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Die Entwicklung des romischen Seerauberproblems bis zur lex Gabinia 67 v Chr



Referat


Die Entwicklung des römischen Seeräuberproblems

bis zur lex Gabinia (67 v.Chr.)





I.      Einleitung


Unter allen äußeren Bedrohungen, mit denen die Römer der ausgehenden Republik konfrontiert wurden, gehörte jene durch die Piraterie mit zu den schwerstwiegenden. Nicht nur die außerordentlichen Vollmachten, die man dem Cn. Pompeius mit der lex Gabinia 67 zugestand, sondern auch die erhebliche innenpolitische Brisanz dieser Gesetzesvorlage und des Piraterieproblems überhaupt lassen dies deutlich werden.

Doch das Jahr 67 stellt nur den Gipfelpunkt einer langen Reihe politischer und militärischer Auseinandersetzungen mit dem Piratenunwesen dar, es zwang Rom keineswegs zum ersten Mal zu einer militärischen Reaktion gegen die Seeräuber. Eine Sonderstellung nimmt dabei die römische Intervention in Illyrien (229/28) ein, welche nicht nur allein auf der großen zeitlichen Distanz zur folgenden Aktion des M. Antonius im Jahre 102 beruht, sondern gleichgewichtig auf der Tatsache fußt, daß Rom in diesem Krieg formell gegen einen anderen Staat zu Felde zog, dessen Herrscher - nach römischer Ansicht - Piratenübergriffe auf italische Kauffahrer zu verantworten hatte. Als weitere Maßnahmen Roms gegen die Piraten zwischen der lex de piratis aus dem Jahre 100 und der lex Gabinia sind die direkten oder indirekten Aktionen Sullas (96 oder 92), Murenas (84), des Servilius Vatia (78-74), die Provinzialisierung Kyrenes (75) und das imperium infinitum des M. Antonius Creticus (74-71) zu nennen, wobei die Quellenfundamente für viele dieser Ereignisse allerdings nur sehr schmal sind.




II. Eine kurze Einführung in das Wesen der antiken Piraterie


Die antike Piraterie galt keineswegs nur als deutlich abzugrenzender Akt des Raubens, der 'gewaltsamen Wegnahme', vielmehr eröffnet sich dem Historiker ein in seinen Konturen sehr unscharfes und vielschichtiges Phänomen, dessen Ganzes erst aus einer Betrachtung seiner ökonomischen, politischen, sozialen, juristischen und ideologischen Teile ersichtlich wird. Schon in den Schriften des Thukydides wird das Widersprüchliche in der antiken Position zum Seeraub klar erkennbar (Thuk. 1, 5):


Denn die ältesten Hellenen und auch die Barbaren an den Küsten des Festlandes und die die Inseln bewohnten, hatten kaum begonnen, mit Schiffen zueinander hinüberzufahren, als sie sich auch schon auf den Seeraub verlegten, wobei gerade die tüchtigsten Männer sie anführten, zu eignem Gewinn und um Nahrung für die Schwachen; sie überfielen unbefestigte Städte und offne Siedlungen und lebten so fast ganz vom Raub. Dies Werk brachte noch keine Schande, eher sogar Ruhm; das zeigen heute noch manche Stämme auf dem Festland, wo es ehrenvoll ist, sich darin auszuzeichnen, und die älteren Dichter, bei denen die Frage an Landende immer gleich lautet, ob sie Seeräuber seien, ohne daß die Befragten beleidigt wären oder, wer sich so erkundigt, in diesem Tun etwas Böses sähe.


Piraterie war also nicht nur das Handwerk gewalttätiger Räuber, sondern durchaus ein Betätigungsfeld, auf dem tüchtige Männer Ruhm erlangen und für sich und andere Reichtümer und Nahrung erbeuten konnten. Die Bezeichnung ´Seeräuber´ erweckte weder im Befragten noch im Fragenden unangenehme Assoziationen.

Wenngleich auch Raub und Seeräuberei in Form trivialen Besitzerwerbs in der gesamten Antike diskreditiert und häufig mit physischer Gewalt bekämpft wurde, so sind doch neben diesen Tendenzen der Ausgrenzung zahlreiche zur gesellschaftlichen Integration der Piraterie zu erkennen. Das zeigt sich im ökonomischen Bereich besonders daran, daß die Piraterie zwar einerseits ein Hemmnis des Handelns und Reisens bedeutete, andererseits aber selbst wirtschaftlich starke Positionen, z.B. beim Sklavenhandel, übernahm. Auch im militärischen Sektor verhielt es sich ähnlich, Piratenbekämpfung und Anheuerung derselben als Söldner in den eigenen Truppen gingen Hand in Hand. Selbst die diskreditierte Form des reinen Besitzerwerbs erfuhr unter bestimmten gesellschaftlich-kulturellen Gesichtspunkten eine allgemeine Billigung, beispielsweise als staatlich autorisierte Kampftaktik oder als rechtlich begründete Selbsthilfe. Es wird also offensichtlich, daß die Interpretation eines seeräuberischen Aktes in der Antike stets von kulturspezifischen Konventionen abhing. Oft genug war jedoch eine ´räuberische Lebensweise´ lediglich eine Form des Widerstandes gegen fremde Okkupatoren und ein Akt der Selbstbereicherung, denn die Piratenschiffe wurden zumeist von wohlhabenden Geschäftsleuten und Abenteurern zu ihrem eigenen Nutzen ausgerüstet.




III.   Die römische Intervention in Illyrien


229/28 intervenierte die noch junge römische Großmacht zum ersten Mal im östlichen Teil des Mittelmeeres (östliche Adria) in Illyrien z.Zt. der auf Expansion ausgerichteten Herrschaft Königin Teutas und setzte damit den Grundstein der aktiven römischen Ostpolitik. Trotz der dürftigen Quellenlage des ersten Illyrischen Krieges (i.w. Polybios 2,2-12 und Appian 3,17-22)  kann man wahrscheinlich in der Hauptsache von einer defensiven Natur dieser Unternehmung zur Wahrung römischer Interessen ausgehen, obwohl durchaus auch ökonomische Ambitionen der senatorischen Oberschicht und auf selbige Einfluß ausübende sog. pressure groups (wie später die socii oder vor allem die publicani) naheliegen. Rom hatte keine expansionistischen Beweggründe für den Krieg mit Illyrien, vielmehr hatte es sich zu lange den Forderungen der römischen und griechischen Kaufleute verschlossen, dem Piratenunwesen in der Adria Einhalt zu gebieten.

So zwang das grassierende Seeräuberproblem innerhalb ihres Macht- und Interessenbereiches die Römer zu ihrer ersten größeren Polizeiaktion. Daß diese sich in einem formellen Krieg gegen Illyrien äußerte, hatte folgende Ursache: Die illyrische Piraterie war in den vorangegangenen Jahren durch die imperialistischen Ambitionen einiger Potentaten in ihrer Eskalation zusätzlich begünstigt worden und verlangte von Rom ein aktives Eingreifen, zumal darüber hinaus von der illyrischen Königen Teuta im Rahmen diplomatischer Verhandlungen ein römischer Gesandter getötet worden war. Die von privater Seite betriebene Seeräuberei, die sich der Einflußnahme des jeweiligen Herrschers entzog, war den Römern derzeit jedoch unbekannt und wurde daher von ihnen ignoriert. Folglich kam es zu einer offiziellen Auseinandersetzung mit der illyrischen Staatsmacht, um sich des eigentlichen Problems der größtenteils privaten Piraterie zu entledigen. 219 stand die illyrische Küste als Resultat jener Intervention zur Gänze unter römischer Herrschaft.

Schon in dieser Anfangsphase der römischen Ostpolitik sind also Elemente im Keim nachweisbar, die sich in den folgenden beiden Jahrhunderten der unmittelbaren Einflußnahme Roms auf die hellenistische Welt noch deutlicher ausprägen sollten. Aber von dieser Intervention in Roms direkter Nachbarschaft abgesehen, wurde der Piraterie im östlichen Mittelmeer in den nächsten 100 Jahren keinerlei Aufmerksamkeit zuteil.




IV.   Die Ursachen des akuten Piratenproblems am Anfang des 1. Jh.


Mit der Einrichtung der Provinzen Achaia/Macedonica 146 und Asia 129 erweiterte Rom seinen direkten Macht- und Einflußbereich im hellenistischen Osten beträchtlich. Dabei besaß die römische Provinzialpolitik in Kleinasien eine zentrale Bedeutung für das immense Anwachsen der Piraterie, die in diesem Teil des Mittelmeeres schon seit langer Zeit verhaftet war (vgl. Thuk.). Das in diesen Provinzen praktizierte dualistische Administrationsprinzip brachte für die Oberschicht eine starke finanzielle Belastung mit sich, gerade das sehr reiche Asia war neben den ansässigen politisch-militärischen Funktionsträgern auch den römischen publicani als wichtige Repräsentanten eines ausschließlich auf ökonomischen Interessen aufgebauten Systems der Gewinnmaximierung ausgeliefert. Folge davon war eine unangemessene Ausplünderung weiter Landstriche und eine u.a. daraus resultierende, tief verwurzelte anti-römische Einstellung der Provinzialen, mit dem Ergebnis, daß die Zuwendung zur Piraterie als naheliegende Möglichkeit des Lebensunterhaltes prosperierender Schichten gesehen wurde, und zwar nicht nur aus Motiven eines unmittelbaren Existenzerhaltes, sondern wahrscheinlich auch als Ausdruck politisch-militärischen Widerstandes gegen die römische Okkupation und politische Einflußnahme.

Obwohl speziell zu diesem Aspekt in den Quellen keine direkten Aussagen zu finden sind, kann man doch anhand einiger Indizien Rückschlüsse auf eine politisch motivierte Seeräuberei gegen die römische Herrschaft gerade im 1. Jh. ziehen. Zunächst gilt es festzuhalten, daß sich die Piraten über eine rein individuelle Existenzsicherung hinaus als eine größere, relativ eng verbundene Solidargemeinschaft verstanden haben. So schreibt Appian (App. Mithr. 419ff), daß die Bezeichnung ´Kilik´ im Laufe der Zeit immer mehr zu einer Sammelbezeichnung für, obwohl unterschiedlicher ethnischer Herkunft, in Kilikien ansässige Menschen wurde. Kilikien war aufgrund seiner geostrategisch sehr günstigen Lage zu dieser Zeit ein großer Piratenstützpunkt und diente als Basis für prinzipiell gleichgesinnte Menschen aus aller Herren Länder, besonders auch für Flüchtlinge des 1. Mithridatischen Krieges (Cass. Dio 36, 22, 4). Ein solches Solidargefühl bestätigt auch Cassius Dio (Cass. Dio 36, 20, 4), indem er schreibt, daß sich die kilikischen Seeräuber, ohne sich persönlich zu kennen, bei Bedarf mit Material und Mannschaften unterstützt hätten und sogar eine informelle Symmachie zwischen ihnen bestanden habe. Das kann man auch daran erkennen, daß sich die Kilikier nach außen hin weniger als Seeräuber denn als militärisch strukturierter, staatsähnlicher Verband gesehen haben, dessen innerer Zusammenhalt nicht unerheblich aus einer spezifisch anti-römischen Grundhaltung entsprang. Widersacher Roms, wie etwa Mithridates VI., Sertorius oder Spartacus, wandten sich dementsprechend auf der Suche nach natürlichen Bundesgenossen auch an die Kilikier. Desweiteren galt Italien - vor allem natürlich wegen der dort vorhandenen Reichtümer - als vorrangiges Ziel der kilikischen Attacken. In der Piraterie an sich und den organisierten und entschlossenen kilikischen Piraten insbesondere besaß das Rom des 1. Jh. also einen Feind, auf den es früher oder später reagieren mußte.

Nun befand sich die römische Führung aber aufgrund der immer bedrohlichere Ausmaße annehmenden Piraterie in einer schwierigen Lage, denn mit der bestehenden aristokratisch-republikanischen Verfassung war dem nach einer Lösung verlangenden Problem nicht beizukommen. Nach Pohl zeigt das die Tatsache, daß sich theoretisch gerade durch eine veränderte Verwaltung der entscheidenden Provinz Asia die sozioökonomische Grundlage des Seeraubs hätte wesentlich beschneiden lassen, dieser Schritt allerdings aufgrund des großen politischen wie sozialen Drucks einflußreicher, ausschließlich wirtschaftlich orientierter Gruppen - allen voran die publicani - nicht gewagt werden wollte. Diese Erklärung ist etwas zu einfach und läßt außer Acht, daß die Piratenanführer gerade nicht aus den armen Schichten der Bevölkerung stammten, eine Veränderung der sozioökonomischen Verhältnisse also nicht ausschlaggebend für die Eindämmung der Piraterie gewesen wäre, sondern eher eine Neuordnung und Stabilisierung der östlichen Herrschaftsverhältnisse und somit der staatlichen Ordnungsmacht Roms, was ja erst 67 geschehen ist. Nicht zu verleugnen sind darüber hinaus auch die eigenen, engen Verstrickungen der Senatsoligarchen in wirtschaftliche und politische Umtriebe in den Provinzen und mit den Piraten (Sklavenhandel), sodaß die politischen Entscheidungsträger im Grunde genommen keinerlei ernsthafte Motivationen zu einer Anderung der Provinzialadministration besaßen oder zu entwickeln wußten.

Und doch mußten Entscheidungen getroffen werden, denn den Dingen weiterhin ihren Lauf zu lassen, hätte einen erheblichen Prestigeverlust der aristokratischen Führungsschicht in den Augen der gesamten Reichsbevölkerung bedeutet, die durch die Blockade der maritimen Verkehrs- und Handelswege stark eingeschränkt wurde. Weit bedrohlicher war bei dieser Konstellation die Stimmung der von Importen abhängigen plebs urbana, die ja zugleich auch in den contiones den aktiven Teil unter den cives Romani bildete und durch fehlende Getreideversorgung nicht mehr in der urbs bleiben und damit einhergehend an den Volksversammlungen teilnehmen konnte.

Dieses Dilemma bot dem Senat nahezu keinen befriedigenden Ausweg, und es ist für die Situation der späten Republik bezeichnend, daß die Fäden zu den wesentlichen Entscheidungen des Jahres 67 hinter dessen Rücken gezogen wurden.




V. Das Problem der Einrichtung der Provinz Cilicia 102 und

die lex de piratis des Jahres 100


Erst um die Wende vom 2. zum 1. Jh. bestand für Rom anscheinend ein in das nähere Blickfeld gerückter Handlungsbedarf bezüglich der Piratenfrage. Als unbestrittene mediterrane Hegemonialmacht wurde von Rom die Lösung des die Provinzen und Bündner belastenden Seeräuberproblems gefordert. Infolge dessen wurde dem Praetor M. Antonius 102 die Aufgabe zuteil, gegen das als Seeräuberzentrum (s.o.) berüchtigte Kilikien militärisch vorzugehen, wobei - bei einer denkbar schlechten Quellenlage - auffallend ist, daß hier zum ersten Mal von Cilicia als einer gesonderten provincia die Rede ist, die einem römischen Beamten unterstellt wurde. Über die näheren Umstände dieses Unternehmens (Ursache, Verlauf, Konsequenz) sind wir leider nur schlecht unterrichtet (s.u.) und müssen aus oberflächlichen Quelleninformationen Rückschlüsse ziehen, aber allein die dürftige Quellenlage zusammen mit Dauer und Umfang dieser Polizeiaktion läßt vermuten, daß das römische Engagement nur halbherzig war und lediglich eine Befriedigung unangenehmer Forderungen darstellte.

Zunächst sind die Motive für diese römische Militäraktion des Jahres 102 zu nennen, die sich prinzipiell nicht wesentlich von jenen der Folgezeit bis 67 unterschieden haben dürften. Das römische Selbstbewußtsein hatte durch die sich häufenden Piratenübergriffe merkbar gelitten, ein Anzeichen für Roms wenig später folgenden Zugeständnisse an die hellenistischen Staaten, daß die Meere zukünftig wieder sicher sein würden. Desweiteren hatten zahlreiche in ökonomische Beziehungen verstrickte Gruppen (publicani, socii etc.) ein reges Interesse an einem ungehinderten Geld- und Warenverkehr und wirkten im Falle der zunehmenden Beeinträchtigung desselben appellierend auf die administrativen lokalen oder römischen Institutionen ein.

Man kann davon ausgehen, daß die Aktion des M. Antonius noch im selben Jahr mit einer Verfolgung und Reduzierung der kilikischen Piraten abgeschlossen wurde. Daß es nicht zu einer vollständigen Beseitigung derselben kam, kann man daraus ersehen, daß diese Piraterie eine in den Folgejahren bislang nicht dagewesenen Konjunktur erlebte. Die römische Flotte dieser Zeit wäre ohnehin zu schwach für eine umfassendere Unternehmung dieser Art gewesen, denn erst in den Jahren nach dem 1. Mithridatischen Krieg wurde in Rom der Bau einer eigenen Flotte vorangetrieben.

So vermittelt die Aktion von 102 eher den Eindruck, für Rom selbst noch keine akute Dringlichkeit besessen zu haben. Die dadurch nur leicht geschwächten Piraten wurden zwar als lästig empfunden, aber eine Beseitigung des Problems unter Einsatz wesentlicher eigener Mittel wurde nicht für nötig befunden. Kilikien wurde zwar als Provinz eingerichtet, doch lassen Art und Vorgang dieser Einrichtung den Schluß aufkommen, daß dies nicht unter dem Gesichtspunkt einer gewöhnlichen Administrationstätigkeit geschehen ist. Beispielsweise finden sich in den Folgejahren keine eindeutigen Hinweise auf eine zivile Verwaltungstätigkeit der Römer, eher das Gegenteil mag hier zutreffen, indem durch einen offenkundigen Interessenmangel Roms an einer geographischen Herrschaftserweiterung zur Eindämmung seeräuberischer Umtriebe die Piraten einen regen Machtzuwachs verzeichnen konnten. Dementsprechend zögerlich gestaltete sich dann auch die Eingliederung Kilikiens in den formellen Herrschaftsbereich wohl in den 70er Jahren. Jedenfalls scheint zur Zeit der lex de piratis im Jahre 100 nur ein nach den jeweiligen Erfordernissen zu besetzendes Militärkommando in Kilikien bestanden zu haben, der Grund dafür bleibt jedoch anhand des uns nur fragmentarisch erhaltenen Gesetzestextes, der nur das Faktum der Provinzialisierung mitteilt, unbekannt.

Letztendlich besteht also nach wie vor das Problem, ob die Römer bereits im Jahre 100 uneingeschränkte Herren über Kilikien waren oder dort nach den Aktionen von 102 lediglich ein - evtl. nicht mal dauerhaftes - militärisches Kommando außerhalb der Norm geschaffen hatten.



Die lex de piratis des Jahres 100

In diesen Kontext paßt als Reflex dieser antagonistischen Grundhaltung das Piratengesetz des späten Jahres 100, die lex de piratis. Vermutungen der modernen Forschung, die bereits zu dieser Zeit in dem von einer angeblichen aura popularis durchdrungenem Gesetz eine erste Maßnahme gegen die konstitutionelle Substanz eines optimatischen Senatsregimentes erkennen wollen, lassen sich aus Inhalt und Wortlaut des Textes zwar nicht ersehen, basieren aber auf wohldurchdachten Schlüssen. Die drei einflußreichsten politischen Akteure des Jahres 100, der Konsul Marius, der Prätor C. Servilius Glaucia und der Volkstribun L. Appuleius Saturninus, waren - wenn man zu dieser Zeit den Begriff schon verwenden kann - miteinander verbündete Politker popularer Ausrichtung. Die Art und der Zeitpunkt des Piratengesetzes lassen daher vermuten, daß es dem nach seinem Konsulat aufgabenlosen Marius ein neues, militärisch vielversprechendes Betätigungsfeld zuweisen sollte und dieser sich für die Kodifizierung des Gesetzes der Hilfe seiner beiden innenpolitischen Verbündeten bediente.

Aber schon die Bezeichnung ´Piratengesetz´ ist fragwürdig, weil die Fragmente Passagen aufweisen, die sich mit dem Primärziel einer Piratenbekämpfung nicht in Verbindung bringen lassen (z.B. werden administrative Fragen zur Provinz Macedonia behandelt). Der Piraterie ist also nur ein - wenn auch bedeutsamer - Teilbereich des Gesetzes gewidmet, und zwar in Form einer propagandistischen römischen Absichtserklärung zur Sicherung der Meere, die nicht an umfangreiche militärische Aktionen dachte, sondern vielmehr auf einer defensiven Grundhaltung und dem Bewahren des Status quo bezüglich provinzieller Einflußnahme beruhte. Zu diesem Zweck waren aber präventive Maßnahmen erforderlich, unter denen die Einrichtung der Provinz Cilicia als unbestritten wichtigste fungierte.

Bei der eigentlichen Bekämpfung bzw. Abwehr der Seeräuber wollte Rom keineswegs selbst aktiv werden, vielmehr überließ es den größten Teil der Arbeit seinen socii, wobei den in der Funktion als Seepolizei sehr effizienten hellenistischen Inselstaaten eine besondere Rolle zukam. Es mußte zwar aufgrund seiner Patronatspflicht gegenüber den östlichen Klientelstaaten handeln - deshalb auch die propagierte ´Sicherheit der Meere für Rom und seine Bundesgenossen´, beschränkte sich aber auf defensive Maßnahmen, was auch ein Verbot an die Statthalter Makedoniens und Asiens, die Provinzen zu gleich welchem Zweck zu verlassen, deutlich zeigt. Rom strebte durch das Gesetz also auch eine rechtliche Einschränkung der teilweise ungesetzlichen Vorgehensweisen der publicani und Statthalter und eine Sicherheitsgewähr für die socii an, den Piraten ihren sozioökonomischen Nährboden zu entziehen und die lokalen staatlichen Ordnungsmächte wieder zu stärken.

So haben die meisten Passagen des Gesetzes also eher einen zurückhaltenden, passiven Charakter, eine umfassende Strategie zur Bekämpfung der Seeräuber lag nicht in der Intention des Gesetzgebers, vielmehr dürfte es ein Teil der römischen Bestrebungen gewesen sein, im Osten ein weitgehend stabiles und teilweise selbsttragendes System zu schaffen, daß die politischen und ökonomischen Ressourcen Roms weitgehend schonen sollte. Diese Maßnahmen resultierten aus den mit wechselhaftem Erfolg geführten und fiskalische Lücken reißenden Kriegen der direkt vorangegangenen Zeit - und somit der Notwendigkeit eines stabilen Provinzsystems im Osten zur steuerlichen Deckung dieser finanziellen Einbußen - und den Bedenken der herrschenden Aristokratie bezüglich weiterer Expansionsunternehmungen in Verbindung mit evtl. großen und längeren Kommanden einzelner Feldherren, die nach der Heeresreform des Marius über eine enge Truppenloyalität mitsamt einem daraus entstehenden Machtpotential verfügten. Aufgrund dieser Einstellung verwundert es dann auch nicht, daß die lex de piratis - obzwar wohl nie formell außer Kraft gesetzt - gänzlich wirkungslos blieb. Gleichfalls darf man den innenpolitischen Hintergrund des Gesetzes nicht außer Acht lassen. Das Jahr 100 hatte sich für populare Strömungen als fataler Mißerfolg erwiesen, Saturninus und Glaucia waren, da sie mit großer Volksunterstützung eine sofortige Wiederwahl erreichen und somit gegen die Verfassung verstoßen wollten, aufgrund eines senatus consultum ultimum von Marius verhaftet und hingerichtet worden, der durch dieses Vorgehen gegen seine ehemaligen Verbündeten jede Glaubwürdigkeit verloren hatte und innenpolitisch am Ende war. Daß das wohl von dieser Fraktion initiierte Piratengesetz wirkungslos blieb, zeigt, daß es ein Gesetz allein für die Person des Marius war, denn ansonsten wäre es unverständlich, weshalb ein Kommando gegen die Seeräuber nicht an einen anderen Befehlshaber vergeben wurde.




VII. Die militärischen Aktionen Roms gegen die Piraterie

bis zum Jahre 71


Obschon in den 90er und 80er Jahren des 1. Jh. von Männern wie L. Cornelius Sulla (97/96 oder 93/92), L. Licinius Murena (84) und P. Servilius Vatia (kilikisches Kommando von 78-74) durchaus erfolgreiche Unternehmungen mit wachsendem römischen Interesse und Engagement gegen die Piraten durchgeführt wurden, bestand das Seeräuberproblem nach wie vor. Zu einer ernsten Versorgungskrise kam es schließlich im Jahre 75, als die Getreidepreise aufgrund zunehmender Piratenaktivitäten im gesamten östlichen Mittelmeerraum derart stiegen, daß die römischen Stadtbewohner unmittelbar beeinträchtigt und beunruhigt wurden. Rom mußte reagieren, um den inneren Frieden zu bewahren und dem Problem Herr zu werden.

Ein erster Schritt war die Provinzialisierung des 96 an Rom vererbten und bis dato freien Kyrene. Die Küsten Kyrenes hatten sich seit dem späten 1. Jh. zu einem gesuchten Aktionsfeld der Piraten entwickelt, die zwischen Achaia und Kyrene mit Kreta als Zentrum agierten und reiche Beute machten. Rom versprach sich von der Provinzialisierung und innenpolitischen Befriedung Kyrenes einen Verlust dieser geographisch wichtigen Operationsbasis für die Piraten und eine verminderte Möglichkeit zur Rekrutierung neuer Mannschaften aufgrund einer stabileren ökonomischen Basis der kyrenischen Bevölkerung.

Eine weiterer, wesentlich wichtigerer und offensiverer Schritt war die Vergabe des ersten provinzübergreifenden Kommandos an M. Antonius (Creticus) im Jahre 74. Dieses imperium infinitum (infinitum als geographischer Aspekt) verschaffte Antonius eine Promagistratur, die sich in ihrem Kompetenzbereich auf das gesamte Mittelmeerbecken sowie alle Küsten in einer Breite von 50 Meilen landeinwärts erstreckte. Es richtete sich eindeutig gegen die Piraten, die zu jener Zeit die einzigen Gegner Roms im maritimen Bereich waren und Rom ganz erhebliche ökonomische Verluste zufügten und damit innenpolitische Spannungen hervorriefen. Gerade auch die gefährdete Versorgungslage der römischen Kampftruppen in Spanien gegen Sertorius, der intensive Beziehungen zu den Piraten unterhielt, machte eine Bekämpfung des Seeräuberproblems erstrangig. Das läßt sich auch daran festmachen, daß Antonius ein Kommando über das gesamte Mittelmeer erhielt und zunächst auch nur im westlichen Teil agierte, bevor er im östlichen klagvoll scheiterte. Vermutlich begründet sich dieses Scheitern aber nicht nur in der mangelnden fachlichen Kompetenz des Antonius, vielmehr erhielt er, im Gegensatz zu Pompeius, lediglich den Staatsschatz nicht belastende, juristische Voraussetzungen zur Erledigung seiner Aufgabe. Der Zugriff auf adäquate materielle Mittel blieb ihm versagt und verlangte von Antonius weitgehende Improvisationen bezüglich seiner Flotte und Vorgehensweise. Diese Umstände zwangen ihn dann wohl auch zu Übergriffen in manchen Provinzen, um seine Unternehmung effektiv leiten zu können.

Die verfassungspolitischen Aspekte dieser Aktion weisen aber ein Umdenken innerhalb der römischen Führungsschicht aus. Diese schien fürderhin gewillt, ihre Feldherren in Notsituationen weitgehend frei von juristischen Auflagen agieren zu lassen, was die Militäraktion des Antonius erstmals deutlich zeigt. Warum sie letztendlich jedoch erfolglos blieb, können wir leider aufgrund der Quellenlage nicht mit Bestimmtheit sagen.







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