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Buchbesprechung - Erich Maria Remarque - Im Westen nichts Neues

Erich Maria Remarque


Im Westen nichts Neues

-

Buchbesprechung




3. Einleitung


"Im Westen nichts Neues" ist der mit Abstand bekannteste und einflußreichste aller Romane Re­marques. Direkt nach seinem Erscheinen bei Ullstein im Jahre 1928 wurde er zu einem Massen­er­folg, wie ihn das deutsche Verlagswesen noch nicht erlebt hatte. Zugleich wurde er aber auch das Ziel heftigster Angriffe der Rechten und insbesondere der Nationalsozialisten, die zu der Verbren­nung von Remarques Büchern im Mai 1933 und zu seiner Ausbürgerung 1938 führen sollten.

Die Handlung dreht sich um die Erlebnisse des jungen Soldaten Bäumer, dessen gesamter Jahrgang sich auf Drängen seines Klassenlehrers im Ersten Weltkrieg direkt von der Schulbank an die Front meldet. Er erlebt den Tod aller seiner Freunde und den Zusammenbruch seiner jugendlichen Welt im unvorstellbaren Grauen des Schützengrabens.

Mit diesem Buch hat Remarque versucht seine Erlebnisse des Ersten Weltkrieges aufzuarbeiten und vielen anderen Betroffenen dabei zu helfen. Ebenso ist das Buch als Warnung an alle zukünftigen Generationen zu verstehen.

4. Inhaltsangabe


Paul Bäumer und seine Klassenkameraden Kropp, Müller, Kemmerich und Leer werden zur neun­ten Korporalschaft beordert, um dort auf den Krieg vorbereitet zu werden. Die fünf Gymnasiasten sollen dort zusammen mit anderen vom Unteroffizier Himmelstoß ausgebildet werden. Himmelstoß macht den jungen Leuten dort das Leben zur Hölle und schikaniert sie, wo er nur kann.

An der Front trifft Paul den Mann, der während der kommenden Kriegszeit sein bester Freund wer­den soll: Stanislaus Katczinsky, genannt Kat. In der gleichen Kompanie dienen der Schlosser Tja­den, Haie Westhus, ein Torfstecher und Detering, ein Bauer. Bei den Soldaten herrscht ein vulgärer Umgangston. Die Kompanie wird als Ablösung in die Schützengräben geschickt und erleidet schwere Verluste. Josef Behm, einer, der sich nur aus Gruppenzwang und Drängen des Klassenleh­rers Kantorek zum Waffendienst gemeldet hat, ist der Erste aus Pauls Klasse, der Opfer dieses Krie­ges wird. Kemmerich ist der Zweite, der fällt. Er erleidet einen Ober­schenkeldurchschuss und man kann sehen, dass er bald sterben wird. Müller denkt trotz der Trauer um seinen Kameraden an Kemmerichs Stiefel. Er will die guten Stücke haben, bevor sie sich irgendein Sanitäter unter den Nagel reisst. Bald darauf stirbt Kemmerich. Die 2. Kompanie wird mit neuen Soldaten aufge­füllt und dann wieder zur Front abkommandiert. Sie bauen dort Verteidigungsanlagen. In der Nacht wer­den sie plötzlich von feindlicher Artillerie beschossen. Pauls Kompanie übersteht den Beschuss ohne Verluste, jedoch haben ein paar in der Nähe befindliche Kolonnen einige Treffer abbekom­men. Während des Rückzuges wird die Kompanie erneut beschossen und sucht Deckung auf einem alten Friedhof. Paul legt sich unter einen freigebombten Sarg, dann fliegen auch schon die ersten Gasgra­naten. Er hilft einem Rekruten mit seiner Gasmaske. Dieser wird allerdings von einem durch die Explosion einer Granate heranfliegenden Sargsplitter tödlich verwundet. Nachdem das Gas verflo­gen ist, kümmern sich die Unverletzten um ihre Kameraden. Die Verluste der 2. Kom­panie be­schränken sich auf 'nur' fünf Tote und Verwundete.

Später  beschäftigt die Soldaten die Frage, was sie tun würden, wenn es wieder Frieden gäbe. Sie mer­ken, dass sie alle ihre früheren Ideale aus der Friedenszeiten verloren haben und wissen bis auf Kat, der eine Familie hat, nicht, was sie mit sich anfangen sollen. Während dieses Gesprächs kommt Himmelstoß, der inzwischen auch an der Front ist, zu der kleinen Truppe. Tjaden und Kropp sind unverschämt und sagen dem Vorgesetzten ins Gesicht, was sie von ihm halten. Daraufhin werden die beiden 'Rebellen' unter Arrest gestellt. Kat und Paul machen sich auf, um Essen zu besorgen und bringen die Reste ihres Mahls Kropp und Tjaden, die noch Arrest haben.

Aus Pauls Schulklasse sind zu der Zeit noch dreizehn von ehemals zwanzig am Leben. Davon sind vier verwundet und einer in der Irrenanstalt.

Die 2. Kompanie wird zwei Tage früher als erwartet an die Front gerufen. Auf dem Weg dorthin se­hen die Männer eine Menge neuer Holzsärge, wie für sie bereitgestellt. Die Soldaten versuchen ihre Angst mit Galgenhumor zu verdrängen.

In der Nacht werden die Unterstände mit schwerer Artillerie beschossen. Durch den Dauerbe­schuss ist es so gut wie unmöglich, Nahrungsmittel nach vorne zu den Gräben zu schaffen. Die Sol­daten werden unruhig. Pauls Unterstand hat bisher noch keine Verluste erlitten. Allerdings bekom­men zwei Rekruten einen Anfall von 'Unterstandsangst", einer läuft direkt in eine Granate. Nach langem Trommelfeuer beginnt der Angriff. Von überall kommen die Soldaten aus den Gräben und verteidigen ihre Stellungen. Dann folgt der Gegenangriff. Paul, Kat und die anderen drehen um und setzen den flüchtenden Feinden nach, von denen viele getötet werden. Um die eigenen Stellun­gen zu sichern, zieht sich die Kompanie schnell zurück. Während des Rückzuges nehmen die aus­ge­pumpten Soldaten Proviant aus der französischen Stellung mit. So vergeht jeder Tag mit Angrif­fen, Gegenangriffen und nachts mit dem Heimholen der Verwundeten.

Eines Vormittags sehen die Soldaten mitten in Angst und Leid zwischen Bombentrichtern und To­ten eine bizarre Situation: Zwei Schmetterlinge spielen inmitten des ganzen Elends und lassen sich schließlich auf einem Totenschädel nieder.

Die 2. Kompanie bekommt immer wieder Verstärkung, um die Verluste auszugleichen, meist junge Rekruten, die bei ihrem ersten Angriff niedergeschossen werden. Paul, Kat, Kropp und andere Er­fah­rene versuchen, den Neuankömmlingen ihre Erfahrung und Kenntnisse zu vermitteln, meist je­doch ohne Erfolg. In einem Graben trifft Paul seinen Ausbilder Himmelstoß wieder. Dieser ver­sucht sich zu drücken und will sich im Unterstand verkriechen. Paul prügelt auf ihn ein, um ihn zu veranlassen, mitzustürmen. Himmelstoß reagiert jedoch nicht. Aber was Pauls Prügel nicht schaf­fen, bewirkt ein einziger Satz eines vorbeistürmenden Leutnants: 'Vorwärts, anschließen!'

Bei einem Angriff von Pauls Kompanie sterben 118 von 150 Soldaten, darunter Haie Westhus. Paul und seine Kameraden werden abgelöst, wobei sich beim Abzählen Paul, Albert und Kat wieder treffen. Um die Gruppe neu aufzubauen, kommt sie erst einmal weit hinter die Front in ein Feldre­krutendepot. Dort treffen die Soldaten Himmelstoß wieder, der hier Küchendienst hat. Er will sich mit ihnen aussöhnen, indem er dafür sorgt, dass sie gute Verpflegung erhalten.

Sie verdrängen ihre Erlebnisse, indem sie Witze reißen, saufen und rauchen, so dass das Leben wie­der erträglich wird. Leer, Paul und Albert besuchen am anderen Ufer drei junge Französinnen, die sich im Tausch gegen Brot prostituieren.

Dann bekommt Paul Heimaturlaub mit einem anschließenden Abstecher ins Heidelager. Es gibt ge­rade sein Lieblingsgericht, als er zu Hause ankommt. Seine Mutter bricht in Freu­dentränen aus und opfert für ihn ihre letzten Leckerbissen. Paul sieht all die bekannten Dinge, die er mit Kind­heit und Jugenderinnerung verbindet, wieder. Trotzdem ist sein Zuhause nicht mehr das­selbe. Er ist ein an­derer geworden, die Heimat erscheint ihm unwirklich. Paul erfährt, dass seine Mutter Krebs hat.

In der Kneipe fragen ihn sämtliche Bekannte nach dem Krieg und seinen Erlebnissen an der Front. Er hat jedoch Angst, diese in Worte zu fassen, weil er fürchtet, dann von ihnen überrollt zu werden. Er kann die Leute nicht verstehen, die ihm auf die Schulter klopfen und Sprüche reißen über die heldenhaften Soldaten und deren ehrenvollen Tod (Stammtischsoldaten, vgl. Stammtischfußballer). Paul zieht sich deshalb in sein Zimmer zurück und denkt an die Kameraden, die auch jetzt, wo er erst mal in Sicherheit ist, täglich durch die Hölle gehen müssen. Er verbringt die meiste Zeit zu Hause, wo er in alten Erinne­rungen schwelgt und sich mit den Dingen, die ihm einmal wichtig wa­ren beschäftigt. Seine frühere Begeisterung dafür kann er allerdings nicht mehr verstehen.

Eines Tages geht er in die Kaserne zu seinem ehemaligen Klassenkameraden Mittelstaedt, unter dem sein alter Klassenlehrer Kantorek als Landsturmmann eingezogen worden ist. Mittelstaedt schikaniert diesen, wo er nur kann und rächt sich somit für die Schulzeit und das Verderben, in das Kantorek alle mit seiner Kriegsverherrlichung geschickt hat. Paul geht schließlich zu Kemmerichs Mutter, die total verzweifelt über den Tod ihres Sohnes ist. Sie fragt ihn, wie er gestorben sei. Paul lügt und schwört ihr bei seinem Leben, dass es für Kemmerich kurz und schmerzlos gewesen sei. Am Tag vor seiner Abfahrt hat Paul noch ein langes Gespräch mit seiner Mutter. Sie sorgt sich um ihren Sohn, aber Paul versucht ihr diese Sorge auszureden und ihr Mut zuzusprechen.

Nach seinem Urlaub hat Paul vier Wochen Dienst in den Baracken im Heidelager. Neben den Ba­racken befindet sich ein zweites Lager, in dem russische Kriegsgefangene untergebracht sind. Den Russen dort geht es noch viel schlechter als den Deutschen. Abends schleichen sie sich aus dem La­ger und durchwühlen die Mülltonnen nach Eßbarem. Die Kriegsgefangenen tun Paul Leid und seine Überzeugung in die Notwendigkeit dieses Krieges beginnt zu bröckeln, als er diese armen Men­schen sieht. Die Soldaten könnten Freunde sein und müssen nur aufgrund eines Befehls aufeinander schießen.

Als Pauls Vater und seine Schwester ihn im Lager besuchen kommen, erfährt er, dass seine Mutter ins Krankenhaus gekommen ist und es nicht mehr verlassen wird. Vorher hat die Mutter trotz ihrer Krankheit noch etwas gebacken und ihm geschickt.

Paul kommt wieder zurück an die Front. Überall hört er schlechte Nachrichten. Dann findet er end­lich zu seiner Kompanie zurück und trifft auch seine alten Kameraden Kat, Kropp, Albert und Tja­den wieder. Er fühlt sich schuldig, sie alleine gelassen zu haben.

Der Kaiser soll persönlich zu einer Parade kommen. Alle Soldaten werden neu ausgestattet, doch das Kommen des Kaisers wird für viele zur Enttäuschung. Er ist nicht die Erscheinung, die sie er­wartet hatten. Kat, Albert und Tjaden zerbrechen sich den Kopf darüber, wie es überhaupt zum Krieg kam und wie es sein kann, dass nur, weil wenige mächtige Männer beschließen, ihre Kräfte zu messen, Millionen Menschen zu Feinden werden. Nach der Parade müssen die neuen Uniformen wieder abgegeben werden.

Paul meldet sich zu einer Patrouille, um die gegnerischen Stellungen auszuspionieren. Er verliert zwischen den Fronten die Orientierung, gerade als die Franzosen eine Offensive starten. Paul sucht in einem Bombentrichter Deckung und stellt sich tot. Auf dem Rückweg springt ein Franzose auf der Suche nach Deckung zu Paul in den Trichter. Paul sticht ihn reflexartig nieder. Aller­dings bleibt dieser noch einige Zeit am Leben, da Paul es nicht übers Herz bringt ihm den Gnadenstoß zu geben. Es ist das erste Mal, dass er sehen muss, was er für Leid angerichtet hat. Deshalb beginnt er den Feind als Menschen zu sehen und bekommt ihm und seiner Familie gegenüber Schuldgefühle. Paul versucht dem Mann sein Ableben so angenehm wie möglich zu machen, indem er ihm Wasser gibt und ihn bequem lagert. Während Paul im Trichter ausharren muss, plagen ihn immer mehr Schuldgefühle. Er schwört sich, um sich zu beruhigen, dass er sich um die Familie des Gegenübers kümmern wird. Er notiert sich dessen Namen aus dem Soldbuch. Aber jetzt ist sein Opfer nicht ir­gendwer, sondern ein einzigartiges Individuum, dessen Namen er nun so­gar kennt. In der Nacht wird Paul zurückgeholt, und am nächsten Morgen erzählt er seinen Kamera­den, was ihn bedrückt. Sie versuchen ihn zu beruhigen, indem sie ihm einige Scharfschützen zeigen, die sich einen Spaß daraus machen, zu zählen, wer mehr Franzosen erschossen hat.

Paul, Kat, Albert, Tjaden, Müller, Leer und Detering müssen ein Dorf bewachen und leben dort im Überfluss an zurückgelassener Nahrung und Luxusgütern. Sie werden beschossen und fliehen, wo­bei Albert am Knie getroffen wird. Auch Pauls Bein wird verletzt. Die beiden retten sich, kommen ins nächste Lazarett, und werden per Zug ins Hinterland geschafft. Albert hat Fieber und ist deshalb nicht mehr transportfähig. Um nicht von seinem Kameraden getrennt zu werden, simuliert auch Paul erhöhte Temperatur. Beide werden an der nächsten Station in ein katholisches Krankenhaus gebracht. Dort wehren sich die Soldaten gegen das allmorgendliche Gebet, durch das sie in ihrem Schlaf gestört werden. Viele Verletzte, die anfangs im Zimmer von Paul lagen, sterben und machen so die Betten für neue Opfer frei. Alberts Bein wird amputiert und der Stumpf heilt gut. Auch Paul wird wieder gesund und nach einem kurzen Erholungsurlaub zu Hause wieder an die Front gerufen. Kurze Zeit später desertiert Detering, wird auf der Flucht gefasst und wahrscheinlich vom Kriegs­gericht zum Tode verurteilt. Auch Müller stirbt während eines Gefechts unter großen Schmerzen. Nun be­kommt Paul die Stiefel, die einst­mals Kemmerich gehörten. Als Ersatz kommen nur noch junge Rekruten, die aufgrund ih­rer ge­ringen Erfahrung massenweise fallen. Kompanieführer Bertinck opfert sich bei einer geg­nerischen Offensive und rettet so seine Untergebenen. Trotzdem stirbt Leer beim gleichen An­griff.

Der Kriegssommer 1918 ist für Paul der grausamste überhaupt. Beim Essenholen wird Kat am Schien­bein getroffen, weswegen Paul ihn zur nächsten Sanitätsstation trägt. Unterwegs wird Kat von ei­nem verirrten Granatsplitter getroffen und lebt nicht mehr, als Paul mit ihm beim Sanitäter ankommt.

Paul ist der letzte der sieben Mitschüler, die in seiner Kompanie gedient haben. Im Spätsommer sind Gerüchte über einen Waffenstillstand im Umlauf, doch Paul erlebt diesen nicht mehr. "Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbe­richt sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden." Die guten Schnürstiefel Kemmerichs wird nun Tjaden bekommen haben, und wahrscheinlich noch viele an­dere.

5. Personenbeschreibung der Hauptpersonen


Paul Bäumer

Paul Bäumer ist in diesem Buch der Erzähler. Er ist zu Beginn des Buches 19 Jahre alt. Während des Kriegs sind Pauls beste Freunde Kat, Tjaden, Haie Westhus, Detering und seine Klassenkame­ra­den Behm, Kemmerich, Müller, Leer und Kropp. Auf Drängen ihres Dorfschulmeisters Kantorek hatten er und 19 Klassenkameraden sich freiwillig gemeldet. Paul ist offensichtlich eine Vertrauens­person: Kemmerichs Mutter hatte ihn angefleht auf Kemmerich aufzupassen, als sie in den Krieg zogen. Paul ist außerdem mutig. Er kann zwar passieren, dass er kurzzeitig in Panik gerät, er verliert allerdings selbst unter den schrecklichsten Gefechtsbedingungen nie die Kontrolle.

Mit der Zeit lernt Paul die Geräusche von den unterschiedlichen Bombentypen kennen. So kann er augenblicklich in Deckung gehen oder seine Gasmaske aufsetzen, wenn es die Situation erfordert. Er ist ein hilfsbereiter Kamerad, beispielsweise tröstet er während eines Gefechts einen verlegenen Rekruten, der sich in die Hose gemacht hat und denkt später, nachdem die Hüfte des Rekruten zer­schmettert ist, nüchtern ohne Gewissensbisse darüber nach, ob er ihn erschießen soll, um ihm einen qualvollen Tod zu ersparen.

Obwohl Paul im Kampf immer gefasst bleibt, ist es doch sehr schwer für ihn, in dem Ganzen einen Sinn zu sehen. Er erinnert sich oft an Behm, dem Ersten seiner Klasse, der fällt, und als auch noch ein Zweiter, nämlich Kemmerich stirbt, kommen in ihm große Zweifel wegen dieses sinnlosen Ab­schlachtens von unschuldigen Schuljungen auf. Die gefühllose Einstellung der Kommandanten und der Befehlshaber gegenüber dem Tod des Einzelnen macht ihn sehr traurig und desillusioniert ihn.

Seine Eltern lagen falsch - es gibt keinen glorreichen Krieg - aber er kann die patriotischen Werte, die seine Eltern ihm vermittelt haben, nicht durch neue ersetzen. Zu Beginn scheinen ihm seine Kameraden oberflächlich, da sie sofort die Erinnerung an Tod und Grauen abschalten, und ihre ge­samte Aufmerksamkeit dem an sich nehmen von Zigaretten und Lebensmitteln, die ursprünglich für diejenigen gedacht waren, die inzwischen gefallen sind, zuwenden. Es fällt ihm anfangs nicht leicht, diese Gefühllosigkeit als notwendig anzuerkennen.

Paul und seine Freunde merken, dass nichts, was sie gelernt haben, ihnen in dieser Hölle weiterhel­fen kann. Man rettet sich nur von Situation zu Situation, in der man hoffentlich noch mal davonge­kommen ist. Paul erkennt, dass niemand, der nicht selber an der Front ist, seine Lage verstehen kann. Und nichts aus dem früheren Leben kann Paul so aufrechterhalten, wie die Kameradschaft de­rer, die mit ihm das Schicksal teilen müssen. Die Anwesenheit seiner Freunde gibt Paul Sicher­heit. Allmählich erkennt Paul, dass zwischen dem Feind sowie ihm und seinen Freunden kein Un­ter­schied besteht. Duval hätte ebenso sein Freund (oder Vater - siehe Biographie des Autors) sein können und die russischen Kriegsgefangenen haben ebenfalls die selben Gefühle, Wünsche und Be­dürfnisse wie er und seine Kameraden. Paul bedauert es sehr, welche Zerstörungskraft von Men­schen auf seinesgleichen aber auch auf andere Lebewesen ausgeht.

Seine Freunde sterben einer nach dem anderen, und Paul sieht für sich keine positiven Zukunftsaus­sichten für die Zeit nach dem Krieg.



Pauls Klassenkameraden:


Josef Behm ist einer der Klassenkameraden von Paul und etwas mollig. Er wird von Kantorek dazu gedrängt, sich mit seinen Klassenkameraden freiwillig zu melden, und stirbt, als erster seiner Klasse, zwei Monate bevor er sowieso eingezogen worden wäre. Sein Tod bewegt seine Klassen­kameraden stark und Mittelstaedt, auch ein Klassenkamerad von Paul, rächt sich später an Kanto­rek. Als dieser ihm unterstellt wird, schikaniert er ihn und macht ihn für den frühen Tod Behms ver­antwortlich.


Franz Kemmerich ist der Zweite aus Pauls Klasse, der fällt. Er ist ein guter Sportler. Er träumt von einem einfachen Beruf in der Forst­wirtschaft. Im Buch war er der erste Besitzer der guten Le­der­stiefel, die zuvor einem englischen Flieger gehörten. Sie werden ein Symbol für Tod aber auch für Kameradschaft, während sie von ei­nem zum anderen weitergegeben werden. Er erliegt nach gro­ßen Schmerzen ei­ner Beinamputation.


Albert Kropp ist Freund und Mitschüler Pauls. Er ist eine kleine Person. Er war als der beste Den­ker der Klasse angesehen. In Diskussionen bringt er tiefgründige Lösungsvorschläge und Kommen­tare ein. Es ist zum Beispiel sein Vorschlag, Krieg in einen "Kampf der Häuptlinge" mit Volksfest und Zuschauertribünen umzuwandeln. Ebenso ist es auch sein Werk, durch aufsummieren ihrer Ju­gend, Deillusion und mangelnder Ausbildung, ihre Zukunftssituation mit durch den Krieg für nichts mehr zu gebrauchen, zu beschreiben. Er wird mit Paul in das katholische Krankenhaus ge­bracht, wo ihm das Bein abgenommen wird und er in eine lange Periode von Selbstmitleid fällt.


Leer ist ein weiterer Freiwilliger aus Pauls Klasse und sein Lieblingsfach ist Mathe. Mit Bart und vom Krieg gezeichnet scheint er mindestens 40 zu sein. Im Sommer 1918 verblutet er innerhalb von zwei Minuten aufgrund einer Hüftverletzung. Paul bedauert wie wenig Leer seine Mathematik jetzt nützt.


Müller ist auch ein Freiwilliger aus Pauls Klasse. Er träumt immer noch von einem Schulabschluss, selbst während er bombardiert wird, sagt er noch physikalische Formeln vor sich her. Müller hat vorstehende Zähne und ein dröhnendes Lachen. Er isst alles, was er bekommen kann, da er nicht mit leerem Bauch sterben will. Er ist derjenige, der Kemmerich um seine Stiefel bittet, bevor dieser weiß, das er sterben wird. Es ist eine der ersten schockierenden Szenen in dem Buch, jedoch wird Müller, nach der Erklärung durch den Erzähler, wieder ins rechte Licht gerückt, und sein Verhalten als rational und vernünftig dargestellt. Müller stirbt unter furchtbaren Schmerzen an einer Leucht­kugel, die ihm in den Bauch geschossen wurde.


Pauls gute Kameraden an der Front:


Stanislaus Katczinsky ist Pauls bester Freund und Kamerad beim Militär sowie Anführer von Pauls Gruppe. Trotz des Altersunterschied und der höheren Erfahrung wird er ein guter Freund Pauls. Er ist ein einfacher Mann, Anfang vierzig, zäh, schlau und gerissen. Er hat blaue Augen, hängende Schultern und ein Gesicht "wie Erde". Er hat aufgrund seiner Erfahrung einiges zu mel­den und wird auch anerkannt. Er hat einen guten Riecher wenn es darum geht, Essbares an den un­möglichs­ten Orten zu finden. Kat ist ein Praktiker und hat es gelernt sich in jeder Situation zu­rechtzufinden. Im Sommer 1918 stirbt er auf Pauls Rücken. Er wird, während dieser ihn zum Sani­täter tragen will, von einem Granatsplitter in den Kopf getroffen. Dieser Verlust seines letzten guten Freundes raubt Paul den letzten Trost an der Front. Kat steht für alle älteren Männer, deren Werte und Ideale im Krieg zerstört wurden.


Detering ist ein einfacher, friedliebender Bauer, der ununterbrochen von zu Hause, seiner Frau und seinem Bauernhof träumt. Ihm ist es egal, warum Krieg ist, Hauptsache ist, dass er bald vorbeigeht. Als es Frühling wird, und er sich eigentlich um seine Landwirtschaft kümmern müsste, hält er das Grauen nicht mehr aus. Er desertiert, wird aber gefasst und vermutlich hingerichtet.


Tjaden ist im Zivilleben Schlosser und ist trotz seines großen Appetites schlank. Er hat etwa Pals Alter ist aber nicht aus dessen Klasse. Als er zum erstenmal in dem Buch auftaucht, ist er bereit, den Koch zu verprügeln, da dieser nicht das Essen, das für die doppelte Truppe gedacht war, verteilen möchte. Er ist ein guter Freund von Paul und dessen Mitschülern, jedoch beim Besuch bei den drei Mädchen schließen sie ihn aus.


Haie Westhus ist ein 19 Jahre alter Torfstecher. Er ist während Einsätzen für die Beschaffung von Nachschub für die Gruppe zuständig. Er fühlt sich als Soldat wohler als als armer Torfstecher. Schließlich hat er bei der Armee zu Essen und einen Schlafplatz. In Friedenszeiten würde ihm das Soldatenleben gefallen. Er ist das einzige Mitglied aus der Gruppe von Paul, der sich nach dem Krieg wieder zur Armee melden will. Er stirbt dann allerdings an einer Rückenverletzung, nachdem ihn Himmelstoß eigentlich schon in Sicherheit gebracht hat.


Sonstige Personen von Bedeutung:


Kantorek ist der Dorfschulmeister im Ort in dem Paul und dessen Klassenkameraden zur Schule gingen. Er hat sie dazu gedrängt in den Krieg zu ziehen. Er ist eine energische, kleine Person. Zen­traler Mittelpunkt seines Lebens ist die typisch preußische Einstellung. Er sieht seine Schüler als ei­serne Jugend, deren edelste Bestimmung im Dienst am Vaterland besteht. Seine nationalistischen Ideale wird er höchstens geändert haben, als er als Reservist unter das Kommando eines ehemaligen Schülers gestellt und dort bloßgestellt wird.


Himmelstoß ist körperlich benachteiligt und im Zivilberuf Briefträger. Beim Militär ist er Ausbil­der von Paul und seinen Kameraden. Er wird als stereotyper Militär, als Tyrann und sadistischer Schleifer dargestellt, dem seine Macht zu Kopf gestiegen ist. Als er selbst an die Front muss, hat er einen Anfall von Angst und nicht mal Schläge können ihn dazu bewegen weitervorzurücken. Ein einziger Befehl durch einen Vorgesetzten jedoch reicht aus. Durch extra Essensrationen versucht er sich mit Paul und dessen Freunden auszusöhnen.

Himmelstoß ist eine von Remarque nicht ganz willkürlich plazierte Person. Zu seiner Kriegszeit wurde Remarque von einem Mann namens Himmelreich ausgebildet. Viele seiner im Buch geschil­derten Demütigun­gen mußte Remarque wohl am eigenen Leib erfahren. So ist es anzunehmen, dass der Künstler in seine Geschichte auch Charaktere von vielen anderen reellen Personen mitein­fließen ließ.


Frau Bäumer ist die Mutter von Paul und wird an Krebs sterben, hat allerdings ihren Lebensmut noch nicht verloren. Sie ist die Person hinter der Front, die am meisten Verständnis für ihren Sohn hat und täuscht auch nicht vor, dass sie versteht, wie es an der Front tatsächlich ist. Paul sorgt sich um die Krankheit seiner Mutter und ist durch ihre Fürsorge überwältigt. Von dem Wenigen das sie hat gehen die meisten Ersparnisse an Paul, indem sie ihm sein Lieblingsessen kocht und ihm Un­terwäsche kauft.


Gerard Duval ist ein französischer Buchbinder. Er ist verheiratet und hat ein Kind. Paul sticht in­stinktiv auf ihn ein, als Duval sich in dem gleichen Bombentrichter, in den sich zuvor bereits Paul rettete, decken will. Pauls Angst wächst mehr und mehr, während er auf den Tod von Duval wartet und lernt ihn nebenher besser kennen. Duval sieht freundlich aus. Allerdings ist er von Paul getötet worden, was Paul nahezu in den Wahnsinn treibt, bis das Trommelfeuer nachläßt und er den Trich­ter verlassen kann.



6. Literarische Stilmittel


Der Roman "Im Westen nichts Neues" ist in drei Teile gegliedert:

1. Vorwort des Autors

2. Eigentliche Erzählung

3. Schluss: Erzählperspektivenwechsel

Am Anfang des Romans steht eine Anmerkung des Autors: Er verweist darauf, dass das Buch weder Anklage noch Bekenntnis sein soll, sondern der Versuch über die vom Krieg zerstörte Generation zu berichten. Dies drückt aus, dass es in keiner fiktionalen Kulisse spielt.

Die eigentliche Erzählung ist in 12 Kapitel gegliedert, von denen jedes soweit abgeschlossen ist, dass es eine unabhängige Kurzgeschichte bildet (vgl. 9.5 Remarque und das 3. Dritte Reich). Deshalb wird jedes Kapitel mit einer Beschreibung der jetzigen Lage bzw. Tätigkeit von Paul und dessen Kameraden begonnen. Und zwischen den Kapiteln befinden sich Zeitsprünge undefinierba­rer Länge.

Die Geschichte wird aus der Sicht des jungen Soldaten Paul Bäumer als Ich-Erzähler im Präsens er­zählt. Der Leser erlebt das Geschehen dadurch näher mit. Remarque verwendet eine einfache, teil­weise vulgäre Sprache um darauf hinzuweisen, dass die Soldaten einfache Menschen waren, die nicht für den Kriegsausbruch verantwortlich waren. Sie benutzen lediglich militärische Fachbe­griffe, da diese in ihrer Situation unumgänglich sind und quasi zur normalen Ausdrucksweise gehö­ren. Es kommt häufig wörtliche Rede vor, in der viele der vulgären Ausdrücke in den Text mit­ein­fließen. So erfährt der Leser auch die Meinungen und Ansichten der anderen Charaktere. Es gibt wenige lange Sätze, hauptsächlich besteht der Roman aus vollständigen, kurzen Sätzen, Satzreihen und einzelnen Schachtelsätzen und Aufzählungen.

Innerhalb der Kapitelabschnitte, entspricht die Erzählzeit etwa der erzählten Zeit. Diese Zeitdek­kung tritt deswegen auf, weil der Textinhalt szenisch dargestellt wird. Ausnahmen bilden gedankli­che Rückblicke Pauls, in denen er dem Leser im Präteritum Vorwissen vermittelt. Dies verhilft dem Leser zu einem einfacheren Verständnis und einem engeren Bezug zum Geschehen. Nur zwischen einzelnen Kapitelabschnitten und Kapiteln befinden sich Zeitsprünge.

"Die Grundzüge seiner Bücher bleiben gleich; der unbändige, unzerstörbare Lebenswille, Menschen die sich im Leid behaupten müssen. Weitere Konstanten; der Mythos der Kameradschaft, die Ro­mantisierung des Alkohols, die nette Hure von nebenan und das politische Desinteresse." (aus einer Web-Site über Remarque). Zumindest in "Im Westen Nichts Neues" trifft dies zu, hinzu­kommend ist hier allerdings noch das Rauchen sowie Bestechungen mit allem Möglichen als ein Grundzug!

Erich Maria Remarque legt auch großen Wert auf die begrenzte Aussagekraft der Worte. Er stellt fest, dass Worte zwar viele Gefühle ausdrücken können, jedoch keinesfalls die Grauen das Krieges.

'Angriff, Gegenangriff, Stoß, Gegenstoß - das sind Worte, aber was umschließt sie.'

'Trommelfeuer, Sperrfeuer, Gardinenfeuer, Minen, Gas, Tanks, Maschinengewehre, Handgranaten - Worte, Worte, aber sie umfassen das Grauen der Welt.'

'Worte, Worte, Worte - sie erreichen mich nicht.'

'Granaten, Gasschwaden und Tankflottillen - Zerstampfen, Zerfressen, Tod. Ruhr, Grippe, Typhus - Würgen, Verbrennen, Tod, Graben, Lazarett, Massengrab'

'Die fiktiven Romanfiguren Remarques, insbesondere seine Haupthelden, lassen eine Fülle auto­biographischer Bezüge aufleuchten. Es ist eine besondere Technik Remarques, Fiktion und Wirk­lichkeit des eigenen Erlebens so zu vermengen, dass eine neue fiktive Realität entsteht, die aufgrund ihrer selbsterfahrenen autobiogarphischen Anteile besonders überzeugend wirkt.' (Zitat aus dem Anhang)

Eine Ausnahme in der Auswahl der Stilmittel stellt das Ende dar. Es ist im Präteritum ver­fasst und wird von einem Er-Erzähler berichtartig dargestellt, da der Ich-Erzähler darin stirbt. Der Tod von Paul Bäumer wird sehr sachlich dargestellt, wodurch die Unwichtigkeit des Todes eines einzelnen Soldaten für die Armeeleitung betont wird, obwohl dieser soviel Leid für und durch sie ertragen musste.

7. Der Autor - Erich Maria Remarque


Der Schriftsteller Erich Maria Remarque ist einer der meistverbreiteten und meistgelesenen Autoren der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Remarques Biographie ist wesentlich von der deut­schen Geschichte des 20. Jahrhunderts geprägt: Er hieß ursprünglich Erich Paul Remark und wurde am 22. Juni 1898 in Osnabrück als Sohn eines Buchbinders geboren (Der Franzose, den Paul im Graben tötete, war ebenfalls Buchbinder - siehe auch S. 108: 'Käme dein Vater mit denen drüben, du würdest nicht zaudern, ihm die Granate gegen die Brust zu werfen.'), deshalb wächst er in drük­kenden kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Remarque verbringt seine Kindheit und Jugend im Os­nabrück der Kaiserzeit, zwischen 1904 und 1912 besuchte er die Volksschule in Osnabrück. 1912 geht er auf die 'Katholische Präparandie' in Osnabrück zur Vorbereitung auf das Lehrer­se­minar. Remarque meldet sich, nachdem er das Notexamen bestanden hat, als Kriegsfreiwilliger. Am 26. November 1916 folgt seine Einberufung zum Militär, schließlich wird er am 12. Juni an die Front in Frank­reich abberufen. Remarque wird sechs Wochen später, am 31. Juli, verwundet. Er muss ins Lazarett in Duisburg.

Ab dem 4. Mai 1920 arbeitet er als Lehrer in Klein-Berssen, ab dem 20. August in Nahne. In diesem Jahr schreibt er auch den Jugendroman 'Die Traumbude' und veröf­fentlicht ebenfalls Skizzen und Gedichte in Zeitungen. Er verfasst mehrere Zeitungsartikel über Sportereignisse und die Herstellung von Cocktails. Von 1922 an ist er Buchhalter, Kaufmann, Grabstein- und Denkmalverkäufer bei der Firma Brüder Vogt in Osnabrück. Ab Oktober ist er Wer­beleiter und Redakteur bei der Continen­tal CO. Hannover. Erich Paul Remark nannte sich seit 1923 Erich Maria Remarque. 1924 wechselt er seinen Beruf erneut und wird Sportredakteur bei der Zeitschrift 'Sport im Bild' im Au­gust-Scherl-Verlag Berlin. Remarque heiratet 1925 Jutta Ilse Zambona.

1927 schreibt er in sechs Wochen den Roman 'Im Westen nichts Neues', der 1929 erscheint und zum Bestsel­ler wird. Die 'Vossische Zeitung' druckte 1928 Vorabdrucke, und innerhalb von an­derthalb Jahren wurde eine Auflage von 3,5 Millionen erreicht. Der Roman war sofort Gegenstand erbitterter politischer Auseinandersetzungen, da er für die einen die nüchterne, ehrliche Beschrei­bung des Kriegswahnsinns schlechthin, für die anderen ein bewusstes Anti-Kriegsbuch, eine Belei­digung der Frontsoldaten, war. Mit seiner realistischen Darstellung des sinnlosen Mordens und der Kriegs­grauen hatte Remarque die Zeitstimmung aufgegriffen. Das Buch wurde als Antikriegsro­man gefei­ert, als undeutsch, zersetzend und pazifistisch von den Rechten geschmäht.

1929 arbeitet Remarque am Roman 'Der Weg zurück', der im Sommer 1930 fertiggestellt wird und 1931 erscheint (Universal verfilmt 'Der Weg zurück" 1937). 1930 verfilmt Universal in Hollywood 'Im Westen nichts Neues'. Der Film wird am 11.12.1930 durch die Rechten mit einem Auffüh­rungsverbot in Deutschland belegt. Remarque lebte ab 1931 in Ascona/Schweiz und siedelte 1939 nach New York über. Durch seine Kritik am Militarismus und Nationalsozialismus rief der Autor politische Wider­sacher auf den Plan: Am 12. Mai 1933 werden seine Bücher wegen angeblichem "Literarischen Ver­rats am Soldaten des Weltkrieges" verboten und öffentlich verbrannt. Schließ­lich wird ihm 1938 die deutsche Staatsbürgerschaft durch die NS-Machthaber entzogen. 1945 schreibt er den Roman 'Arc de Triomph' und erzielt mit dem amerikanischen Bestseller seinen zweiten Welterfolg (drei Jahre später wird er verfilmt). Ab 1947 ist er amerikanischer Staatsbürger. 1948 kehrte Remarque in die Schweiz zurück und heiratete 1958 zum zweiten Mal, diesmal Pau­lette Godard. In den kommenden Jahren erhält er folgende Auszeichnungen:

- 1963 J.-Möser-Medaille Osnabrück

- 1967 Großes Bundesverdienstkreuz

- 1968 Ehrenbürgerschaft von Ascona.

- Außerdem wird er Korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dicht­kunst.

Am 25. September 1970 stirbt Remarque an einem Herzleiden im Krankenhaus von Locarno in Tessin/Schweiz. Bis zu seinem Tod 1970 wurde Erich Maria Remarque von keinem der deutschen Nachkriegsstaaten je zur Rückkehr aus der Emigration eingeladen.

Am 22. Juni 1998 wäre Erich Maria Remarque 100 Jahre alt geworden. Die bewegte Lebens­ge­schichte des Bestsellerautors steht seinen Werken an Spannung, an Höhen und Tiefen in nichts nach. Von Anfang an rankten sich Legenden um den Autor, der schon im Berlin der 'Goldenen 20er' und später im amerikanischen Exil zu einem lebenden Mythos wurde. Glamour, Glanz und Luxus, elegante Autos und schöne Frauen wie Marlene Dietrich, Greta Garbo, oder Paulette God­dard bestimmten die eine Seite seines Lebens. Flucht, Verfolgung und Exil waren dessen Schatten­seiten. In Berlin paradierte er mit Melone, Monokel und gekauftem Titel umher. Er versuchte sich aus den kleinbürgerlichen Verhältnissen abzusetzen aus denen er stammte. Remarque litt unter dem Zu­sammenbruch überlieferter Werte und Ideale, die in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts ihre Gül­tigkeit verloren hatten: Dies spiegelt sich in den Themen seiner Bücher, in denen er u.a. die Verbre­chen am kleinen Mann schilderte, der wegen der politischen Situation seine Heimat verlas­sen musste ("Arc de Triomphe", "Liebe deinen Nächsten", "Die Nacht von Lissabon" und "Schatten im Para­dies") wieder. Auch das Leiden und Hoffen derer, die in Kriegszeiten Opfer zu bringen hatten, wählte Re­marque zu seinem Thema ("Der Funke Leben"). Es wäre jedoch falsch, Remarque auf Kriegs- und Exilthemen reduzieren zu wollen. Mit den beiden Romanen "Der Him­mel kennt keine Günstlinge" - eine bittersüße Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Todes und "Drei Kamera­den" schrieb er "eine der ergreifendsten Liebesgeschichten, die in unserer Zeit er­zählt wurden" (New York Times). Keines der beschriebenen Schicksale hatte Remarque in dieser Form erleiden müssen. Den Krieg hat er nicht direkt an vorderster Front erlebt, sondern nur wäh­rend sechswöchi­gen Schanzarbeiten hinter der Front und aus den Erzählungen seiner Kameraden (die Verletzungen sind ihm jedoch sehr wohl aus seiner Zeit im Lazarett bekannt). Die später ge­schriebenen Romane Remarques haben den 2.Weltkrieg als Thema. Hier fehlte Remarque allerdings die Möglichkeit, aus den eigenen Erfahrungen zu schöpfen. Die Einzige in seinem Umfeld, die den 2. Weltkrieg direkt zu spüren bekam, war seine Schwester. "Wir ha­ben sie zum Tode verurteilt, weil wir ihren Bruder nicht greifen konnten", soll der Präsident des Volksgerichtshofes gegiftet ha­ben. Er verurteilte sie wegen hetzender, defätistischer Außerungen zum Tode durch das Fallbeil. Außerungen, die ihr Bru­der in seinen Büchern vertrat; Bücher, die von der Welt als Kultbücher bezeichnet und ge­kauft wur­den. Seine Bücher lesen sich als eine Chronik der Zeit der zwei Welt­kriege. Von "Der Weg Zu­rück", einem Heimkehrerstück bis "Der Funke Leben", ein KZ am Ende des Krieges sind alle wichti­gen Ereignisse thematisiert.

Remarques Gesamtwerk ist einerseits eng mit seiner Osnabrücker Herkunft verknüpft, andererseits zeugt es thematisch von einer kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, dabei steht in seinem literarischen Schaffen stets die Wahrung von Humanität und Menschenwürde in Zei­ten von Unterdrückung, Terror und Krieg im Vordergrund. Remarque gilt daher weltweit als glaubwürdiger Vertreter eines 'anderen Deutschland'. Er wird in der Literaturgeschichte zu den ehr­lichsten und überzeugendsten Chronisten der Zeit zwischen 1914 und 1945 gezählt.

Remarques Romane wurden in über 50 Sprachen übersetzt, die weltweite Gesamtauflage beträgt viele Millionen Exemplare. Daher gehört Erich Maria Remarque zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern der Gegenwartsliteratur.

Remarques Lebensmotto lautete: 'Unabhängigkeit - Toleranz - Humor'

Erich Maria Remarque schrieb nicht Kriegsliteratur sondern Literatur über Krieg. Er war der typi­sche Autor und Verfechter dieser Literaturgattung. Mit seinen sehr direkten und erzählten Romanen, im Deutschen eher eine Ausnahme, wurde Re­marque in den USA zum Erfolgsautor. Kritiker und Literaturgrößen äußerten sich dennoch eher verhalten zu seinem Werk, manche bezeichneten es gar als Schund.

Seine Helden siedelt Remarque vorzugsweise in Not- und Konfliktsituationen seiner Zeit an, im Krieg, auf der Flucht, in der Emigration.

Weitere Informationen sind zu finden im

Erich Maria Remarque-Archiv (wissenschaftliche Erforschung des Werkes Remarques)

Erich Maria Remarque-Ausstellung (Ständige Ausstellung zu Leben und Werk Remarques)

Erich Maria Remarque-Gesellschaft e.V.('humanistische Kultur, Kunst, Wissenschaft und For­schung durch die Pflege des Erbes Erich Maria Remarques und seines Gedankenguts in der Öffent­lichkeit' zu fördern und zu verbreiten; publiziert das Remarque-Jahrbuch)

Erich Maria Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück ("Im Andenken an den Autor werden alle zwei Jahre belletristische, journalistische und wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet, die sich mit den Themen 'Innerer und äußerer Frieden' auseinandersetzen.")


Werke:

Romane:

Die Traumbude, 1920

Im Westen nichts Neues, 1929 (Film 1930)

Der Weg zurück, 1931 (Film 1937)

Three Comrades, 1937 (dt. Drei Kameraden, 1938; Film 1938)

Flotsam (dt. Liebe deinen Nächsten, 1941, auch als: Strandgut, 1941; Film 1940)

Arch of Triumph, 1945 (dt. Arc de Triomphe, 1946; Film 1948)

Der Funke Leben, 1952

Zeit zu leben und Zeit zu sterben, 1954 (Film 1958)

Der schwarze Obelisk, 1956

Der Himmel kennt keine Günstlinge, 1961

Die Nacht von Lissabon, 1961 (Film 1971)

Schatten im Paradies, 1968

Der Feind,


Dramen, Drehbücher:

The Last Ten Days (mit F. Habeck), 1955 (Drehb.)

Die letzte Station, 1956

Drei Kameraden, 1960.



8. Kritische Stellungnahme


"Im Westen nichts Neues" beeindruckt sehr. Die Schilderungen des Kriegselends ist äußerst er­schreckend, besonders (verglichen mit Filmen): Das, was in diesem Buch geschildert wird, ist wirk­lich geschehen und kann mit ab­gewandelten Spielregeln und perfektionierteren Waffen auch heute noch geschehen. Wäh­rend in Hor­ror-, Action-, filmen Fantasien gezeigt werden, sind Handlung und Thematik in Remarques Ro­man realistisch und immer noch zeitgemäß, da das Ausmaß des Leids für den Betroffenen selbst verglichen mit damals unverändert geblieben ist: Zwar wird man heute nicht mehr vom Pferd geschossen, aber die Leute, die sich in von Marschflugkör­pern ge­troffenen und zusammengestürzten Gebäuden im Irak befanden, werden sich vergleichbar "tot füh­len". So sollte im Zeitalter des Golfkrieges, der kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Ju­go­slawien sowie der Gefahr durch radikale Islamisten dieses Buch bzw. seine Verfilmung viel weiter ver­breitet sein, als es jetzt schon der Fall ist.

Es wird auch als Denkmal des unbekannten Soldaten gesehen!

So heißt es schon im Vorspann: "Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Krieg zerstört wurde - auch wenn sie seinen Granaten entkam."

Als Soldat erlebte Paul Bäumer die Grausamkeiten des Krieges und fällt schließlich gegen Ende des Krieges. Und keinen interessiert's. Sein Tod hat keinerlei Einfluss auf das Weltgeschehen. Re­marque ar­beitet, indem er dieses Buch schreibt, Kriegserlebnisse auf, und hat an diesem Einzelsc­hicksal das Schicksal einer ganzen Generation dargestellt. Die Schrecken des Krieges, die er erlebt, machen gleich­zeitig auch Millionen anderer Soldaten mit durch. Die jungen Soldaten merken, wie unbe­deu­tend vieles ist, was sie in der Schule eingetrichtert bekommen haben. Sie wissen zwar eine ganze Menge, jedoch so gut wie nichts über das 'wahre Leben'. Sie haben all ihre früheren Ideale aus Frie­denszeiten verloren und sind nun ziel- und planlos. Einzig ihr Leben sowie das ihrer Mitstreiter wollen sie bewahren, denn Kameradschaft ist das Wertvollste, was sie an der Front ha­ben. Remarque: 'Das Wichtigste aber war, dass in uns ein festes, praktisches Zusammen­ge­hö­rig­keits­ge­fühl erwacht, das sich im Felde dann zum Besten steigert, was der Krieg hervor­brachte: zur Kame­rad­schaft!'

Durch den Krieg lernen die jungen Männer einiges. Sie bekommen einen Sinn fürs "Wesentliche": Wir haben den Sinn für andere Zusammenhänge verloren, weil sie künstlich sind. Nur die Tatsachen sind richtig und wichtig für uns. Und gute Stiefel sind selten.

Die Evolution geht rückwärts, der Mensch entwickelt Instinkte und wird während des Gefechts mehr und mehr zum Tier, zur rasenden Bestie. ' wir schleudern die Granaten nicht gegen Men­schen.[] Nicht gegen Menschen ' Eigentlich schon, aber das verdrängen die jungen Soldaten. Doch Paul merkt es. Er verwundet einen Franzosen schwer. Paul begreift, dass er einen Menschen ermordet hat. Unwider­ruflich, endgültig. Er ist verzweifelt, ihn plagen Schuldgefühle. Doch was kann er tun. Was geschehen ist, ist geschehen. In diesem Moment will er ausbrechen und kämpfen. Aber nicht gegen Frankreich, England, Rußland, oder sonst irgendeinen Staat. Nein! Sondern gegen das, was den Men­schen dazu bewegt, solches Leid zuzulassen.

Das Leben findet schon seinen Weg. Es gibt den Willen nie auf und bringt den Soldaten auch Hoff­nung, wie Remarque überspitzt darstellt, indem er Schmetterlinge auf Totenschädeln ausruhen läßt.

Remarques Roman 'Im Westen nichts Neues' gehört zu den bekanntesten Schilderungen des Stel­lungskrieges im Ersten Weltkrieg (1914 - 1918). Das Erscheinen des Romans einige Zeit nach dem Er­sten Weltkrieg rief bei den Lesern äußerst gegensätzliche Reaktionen hervor. Vielen Menschen half er die Schrecken der Granaten und Nahkämpfe zu verarbeiten, andere leugneten diese Darstel­lung des Krieges und griffen den Autor persönlich an. Es gab aber auch viele positive Rückmeldun­gen in Form von Leserbriefen. Deren Verfasser schrieben, dass ihnen der Roman sehr geholfen habe, ihre eigenen Kriegserfahrungen zu verarbeiten.

Remarques Buch ist selber Teil der Geschichte geworden und hat die Politik und Denkweise vieler Personen (vor und nach 45) beeinflusst.

9. Hintergrundmaterial zu "Im Westen Nichts Neues"


9.1 Ausgangssituation

Man war es seit Napoleon gewöhnt, dass die preußischen Truppen nur zu erscheinen brauchten, um die Gegner in die Flucht zu schlagen. Grabenkämpfe mit Millionen von Toten waren bis 1914 un­bekannt und unvorstellbar. In den Schulbüchern vor dem 1. Weltkrieg war von der Unwidersteh­lichkeit des preußischen Infanterieangriffes zu lesen. Auch ein Krieg, der jahrelang dauert, war für die Bevölkerung unvorstellbar. Die Soldaten rechneten ebenfalls nicht mit so etwas, sie beschrieben ihre Waggons mit Worten wie "Ausflug nach Paris", "Weihnachten sind wir wieder da", aber auch mit "Auf Wiedersehen auf dem Boulevard", was 1914 die Siegessicherheit der Deutschen zum Ausdruck brachte. Eine Siegessicherheit, die aus der Vergangenheit herrührte. Unter dem Kai­ser war es vorangegangen, Reichsbahn, Reichspost und Reichsmark sorgten dafür, dass die Industrie wuchs und außerdem waren dadurch alte Bedrohungen wie Hungersnöte ausgeblie­ben. Die Leute waren dem Kaiser dankbar. So sahen es im Gegenzug Eltern und Lehrer als ihre Pflicht an, die Kin­der in Liebe und Opferbereitschaft für Kaiser und Vaterland zu erziehen. Da­her ist es nachvoll­ziehbar, dass die Jugendlichen mit Stolz und Freude in den Krieg zogen. Ebenso nachvollziehbar sind aber auch die von Remarque beschriebenen Reaktionen, die in Kneipen im Hinterland stattfan­den: Altere Männer, zum Teil Veteranen, taten ihr Unverständnis für die Erfolglosigkeit des Stel­lungskrieges kund. Diese Form des modernen Krieges war unbe­kannt und konnte nicht nachvoll­zogen werden.


9.2 Vom Angriffs- zum Stellungskrieg

Die Ypernschlacht bringt keine Kriegsentscheidung

Am 19. Oktober 1914 begann das deutsche Oberkommando die Schlacht von Ypern in Belgien.

Erich von Falkenhayn, der Chef des deutschen Generalstabes, suchte die Kriegsentscheidung im Westen, da die OHL (= Oberste Heeresleitung) der Auffassung war, dass die Kampfkraft der En­tente erschöpft sei und nur noch eine letzte Offensive bis zum Sieg vonnöten sei. Diese Operation sollte in Flandern mit dem Ziel des Durchbruches zur Nordseeküste anfangen. Die Festung Antwer­pen war das einzige Hindernis für dieses Vorhaben. Als die Stadt am 9. Oktober gefallen war, konnte der Angriff vorbereitet werden, für den als letzte Reserve die 4. Armee eingesetzt wurde. Sie war aus Kriegsfreiwilligen und älteren Reserveoffizieren neu aufgestellt worden, die eine nur acht­wö­chige mangelhafte Ausbildung absolviert hatten, und sollte gegen das britische Expeditions­korps und ei­nige geschwächte belgische Divisionen antreten. Der Zahl nach waren die deutschen Trup­pen über­legen, infolge des unerwartet hohen Verbrauches an Munition erhielten die An­griffskräfte jedoch nicht die notwendige Artillerieunterstützung. Am 19. Oktober begann die Schlacht von Ypern. Trotz großen Einsatzes erzielten die Deutschen auf dem durch Regen aufge­weichten Boden nur ge­ringe Geländegewinne.

Am 18. November 1914 erkannte die OHL die Aussichtslosigkeit der deutschen Offensive und be­fahl die Einstellung der Kämpfe. Die 4. und die 6. deutsche Armee hatten insgesamt 100.000 Mann verloren.

Danach begann die Zeit des Stellungskrieges, in dem beide Seiten bis 1918 vergeblich versuchten, die gegnerische Front zu durchbrechen.


9.3 Von der Schulbank in den Tod

Hierzu haben wir folgenden Textausschnitt aus einem anderen Text (Hans-Peter Peschke, Von der Schulbank in den Tod), der sehr deutlich den Wandel der Denkweise eines Jugendlichen, der für alle anderen steht, im Krieg zeigt.

Gefallen bei Langemarck

10. November 1924: Die Aula des städtischen Gymnasiums zu B. ist mit schwarz-weiß-roten Fah­nen und frischem Tannenreisig geschmückt. Neben einem schwarz verhüllten Gebilde steht eine Rednertribune.

Der Pedell weist den Schulklassen im Sonntagsstaat ihren Platz zu. Während die Schüler stehen müssen, werden die Ehrengäste von Lehrern - viele haben ihre alte Uniform angezogen - zu ihren Stühlen geführt. Erwartungsvolle Feierlichkeit erfüllt den Raum

Schließlich ertönt vom Pedell ein lautes: 'Achtung! Stillgestanden!'; der Schulchor stimmt auf der Empore die 'Wacht am Rhein' an. Dann steht der Oberstudiendirektor auf - auch er in einer arg eng sitzenden Reserveoffiziersuniform - und schreitet nach vorne.

Er verneigt und räuspert sich, dann beginnt er mit geübter Stentorstimme zu sprechen: 'Wieder einmal haben wir uns hier versammelt, um derer zu gedenken, die in der Blüte ihrer Jahre ihr Leben unserem teuren Vaterlande gewidmet haben! Ich bin stolz und glücklich, daß auch Schüler dieses Gymnasiums unter diesen Helden waren, die freudig in den Kampf zogen. Kann, ja darf es etwas Schöneres geben als den Heldentod fürs Vaterland zu sterben?'

Schon nach den ersten Worten ist die Rede durch ein unterdrücktes Schluchzen aus der ersten Reihe gestört worden, jetzt aber wird die Eloge durch eine ältere Frau unterbrochen, die aufsteht und ruft: 'Es waren doch noch Kinder! In den Tod habt ihr sie geschickt für eine verlorene Sache!'

Die Versammlung ist peinlich berührt; der Oberstudiendirektor findet als erster die Sprache wieder: 'Frau Wilmer, die Erinnerung und der Schmerz haben Euch wohl übermannt; Ihr wißt nicht mehr, was Ihr redet. Gerold, führen Sie die arme Frau hinaus!' Der Pedell versteht den Wink und zerrt die Widerstrebende mit sich in die Hausmeisterwohnung.

'Nehmen Sie erst einmal einen Schluck Tee, Frau Wilmer', sagt er nicht unfreundlich. Die setzt sich hin, hört von Ferne noch die Worte 'Dulce et decorum est pro patria mori' ('Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben') und flüstert dann vor sich hin: 'Es war doch alles ganz anders!'

Sie zieht ein Bündel Briefe aus ihrer Handtasche, die Schrift ist kaum mehr zu lesen


München, 1. August 1914

Liebe Mutter,

nie werde ich diesen Tag vergessen. Kaum hatten wir das Gerücht gehört, da eilten wir auch schon vom Biergarten am Chinesischen Turm in die Ludwigsstraße.

Vor der Feldherrnhalle stand ein Trommlerkorps mit blitzenden Pickelhauben. Als ein Feldwebel die Kriegserklärung an Rußland und Frankreich verlas, jubelten alle; Strohhüte flogen in die Luft. Nie habe ich das Deutschlandlied so inbrünstig gesungen gehört, ich schämte mich meiner Tränen nicht. Überall Militärmusik, wildfremde Menschen fielen sich in die Arme.

Es hat wohl sein müssen, und unsere Sache ist gerecht. Viel zu lang haben Kaiser und Kanzler ge­zögert, das Schwert zu ziehen. Aber wie sagt das Dichterwort: 'Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt! '

Auch für mich gibt es nun kein Halten mehr. Ade, schöne Ludwig-Maximilian-Universität, die ich eben erst betreten habe! Wie alle meine Kommilitonen habe ich mich sofort freiwillig gemeldet!


5. August 1914,

München (noch immer!)

Hurra! Endlich habe ich meine Beorderung: heute in der Türkenkaserne. Gestern habe ich mich fast geschämt, als ich Doris (ich habe Dir ja von ihr geschrieben) traf: noch immer in Zivilkleidern!

Habe auch Deinen kurzen Brief erhalten. Ich verstehe, daß Du Angst hast, mich zu verlieren. Aber in solchen Zeiten darf man nicht zuerst an seine Angehörigen denken, sondern an Volk und Vater­land


Dortmund, 20. August 1914

Was für eine Enttäuschung! Man will uns freiwillige Studenten und Schüler noch nicht sofort zur Front schicken. Wir üben hier Krieg. Ein paar alte, tattrige Offiziere üben mit uns Gefechtsforma­tionen.

Nun gut, ein paar von uns können auch nicht sonderlich gut mit dem Gewehr umgehen. Aber es ist grausam, hier in der Etappe zu sitzen, während unsere Truppen kurz vor Paris stehen! Ich fürchte, Weihnachten ist alles vorbei und mein ganzes Kriegserlebnis ist eine Kaserne in Dortmund!


6. Oktober 1914

(im Eisenbahnzug westwärts)

Es ist soweit! Vor wenigen Stunden haben wir Dortmund verlassen. Das ganze Bataillon mar­schierte, Uniform und Helme mit Blumen geschmückt, zum Bahnhof. Unermüdlich Tücherschwen­ken aus allen Fenstern und Straßen, tausend Hurras!

Bisher sind Franzosen und Engländer noch einmal davongekommen. Aber jetzt werden wir es ihnen zeigen. Die Stimmung ist gut, wir werden drauflosgehen 'wie Blücher'! Wir werden siegen! Das ist bei unserem Siegeswillen gar nicht anders möglich. Mach Dir keine Sorgen!


16. Oktober 1914, irgendwo in Flandern

Ich höre fernes Schießen von der Front. Wir sitzen hier, spielen Karten oder Schach, lesen Zeitung oder schreiben Briefe. Vor zwei Tagen kamen wir zum Regiment und zwar in eine vorgeschobene Stellung.

Wir lagerten in verlassenen Bauernhäusern; plötzlich regnete es Granaten und lnfanteriesalven auf uns herab. Wir gingen in die Keller, aber als die Franzosen näher kamen, mußten wir doch hinaus. Und wir hatten keine Schützengräben oder sonst gedeckte Stellungen. Das waren schwere Stunden, die vielen Kameraden das Leben gekostet haben. Erst viel später griff auch unsere Artillerie in den Kampf ein und zwang den Feind zum Rückzug.

Jetzt schaffen wir uns eine sichere Stellung, denn wir werden immer wieder stark beschossen, be­sonders die englischen Schiffsgeschütze machen uns zu schaffen. Unser Hauptmann hat uns erklärt, daß wir hier die Stellung halten müssen, bis unser rechter Flügel mit uns in einer Linie steht


28. Oktober 1914, in Flandern

Mit welchen überschwenglichen Gefühlen bin ich in diesen Kampf gezogen, liebe Mutter. Und jetzt sitze ich hier, von Grauen geschüttelt, und genieße jeden Atemzug an Leben!

Eigentlich wollte ich Dir von der großen Schlacht schreiben, von der großen Flandernoffensive, wie sie unsere Offiziere nennen. Aber mir stehen nur wenige, grauenvolle Einzelheiten vor Augen, die ich ganz schnell wieder vergessen möchte: der Kamerad mit dem blutenden Armstumpf, das zer­schossene Gesicht eines Freundes, die nichtendenwollenden Salven englischer Maschinengewehre

Es war furchtbar, so habe ich mir den Kampf nicht vorgestellt! Nicht das vergossene Blut, nicht der Schmerz um die gefallenen Kameraden stößt mich ab, es ist die ganze Kampfesweise. Wir wollen kämpfen und können uns nicht wehren. Wir rennen nach vorne, zur nächsten Deckung. Den Feind, der uns mit den tödlichen Geschossen eindeckt, den sehen wir gar nicht


8. November 1914, in Flandern

Es geht der Entscheidung zu: Heute um 10 Uhr hatte man uns zum Feldgottesdienst befohlen. In ei­ner Dorfkirche, die auch als Feldlazarett dient, verlas unser Divisions-Kaplan eine Bibelstelle, dann sangen wir ein Lied. Nach der Predigt folgte noch der Choral 'Nun danket alle Gott. '

Ich habe das starke Gefühl, daß wir auch so ein Wunder brauchen wie damals der Alte Fritz in Leuthen


11. November 1914, Langemarck

Du wirst Dich wundern, liebe Mutter daß Du die Handschrift nicht erkennst. Ich diktiere diesen Brief einem Kameraden in unserem Feldlazarett. Keine Sorge: Ich mache mein Versprechen wahr, daß ich vor Weihnachten zurück bin! Ich bin von einer Kugel in die Brust getroffen worden, und der Arzt meint, ich komme durch. Bald werde ich hinter die Front geschafft

Wir alle wußten, daß der entscheidende Angriff begann. Alle Reservekorps - inzwischen sind noch viele Gymnasiasten und sogar Lehrlinge zu uns gestoßen - befinden sich hier im Raum zwischen Ypern und Bixmuiden. 'Die Jugend', so sagte unser Kommandant vor der Schlacht, 'wird den gro­ßen Durchbruch schaffen!. '

Und so zogen wir im Morgennebel los, immer in der Hoffnung, der Feind würde uns nicht sehen und wir könnten ihn überraschen. Aber es kam ganz anders: Donnerschläge und Blitze zerrissen die Stille. Die Hölle konnte nicht schlimmer sein! Die Luft kochte, so stark war das Infanterie- und Ma­schinengewehrfeuer. Und dann hauten die Flachbahngeschütze dazwischen.

Überall um mich her Schreien und Stöhnen, das vergebliche Rufen nach dem Sanitäter. Dann plötz­lich ein Schlag gegen die Brust, dann wurde es schwarz um mich. Und jetzt bin ich hier in der Dorfkirche aufgewacht, umgeben von vielen verletzten Kameraden. Die kühle Nachtluft tut gut; ich freue mich, Dich bald wieder zu sehen.


Luxemburg, 16. November 1914

Sehr geehrte Frau Wilmer!

Leider muß ich Ihnen die traurige Mitteilung machen, daß ihr Sohn Andreas Wilmer den Folgen ei­nes Lungensteckschusses, den er in der glorreichen Schlacht von Langemarck erhielt, erlegen ist. Es mag Ihnen ein Trost sein, daß er sanft und ohne Schmerzen entschlafen ist.

Er starb für Gott und Vaterland!

gez.: Kübler, Oberstabsarzt


Die Frau verstaut das Bündel Briefe wieder in ihrer Tasche. Sie öffnet die Türe der Wohnung des Pedells und sieht hinüber zur Aula, wo sich der Festakt gerade seinem Höhepunkt nähert:

'Deutschland, teures Vaterland! Hat jemand diese Worte, diese Werte erhabener, weihevoller gelebt als unsere jungen Helden, die ihr Blut bei Langemarck gaben?'

Nach dieser rhetorischen Frage herrscht Stille in der Aula des städtischen Gymnasiums. Der Ober­studiendirektor zieht an einer Schnur, die schwarzen Tücher fallen und ein Gedenkstein aus schwar­zem Marmor wird sichtbar.

'Auf diesem Stein sind die Namen unserer lieben Mitschüler, die bei Langemarck starben, auf ewig eingegraben, so wie in unseren Herzen. Ihrer Tapferkeit, ihrer Opferbereitschaft wollen auch wir gedenken und ihnen versichern, daß sie nicht vergebens gefallen sind, daß wir ihr Vermächtnis ein­lösen und unser teures Vaterland wieder zu neuer Größe führen wollen!'

Während der Schulchor das Deutschlandlied anstimmt, rinnen der Frau die Tränen über die Wan­gen. Aber es sind keine Tränen der Rührung, es sind Tränen der Wut. 'Und sie werden unsere Kin­der wieder in den Tod schicken', flüstert sie, 'und niemand wird sie daran hindern!'


9.4 Reaktionen auf Remarques Buch

Am 31. Januar 1929 erscheint im Ullstein-Propyläen Verlag Berlin der Roman »Im Westen nichts Neues« von Erich Maria Remarque und wird zu einem Bestseller, der den Weltkrieg aus der Per­spektive des einfachen Soldaten, der von der Schulbank eingezogen worden ist, schildert. Nach dem Vorabdruck in der »Vossischen Zeitung« (ab 10.11.1928) ist die Erstauflage des Buchs schon vor Erscheinen vergriffen; es entwickelt sich zum meistgelesenen Werk der ersten Jahrhunderthälfte. Andere Verlage, etwa S.Fischer, hatten das Manuskript zuvor abgelehnt.


Der Kampf um Remarque

Als das Buch "Im Westen nichts Neues" auf den Markt kam, war es bereits ein sehr umstrittenes Buch. Es gab wohl keine Zeitung, die nicht Stellung nahm. Eine ganze Reihe von Blättern berich­tete mehrmals. Nicht immer war die Würdigung objektiv, je nach der politischen Ausrichtung des Blattes las man die verschiedensten Tendenzen aus dem Buch.

So wurde ihm u.a. vorgeworfen, 'die deutschen Soldaten grausamer Handlungen zu beschuldigen, deren sie niemals fähig gewesen wären - denn der deutsche Soldat war bekannt für schmerzlosen Nahkampf und humanes Trommelfeuer' (Kasper Hauser [d.i. Kurt Tucholsky] in: die Weltbühne, Berlin, 11.06.1929)

Hier sind einige weitere Ausschnitte von Zeitungsartikeln aus dieser Zeit.


Über 450 000 Exemplare verkauft! Das bedeutet rund eine Million Leser! Ist es das Kriegsbuch, als das es gepriesen wird?

Wir sind gewiß, daß es alles andere als die Schilderung des inneren Erlebens des Frontsoldaten ist. Manche Gefühle, die den Soldaten durchtobt, sind zweifellos richtig erfaßt. Die schwachen Stunden sind gut wiedergegeben, aber das Heldische, das den Mitläufer auf Befehl überragte, das das Kleine im Menschen besiegte, das fehlt. Erich Maria Remarque heißt im bürgerlichen Leben Kra­mer. Sein Schriftstellername ergibt sich aus der Umstellung des Vaternamens mit der Verwelschung des 'k' in 'que'. Unter dem Namen 'Remarque' sind schon früher Bücher geschrieben worden, die den Verfasser von 'Im Westen nichts Neues' zum Urheber haben

(Der DichterTextausschnitt)


J. E.: Nichts Neues im Westen

Von der Schulbank in den Feuerofen des Krieges geworfen, ist eine ganze Generation zerstört wor­den. Was nicht durch Eisen und Feuer ausgetilgt wurde, fand die Heimat nicht mehr. Herausgeris­sen aus allem Sein, losgelöst von Familie und Beruf, zweifelnd an allem Gewesenen und an allem Wer­denden, verzweifelt über den gleichgültigen Gang des Alltags, von Wachträumen verfolgt, aus dem Schlaf durch jähes Erinnern aufgeschreckt, der Sorge um das tägliche Leben preisgegeben, im Kampf um die nackte Existenz mit zerrütteten Nerven, geschwächtem Körper.

Sie haben die Zähne zusammengebissen und geschwiegen. Während das Entsetzliche geschah, konnten sie nicht reden. Man hätte sie nicht gehört und nicht verstanden. Und als alles zu Ende war, waren sie müde, mürbe, ausgelöscht, hatten sie nur den einen Wunsch, zu vergessen.

Andere haben geredet. Dicke Bücher sind erschienen, in denen Schlachten geschildert und Lorbee­ren verteilt wurden. Die Strategen führten das große Wort. Denkmäler wurden errichtet, und an Re­den mit klingender Musik und wehenden Fahnen war kein Mangel. Was den Menschen im Feu­ero­fen geschah, was sie empfunden, erhofft, gelitten, gelobt und verflucht, ging unter in dem lär­men­den Tusch der Fanfaren, in dem leeren Gerede von Heldentum und Dank des Vaterlandes.

Sie standen dabei, ließen es geschehen, suchten vergebens nach einem Wort, nach einem Ausruf, der all das wegwischte, zum Schweigen brachte, was da mit Wortgepränge und billigen Phrasen die alten Legenden erneuerte, die Lügen von der Macht und Herrlichkeit des Soldatenlebens, von dem Glanz und Glück der Vergangenheit, von der Notwendigkeit, immer neue Massengräber zu füllen.

Zehn Jahre sind seit dem bitteren Ende der bitteren Jahre vergangen. Zehn Jahre, in denen sich all­mählich aus irren und wirren Gefühlen, aus Haß und Verzweiflung eine neue Beziehung zu dem Geschehenen gestaltete. Jetzt ist ein gewisser Abstand gewonnen, der es ermöglicht, das Einzeler­lebnis in den großen Zusammenhang einzuordnen. Und der Ablauf der Zeit hat das Schwere so weit abgerückt, daß unsere Ohren willig und fähig sind, zu hören.

Einer aus der grauen Masse, einer von den Hunderttausenden, die als halbe Kinder dem Ruf zu den Fahnen freiwillig folgten, begeistert, ahnungslos, fortgerissen durch die Ermahnungen patrioti­scher Lehrer und das Beispiel der Kameraden, ein Soldat, der bis zum letzten Tag seine Pflicht tat und, zurückgekehrt, untertauchte im Gleichmaß bürgerlicher Arbeit, ein geordneter, schlichter, schwer­blütiger, schweigsamer Mensch, muß für alle sprechen, muß das Gespenst der Vergangen­heit stel­len, am Kreuzweg um Mitternacht, muß es packen und halten und noch einmal mit Le­bensblut er­füllen - damit es Zeugnis ablege und ihnen allen die Ruhe bringe, allen, die für immer schweigen, und allen, auf denen heute noch der Druck unklaren Erinnerns, geteilter Gefühle, zer­rissenen Emp­findens liegt.

Erich Maria Remarque, kein Schriftsteller von Beruf, ein junger Mensch in den ersten Dreißigern, hat zugegriffen, hat plötzlich vor einigen Monaten den Drang und Zwang empfunden, das in Worte zu fassen, zu gestalten und innerlich zu überwinden, was ihm und seinen Schulkameraden, einer ganzen Klasse von jungen, lebenshungrigen Menschen, von denen keiner wiederkehrte, geschehen war. Was entstanden ist, läßt sich nicht in irgendeine Literaturgattung einreihen. Es ist kein Kriegs­roman, auch kein Tagebuch. Es ist erlebtes Leben und doch abgerückt durch eine Gestal­tungskraft, die das persönliche Erleben ohne Kunstgriff, ohne Verzerrung und Verzeichnung in eine Sphäre der Allgemeingültigkeit hebt. So ist das erste wirkliche Denkmal des Unbekannten Solda­ten« entstan­den. Ein Werk, das Blatt für Blatt den Eindruck ergreifender Wahrheitstreue erweckt, ein Gemälde, in den schlichtesten Farben gehalten und doch so erfüllt von innerem Leben, von ei­ner Leiden­schaft des Erinnerns, von einer Heiligkeit und Stärke des Empfindens, daß niemand ohne innerliche Be­tei­ligung, ohne stärkste Erschütterung bleiben kann.

Es ist ein Buch ohne Tendenz und doch ein Mahnmal stärker als Stein, dauernder als Erz, ein Mahnmal, das die Herzen ergreift, die Köpfe erfüllt, das kommenden Generationen das wahre Bild des furchtbarsten Krieges lebendig erhält.

Die »Vossische Zeitung« hält es für ihre Pflicht, der Öffentlichkeit dieses starke und wahre Werk - sein Titel lautet 'Nichts Neues im Westen' - vorzulegen, in diesen Novembertagen, in denen alte Formen zerbrachen und neues Leben unter Wehen ward.

Vossische Zeitung, 8. 11. 1928


Worin besteht die geheime Kraft seines Buches? Was macht es einzigartig?daß Remarque nicht dem Leser eine fertige Gesinnung Seite für Seite einlöffelt, sondern es ihm überläßt, selbst aus dem Buche Schlüsse zu ziehen: das ist das Geheimnis seiner Wirkung. Remarque hat offenbar mit dem Buch nichts anderes zu tun gewünscht, als sich eine furchtbare Erinnerungslast vom Nacken zu wälzen. So gibt es bei ihm Dinge, die auf verschiedene Menschen ganz verschieden wirken

Aber so vieldeutig ist das Leben selbst ja auch. Und daß Remarque dieses Leben so gibt, wie er es sah und hatte, daß er einem nicht andauernd den Kopf mit privaten Meinungen verkeilt, sondern die Tatsachen durch sich wirken läßt, das ist der Reiz des Buches.

'Im Westen nichts Neues' wurde innerhalb von 12 Wochen von 500000 Menschen gekauft! 14 Na­tionen lassen es in ihre Sprache übersetzen. Bilden Sie sich bitte selbst ein Urteil und lesen Sie das Buch, das im Propyläen-Verlag erschien und für 4 Mark broschiert, für 6 Mark in Ganzleinen überall zu haben ist.

Die Welt am Montag, Berlin


'Er beginnt damit, daß die Schüler von einem Lehrer, welcher selbst als Drückeberger dargstellt wird, zur Meldung als Kriegsfreiwillige bewogen werden. Bei der Ausbildung in der Kaserne ist fast nur von einem Unteroffizier die Rede, der ein vollendeter Menschenschinder ist, andere Vorge­setzte, welche durch ihr Beispiel Begeisterung bei den jungen Leuten wecken konnten, fehlen. Bei sämtlichen Erlebnissen an der Front sind nur die schaurigsten Ereignisse gemalt; der Frontsoldat wird als ein in seinen Gewohnheiten fast zum Tier gewordenes, stumpfsinniges Wesen dargestellt, dem jeder Zug heldischen Geistes und vaterländischer Gesinnung vollständig abgeht. Bei der Schilderung eines Urlaubs wird in der Heimatgarnison nur ein Stabsoffizier beschrieben, der in übertriebener Weise den übermüdet aus der Sommerschlacht zurückkommenden Frontsoldaten schurigelt und ihm droht, er werde ihm die verfluchten Frontmanieren schon austreiben. Schöne und erhebende Erlebnisse fehlen gänzlich

(Graf von Schlieffen in: Deutsches Adelsblatt, 16.03.1929).


WAHR ODER NICHT WAHR?

Viele Zeitungsartikel beschäftigten sich mit dem Wahrheitsgehalt des Buches:

Das Buch Remarques ist eine geschickte Federzeichnung aller Kehrseiten des Krieges

(Deutsche Zeitung, Berlin)

all diese Schilderungen sind so wahr und so erschütternd, daß alles noch einmal miterlebt wird

(Kölnische Zeitung)

Das, was Remarque, erlebte, das haben tausend und aber tausend erlebt, und gerade so

(Hamburger Fremdenblatt)

daß hier Maulwürfe am Werke sind, die in geschickt getarnter Weise das wahre Kriegserlebnis fälschen

(Völkischer Beobachter, München)

die ehemaligen Frontsoldaten erkennen in diesem Buche die erste ganz unkonstruierte und un­ver­bogene Darstellung des Krieges

(Schwäbische Tagwacht, Stuttgart)

Dem Buch von Remarque die Wahrheit des Inhalts abzusprechen, ist eine äußerst kühne Anmaßung. Wer selbst im Kriege an der Front war und den ganzen Schlamassel durchgemacht hat, kann nur sagen, so war es tatsächlich.

(Jenaer Volksblatt.)


PAZIFISTISCH ?

Häufig war auch die Frage nach pazifistischen Tendenzen Streitpunkt der Zeitungen:

dennoch verbirgt sich unter der scheinbar referierenden Wiedergabe die Drachensaat des Pazi­fismus

(Hamburger Nachrichten)

Die Leute, die von dem Buch 'Im Westen nichts Neues' eine pazifistische Wirkung erwarteten; ha­ben sich getäuscht. Die Front lebt auf und nicht ein pazifistisches Gefühl.

(Der Jungdeutsche, Berlin)

Kein pazifistisches Buch! Es trägt nicht zur Verhinderung des Krieges bei: weil es zwar aufzeigt, was ist, nicht aber Stellung nimmt, nicht zur Abwehr aufruft, nicht den Weg zur Tat zeigt.

(Die Friedenswarte)

Wer pazifistischer Wegweiser im üblen Sinne des Wortes werden möchte, der verbreite dies Buch

(Jenaische Zeitung)

Die Stärke von 'Im Westen nichts Neues' liegt in der Jugend der heimlichen Melodie dieses Werkes. Diese Melodie ist nicht pazifistisch.

(Berliner Tageblatt)

einen äußerst geschickt verkleideten Versuch, den wehrhaften Geist des deutschen Volkes zu er­tö­ten

(Österreichische Wehrzeitung, Wien)

Bei Gott, ein pazifistischer Roman ließe sich raffinierter anlegen

(Hochland, München)

Das Buch fördert nicht so sehr den Abscheu vor dem Kriege, als es die latent gewordene Kriegslust weckt.

(Die Welt am Abend, Berlin)


WIE WAR WAHRES HELDENTUM?

Auch diese Frage zeigte die extremen Differenzen zwischen den verschiedenen Weltanschauungen der Blätter, und somit die verschiedenen Bewertungen von Remarques Buch.

Diesem Buch fehlt auf jeder Seite die große Konzeption vom Empfinden des vaterländischen Hero­ismus, vor dem jeder einzelne nichts war, die Gemeinschaft der Frontsoldaten aber zur gewaltigen Persönlichkeit emporwuchs.

(Hamburger Nachrichten)

Dieses im wahrsten Sinne heroische Buch gehört in jedes deutsche Haus!

(Tremonia, Dortmund)

Die Selbstverständlichkeit der Pflichterfüllung bis in den Tod tritt bei Erich Maria Remarque in den Vordergrund seiner Schilderung

(Der Jungdeutsche, Berlin)

Das ist der Mut, der sich zur Feigheit bekennt

(Bergisch-Märkische Zeitung, Elberfeld)

Frontgeist - hier haben wir ihn in seinen besten natürlichen, menschlichsten Art, befreit von jeder Phrase

(Der Altmärker, Stendal)

Es ist weder Anklage noch Tendenz, wenn der 'Heldentod' eine Schilderung seiner Wahrheit er­fährt, der Wahrheit von tausendmal Erlebtem.

(Darmstädter Tagblatt)

Sie haben alle dasselbe erlebt. So und nicht anders waren die Gespräche unter ihnen. So und nicht anders ihre kleinen und großen Sorgen, so und nicht anders ihre Kameradschaftlichkeit.

(Essener Anzeiger)


BELEIDIGEND UND TENDENZIÖS?

Schwere Vorwürfe wurden von der einen Seite erhoben und von der anderen abgelehnt

eine grobe Beleidigung des deutschen Heeres und des deutschen Frontsoldaten

(Bundesblatt des Königin-Luise-Bundes)

Kein Wort der Anklage, des Aufruhrs, der Hetze. Dies Buch ist kein Leitartikel, sondern ein Be­richt

(Gießener Anzeiger)

wird das Buch vielfach mit der Bemerkung abgetan: 'Tendenz, übelste Tendenz'. Doch ist die 'Tendenz', die aus dem Werke Remarques spricht, weiter nichts als die bitterste Wahrheit

(Danziger Zeitung)


ANSTÖSSIG?

Ein weiterer Vorwurf, der in manchen Buchkritiken über "Im Westen nichts Neues" erhoben wurde

Wenn man es versucht, Herrn Remarque den Absatz seines Latrinenschmökers zu erschweren, dann wollen wir doch nicht darüber klagen

(Coburger Tageblatt)

er ist nicht zimperlich auf die Tanten beiderlei Geschlechts, die von ihm damals erwarteten, daß er auch für die Welt ihrer Sofaschoner rücksichtslos sein Leben einsetzte, kann er keine Rücksicht nehmen, er muß, wenn er das Ganze geben will, auch von Dingen sprechen, von denen man nicht spricht. Seine Bekenntnisse werden Anstoß erregen, wie jede unumwickelte Wahrheit.

(Württemberger Zeitung, Stuttgart)


GEFAHR FÜR DIE JUGEND ?

Manche Zeitungen warfen Remarque Jugendgefährdung vor, andere hielten es für wichtig, daß mög­lichst viele Jugendliche das Buch lesen:

Ich stehe nicht an, zu behaupten, daß dieses Buch eine sittliche Gefahr bedeutet, besonders für unsre heranwachsende Jugend

(Steinfurter Anzeiger)

Dieser Erich Maria Remarque hat ein Jugendbuch geschrieben, eines der wichtigsten vielleicht, die geschrieben wurden

(Kölner Tageblatt)

9.5 Remarque und das 3. Reich

Remarques Bücher wurden von den Nazis öffentlich verbrannt (12.5.1933) und 1938 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Besonders eingegangen wird auf die skandalöse Veröf­fent­lichung der Soldatengeschichte 'Nacht an der Front' von F.Scheinpflug

Das Besondere:

Titel und Autor sind reine Erfindung. Tatsächlich handelt es sich bei der Geschichte um einen leicht gekürzten und veränderten Textausschnitt aus dem heiß und kontrovers diskutierten Bestsel­ler-Roman 'Im Westen nichts Neues' von Erich Maria Remarque (1928/29). Historisches: Der Text ist Anfang des Jahres 1931 von der Berliner NS-Zeitung 'Angriff', hrsg. von Dr. Joseph Goebbels, als 'heroische' Soldatengeschichte unter dem Autorennamen F.Scheinpflug mit dem Titel 'Nacht an der Front' veröffentlicht worden. Niemand in der Nazi-Redaktion hatte bemerkt, dass es sich bei der Soldatengeschichte um eine Schlüsselszene aus dem von den Nazis gehassten Roman und Spielfilm 'Im Westen nichts Neues' (1929/30) handelte. Der nationalsozialistische Gauleiter Dr. Joseph Goebbels (nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler, 1933, Reichspropagandaminister des 'Dritten Reichs') hatte sich kurz zuvor zum 'Bewahrer deutscher Kultur' aufgespielt und im Dezember 1930 die Aufführungen der Remarque-Verfilmung 'Im Westen nichts Neues' in Berlin massiv gestört und Straßenkrawalle provoziert. Diese 'Nazi-Randale' um die 'Remarque­ Verfil­mung' gehört heute zu einem der größten Skandale in der Chronik der internatio­nalen Filmge­schichte. Die Veröffentlichung des Remarque-Textes in dem Berliner NS-Kampfblatt 'Angriff' kann heute als nationalsozialistische Kultur-Blamage ersten Ranges verstanden werden.







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