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Die Wende in der DDR im Spiegel der Presse

Die Wende in der DDR im
Spiegel der Presse






Inhalt


Einleitung




Geschichtlicher Überblick

Politische Entwicklung bis zur Gründung der DDR 1949

Wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung bis 1989

Die Bedeutung der Presse in der DDR


Zuspitzung der Lage in der DDR

Erste kritische Reaktionen der offiziellen Presse

Rückschritt in den alten Stil


Zusammenfassung



















1. Einleitung


Es war zunächst nur ein Bürokraten-Satz: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden." Es wurde der schönste Satz in der deutsch-deutschen Geschichte. Er zerbrach die Mauer und öffnete die Grenze.


Aus der Geschichte der DDR wird klar, warum die Presse immer ein Sprachorgan der Regierung war. Doch plötzlich wollten die Menschen lesen, was sie bedrückt und wie sie damit umgehen können und nicht, wie gut diese Regierung ist.

In wieweit hat die Presse der DDR diesen Wandel geschafft und wurde sie den Anforderungen der Menschen im Aufbruch gerecht?


2.1. Geschichtlicher Überblick: Politische Entwicklung bis zur Gründung der DDR 1949


Nach dem 2. Weltkrieg teilten die vier Siegermächte USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich Deutschland in vier Besatzungszonen ein, rückten im Juli 1945 in die im Zonenabkommen festgesetzten Besatzungszonen ein und übernahmen die Regierungsgewalt. Die sowjetische Zone umfaßte Mecklenburg, Brandenburg, Sachsenanhalt, Sachsen und Thüringen, die anderen Bundesländer wurden unter den übrigen Alliierten aufgeteilt. Die Oberbefehlshaber der vier Zonen bildeten den Alliierten Kontrollrat mit Sitz in Berlin, das zu keiner der vier Besatzungszonen gehörte, sondern von Truppen aller vier Mächte besetzt, in vier Sektoren aufgeteilt und der Alliierten Hohen Kommission Berlin unterstellt worden war.

Auf der Potsdamer Konferenz im Juli/August 1945 einigten sich Großbritannien, die USA und die UdSSR darauf, Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu behandeln. Mit dem Beginn des Kalten Krieges rückte allerdings die Vereinigung der vier Besatzungszonen zu einem deutschen Staat in immer weitere Ferne. 1947 schlossen sich die britische und die amerikanische Zone zur Bizone zusammen, 1948 vereinigten sie sich mit der französischen Zone zur Trizone. Im März 1948 verließ der sowjetische Vertreter den Alliierten Kontrollrat, der sich damit auflöste. Im Mai 1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erlassen, im Oktober folgte die Verkündung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik - die DDR war entstanden.


2.2. Geschichtlicher Überblick: Wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung der DDR bis 1989


Am 7. Oktober 1949 konstituierte sich der zweite Deutsche Volksrat als provisorische Volkskammer, rief die "Deutsche Demokratische Republik" aus und nahm eine gesamtdeutsch konzipierte, parlametarisch-demokratische Verfassung an. Gleichzeitig bildete sich die "Nationale Front des Demokratischen Deutschland" (die spätere "Nationale Front" der DDR), ein Aktionsbündnis aller Parteien und Massenorganisationen in der DDR, das unter der Führung der SED die Parteien in ihrem Sinn koordinierte und die Wahl von Wilhelm Pieck zum Staatspräsidenten der DDR und von Otto Grotewohl zum Ministerpräsidenten durch die Volkskammer entscheidend unterstützte.

Grotewohl bildete eine Allparteien-Blockregierung; die Macht übte jedoch allein die SED aus. Grotewohls Stellvertreter wurde Walter Ulbricht. Die Oberhoheit über Staat und Verwaltung übernahm die Sowjetische Kontrollkommission (SKK). Bis zum Jahresende nahm die DDR mit der Sowjetunion und anderen Ostblockstaaten diplomatische Beziehungen auf.

Die SED wandte sich nun mehr und mehr von ihrem ursprünglichen Ziel, dem "besonderen deutschen Weg zum Sozialismus", ab und orientierte ihre Politik in Partei, Staat und Gesellschaft ausschließlich am sowjetischen Vorbild. Die Parteispitze wurde umstrukturiert: Es wurde das Amt des Generalsekretärs geschaffen, das Walter Ulbricht übernahm; die sozialdemokratische Fraktion innerhalb der Partei wurde völlig in den Hintergrund gedrängt, die Partei ideologisch diszipliniert und allmählich zu einer das ganze gesellschaftliche Leben durchdringenden einheitlichen Kraft ausgeweitet. Mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS), im Februar 1950 gegründet, baute sich die SED ein umfassendes Instrument der Kontrolle über die Gesellschaft auf.

Auch die Wirtschaftspolitik der DDR folgte dem sowjetischen Vorbild. Im September 1950 trat die DDR dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bei.

Die föderale Struktur mit ihren fünf selbst verwalteten Ländern wurde beseitigt, statt dessen wurden 14 Bezirke eingerichtet. Im Bereich der Wirtschaft kam es zu einem forcierten Aufbau der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zu einem Fortschreiten der Enteignungen und zu einer Zunahme des "Volkseigentums" an Produktionsmitteln und landwirtschaftlichen Betrieben.

Zur Steigerung der Produktion beschloß der Ministerrat am 28. Mai eine zehnprozentige Erhöhung der Arbeitsnormen ohne Lohnausgleich. Daraufhin kam es am 17. Juni 1953 in der gesamten DDR zu Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen. Der Aufstand wurde von sowjetischen Truppen niedergeschlagen, weit über 1000  Streikende wurden inhaftiert und zwischen 25 und 300 Personen getötet.

Dies sollte bis 1989 der letzte sichtbare Widerstand in der DDR sein.

Der politische Druck gegen die Bevölkerung und die gewaltsame Kollektivierung in der Landwirtschaft ließen den Flüchtlingsstrom in den Westen  anschwellen. Von 1949 bis 1961 flohen insgesamt 2,7 Millionen in den Westen. Die Massenflucht entzog der DDR dringend notwendige Arbeitskräfte und drohte die Wirtschaft der DDR in eine existentielle Krise zu stürzen. Um der massiven Abwanderung Einhalt zu gebieten, ließ die DDR-Führung am 13. August 1961 die Grenze zu Westberlin sperren und den Bau der Berliner Mauer beginnen.

Damit war eine entscheidende Voraussetzung zur inneren Stabilisierung der DDR geschaffen worden.

Gegen Ende der sechziger Jahre stellte Ulbricht unter Hinweis auf die nicht zu bestreitenden wirtschaftlichen Erfolge - die DDR war nach der Sowjetunion die zweitstärkste Wirtschaftsmacht im Ostblock - die DDR als Modell und Vorbild für die anderen sozialistischen Industriestaaten heraus.


Mit der Wahl des ehemaligen FDJ-Chefs Erich Honecker zum 1. Sekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates vollzog sich ein Wandel in der DDR. 1972 wurden fast alle noch privaten und halbstaatlichen Betriebe sowie industriell arbeitende Produktionsgenossenschaften des Handwerks in Staatseigentum überführt. Innenpolitisches Ziel blieb nach wie vor der Aufbau der sozialistischen Gesellschaft.

Anfang der siebziger Jahr kam es zu deutlichen Verbesserungen in der Beziehung zwischen der Bundesrepublik und der DDR. 1971 wurde das "Viermächteabkommen über Berlin" zur Erleichterung des Transitverkehrs zwischen Berlin (West) und der Bundesrepublik geschlossen. In der Folge wurde die DDR von den meisten Staaten der Welt diplomatisch anerkannt und 1973 zusammen mit der Bundesrepublik in die UNO aufgenommen.

Gerade angesichts der Verbesserung der Beziehungen zur Bundesrepublik ging die DDR zu einem Kurs der Abschottung gegenüber Einflüssen aus dem Westen über. Sie baute die Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze aus, erschwerte die Einreise durch eine deutliche Erhöhung des Zwangsumtausches, und 1974 strich sie den Begriff "deutsche Nation" aus der Verfassung. Parallel dazu verschärfte die DDR die Disziplinierung nach innen: Das MfS perfektionierte sein Spitzelsystem, die Zahl der politischen Häftlinge nahm wieder zu, Gesetze wurden verschärft, Hausarreste waren an der Tagesordnung; Ausdruck dieser härteren Gangart war 1976 die spektakuläre Ausbürgerung des Sängers Wolf Biermann. Auf der anderen Seite hatte sich die DDR 1975 mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte u. a. zur Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte verpflichtet.

Ab Mitte der achtziger Jahre verstärkte sich der innen- und außenpolitische Druck auf das SED-Regime. Der Reformkurs Michail Gorbatschows wurde von der Staatsführung der DDR strikt abgelehnt, ließ jedoch die Hoffnungen der Bevölkerung auf Liberalisierungen wachsen. Der Unzufriedenheit in der Bevölkerung über den Mangel an Demokratie und Freiheiten suchte die DDR-Führung sowohl durch sozialpolitische Maßnahmen, wie z. B. Wohnungsbau, als auch mit einer Lockerung der Ausreisepolitik entgegenzuwirken. Trotzdem bildeten sich zahlreiche Oppositionsgruppen, deren Aktionsbereitschaft gegen Ende der achtziger Jahre sichtlich zunahm. Die Eskalation der Situation in der DDR wurde verursacht durch die Kommunalwahlen vom Mai 1989, bei denen oppositionelle Bürgerrechtsbewegungen Wahlfälschungen nachgewiesen hatten. Die Staatsführung reagierte mit Restriktionen wie Ausreiseverweigerungen und Strafandrohungen. Im Laufe des Sommers 1989 flüchteten Tausende DDR-Bürger in bundesdeutsche Botschaften, vor allem in der Tschechoslowakei und Ungarn; Ende September ließen die Tschechoslowakei und Ungarn die Flüchtlinge in den Westen ausreisen. Gleichzeitig kam es ab dem 25. September 1989 überall zu Massendemonstrationen, über die das Regime keine Kontrolle mehr hatte. Am 17. Oktober wurde Honecker als Staatsratsvorsitzender und 1. Sekretär durch Egon Krenz abgelöst, aber die Massendemonstrationen gingen weiter



2.3. Die Bedeutung der Presse in der DDR


In der DDR war die Presse lediglich wie ein Amtsblatt der Regierung. Die Zeitungen hießen "Organ der Bezirksleitung Rostock" ("Ostsee Zeitung") oder auch einfach "Zentral Organ der SED" ("Neues Deutschland"). Es wurden gezielt die Meinungen der SED wiedergegeben.

Daneben gab es Tageszeitungen der LDPD, der CDU und der NDPD, die aber nur unwesentlich kleine Abweichungen in der großen Linie der Politik andeuteten, stets aber der Zensur entsprachen.

Eine Pressefreiheit existierte zwar nach der Verfassung, trotzdem wurden alle Medien in der DDR vom Staat gesteuert, kontrolliert und zensiert.


Das "Meyers Lexikon" der DDR bestätigt dieses und definiert "Presse" so: "heute Gesamtheit des Zeitungs- und Zeitschriftenwesens. Die Presse, die ihre Wirkung mit (sprachl. und illustrativen) journalist. Mitteln erzielt, ist als eine polit.-ideologische Institution Instrument gesellschaftlicher Kräfte." (Meyers Lexikon, 1. Auflage von 1980, Seite 720).

Noch konkreter wird die Presse unter dem Stichwort "Massenmedien" beschrieben: "Massenmedien, Massenkommunikationsmittel: Presse, Hörfunk, Fernsehen, Film und andere Information und Ideologie verbreitende Einrichtungen, die auf breite Massen einwirken und deren Bewußtsein nachhaltig beeinflussen; besitzen als Instrumente der herrschenden Klasse große, durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt weiter zunehmende Bedeutung. (Meyers Lexikon, 1. Auflage von 1980, Seite 593)

So war die Presse für das Lob auf die Erfolge des Sozialismus und auf der anderen Seite zur klaren ideologischen Abgrenzung gegen den Klassenfeind "Instrument der herrschenden Klasse" - der SED verantwortlich. (ebd.[JP1]


Erst in den letzten Monaten vor der Grenzöffnung entwickelte sich die DDR-Presse zu einem von allen mit größter Aufmerksamkeit beachteten Medium. Meterlange Schlangen bildeten sich vor Kiosken, die die aktuelle Tagespresse verkauften. Die Menschen erwarteten plötzlich Informationen. (vgl. Anlage, Norddeutsche Zeitung, 3.11.89)


Zuvor hatte sich bereits eine Untergrundpresse entwickelt (Umweltblätter, "Die Plattform"), die über Mißstände in der DDR berichteten; auch der "Sputnik" als sowjetische Zeitschrift mit Tendenzen von Offenheit wurde interessiert als Mangelware, aber wichtige Informationsquelle gelesen.

Maßstab für diese Art der Informationen war mehr die westdeutsche Interpretation von "Presse": " Die Presse erfüllt wichtige soziale Funktionen. Medien sind der Ausdruck der in Rechtsstaaten garantierten Meinungsfreiheit und somit eine wichtige Institution der politischen Öffentlichkeit. Oft ist daher die Pressefreiheit als Teil der Meinungsfreiheit durch besondere Gesetze geschützt. So können beispielsweise die Strafverfolgungsbehörden (Gerichte, Polizei) nur in Ausnahmefällen von Journalisten verlangen, daß[UP2] diese ihre Informanten preisgeben. Die Presse fördert durch Informations- und Meinungsaustausch in Teilbereichen der Gesellschaft oder bestimmten Regionen die kulturelle und soziale Integration. Sie legt aber auch kulturelle und soziale Missstände offen. Die Presse versorgt die Öffentlichkeit mit aktuellen Informationen, die zur Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung in verschiedenen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Bereichen wichtig sind. Die Presse diskutiert und artikuliert die in der Gesellschaft anerkannten oder sich entwickelnden Werte, Ziele, Interessen und Meinungen. Sie befriedigt soziale Bedürfnisse nach Unterhaltung, Entspannung, Bildung und Information " (Encarta 98, Stichwort "Presse")


3. Zuspitzung der Lage in der DDR

3.1. Erste kritische Reaktionen der offiziellen Presse


Am 5. November 1989 machte die Regierung erste Eingeständnisse. Ein neues Reisegesetz wurde entworfen. Was vor einem halben Jahr noch eine absolute Sensation gewesen wäre, wurde jetzt milde belächelt und von fast allen Seiten abgelehnt. Es gab mehr Demonstrationen und immer mehr Flüchtlinge, die in Kasernen und Schulen in der BRD untergebracht wurden.

Fast unbemerkt passierte zeitgleich eine kleine Sensation im DDR-Fernsehen. Auf dem ehemaligen Sendeplatz des "Schwarzen Kanals" wurde eine Reportage über die Stadt Leipzig gebracht. In dieser Reportage wurden die Schattenseiten Leipzigs gezeigt, Politiker wurden befragt, warum Tausende Wohnungen kurz vor dem Zusammenfall stehen, und wann der Staat dagegen etwas tun will.

Nie zuvor wurde in den DDR-Medien so etwas diskutiert, nie zuvor wurde der Staat auf diese Weise kritisiert.


Am 6. November strahlte das DDR-Fernsehen die Sendung "Elf 99", ein Jugendmagazin, aus. In dieser Sendung wurden Teilnehmer der zahlreichen Demonstrationen befragt, was denn ihre Ziele und ihre Vorstellungen von einer neuen DDR sein. Während eines Gesprächs über den Sozialismus in der DDR und dessen Möglichkeiten wurde mit Laufschrift eingeblendet, daß das Politbüro geschlossen zurückgetreten ist. In der "Aktuellen Kamera", der einzigen Nachrichtensendung der DDR, erklärte man den Bürgern der DDR, daß dieser Schritt notwendig gewesen sei, um jüngeren Politikern den Weg frei zu machen.

Nach und nach geriet die DDR neben den politischen auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Es mangelt überall an Fachkräften, allein 1.500 Arzte sind bereits aus der DDR geflohen, ein Ende der Fluchtwellen war nicht abzusehen. Die Schriftstellerin Christa Wolf äußerte sich in einer Fernsehansprache zu diesen Problemen. Sie bittet die Bürger der DDR, zu ihrem Vaterland zu halten und zu bleiben. Die Lage wird immer gespannter, auf den Straßen sammeln sich immer mehr Menschen, die Forderungen nach Veränderungen werden immer lauter.





3.2. Rückschritt der Presse in den alten Stil


Am 9. November wurde in der "Ostseezeitung" auf Seite 1 die Neuwahl des Politbüros bekannt geben. Der Artikel besteht zur Hälfte aus Namen; den alten Politbüromitgliedern und den neuen. Der zweite Teil beinhaltet die Dankesrede von Egon Krenz an die zurückgetretenen Mitarbeiter im Politbüro: kein Wort über inhaltliche Veränderungen, kein Wort über eine neue Politik. Krenz bedankt sich im Namen der ganzen DDR für die Arbeit der zurückgetretenen Politiker, würdigt diese in höchstem Maße, verurteilt aber gleichzeitig die Menschen, die für die Probleme in der DDR verantwortlich sind: "Unser Land durchlebt eine angespannte und äußerst schwierige Entwicklung. Die Verantwortung dafür tragen nicht die Werktätigen, nicht die Angehörigen der Intelligenz, nicht die Kulturschaffenden, Lehrer und Studenten; die Verantwortung dafür tragen nicht die Millionen ehrlicher Kommunisten, die schon seit langem auf die sich angestauten Probleme in unserer Gesellschaft hingewiesen haben. Die Verantwortung tragen Genossen, die Subjektivismus in der Betrachtungsweise der Entwicklung unseres Landes und in der Entscheidung über wichtige Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung als Meinung aller Parteimitglieder ausgegeben und durchgesetzt haben." (OZ, 9.11.89)

Passend zum Thema druckt die OZ neben diesem Artikel einen Leserbrief ab, der Krenz' Aussage bestätigt und darauf hinweist, daß es niemandem im Sozialismus schlecht ging und es entsetzlich ist, mit anzusehen, wie viele Menschen plötzlich Veränderungen fordern. "[] Doch voller Bitterkeit fragen wir uns, ob es kulturvoll und würdevoll ist, wenn sich welche hinstellen und in die erregte Menge schreien, daß 40 Jahre DDR Chaos und Niederlagen wären? Das entspricht nicht den Tatsachen, das bestätigen uns auch andere Völker, und es beleidigt mich auch zutiefst. Sehe ich mir dann auch noch einige der Schreihälse genauer an, verfolge ich ihren Lebenslauf, dann kann ich nur warnen. Vorsicht! Demagogen! []" (OZ, 9.11.89)

Neben all diesen üblichen Jubelschreien auf die DDR erscheint ein paar Seiten weiter eine kurze Notiz, daß das "Neue Forum" als Partei zugelassen wurde. Das 'Neue Forum' war bisher nur als Herausgeber der illegalen Zeitung 'Aufbruch' bekannt. Mit der Zulassung des Neuen Forum versucht die SED ein letztes Mal, Spannungen zwischen Regierung und Volk abzubauen und Oppositionelle zu besänftigen. Aber auch dazu äußert sich kein Politiker der DDR in der Presse.


Um 18 Uhr desselben Abends beginnt eine Pressekonferenz mit Günter Schabowski, im neuen Politbüro verantwortlich für Informationspolitik.

Ein Reporter der italienischen Nachrichten Agentur ANSA fragt routinemäßig , wie es denn nun aussehen solle mit einer neuen Reiseregelung für DDR-Bürger. Schabowski liest monoton einen ihm zugeschobenen Zettel ab: "Mir ist eben mitgeteilt worden - der Ministerrat der DDR hat beschlossen: Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen - Reiseanlässe und Verwandschaftverhältnisse - beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Versagungsgründe werden nur in besonderen Ausnahmefällen angewandt." Auch Visa zur ständigen Ausreise würden erteilt, die Ausreisen könnten "über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise zu Berlin-West erfolgen." Stille herrscht im Saal, bis die Presseleute die Sensation erfassen, die sich hinter dem dürren Amtsdeutsch verbirgt. Ab wann? "Wenn ich richtig informiert bin, nach meiner Kenntnis unverzüglich", sagt Schabowski, jetzt selbst zögernd.

Um 19:02 Uhr endet die Pressekonferenz. Fünf Minuten später verbreitet ADN, die amtliche Nachrichtenagentur der DDR, die neue Reiseregelung.

Um 20:30 Uhr werden die Ereignisse im Bundestag in Bonn bekannt. Drei Abgeordnete stimmen spontan die Nationalhymne an, viele Politiker haben Tränen in den Augen.

Gegen 21:30 Uhr stürmen die ersten Ostberliner an die Grenzen nach Westberlin, noch herrscht Ungewißheit unter den Menschen, niemand wird durchgelassen. Dann, um 22 Uhr brechen alle Dämme, der Schießbefehl wird aufgehoben, die Grenzen sind offen. Überall strömen die Menschen in den anderen Teil der Stadt, die Menschen sind überglücklich und werden von den Westberlinern begrüßt und umarmt, überall wird gefeiert.


Ein Team des DDR-Fernsehens ist an diesem Abend in Berlin noch zufällig unterwegs. Es hört von der Grenzöffnung und fragt sofort in seiner Redaktion nach: "Sollen wir diese unglaublichen Bilder drehen ?" Antwort: Ein kategorisches "Nein". Ausdrückliches Drehverbot. Für das DDR-Fernsehen und die regierungsamtliche[JP3] [JP4] Nachrichtenagentur ADN findet das historische Ereignis nicht statt. Auch in den Zeitungen des nächsten Tages ist nichts über die Grenzöffnung zu finden. Keine neue Reiseverordnung, keine Pressekonferenz, nichts. Das Ereignis wird totgeschwiegen.

Erst am darauffolgenden Montag, dem 13. November gibt es erste Bilder und Stellungnahmen in den Zeitungen der DDR. Zeitgleich werden aber auch die neuen Programme der SED zur Erneuerung der DDR bekanntgegeben, so daß die Ereignisse des 9. Novembers schnell wieder in Vergessenheit geraten sollten. 16 Zeilen ist die Zusammenfassung dieses Tages am 13. November in der OZ lang. Viel größer dagegen sind die Schlagzeilen, in denen die Rede davon ist, daß die DDR-Bürger "von den BRD-Realitäten enttäuscht sind" (OZ, 13.11.89) oder auch wenn über das "Eklatantes Versagen des Bundeskanzlers in entscheidender Situation" (OZ, 13.11.89) berichtet wird.

Lediglich die Jugendzeitung "Junge Welt" berichtet schon am 11. November mit ein paar Zeilen von den Ereignissen, jedoch immer mit dem Unterton "Beeindruckt vom großen Intershop - aber die Heimat ist die DDR" (JW, 11.11.89).


Die Westliche Presse informiert ihre Bürger dagegen wesentlich ausführlicher. Die "Bild am Sonntag" bringt zum Beispiel am 12.11.1989 einen 10-seitigen Sonderteil und informiert über alle Ereignisse der letzten Tage und gibt sogleich praktische Tips, zum Beispiel zur Identifikation der "Gäste" mit Hilfe des Autokennzeichens.

Während sich die "Berliner Zeitung" Ende Dezember noch entschuldigt, daß jetzt auch Reklame von westlichen Firmen in der Zeitung erscheinen wird, bringt die "Berliner Illustrierte" eine Sonderausgabe zur "Revolution in der DDR" heraus. In der "Neuen Zeit" erscheint eine Todesanzeige mit dem Text: "Plötzlich und unerwartet, für uns alle unfaßbar, verstarb die Mauer. 13.8.1961 - 9.11.1989. Wir weinen ihr keine Träne nach" (NZ, 8.12.89).


4. Zusammenfassung


Die Auffassung der DDR, was Presse zu sein hat - ein Machtmittel der herrschenden Klasse - mußte in dem gleichen Maße, wie die Macht des Staates selber zerbrach, auch der Funktion der Presse Schaden zufügen. So war die Presse an den entscheidenden Punkten sprachlos (10. Nov. 1989) und versuchte gegen alle Tatsachen parteilich und optimistisch zu bleiben. Das Selbstbewußtsein der Redakteure schien aber mit dem Anspruch, der unüberhörbar von der Bevölkerung ausging, daß man von der Presse die "Wahrheit" hören wollte - ohne jede Beschönigung und Verfälschung, zu wachsen. So wurde die "freie Presse" endlich zu einem echten Ziel.


Die Phase um die Grenzöffnung zeigt zugleich Grenzen und Chancen der Presse. Eine intensivere und schärfere Konfrontation von Auffassungen der Bedeutung von Presse hat es in diesem Jahrhundert wohl kaum gegeben. Sie ist auch nur auf dem historischen Hintergrund der DDR zu verstehen, weshalb ich diesen Fakten in meiner Betrachtung auch großen Raum gegeben habe. Fremdbestimmung und Machterhalt in einem Staat formen eine Presse, die selber diese Form und Funktionen übernimmt.


Quellen- und Literaturverzeichnis:


Video: "Chronik der Wende" vom ORB, privater Mitschnitt vom 5.11.1994 bis 13.11.1994

"Encarta 98 Enzyklopädie" von Microsoft

"Berliner Illustrierte", Sonderausgabe vom Dezember 1989

"Ostseezeitung" (Organ der Bezirksleitung Rostock der SED) vom 9.11.1989 bis 13.11.1989

"Junge Welt" (Organ des Zentralrats der FDJ) vom 11./12.11.1989

"Norddeutsche Zeitung" (Tageszeitung der LDPD) vom 3.11.1989

"Schweriner Volkszeitung" (Organ der Bezirksleitung Schwerin der SED) vom 4.10.1989

"Bild am Sonntag" vom 12.11.1989

"Berliner Zeitung" vom 21.12.1989















Hiermit bestätige ich, daß ich die Arbeit eigenständig und ohne fremde Hilfe erstellt habe.


 [JP1]

Oder Norddeutsche Zeitung ?


 [JP3]







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