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Training durch interne Realisation

"Training durch interne Realisation"



Eine Ausarbeitung von Daniel Bleisteiner

Im Rahmen der Lehrveranstaltung "Lernen in der Arbeit"

Gehalten von Prof. Dr. Walter Volpert

Institut für Arbeitspsychologie der Technischen Universität zu Berlin


Ich möchte im Folgenden eine Wiedergabe des Kapitels 3.2.2. aus dem Buch "Optimierung von Trainingsprogrammen" von Walter Volpert vornehmen. Das genannte Kapitel beschäftigt sich mit dem Training durch interne Realisation. Die Ausarbeitung gliedert sich wie folgt.



1. Training durch interne Realisation

Das Training durch interne Realisation ist eine Form des Trainings, die höhere Regulationsebenen explizit einbezieht. In dem Buch Prof. Dr. Volperts von 1976 gilt die Trainingsform als wenig erforscht. Auch heute - 22 Jahre später - ist dies nicht anders. Sie kommt vor allem beim Sport aber auch in der Industrie zur Anwendung und hat sich dort in erster Linie aufgrund subjektiver Erfolgserlebnisse etabliert. Eine tatsächliche Wirkung dieses Trainings möchte ich aber nicht ausschließen - doch dazu später mehr.


1.1 Definition und Arten

Unter dem Begriff des "Trainings durch interne Realisation" faßt man alle Trainingsformen zusammen, bei denen die zu übende Tätigkeit auf einer höheren Regulationsebene aktualisiert wird. Die Tätigkeit selbst kommt dabei nicht zur Ausführung und ist auch nicht Gegenstand verbaler Kommunikation. Jede Form von Training, bei der die Tätigkeit auch tatsächlich zur Ausführung kommt, faßt man als "Training durch Ausführen" zusammen.

Das Training durch interne Realisation wird seit ULICH (1967a,b,1968a,b) in zwei Grundformen aufgeteilt - "Mentales Training" und "Observatives Training".

Unter mentalem Training versteht man "ein planmäßig wiederholtes, bewußtes Sich-Vorstellen der zu lernenden sensumotorischen Fertigkeit". Man spricht auch von "einer symbolischen Wiederholung einer physischen Aktivität in Abwesenheit jeglicher größerer Muskelbewegung". Das mentale Training kommt beispielsweise auf den Gebieten des Sports, der Akrobatik und der Kunst zum Einsatz.

Observatives Training stellt sich als das "planmäßig wiederholte, gezielte Beobachten anderer Personen, die die zu lernende sensumotorische Fertigkeit tatsächlich ausführen" dar. Das "Lernen durch Imitieren" ist für den sozialen Bereich vielleicht die wichtigste Grundform des Lernens.

Durch Variationen sind verschiedene Formen des mentalen Trainings denkbar. So läßt sich beispielsweise die Situation variieren - also inwieweit ähnelt die Situation beim mentalen Training der bei der tatsächlichen Ausführung. Andererseits kann auch die Instruktion variieren - also die Gewichtung der für mentales Training spezifischen Methoden. Um den Übenden nicht unnötig abzulenken wird dieser während dem mentalen Training vor äußeren Einflüssen geschützt. Aufgrund der fehlenden Muskelaktivität kann mentales Training jedoch nicht direkt mit Simulationstraining verglichen werden.

Im Zusammenhang mit dem oberservativen Training kann das Beobachtungsmaterial variieren - also beispielsweise der Geübtheitsgrad des Beobachteten. Die Beobachtungssituation ist ein weiterer variabler Punkt. So ist es von Interesse, ob die Tätigkeit tatsächlich vorgeführt wird oder nur ein Video zur Anwendung kommt. Eine weitere Rolle spielen auch die interaktiven Möglichkeiten des Beobachtenden. Abschließend ist auch hier wiederum die Instruktion des Trainings von Bedeutung. Alle diese Aspekte beeinflussen sich gegenseitig. Eine standardisierte Form des observativen Trainings ist beispielsweise die wiederholte Betrachtung eines kurzen Filmes, die eine Tätigkeit immer aus der gleichen Entfernung und dem gleichen Blickwinkel zeigt.


1.2 Hypothesen über die Wirksamkeit

1.2.1 Das mentale Training

Um die Wirksamkeit des mentalen Trainings hypothetisch beurteilen zu können, sollen zuerst die Vorgänge bei dieser Methode genauer analysiert werden.

Hier wird der Bewegungsablauf ins Bewußtsein gehoben und somit zur Bewußtseinsvorstellung. Der Trainierende stellt sich also die auszuführende Tätigkeit bildlich vor und geht sie in Gedanken wiederholt durch ohne dabei jedoch wirklich aktiv diese Tätigkeit auszuführen. Der ganze Vorgang verweilt auf der niedrigeren Ebene der Vorstellungen.

Da Training im allgemeinen als Verbesserung einer Fertigkeit aufgrund eines Rückkopplungsmechanismus gekennzeichnet ist, läßt sich die Wirksamkeit des mentalen Trainings aus dem genannten nicht direkt ableiten. Wenn man jedoch weitergehend den Zusammenhang von Handeln und Denken beachtet und dabei berücksichtigt, daß Denken ohne eine festen Handlungsbezug nicht möglich ist, liegt ein Wirkungszusammenhang nahe. Denn das Denken an eine Handlung ist auch Probehandeln - wenn auch nur auf Bewußtseinsebene.

Schon Pawlow bemerkte: "So wurde schon vor langem bemerkt und wissenschaftlich bewiesen, daß Sie eine bestimmte Bewegung unwillkürlich, ohne es zu bemerken, ausführen, wenn Sie an diese denken." Im Zusammenhang mit Versuchsreihen von Jacobsen (1932) schrieb Puni (1958, S.1067f.): "Die Vorstellung irgendeiner Bewegung  oder Tätigkeit ruft eine reale, wenn auch geringfügige Reaktion des arbeitenden Muskels hervor."

Eine derartige Reaktion ist auch bei der systematischen Aktualisierung eines Bewegungsentwurfs durch das mentale Training anzunehmen. Die dabei auftretenden Reaktionen sind mit denen beim aktiven Training identisch. Folglich kann diese Abfolge auch beim mentalen Training verbessert werden. Die Bewegungsvorstellung wird somit "zu einem aktiven Mechanismus, der Einfluß auf die Bildung der Bewegungsfertigkeit hat" (Puni 1958).

Aufgrund dieser Annahmen nähern sich mentales Training und Training durch Ausführung einander an. Ein wesentlicher Unterschied zur aktiven Ausführung der Bewegung besteht natürlich in der vorhandenen Rückkopplung. Der Realitätsbezug ist beim mentalen Training verhältnismäßig gering einzuschätzen. Es stehen lediglich Informationen aufgrund früheren Trainings durch Ausführung zur Verfügung. Somit liegt beim mentalen Training das Hauptgewicht auf der Informationsverarbeitung.

Zusammenfassend kann durch mentalen Training eine Präzisierung und Modifizierung des Bewegungsablaufes erreicht werden. Der Schwerpunkt liegt dabei eher auf der Informationsverarbeitung, welche eine bereits absolviertes aktives Training voraussetzt.


1.2.2 Observatives Training

Im Gegensatz zum mentalen Training wird beim oberservativen Training die Aktualisierung des Bewegungsablaufes von außen unterstützt. Diese Unterstützung erhält der Trainierende allein durch die Beobachtung. Sie wird durch eine Verbindung zwischen unbedingtem und bedingtem Reiz ermöglicht, die durch die bereits zuvor aktiv ausgeübte Tätigkeit zustande kommt.

So kann der Beobachtende ohne den Umweg der verbalen Kommunikation, allein aus der Beobachtung heraus, aus dem Verhalten des Beobachteten Rückschlüsse auf seinen eigenen Trainingsraum ziehen und die gewonnenen Erkenntnisse in seinem Lernprozeß nutzen. "Auch das gezielte Beobachten einer Tätigkeit kann somit als aktiver Vorgang verstanden werden: als interne Realisation einer Bewegung durch deren Nachvollzug während der Beobachtung.

Bei der Beurteilung des Nutzens des oberservativen Trainings spielt die Differenz zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten eine entscheidende Rolle. Ist beispielsweise der Beobachtete weniger geübt als der Beobachter, wird dies für letzteren kaum von Nutzen sein. Ist der Geübtheitsgrad des Beobachteten dagegen hoch, so kann die Beobachtung als Eingabe eines Sollzustandes betrachtet werden. Die Existenz einer solchen Sollwerteingabe ist sinnvoll und auch notwendig. Bereits bei der Instruierung des Trainierenden wird eine solche in allgemeiner Form vorgenommen. Durch das observative Training wird diese Eingabe aber weiter verfeinert und zusätzlich untermauert.

Um diese Hypothesen weiter zu verfeinern, sollen im Folgenden bisherige Ergebnisse entsprechender Untersuchungen aufgeführt werden.


1.3 Ergebnisse bisheriger Untersuchungen

1.3.1 Erster Überblick

In dem mir vorliegenden Material werden nun einige Untersuchungen genauer aufgeführt. Ich werde mich hier in erster Linie auf die resultierenden Erkenntnisse konzentrieren. Wer sich für die genaue Vorgehensweise interessiert soll hier auf die im Anhang aufgeführte Literatur verwiesen werden.

Die hier aufgeführten Untersuchungen werden von Volpert in 3 Gruppen eingeteilt:

- Untersuchungen aus dem englisch-sprachigen Raum
- Untersuchungen aus dem Bereich der ehemaligen Sowjetunion
- Untersuchungen von Ulich, welche detaillierter beschrieben sind

1.3.2 Versuchsanlage und mögliche Ergebnisse

Der Großteil der im folgenden genutzten Untersuchungen weist einen einheitlichen Grundplan auf, welcher folgende Fragen beantworten kann: Bewirkt die Trainingsmethode überhaupt etwas? Und wie ist die Wirkung im Vergleich zur ebensolangen Ausübung der Tätigkeit selbst?

Um die Zahl der möglichen Ergebnisse zu verringern, wird von zwei einfachen Grundlagen ausgegangen: Keine Trainingsform wirkt in irgendeiner Form negativ und das Training durch Ausführung wirkt immer positiv.


1.3.3 Mehrgruppen-Untersuchungen  über die Wirksamkeit des mentalen Trainings

Bei 46.6% der hier in dem Buch Volperts aufgeführten 28 Untersuchungen konnte eine Wirksamkeit des mentalen Trainings nachgewiesen werden. Diese Wirkung lag jedoch in keinem Fall über der Wirkung des Trainings durch Ausführung. Bei weiteren 39.3% der Untersuchungen konnte eine Wirksamkeit des mentalen Trainings vermutet werden.

Es zeigt sich weiter, daß die Wirksamkeit bei lang anhaltenden mentalen Trainingsphasen eher gering ausfällt. Die Instruktionen waren bei den geführten Versuchen sehr unterschiedlich und nur in Ausnahmefällen würde der Bewegungsablauf schon vorab detailliert geschildert.


1.3.4 Mehrgruppen-Untersuchungen über die Wirksamkeit des observativen Trainings

Die hier aufgeführten Ergebnisse fallen sehr unterschiedlich aus.

Harby zeigte beispielsweise Studenten eine Filmschleife, die geübte Basketballwerfer zeigte. Nur eine von fünf Gruppen wies Leistungsverbesserungen auf.

Ein Versuchs Adams läßt sich aufgrund der Vorgehensweise kaum dem observativen Training zuordnen, da hier das Training mit einer aktiven Aufgabe verbunden war. Die Gruppe, die diesen Versuch durchführte war im Nachhinein sogar schlechter als die Gruppe, welche in der Zeit pausiert hatte.

Bei den wenig standardisierten Untersuchungen Ulichs, in denen eine reale Person beobachtet wurde, ließen zwei der sechs Untersuchungen eine Wirksamkeit des observativen Trainings erkennen und drei weitere lassen eine solche nur vermuten.


1.3.5 Die Wirksamkeit des mentalen Trainings im Vergleich zum observativen Training

Hier sind lediglich die Untersuchungen Ulichs zu einem Vergleich verwendbar, da nur sie eine zueinander vergleichbare Anordnung benutzten. Die aufgeführten fünf Untersuchungen arbeiteten jeweils mit 2 Experimentiergruppen.

In vier der Untersuchungen liegen die Nachtestleistungen beim mentalen Training über denen beim observativen Training. Allerdings war dieser Unterschied nur in einem Fall wirklich signifikant.


1.3.6 Wirksamkeit des mentalen und observativen Trainings ohne vorherige Ausführung der Tätigkeit

Es gibt zwei Untersuchungen über die Wirksamkeit des mentalen und observativen Trainings mit und ohne vorherige Ausführung der Tätigkeit.

Rykow (1956) beobachtete Schüler, die Frösche sezieren sollten. Er stellte dabei fest, daß eine Beobachtung dieser Tätigkeit die Leistungen steigerte. Eine genauere Analyse nahm er allerdings nicht vor.

Bei Ulich wurden 20 Studenten bei der Arbeit an einem Steckbrett untersucht. Hier konnte eindeutig festgestellt werden, daß die Studenten, welche die Tätigkeit vor der Beobachtung - welche beide Gruppen ausführten - auch tatsächlich aktiv ausgeführt hatten, wesentlich bessere Leistungen darbrachten.

Hier ist jedoch fraglich, ob die Wirksamkeit des observativen Trainings oder nur die vorherige Ausführung diesen Unterschied bewirkten.


1.3.7 Untersuchungen über die Wirksamkeit abwechselnden Trainings durch Vorstellen und Ausführen

In der Literatur sind fünf Untersuchungen dieser Art aufgeführt. Sie untersuchen alle die Wirkung von wechselseitigem mentalen und ausführenden Training.

In keinem der Versuche konnte eine Unterschied zu der nur ausführend trainierenden Gruppe festgestellt werden. Es wurden lediglich nicht signifikante Leistungssteigerungen bei den abwechselnd mental und ausführend trainierenden Gruppen festgestellt.

Eine feste Aussage kann hier jedoch nicht getroffen werden.


1.3.8 Untersuchungen über die Wirksamkeit kurzer Perioden des mentalen Trainings unmittelbar vor der Ausführung der Tätigkeit

Sportler nutzen das mentale Training oft unmittelbar vor der Ausführung der Tätigkeit, um den Bewegungsablauf nochmals zu rekapitulieren. Die leistungssteigernde Wirkung dieses Vorgehens wurde in 3 Untersuchungen festgestellt: von Waterland beim Kegeln, von Polubabkin beim Weitsprung und Abelskaja und Surkow beim Hochsprung. Eine statistische Erfassung der Daten wurde nicht vorgenommen.


1.3.9 Untersuchungen über physiologische Korrelate beim mentalen und observativen Training

Derartige Untersuchungen wurden von Ulich mit seinen Steckbrett-Versuchen durchgeführt. Beim mentalen und observativen Training konnten Beschleunigungen der Puls- und Atemfrequenz sowie Veränderungen der Aktionspotentiale des Handmuskels festgestellt werden.

Diese Erscheinungen waren beim mentalen Training stärker ausgeprägt als beim observativen Training. Aber die Wirkung beim ausführenden Training übertraf diese beiden Messungen deutlich. Es fällt auf, daß diese Rangfolge auch beim Übungserfolg der Gruppen vorzufinden ist.


1.3.10 Untersuchungen über Außerungen der Übenden über das mentale Training

Es gab zwei Untersuchungen, die sich mit diesem Thema befassen. Bei Puni kam man zu der Erkenntnis, daß zuerst die optischen, dann die kinästhetischen Vorstellungen überwiegen. Ulich ließ 100 Studenten ihre Erfahrungen mit dem mentalen Training beschreiben. Er konnte die Außerungen in zwei Gruppen zusammenfassen: Die eine Hälfte beschränkte sich bei dem mentalen Training auf die wiederholte Vorstellung bereits bekannter Abläufe, ohne diese weiter zu verfeinern - die zweite Hälfte versuchte zielgerichtet durch Denkprozesse, den Bewegungsablauf zu verbessern und wiederholt in der Vorstellung zu trainieren.

Eine größere Zahl der Personen äußerte, daß nach längeren Phasen des mentalen Trainings der Drang, ausführend zu trainieren, immer größer wurde. Das Ausbleiben des tatsächlichen Ausführens der Tätigkeit wurde allgemein als stark frustrierend empfunden.

Es zeigte sich auch weiterhin, daß Personen, die ausschließlich mental trainierten, ohne die Tätigkeit zuvor einmal ausgeführt zu haben, meist überrascht auf die tatsächliche Bewegung reagierten.


1.3.11 Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen zu übender Tätigkeit und dem Übungserfolg durch mentales Training

Es steht weiterhin die Frage offen, ob bestimmte Tätigkeiten besser als andere durch mentales Training trainierbar sind. Morrisett versuchte sich an einer Einteilung im Bezug auf die Ausgeprägtheit "motorischer", "sensorischer" und "symbolischer" Komponenten. Es wurde eine gute Symbolisierbarkeit als gute Voraussetzung für mentales Training erkannt.

Ein weiterer ausschlaggebender Punkt ist der Vertrautheitsgrad der Übenden mit den Kennzeichen der Tätigkeit. Je genauer der Übende diese Tätigkeit kennt, desto besser kann er auch mental tranieren.


1.3.12 Untersuchungen über einen Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsvariablen und dem Übungserfolg im mentalen Training

Viele der Forscher auf dem Gebiet des Trainings durch interne Realisation haben sich auch mit der Frage beschäftigt, ob es einen Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit und dem erzielten Übungserfolg durch mentales Training gibt. Man führte in diesem Zusammenhang vor allem Intelligenz- und verschiedene Leistungstests durch. Leider sind die Ergebnisse noch sehr uneins - im allgemeinen ließ sich jedoch kein entschiedener Zusammenhang feststellen.


1.4 Interpretation und Kritik dieser Ergebnisse

Es läßt sich nur sehr schwer kontrollieren ob jemand mental oder auch observativ trainiert. So kann die Person das Training einfach unterlassen oder zu einer Zeit trainieren, die im Übungsplan nicht so vorgesehen ist. All dies erschwert eine systematische Untersuchung natürlich.

Es scheint aber unwahrscheinlich, daß eine Personen zusätzlich mental trainiert hat - selbst wenn, so spricht dies nicht gegen die generelle Wirksamkeit des Trainings durch interne Realisation.

Ganz allgemein kann die alleinige Aufgabe, etwas zu trainieren bereits motivierend wirken. Das Training durch interne Realisation stellt des weiteren eine nicht uninteressante neue Art des Übens dar, die auch als "Konzentrationsübung" aufgefaßt werden kann. Oft wird auch erwartet, daß sich die neue Methode bewährt. Allein diese Faktoren können - wie in der Psychologie schon länger bekannt - eine große Rolle spielen.

Diese Vorbehalte sollen eine positive Bewertung der Ergebnisse aber nicht ausschließen. Die Ergebnisse widersprechen der vorgestellten Wirkungsweise mentalen Trainings nicht. Die Annahmen über die generelle Wirksamkeit und physiologische Begleiterscheinungen scheinen durch die aufgeführten Versuche ebenfalls bestätigt zu werden.

Von den Arten des Trainings durch interne Realisation wurde das mentale Training weitaus intensiver erforscht. Es scheint sich aber bereits abzuzeichnen, daß das observative Training keinesfalls wirkungslos ist, jedoch hinter dem mentalen Training zurückbleibt.

Allgemein läßt sich feststellen, daß mentales Training nur dann wirksam erscheint, wenn genügend reale Informationen durch vorheriges ausführendes Training zur Verfügung stehen. Nur so kann eine wirklichkeitsnahe Abbildung der Tätigkeit erfolgen - andernfalls ist oft eine zu starke Abstraktion vom wirklichen Geschehen zu beobachten. Sobald nach einer recht kurzen Phase des mentalen Trainings diese Informationen weitestgehend verarbeitet sind, empfiehlt sich eine Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse durch ausführendes Training. Entfällt dieser Ausgleich für längere Zeit, so entfernt sich die Vorstellung zunehmend von der Realität und der Übende erliegt in steigendem Maße dem Frust.

Daraus läßt sich ableiten, daß kurze Perioden des mentalen Trainings unmittelbar vor dem Ausführen der Tätigkeit und auch wechselnde Phasen von mentalem und ausführendem Training sinnvoll erscheinen.

Es bleibt aber noch die Frage, ob nicht bereits in einfachen Pausen eine unspezifische, unsystematische Form des mentalen Trainings praktiziert wird. Allerdings läßt sich diese Annahme nur sehr bedingt empirisch überprüfen.

Weiterhin bleibt auch ungeklärt, in welcher Wirkung die Instruktion und auch die Situation zum mentalen Training stehen. Es ist auch unsicher, welchen Einfluß verschiedene Eigenschaften der zu trainierenden Tätigkeit auf den Trainingserfolg haben. Auch die Persönlichkeitsvariablen und der Einfluß der Vorübung sind weitestgehend ungeklärt. Ebenfalls unklar ist auch noch der Einfluß von Begleitprozessen zum mentalen Training auf der Ebene der Sprech-Denk-Prozesse.


1.5 Abschließende persönliche Meinung

Ich halte zuerst einmal die getrennte Betrachtung von mentalem und observativem Training für fragwürdig. Meiner Meinung nach lassen sich diese beiden Dinge nicht trennen. Wenn ich durch Beobachtung einen Trainingserfolg verbuchen möchte, so kann ich mich nicht auf die Beobachtung alleine beschränken. Hier ist der Prozeß des mentalen Trainings in gleichem Maße von Bedeutung. Wenn man nicht in der Lage ist, die Bewegung selbst in der Vorstellung zu abstrahieren, so wird man durch die Beobachtung selbst auch keine Rückschlüsse auf die eigenen Leistungen ziehen können. Vielmehr ist ein ständiger Vergleich des Beobachteten und des tatsächlich Ausgeführten von Nöten.

Auf der anderen Seite kann ich mir das mentale Training kaum ohne eine gezielte Beobachtung anderer Personen vorstellen. Oft hat doch der Trainierende gar keine Vorstellung davon, was er an seiner Bewegung denn noch verbessern kann. Allein durch die Ausführung der Tätigkeit erlangt er diese Erfahrung nur in geringem Maße. Entweder gibt der Trainer den entscheidenden Anstoß oder der Trainierende beobachtet andere Personen bei der Ausübung der Tätigkeit, um sich seine eigenen Schwächen vor Augen zu führen - was oft beides Hand in Hand einher geht.

So sehe ich die beiden Bereiche des Trainings durch interne Realisation als Teile eines Ganzen an, die nicht voneinander getrennt gesehen werden sollten. Auch wird der Trainierende diese Trennung gar nicht erfolgreich aufrechterhalten können.

Das Training durch interne Realisation sollte so meiner Meinung nach als Ganzes in den Trainingsprozeß einfließen und zu seiner Vervollkommnung beitragen. Die direkte Kombination von ausführendem Training und dem Training durch interne Realisation ist dabei das ausschlaggebende Kriterium - wer hier ein gutes Maß findet und es versteht, diese verschiedenen Methoden des Trainings geschickt zu kombinieren, wird auch den Erfolg des eigenen Trainings anheben können. Wer sich aber auf der anderen Seite auf den alleinigen Erfolg von mentalem Training verläßt, ohne dabei die Rahmenbedingungen zu beachten, wird nicht den gewünschten Erfolg verbuchen können.






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