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Inhaltliche Interpretation Der Familie Selicke - Naturalismus 1880-1900

Inhaltliche Interpretation "Der Familie Selicke" -->

Naturalismus 1880-1900


Zitate unter Anführungszeichen!



Die Handlung des Stückes spielt an einem

Weihnachtsabend der neunziger Jahre des 19.

Jahrhunderts in der "mäßig groß und sehr bescheiden

eingerichtet[en]" (S.5) Wohnung der Familie Selicke im

Berliner Norden. Die Familie befindet sich in einer

einzigen Familienkatastrophe. Der Vater, ein

Alkoholiker der stets betrunken nach Hause kommt, die

Tochter leidet an Schwindsucht, die Mutter wird

ständig vom Vater gedemütigt. Der "Vater: brutal,

rücksichtslos, deine Mutter krank, launisch; beide

eigensinnig; keiner kann sich überwinden, dem andern



nachzugeben, ihn zu verstehen, um um der Kinder

willen" (S. 26/27)


Frau Selicke schickt ihre beiden Söhne, den

achtzehnjährigen Albert und den zwölfjährigen Walter

zum Vater seiner Arbeit "auf'm Comptoir", damit er

wenigstens am Heiligen Abend nach Hause kommt. "Ich

sag schon. Sicher is er nu wieder weg, und vor morgen

früh wer'n wir'n ja dann natürlich nich wieder zu

sehen kriegen! Nein, so ein Mann! So ein Mann!" (S.6)

Der Grund ist, da sich der Gesundheitszustand des

achtjährigen, des an Schwindsucht erkrankten Linchens

zusehend verschlechtert, der von ihm über alles

geliebten Tochter, "M-Mäuschen! Sch-läfste, mein armes

Herzchen? () Ich hab Dir - was mitgebracht.

K-Kuchen, Kind? - K-Kuchen." (S. 47)


Einen Arzt kann man sich nicht leisten, und so kommt

jeden Tag der alte Kopelke vorbei um nach der kleinen

zu schauen. Er kennt sich gut mit Krankheiten aus, und

er weiß auch immer was zu tun ist. "Se wissen ja! Ick

bin man sozusagen `n janz eenfacher Mann. Aber det

kann `k Ihn versichern: jeholfen hab `k schon manchen.

() Wissen Se? De Hauptsach' is jetz': man immer

scheen warm halten! Det Ibbrije, verstehn Se, jiebt

sick denn janz von alleene." (S.12) Der Kopelke ist

ein älterer Mann, spricht einen starken Akzent und ist

überdies sehr nett. Er kommt auch an diesem Abend, am

Heiligen Abend, vorbei und schaut nach der kleinen.

Die fühlt sich mittlerweile besser und will schon

wieder aufstehen und in die Kirche mit der ganzen

Familie. "---"


Nacheinander treten dann noch Gustav Wendt, Kandidat

der Theologie, und die erwachsene Tochter Toni hinzu.

Wendt bekommt eine Berufung auf eine verkannte

Landpfarre und teilt diese Neuigkeit, der seit langem

geliebten Toni mit. Er will Toni aufs Land mitnehmen,

einerseits um sie zu heiraten und andererseits um sie

aus diesen deprimierenden Verhältnissen zu retten.

"Und - da musst du dich also opfern! [] Dein ganzes

Leben in diesem Elend verbringen. Dein ganzes Leben!

Das soll man ertragen!? Das ist ja unmöglich, Toni.

Das ist unmöglich." (S. 58) Toni will zwischen den

Eltern vermitteln, die sie sich während ihrer

dreißigjährigen Ehe bis zu offenen Hass entfremdet

haben. "Ich [Wendt] hab mehr als zwei Jahre hier

gewohnt und alle Szenen mit angehört, die furchtbaren

Szenen! Ich habe euer ganzes, unglückliches

Familienleben kennengelernt! Zwei Jahre hab ich alles

gehört und gesehen! Zwei Jahre lang! Wenn man denken

muß: zweiundzwanzig Jahre hast du in alle dem Elend

gelebt und hast es ertragen müssen! Zweiundzwanzig

Jahre" (S. 26)

Wendt malt ihr aus, wie wohltuend ihre Trennung von

der Familie sich für sie selbst und für die zerrüttete

Gemeinschaft auswirken auswirken könne. "Tust du ihnen

denn nicht selber einen Gefallen? Es muß ihnen doch

nur lieb sein, wenn du "versorgt" bis?! Wenn sie einen

"Esser" weniger haben? [] Hat [der Vater] dir nicht

mehr wie einmal vorgeworfen, dass du noch hier

bist?"(S. 28)


Spät nachts erscheint  endlich Eduard Selicke, schwer

betrunken, doch gut gelaunt mit einem Weihnachtsbaum

und Geschenke beladen. Seine Familie, die einen

plötzlichen Stimmungsumschlag fürchtet, drängt sich

zitternd zusammen, bringt ihm jedoch gerade durch ihre

ängstliche Zurückhaltung den Abscheu und die Furcht

zum Bewusstsein, die er auslöst, und reizt seine Wut

damit nur um so mehr! "He! Alte! Wieder -

fortgehumpelt? [] Die Alte ist schuld, dass dein

Vater so spät nach Hause kommt, mein Sohn! [] Aus

dir wird nichts, mein Sohn. Gar nichts. Dummer

Junge!!" (S.46)


Als Wendt am Morgen die verstörte Familie aufsucht, um

seine sofortige Abreise anzukündigen, löst Toni ihr

Heiratsversprechen, um die schwachen Bindungen, die

die Ehe ihrer Eltern noch zusammenhalten, nicht

vollends zerstören. "Du musst doch sehn, dass ich

jetzt - hier - nicht fortkann! Ich kann, ich kann doch

nicht anders! [] Es ist ganz unmöglich, dass ich

fortkann! Und - das kann noch lange, lange Jahre so

fortdauern!" (S. 57/58)

Der alte Kopelke versucht ihm mit einer Bemerkung zu

trösten, die dem Stück als Motto hätten dienen können.

"Un denn, wissen Se: in die zwee Jahre haben se hier

wat kennenjelernt, un wat Beßres, verstehen Se, hätt'

Ihn'n janich passirn können." (S.64)






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