyerer Alt-pörtel sowie die Kölner Torburgen gehören hier zu den eindrucksvollsten Schöpfungen.

Die größte und monumentalste Stadtmauer nördlich der Alpen leisteten sich im späten 12. Jh. die Bürger der damals größten und reichsten Stadt Deutschlands, Köln. Mit fast 8 km Länge umfasste sie in einem weiten Halbkreis die römische Kernstadt, deren Fläche sich so verdoppelte. Bis auf drei Torbauten wurde sie leider im späten 19. Jh. abgetragen. Nürnberg, bedeutendste Handelsstadt Süddeutschlands, ließ gegen die drohende Hussitengefahr bis zur Mitte des 15. Jh. die eindrucksvollste spätmittelalterliche Stadtbefestigung überhaupt errichten. Noch im frühen 16. Jh. wurden ihre Wehrtürme nach dem neuesten Stand italienischer Festungsbautechnik zu Kanonentürmen ummantelt. Weitere Paradebeispiele an vollständig erhaltenen Stadtmauern finden sich in Rothenburg ob der Tauber, Weißenburg in Bayern, Nördlingen und Dinkelsbühl. Im Allgemeinen blieben Stadtmauern von der Abbruchwut des 19. Jh. meist nur dort verschont, wo Städte im Vergleich zu ilirer mittelalterlichen Blütezeit bedeutungslos geworden waren und die Bevölkerung sich stark verringert hatte, so dass der Raum innerhalb der Mauern noch völlig ausreichte.

Auf dem Weg entlang der Hauptstraßen zum Marktplatz im Zentrum der Stadt reihten sich die Wohn- und Geschäftshäuser der reichen Kaufleute und wohlhabenderen Handwerker aneinander. Ärmere Schichten wohnten in den Seitenstraßen. Wie erhaltene Beispiele zeigen, trug die Oberschicht ihren Wohlstand in teilweise äußerst repräsentativen Häusern zur Schau. Meist in teurem Stein errichtet, besaßen die mehrgeschossigen Bauten Werkstätten und Handelsräume im Erdgeschoss sowie einen Saal im ersten Stock und Wohnräume darüber. Große, schon früh verglaste Fenster, Wappen in Malerei oder Stein und ein reich verzierter Giebel zeigten das Prestige ihrer Bewohner. Reichtum wurde besonders im Mittelalter geradezu demonstrativ nach außen zur Schau gestellt. Opulente Kleidung aus kostbaren Stoffen, Pelze und Schmuck sowie viele Feste mit Musik und teuren Speisen lassen uns die Lebensfreude der mittelalterlichen Oberschicht erahnen. Die oberste Spitze der Stadtbewohner, die Patrizier, orientierten sich in ihren Lebensgewohnheiten zunehmend am Adel, in den sie dank ihres Geldes auch einheiraten konnten bzw. adelige Güter und Burgen vor der Stadt erwarben. Der Adel bis hin zu den Grafen leistete sich in den sehr großen Städten oft einen standesgemäßen Stadthof, um vor allem im Winter der Langeweile und den unfreundlichen Lebensbedingungen auf den Burgen zu entfliehen. So entfaltete sich in den Metropolen ein reiches gesellschaftliches Leben, an dem im Spätmittelalter zunehmend auch der umherziehende Kaiser mit seinem Hof teilnahm.

Von den Burgen des Adels übernahmen einige Patrizier den Turm als Herrschaftssymbol für ihre Stadthöfe, wie noch heute die Altstadt von Regensburg zeigt, in der noch 40 Türme ganz oder teilweise erhalten sind. Aber auch andere Städte wie Mainz, Trier, Schwäbisch Hall, Nürnberg und weitere besitzen noch solche Türme oder deren Reste. Die reichen Hansestädte der Ostsee wie Lübeck, Wismar, Stralsund und Greifswald zeigen noch ganze Straßenzüge mit bürgerlichen Repräsentationsbauten. Im Süden haben sich mit Regensburg, Landshut, Rothenburg ob der Tauber, Nördlingen und Dinkelsbühl die geschlossensten Altstädte erhalten.
Am oder in der Nähe des Marktplatzes als Zentrum des wirtschaftlichen Geschehens erhob sich das Rathaus. Entsprechend seiner Bedeutung als Sitz der Stadtregierung war es das größte und repräsentativste weltliche Bauwerk der Stadt. Während das Erdgeschoss meist als offene Verkaufs- und Gerichtshalle eingerichtet war, lag im ersten Stock der Saal, in dem der Rat tagte, aber auch Feste und Empfänge stattfanden. Der hohe Dachraum diente als Speicher. Neben den Stadttoren haben sich vor allem die Rathäuser als bedeutendste Zeugen mittelalterlicher Städte erhalten. Die wertvollsten Bauten sind quer durch Deutschland zu finden, angefangen von Lübeck über Lüneburg, Goslar, Köln, Frankfurt am Main, Weißenburg in Bayern, Nürnberg, Regensburg und Augsburg bis hin nach Überlingen.

Teilweise besaßen Rathäuser eine eigene Kapelle, in der sich der Rat jeweils vor der Sitzung zu einer Messe versammelte, um göttlichen Beistand für seine Entscheidungen zu erflehen. Darstellungen des Jüngsten Gerichts in Rathäusern sollten den Ratsherren vor Augen führen, dass sie so gerecht und weise wie möglich entscheiden und richten sollten, da sie sich darüber letztendlich vor Gott verantworten mussten. In den großen Städten war das Rathaus-Erdgeschoss als Verkaufsraum zu klein, weshalb ein eigenes Kaufhaus entstand wie etwa in Konstanz.

Für die zahlreichen gesellschaftlichen Anlässe genügte auch der Rathaussaal häufig nicht mehr. Die verschiedenen Zünfte besaßen daher eigene Häuser, in denen sie ihre Versammlungen und Feste abhielten. Nur ganz reiche Städte leisteten sich ein eigenständiges Festhaus, wobei der Kölner Gürze-nich, der kurz vor der Mitte des 15. Jh. entstand, das schönste Beispiel ist. Für musikalische Untermalung sorgten die Stadtpfeifer, die auch ansonsten zu den verschiedensten Anlässen ihre Signale oder Melodien von den Türmen über die Stadt erklingen ließen.
Der Marktplatz als die gute Stube der Stadt sowie marktähnliche Hauptstraßen, die im Vergleich zu den Nebenstraßen stets gepflastert waren, wurden nur vereinzelt mit Laufbrunnen geschmückt, da diese eine aufwendige Leitungsführung benötigten. Neben den Augsburger Brunnen, die aber schon der Renaissance angehören, steht der sogenannte Schöne Brunnen in Nürnberg aus dem 14. Jh. unübertroffen an der Spitze aller mittelalterlichen Brunnen Deutschlands.

Wo nicht ein bischöflicher Dom die Mitte der Stadt besetzte und von den Bürgern mitfinanziert wurde, bildete die Stadtpfarrkirche das religiöse Zentrum der Stadt. In manchen Städten wetteiferten die Kirchenbauten der Bürger mit den Kathedralen. Zu den im wahrsten Sinne hervorragendsten Zeugnissen Deutschlands zählen die Lübecker Marienkirche, die Münster in Freiburg im Breisgau und Ulm, St. Sebald und St. Lorenz in Nürnberg, St. Martin in Landshut sowie die Pfarrkirchen in Rothenburg ob der Tauber, Nördlingen und Dinkelsbühl. Nicht nur die Architektur wurde zum Ruhm der Stadt besonders aufwendig gestaltet, auch das Innere füllte sich dank der Stiftungstätigkeit der Bürger für ihr Seelenheil mit zahlreichen Glasfenstern, Figuren, Grabmälern und Altären. Die Zünfte besaßen hier jeweils einen eigenen Altar oder sogar eine Kapelle als religiösen Mittelpunkt. Im Chorgestühl saß der Rat neben den Priestern und Vikaren. Anfänglich war das Stadtarchiv in einem feuer- und einbruchssicheren Raum der Pfarrkirche untergebracht. Doch durch die starke Ausweitung der Schriftlichkeit gab es bald Platzprobleme, weshalb die Archive im Spätmittelalter ins Rathaus verbracht wurden. Gerade die Türme besaßen mit Sturmglocke und ständigem Wächter eine wichtige Funktion für den Schutz der Stadt vor Brand- und Kriegsgefahr.

Eine ganz besonders starke Identifikation mit ihrem Heiligtum besaßen jene Städte, die ein Heiligengrab in ihrer Pfarrkirche bargen. Der hl. Sebaldus in Nürnberg, St. Reinoldus in Dortmund oder der hl. Quirinus in Neuss sind hierfür gute Beispiele. Aber auch andere Städte, die Heiligengräber und Reliquienschätze in ihren Domen, Stifts- und Klosterkirchen besaßen, sahen diese als Stadtpatrone an, die sie gegen ihre Feinde verteidigten. Wallfahrer brachten reiche Einnahmen in die Stadt, deren Prestige durch die Heiligen wuchs. Paradebeispiel ist hier Köln, das mit den Heiligen Drei Königen, den Elf tausend Jungfrauen sowie den Märtyrern der Thebäischen Legion und zahllosen weiteren Heiligen als »Rom des Nordens« und »heiliges Köln« in seinem Reliquienreichtum nördlich der Alpen einmalig war. Oft verband man ganz geschäftstüchtig die Heiligenfeste, an denen die Reliquien gezeigt wurden, mit Jahrmärkten.

Hygiene, Krankheit und Tod

Hinter den stolzen Mauern mittelalterlicher Städte herrschten aus heutiger Sicht unglaubliche hygienische Zustände, die geradezu ideale Brutstätten vieler Krankheiten waren. Weniger die räumliche Enge der Häuser zueinander als vielmehr das Zusammenleben gerade ärmerer Schichten auf kleinstem Raum waren schon ein Grundübel. Während die Großstädte des Römerreiches mit aufwendigen Aquädukten fast alle frisches Quellwasser von weit her holten, besaßen die meisten mittelalterlichen Städte nur einfache Ziehbrunnen in den Hinterhöfen. Da man nichts über Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten wusste, legten die Bürger unbekümmert ihre Abortgruben nur wenige Meter entfernt von den Grundwasserbrunnen an. Auch die eng belegten Friedhöfe lagen mitten in der Stadt rund um die Pfarrkirchen, was die Wasserqualität nicht gerade verbesserte. Erst im 16. Jh. begannen einzelne Städte damit, die Begräbnisstätte vor ihre Mauern zu verlegen, doch erst Ende des 18. bzw. im frühen 19. Jh. wurde dies allgemein verbindlich vorgeschrieben. Größere Städte leisteten sich im Spätmittelalter immerhin einige öffentliche Laufbrunnen, die mit Leitungen aus Ton- oder Holzröhren Quellwasser aus höher gelegenen Bergregionen in die Stadt leiteten. Die vielen Städte, die in Ebenen lagen, blieben von dieser Verbesserung allerdings ausgeschlossen.

Neben dem Trinkwasser war die Abfallbeseitigung das größte hygienische Risiko innerhalb der Stadt, gegen das auch die ständig wiederholten Verbote der Obrigkeit machtlos waren. Nicht allein die Inhalte von Nachttöpfen landeten schwungvoll verteilt in der Gosse, auch Abfälle aus der Küche oder der weit verbreiteten Nutztierhaltung fanden hier ihr Endlager. Allgegenwärtig waren Pferdeäpfel und Hundekot. Da es weit bis ins Spätmittelalter dauerte, bis sich die Pflasterung wenigstens der Marktplätze und Hauptstraßen durchsetzte, vermengte sich bei Regen das Ganze zu einem übel riechenden Schlamm. Regelmäßig durch die Straßen der Stadt getriebene Schweineherden oder unregelmäßige Räumungsaktionen verhinderten trotzdem nicht, dass die Städte vor Schmutz starrten und Ratten ständige Mitbewohner waren.
Während sich die Neuzeit des 17. und 18. Jh. durch eine allgemeine Wasserscheu auszeichnete, da man dachte, waschen schwäche den natürlichen Abwehrschutz der Haut vor Krankheiten, badeten die mittelalterlichen Menschen ausgesprochen gerne. Vom Dorf bis zur Großstadt gehörten Badestuben zur gängigen Grundausstattung. Gebadet wurde dort in Holzzubern, wobei der »Wellness«-Aspekt nicht zu kurz kam. Denn beim Sitzen in der Wanne konnte gespeist, getrunken und Musik gehört werden. Es gab zusätzlich Massagen und Schwitzbäder. Der Bader konnte zur Ader lassen und Schröpfköpfe setzen -beides waren ungemein beliebte Vorbeugungs- und Universalheilmittel. Denn da man noch nichts vom Blutkreislauf wusste und sich den Körper vielmehr als Ansammlung von vier verschiedenen Säften vorstellte, sollten so überschüssige und krankmachende Körperflüssigkeiten abgeleitet werden. Der Bader war auch der Vorläufer heutiger Zahnärzte, doch bestand seine Kunst allein im Ziehen von Zähnen, da andere Behandlungsmethoden unbekannt waren. Je nach Badehaus und Stadt fanden sich Männer und Frauen gemeinsam im Zuber wieder, wobei es recht fröhlich zuging. Manche Badehäuser waren regelrechte Bordelle, da sich hier die Bademägde nicht allein auf das Einseifen der männlichen Gaste beschränkten.

Wer im Mittelalter krank wurde, hatte schlechte Aussichten, da die ärztliche Kunst nicht weit entwickelt war und wohl mehr Menschen um ihr Leben brachte als heilte. Daher bemühten sich die Erkrankten lieber gleich um himmlischen Beistand. Viele Heilige waren spezialisiert auf bestimmte Krankheiten, denen man bei Genesung ein Opfer brachte oder eine Wallfahrt unternahm. Die meisten Städte besajsen immerhin einen Wundarzt, der sich um offene Wunden und Brüche als Folge von Unfällen kümmerte. Mit dem Aufkommen der Universitäten bildete sich eine neue Schicht akademisch ausgebildeter Ärzte, deren Wissen von heute aus betrachtet aber äußerst mangelhaft war. Eines ihrer beliebtesten Diagnosemittel war die Harnschau. Ärzte suchten ihre Patienten zu Hause auf, da es keine Krankenhäuser gab. Die Hospitäler, die zum Grundbestand mittelalterlicher Städte gehörten, waren in erster Linie darauf ausgerichtet, mittellos durchreisenden Pilgern für eine Nacht Bett und ein Essen bereitzustellen sowie im Krankheitsfall zu pflegen, bis diese wieder reisefähig waren. Aus vielen Hospitälern entwickelten sich städtische Pflege- und Altersheime, in die sich die Bürger einkaufen konnten.

Immerhin vor der Stadtmauer, meist an den grojsen FernstraJJen, lagen spezielle Häuser für Leprakranke. Schon im Alten Testament ist ihre Absonderung von der Gemeinschaft festgeschrieben. Dies behielt man in mittelalterlichen Städten bei, auch wenn man sich wohl nicht bewusst war, wie die Übertragungswege der Lepra verliefen. Dank frommer Stiftungen konnten die Kranken hier bis zu ihrem Tod versorgt werden. Behandlungsmöglichkeiten gab es nicht. Zwar war es ihnen erlaubt, zu betteln, doch mussten sie zur Warnung eine Holzrassel mitführen. Um eine andere weit verbreitete Krankheit, das Antoniusfeuer, eine Vergiftung mit dem Mutterkornpilz im Roggenmehl, kümmerte sich der Orden der Antoniter, wenn auch mit völlig unzureichenden Mitteln.

Grojse Pandemien wie die Pest überforderten durch ihre rasend schnelle Verbreitung und den raschen, qualvollen Tod der Erkrankten die Menschen des Mittelalters völlig. In ihrer Panik machten sie bei den ersten grojsen Pestwellen Mitte des 14. Jh. ihre jüdischen Mitbürger dafür verantwortlich und es ging das falsche Gerücht um, diese hätten die Brunnen vergiftet. Magen-Darm-Seuchen, Grippeepidemien, Syphilis und Englischer Schweiß sind weitere Begriffe aus der Schreckenskammer menschlicher Krankheiten, die die mittelalterlichen Menschen ohne das Wissen um woher und warum sowie ohne Behandlungsmöglichkeiten quälten. Meist ist den mittelalterlichen Chroniken gar nicht genau zu entnehmen, um welche Seuchen es sich tatsächlich handelte. Dass diese ständige, überfallartige und ausweglose Gefährdung dazu führte, dass die Menschen Krankheit als Strafe für ihre Sünden verstanden und sich verstärkt der Kirche zuwandten, ist nur allzu verständlich.

Rothenburg ob der Tauber

Wie die Touristenströme zeigen, gehört die alte Reichsstadt zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands überhaupt. An der Kreuzung der Fernhandelsstraßen Würzburg-Ulm und Nürnberg-Speyer entwickelte sich die Stadt im Anschluss an die gleichnamige staufische Burg selbst zu einem bedeutenden Handelszentrum. Die rasante Entwicklung im 14. Jh. zeigt sich noch heute in der großen Stadterweiterung, die mit der vollständig erhaltenen Ummauerung ihren Abschluss fand. Das Rathaus wendet dem Marktplatz eine prunkvolle Renaissancefassade zu, besitzt aber noch einen gotischen Teil mit mittelalterlichen Ladeneinbauten. Die Stadtpfarrkirche wurde dem Pilgerheiligen Jakobus dem Älteren geweiht, da Rothenburg eine wichtige Station auf dem Weg nach Santiago de Com-postela war. Deshalb zeigen die Flügelgemälde des spätgotischen Hochaltares die Jakobuslegende innerhalb der Kulisse Rothenburgs. Der bekannteste deutsche Bildhauer des Spätmittelalters, Tilman Riemenschneider aus Würzburg, schuf im Auftrag des Rates Anfang des 16. Jh. den Heilig-Blut-Altar als kostbare Fassung für eine Reliquie. Der Reichtum der Stadt verdeutlicht sich in der enormen Höhe und den maßwerkdurchbrochenen Turmspitzen der Kirche, die sich an Formen gotischer Kathedralen orientiert.

Der schönste Blick bietet sich aus dem Taubertal von der doppelstöckigen, spätmittelalterlichen Brücke hinauf zur türmereichen Stadtsilhouette. Ganz in der Nähe liegt auch das sogenannte Topplerschlösschen als selten erhaltenes Beispiel eines mittelalterlichen Weiherhäuschens, ehemals weit verbreitet als wohnlicher Rückzugsort der Erholung suchenden Oberschicht.

Stadtp/arrkiche St. Jakob geöffnet vonJan. bis März und Nov.: 10 -12 Uhr und 14 -16 Uhr; Apr. bis Okt. 9 -17.15 Uhr; Dez.: 10 -16.45 Uhr, mit Eintritt Topplerschlösschen geöffnet Freitag, Samstag, Sonntag 13 -16 Uhr; im November geschlossen; mit Eintritt

www.rothenburg.de

Landshut

Die Isarstadt verdankt Gründung und Aufstieg den bayerischen Herzögen, denen sie teilweise als Residenz diente. Hoch über der Stadt ragt Burg Trausnitz auf, die im 16. Jh. in den Formen der Renaissance umgestaltet wurde. Zu den bedeutendsten Burgkapellen des Mittelalters zählt dank ihres frühgotischen Figurenschmucks St. Georg. Herzog Ludwig X. errichtete sich ab 1536 mitten in der Altstadt den wohl schönsten Renaissancepalast nach italienischem Vorbild, der in Deutschland zu finden ist. Seit 1903 füllen sich alle drei Jahre die Plätze und Gassen Landshuts wieder mit mittelalterlichem Leben. Dann feiert die ganze Stadt die »Landshuter Hochzeit« in Erinnerung an die Eheschließung Herzog Georgs des Reichen mit der polnischen Königstochter Hedwig 1475, die zu den glanzvollsten Festen des Mittelalters zählte.
Die Bürger machten den Herzögen mit dem höchsten Backsteinturm der Welt an St. Martin Konkurrenz, der hoch bis zur Trausnitz reicht und machtvoll die Hauptstraße der Stadt beherrscht. Die Pfarrkirche gehört zu den elegantesten Hallenkirchen der Spätgotik. Ihr Architekt Hans von Burghausen errichtete auch die Spitalkirche, die neue Maßstäbe im bayerisch-österreichischen Kirchenbau setzte. Die platzartigen Straßenzüge von Altstadt, Neustadt und Freyung bieten in seltener Geschlossenheit eine spätmittelalterliche Bebauung, teilweise noch mit gotischen Arkadengängen.

Burg Trausnitz undBurgkapelle St. Georg nur mit Führung zu besichtigen: Apr. bis Sept.: tägl. 9-18 Uhr; Okt. bis März: tägl. 9 -17.30 Uhr

www.landshut.de
www.burgtrausnitz.de

Pfarrkirche (Sti/tsbasilifea St. Martin): Apr. bis Sept.: tägl. 7.30 -18.30 Uhr; Okt. bis März: tägl. 7.30 -17 Uhr
www.st.martin-landshut.de

Erfurt
Die Wende 1989 brachte für die über vierzig Jahre lang vernachlässigte und abrissgefährdete Altstadt die Rettung. Da Erfurt Landeshauptstadt wurde, flössen beträchtliche Mittel in eine umfassende Gesamtrestaurierung, so dass eine der größten Altstädte Deutschlands buchstäblich in letzter Minute gerettet werden konnte. Die einmalige Baugruppe der beiden gotischen Kirchen Dom und St. Severi verdeutlicht den Einfluss des Mainzer Erzbischofs, dessen Außenposten Erfurt seit den Zeiten des hl. Bonifatius war. Doch weit mehr als die Amtskirche prägten die reichen Kaufleute des ostdeutschen Handelszentrums die Stadt. Vor allem Anbau und Handel mit der Färbepflanze Waid brachte Reichtum hierher. Die Händler stifteten unzählige Klöster, Kirchen und Kapellen und erbauten sich repräsentative Fachwerkhäuser. Als in Deutschland einzigartiges Beispiel einer mit Häusern bebauten Brücke präsentiert sich die Krämerbrücke, die anstelle einer Furt über die Gera entstand. Den Zugang bewacht die gotische Ägidienkirche. Auch in Erfurt gehören die Kirchen der Bettelorden zu den hervorragendsten Bauzeugnissen der Stadt, finanziert durch die reichen Bürger. Vor allem die Basilika der Dominikanerkirche hat noch viel von ihrer wertvollen Ausstattung behalten. Das Augustiner-Eremitenkloster erlangte besondere Berühmtheit, da Martin Luther hier Anfang des 16. Jh. Mönch war.

Dom St. Marien geöffnet von Mai bis Okt.: Montag bis Samstag 9-17 Uhr, Sonntag 13-16 Uhr; Nov.
bis Apr. Montag bis Samstag 10 -16 Uhr; Sonntag
13-16 Uhr

www.erfurt.de
www.dom-erfurt.de

Erlebnistipp: Regensburg

Verkehrsgünstig an einem Donauübergang gelegen, entwickelte sich Regensburg aus einem römischen Legionslager zu einer der bedeutendsten Handelsstädte des hohen Mittelalters zwischen Russland, dem Donauraum und Italien. Wie in keiner zweiten deutschen Stadt hat sich hier ein engmaschiges Gefüge aus Dom, Klöstern, Kirchen, Kapellen, Plätzen und Patrizierpalästen erhalten. Allein die kurz vor der Mitte des 12. Jh. vollendete Donaubrücke, die zu den technischen Meisterleistungen des Mittelalters zählt, zeigt die Bedeutung des Handels für die Stadt. Die Fernhändler errichteten nach norditalienischem Vorbild Türme an ihren Stadtpalästen. Seit dem 13. Jh. bestimmen sie die Silhouette der Donaumetropole entscheidend mit. Vierzig davon sind in Resten oder ganz erhalten, allen voran der Goldene Turm in der Wahlenstraße. Keines dieser Häuser verzichtete auf eine Kapelle - diese haben sich profaniert in Lokalen oder Geschäften erhalten. Das gotische Rathaus besitzt einen der größten Säle des deutschen Mittelalters. Hier tagte 1663-1806 der Immerwährende Reichstag. Neben dem nach französischen Vorbildern unter maßgeblicher Beteiligung der Patrizier errichteten gotischen Dom markieren zahlreiche Klöster Reichtum und Bedeutung der Stadt. Die Reichsabtei St. Emmeram, heute Schloss der Fürsten von Thurn und Taxis, sowie die Stifte Alte Kapelle, Ober- und Niedermünster gehen teilweise noch bis in karolingische Zeit zurück. Das wohl eindrucksvollste Portal der deutschen Romanik findet sich an der Kirche des Schottenklosters St. Jakob, das mit einer rätselhaften Bilderwelt aufwartet. Auch die Betfeiorden der Dominikaner und Franziskaner waren hier vertreten und errichteten sich Predigtkirchen, deren Größe mit dem Dom konkurriert. Beide gehören zu den frühesten Zeugnissen der Bettelordensgotik in Deutschland.

Dom St. Peter geöffnet von April bis Oktober: tögl. 6.30-18 Uhr; Nov. bis März lägt. 6.30-17 Uhr
Altes Rothaus nur im Rahmen einer Führung zu besichtigen: Montag bis Samstag ab 9.30 Uhr halbstündlich, Sonntag ab 10 Uhr halbstündlich

www.regensburg.de

Lübeck

Die Gründung Heinrichs des Löwen kurz nach der Mitte des 12. Jh. entwickelte sich zur bedeutendsten mittelalterlichen Handelsstadt des gesamten nordeuropäischen Raumes. Seine Stellung als führende Stadt der Hanse konnte Lübeck bis zum Ende des Mittelalters festigen und so den ganzen Ostseeraum dominieren. Ende des 14. Jh. ließ die Reichsstadt als eine der technischen Pioniertaten des Mittelalters einen Kanal zwischen Elbe und Trave anlegen. Von der wehrhaften Ummauerung der Stadt haben sich Burg- und Holstentor erhalten - letzteres kann als schönstes Stadttor Deutschlands gelten. Gleich nebenan stehen einige Salzspeicher, die zeigen, wie wichtig der Handel mit Lüneburger Salz für den Reichtum der Stadt war. Das gotische Rathaus mit seinen maßwerkgeschmückten Blendgiebeln setzte im gesamten Ostseeraum Maßstäbe wie auch die benachbarte Marienkirche als Hauptpfarrkirche der Stadt. Als bürgerliches Gegenstück zum Dom entstand mit ihr einer der wichtigsten Bauten norddeutscher Backsteingotik. Zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Hospitälern Deutschlands zählt das Heilig-Geist-Hospital mit seiner der hl. Elisabeth geweihten Kapelle. Das Dominikanerkloster wurde von der Stadt zum Dank für einen Sieg über die Dänen gestiftet und erhielt einen monumentalen Kirchenbau. Unter den zahlreichen Kunstschätzen der Stadt ragt die spätgotische Triumphkreuzgruppe des Bildhauers Bernt Notke besonders hervor, die sich im Dom befindet.

Dom geöffnet Apr. bis Ende Sommerzeit: 10 -18 Uhr, Ende Oktober bis März: 10 -16 Uhr

www.luebeck.de
www.domzuluebeck.de








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