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Stellt das Organisierte Verbrechen eine Gefahr für das

demokratische System der Bundesrepublik dar?


I.        Zu demokratischen Systemen wie dem unseren

I.I       Notwendige Grundzüge demokratischer Systeme


In einem totalitären Staat unterliegen alle Bürger in ihrem Tun einer größtmöglichen Kontrolle und Überwachung. Dieses Überwachungssystem ist staatstragend, d.h. es wird vom Staat gesteuert und kontrolliert.


Ein demokratischer Staat beruht dagegen auf der Garantie freiheitlicher Werte, auf Solidarität, Wahrung der Menschenrechte,auf parlamentarischer Entscheidung. Der Staatsbürger soll dazu erzogen werden, sich zum Nutzen aller, auch dem seinen, freiwillig an die sozialen und gesetzlichen Regeln zu halten, auf deren Einhaltung der Staat angewiesen ist. Das Überwachungssystem wird nur in Einzelfällen tätig oder beobachtet, je nach Bereich, die Einhaltung der Regeln nur grob. Der normale Bürger unterliegt, solange er unauffällig bleibt, keiner besonderen Überwachung. Ein liberales Recht - in dubio pro reo - soll vermeiden,daß Strafen zu Unrecht verhängt werden.


Die Bereitschaft des einzelnen, sich an Regeln zu halten, wird gestützt durch Umstände, die es den Individuen als sinnvoll erscheinen lassen, sich als 'staatstragende Bürger' zu verhalten. Das Gefühl der Rechtssicherheit und des Vertrauens in den Rechtsstaat, wirtschaftliches Wohlergehen durch Erwerbstätigkeit in einer gesunden Wirtschaft, das Vorhandensein eines sozialen Netzes im Falle von Notlagen sind solche die Bejahung einer Demokratie fördernden Umstände.



I.II     Organisiertes Verbrechen - eine Bedrohung unserer Demokratie?


Thema meiner Arbeit ist jedoch nicht eine Gegenüberstellung totalitärer und demokratischer Staatswesen.


Unser freiheitliches System beruht auf der Einhaltung der Regeln ohne ständige Überwachung.

Hat dies zur Folge, daß auch denen günstige Bedingungen geboten werden, die sich nicht an die Regeln halten?


Fast täglich liest man in den Zeitungen Berichte über Straftaten im Zusammenhang mit dem Schlagwort 'Organisierte Kriminalität.' Eine zunehmende Anzahl von Veröffentlichungen, ob in Zeitschriften oder in Buchform, setzt sich mit dem Thema auseinander und weist auf die wachsende Kriminalitätsbelastung in Deutschland durch die Organisierte Kriminalität, kurz als

OK bezeichnet, hin.


So fordert auch der ehemalige Leiter des BKA, Hans-Ludwig Zachert:'Die Organisierte Krimi-

nalität kann nur dann sinnvoll eingedämmt werden, wenn der von einem breiten Konsens getragene Wille dazu besteht. Die in vorderster Linie beteiligten gesellschaftlichen Kräfte -unter ihnen nicht zuletzt die Medien - müssen alles tun, um die Akzeptanz für das offensichtlich Notwendige zu erreichen.'(Zachert, Hans-Ludwig:Die Entwicklung der Organisierten Kriminalität in Deutschland, in:Informationen zur politischen Bildung 248, 1995, S.44)

Ich möchte mich damit auseinandersetzen, welche Bedeutung die OK in unserem Lande derzeit

hat, welche Schäden sie verursacht und welche mögliche Gefährdung unseres demokratischen Systems von ihr ausgeht.


II.       Zum organisierten Verbrechen


II.1 Merkmale von Gruppen der OK


Beginnen möchte ich mit einem Beispiel aus dem Bereich der Eigentumskriminalität.'Der Ein-

brecher von heute entspricht nicht mehr dem Bild von Meister Ede, der nachts mit Dietrich, Geißfuß und Kohlesack auf Beutesuche geht. Nahezu ein Drittel aller Fälle (1995 73.201 bundesweit,in Hessen 8.015) geschieht als organisierter Tageswohnungseinbruch211.221 vollendete Wohnungseinbrüche (Hessen 21.400) sindeine erschreckend hohe Zahl':(Butzba-

cher Zeitung vom 21.10.96, S.6)


Die Zahlen der Wohnungseinbrücke von

1980 - 99.133

über 1988 -169.011 (vgl.Peters,Butz,Die Absahner,Organisierte Kriminalität

in der Bundesrepublik,Reinbek 1990, S.69)

auf 1995 -211.221


belegen einen deutlichen Anstieg.Dieser steht in engem Zusammenhang mit der Ablösung des Einzeltäters durch Täter, die als Mitglieder organisierter Gruppen Straftaten begehen.


Derartige Gruppen haben genaue Merkmale hinsichtlich ihres Aufbaues und ihrer Organisation.Es gibt verschiedene Ebenen mit genau festgelegten Bereichen, in denen sich die Mitglieder auf ihre Aufgabengebiete arbeitsteilig spezialisiert haben. Sie kooperieren nach einem genau geplanten, festgelegten System. Dabei ist seitens der Führung gewährleistet, daß sich sowenig einzelne Mitglieder wie möglich kennen und daß diese auch keine Kenntnisse über die gesamte Organisation und insbesondere deren Führung haben.


Umso mehr Kenntnisse haben sie hinsichtlich des polizeilichen Vorgehens. Oft haben sie Mitarbeiter des Polizeiapparates zur Zusammenarbeit gewonnen. Ihre Ausrüstung entspricht modernster Technik, mit der die Polizei nicht mithalten kann. Als Beispiel sei eine Gruppe genannt, die mit ihrem Weltempfänger nicht nur den gesamten Polizeifunk, sondern auch sämtliche Gespräche, die die Polizei bei Fahrten des Mobilen Einsatzkommandes per Autotelefon führte, abhören konnte. (vgl. Peters, a.a.O., S.12 ff)


Organisiert sind nicht nur das Ausspähen, der Bruch, der Abtransport, sondern auch der Absatz.Hehler, oft Großhehler, nehmen die gestohlene Ware ab. Oft verfügen sie über gleichzeitig über legale Unternehmen, wie Antiquitäten-, Teppich- und Textilgeschäfte, über die sie die Hehlerware gut in den normalen Wirtschaftskreislauf einschleusen können.


Wird ein Einzeltäter gefaßt, so sorgt die Gruppe für einen guten Anwalt und unterstützt dessen Angehörige finanziell. Gleichzeitig weiß der Täter, daß man im Falle seiner Kooperation mit der Polizei vor Gewalt gegenüber seiner Familie sowie der eigenen Person nicht zurückschreckt.


'Auf diese Weise ist ein Tätertyp herangewachsen, der sich nur noch durch Anwälte vertreten läßt, eine hohe Mobilität entwickelt und sich durch Erkennen kriminalpolizeilicher Strategien

und Entwickeln von Gegenstrategien unseren Ermittlungen entzieht. Er findet sich in Kriminal-

akten wieder, die kaum eine Verurteilung aufweisen.'(Tabarelli, W.:Organisierte Kriminalität,

Informationen der Polizei Schleswig-Holstein, 1987, S.7)


In der Bundesrepublik sind zwei verschiedene Gruppierungsarten der OK tätig. Die eine ist eine Zweckgemeinschaft, in der die Organisation sich je nach Art des Verbrechens die speziali-

sierten Mitarbeiter sucht. Eine wichtige Grundlage für Informationsfluß, Planung, Ausführung, Absatz, Finanzierung sind die guten 'connections', d.h. Verbindungen. Der kleine Einzeltäter hingegen, der ohne diese 'connections' versucht, auf eigene Rechnung zu arbeiten, wird in der

Regel nicht nur seine Diebesware kaum los, sondern häufig durch einen Tip an die Polizei ver-

raten.


Die zweite Gruppierung - vorwiegend ausländische Täterkreise - arbeitet mit einem festen Stamm von Mitarbeitern und zieht fast nie andere Täter hinzu. (vgl.Rebscher, E., Vahlenkamp,W.:Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1988, S.25 ff)



II.2     Schadensverursachung durch Gruppierungen der OK


Gruppen der OK betätigen sich in einer Vielzahl von Bereichen. Ausschlaggebend ist die Mög-

lichkeit, mit geringem Risiko in kurzer Zeit hohe Gewinne zu erzielen.


Durch das organisierte Vorgehen ist die Möglichkeit der Aufklärung der Straftaten gering.


Im Bereich der Eigentumskriminalität sind es nicht nur die Wohnungseinbrüche, sondern auch der organisierte Kfz-Diebstahl. Autos werden gestohlen oder mit gefälschten Papieren bei Au-

toverleihern angemietet, sofort außer Landes gebracht, die Herkunft wird in Spezialwerkstät-

ten unkenntlich gemacht, dann erfolgt die Weiterbeförderung, oft per Schiff. So verschwinden jährlich ca. 20.000 bundesdeutsche Kraftfahrzeuge (vgl.Peters, a.a.O., S.81)


Den Schaden hat nicht nur der einzelne Bestohlene. Über erhöhte Versicherungsbeiträge sowie die Kosten für die von den Versicherungen verlangten Diebstahlssicherungen zahlt die Allgemeinheit, d.h. der kleine Mann, kräftig mit.


In diese Sparte gehört auch der zunehmende Diebstahl von LKW-Ladungen oder gleich des ganzen beladenen Lastwagens. Auch hier zahlt wieder die Allgemeinheit mit, denn durch erhöhte Preise versuchen die Unternehmen, die Verluste auszugleichen.


Besonders hohe Gewinne lassen sich im Bereich der Wirtschaftskriminalität erzielen. Hierzu gehören 'Straftaten im Bereich der Kreditwirtschaft und des Bankenwesens, Konkursstraftaten, Bilanzstraftaten, Versicherungsmißbrauch sowie Steuer - und Subventions-

delikteKennzeichnend für Wirtschatskriminalität ist ihre hohe Sozialschädlichkeit, insbesondere die durch sie verursachten materielle und immateriellen Schäden.'(Ostendorf,H.:

Beispiele schwerer Formen der Kriminalität, in:Informationen zur Politischen Bildung, 248,

a.a.O., S. 41 ff) Einer ermittelten jährlichen Durchschnittsschadenssumme von 4, 5 Milliarden

DM stehen laut Ostendorf geschätzte Schäden von ungefähr 50 Milliarden DM gegenüber.


Schäden, die die Wirtschaftskriminalität nach sich ziehen kann, möchte ich an einem Beispiel erläutern. 80 % aller im Handel erhältlichen Markenartikel werden bereits als Fälschungen angeboten . Deren Herstellung erfolgt in Billiglohnländern, der Absatz teils über den Handel,

teils im privaten Abnehmerkreis.


Dadurch verringert sich der Umsatz des Markenartikelherstellers, und es steht ihm weniger Geld für die Entwicklung neuer Produkte zur Verfügung. Die Herstellung in Billiglohnländern

führt zum Verlust an Arbeitsplätzen hierzulande. Das Unternehmen zahlt weniger Steuern, muß Entlassungen vornehmen, die nun Arbeitslosen zahlen keine Steuern und Sozialabgaben, sondern verursachen nun Sozialkosten.


Der Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen des Europa-Parlaments schätzte, daß bereits 1985 in der BRD 50.000 Arbeitsplätze durch Markenpiraterie verloren gingen. (Peters, a.a.O.,S.163)


Durch organisierten Betrug mit gestohlenen Euroschecks- ein Teil der Mitglieder raubt oder stiehlt, andere fälschen, weitere betätigen sich als Einlöser - entsteht jährlich in der BRD ein Schaden von über 60 Millionen DM.(Peters, a.a.O., S. 191 ff).


Große Schäden für die Allgemeinheit, sowohl materieller als auch immaterieller Art, verursacht das illegale Einschleusen von Arbeitskräften. Diese - in der Regel Ausländer - werden von einem Verleiher zu einem Lohn weit unter Tarif an Firmen verliehen.Die Firmen zahlen dem Verleiher Löhne und Sozialabgaben. Dieser meldet zur Tarnung einen kleinen Kreis von Arbeitern legal an. Für den größten Teil der Arbeiter jedoch werden Steuern und Sozialabgaben hinterzogen. Auch diese Form der Wirtschaftskriminalität ist hoch organisiert.

Ein Strohmann, meist ein rückkehrwilliger Ausländer, meldet ein Gewerbe an, Hintermänner steuern die Firma, Funktionsträger wickeln das Geschäftliche ab, Kuriere transportieren das Bargeld, Vorarbeiter weisen die Arbeiter an, diese wissen nichts über die Organisation und sind zudem zum Schweigen angehalten. Die Aufklärung ist äußerst schwierig.


Die Schäden sind hoch. Zum einen materieller Art, wie das Beispiel einer Gruppe zeigt, deren

315 Mitglieder vom LKA Nordrhein-Westfalen gefaßt wurde. Der an Steuern und Sozialabgaben hinterzogene Betrag belief sich auf 45 Millionen DM.(Peters, a.a.O., S.200)


Zum anderen immaterieller Art: Unternehmen, die reell arbeiten und ihren festen Stamm von Arbeitern tariflich bezahlen, werden nicht mehr konkurrenzfähig.Um Aufträge zu erhalten, sind sie gezwungen, ihr reelles Verhalten aufzugeben. Daß daraus ein Verlust an Arbeitsplätzen folgt, zeigt die gegenseitige Wechselwirkung der materiellen und immateriellen Schäden. Jedenfalls schätzt das Bundesarbeitsministerium, daß 10.000 Arbeitsplätze durch illegale Beschäftigung verloren gehen, was nicht gezahlten Steuern von 165 Millionen sowie nicht gezahlten Sozialabgaben von 156 Millionen entspricht.(Peters, a.a.O., S.207)


Die klassische Form der OK ist die Rauschgiftkriminalität. Hier besteht die organisierte Form des Verbrechens am längsten, da der lange Weg vom Erzeugnis bis zum Absatz einfach eine hohe Organisationsform verlangt. Dabei waren und sind riesige Gewinne zu erzielen.


Die Allgemeinheit muß nicht nur Sozialkosten für die Süchtigen aufbringen, sie leidet auch an der Beschaffungskriminalität, mit der die Süchtigen den Drogenkauf finanzieren. Der dadurch entstehende Schaden in der BRD wurde auf jährlich DM 24 Milliarden errechnet. (Peters, a.a.O., S. 230)


Obwohl ich versucht habe, mich zu beschränken, habe ich in diesem Abschnitt sehr viel zitiert.

Ich hielt es für notwendig, um nur an einigen Beispielen das Ausmaß der Schäden durch OK zu belegen. Dabei habe ich viele Bereiche wie

-das Rotlichtmilieu

-die Schutzgelderpressungen von Mafia und Triaden

-Subventionsbetrug

-Zigarettenschmuggel durch skrupellose vietnamesische Banden

-organisierten Taschendiebstahl.


noch gar nicht erwähnt.


Ebenfalls vernachlässigt habe ich die Auswirkungen, die die Öffnung des Ostblocks hatte.


Meine Thema ist nicht, eine Bilanz der OK zu ziehen, sondern die Frage, ob diese eine ernstzunehmende Gefahr für unser Land darstellt.


III. Zu den Auswirkungen der OK auf unser demokratisches System


In meiner Einleitung habe ich Bedingungen geschildert, die für die Unterstützung und Bejahung unseres Staatens seitens der Bürger wichtig sind. Jahrelang waren diese - gesunde Wirtschaft, weitgehend sichere Arbeitsplätze, ein soziales Netz - vorhanden.


Derzeit hat eine Vielzahl von Faktoren, ob weltweite Entwicklungen, mit denen eine exportorentierte Wirtschaft zu kämpfen hat, ob Ausweichen von Betrieben in Billiglohnländer, ob Kosten der Deutschen Einheit, ob Folgen der Öffnung des Ostblocks, die wirtschaftliche Lage erschwert.


In dieser schwierigen Situation habe ich mich bemüht aufzuzeigen, welche wirtschaftlichen Schäden die OK verursacht. Ob Eigentumsdelikte, hinterzogene Steuern und Sozialabgaben, Verlust von Arbeitsplätzen durch illegale Beschäftigung und Markenpiraterie - es entstehen Schäden in Milliardenhöhe, die in der einen oder anderen Form von der Allgemeinheit zu tragen sind.


Mindestens ebenso gravierend sind Schäden, die man nicht in Geldbeträgen beziffern kann. Der Anteil der nicht aufzuklärenden Straftaten wird immer größer. Zunehmend empfinden die Bürger Staat und Polizei als ohnmächtig. Sie verlieren das Vertrauen in den Rechtsstaat. Dies beeinträchtigt ihre eigene Bereitschaft, sich freiwillig an Gesetze zu halten. Ob zunehmende 'Schwarzarbeit', ob 'Schnäppchen' durch den besonders preisgünstigen Erwerb von - vielleicht gestohlenen oder gefälschten - Waren, ob Versicherungsbetrügereien, ob Steuerhin- terziehungen, z.B. durch Verbringen von Geldern ins Ausland.


Auch der 'Kleine Mann' befolgt zunehmend das Prinzip des individuellen Vorteils. Es breitet sich eine Haltung aus, die der Titel des Bestsellers von Ulrich Wickert:'Der Ehrliche ist der Dumme'(Hamburg 1994) treffend wiedergibt.


Das Wirken der OK, das die Aufklärung von Straftaten so schwierig macht, trägt in hohem Maße dazu bei, daß der Bürger den Eindruck hat, Gesetzesverstöße würden immer weniger erfaßt und geahndet. Dies schwächt seine Bereitschaft, sich gesetzestreu zu verhalten. Stellen die Bürger jedoch immer mehr das eigene Wohl über das Gemeinwohl, so tragen auch sie zur Schwächung unseres demokratischen Systems bei.


Eine weitere Gefahr entsteht durch die Unterwanderung einer Vielzahl von entscheidungsträchtigen Positionen - ob auf der Ebene der Verwaltung oder der Wirtschaft - durch Organisationen der OK. Einerseits werden von diesen Geldmittel eingesetzt, um Entscheidungen zu beeinflussen. Andererseits sind etliche Führungsmitglieder von Gruppierungen der OK inzwischen so mächtigen Positionen aufgestiegen, daß sie als vermögende Geschäftsleute und ehrenwerte Bürger auftreten und von führenden Kräften der Wirtschaft und Politik als Partner ernstgenommen werden. 'Die Betreffenden arbeiten hinter einer undurchdringlichen, soliden Fassade. Das Erschreckende ist:Überall im Bundesgebiet legen Täter diesen Weg zurück.' (Peters, a.a.O., S.301)


So könnte es irgendwann einmal auch bei uns zu 'italienischen Verhältnissen' kommen. Die Verflechtung bestimmter Gruppen der OK, der Wirtschaft und der Politik könnte so groß werden, daß keine Entscheidung ohne Beteiligung der ersteren möglich wäre.


Auch von einem ganz anderen Gesichtspunkt ist unser liberales System gefährdet. Polizei und Justiz, die mit der Problematik der OK besonders konfrontiert sind, verlangen nach schärferen Möglichkeiten der Bekämpfung. Durch meine Beschäftigung mit diesem Thema bin ich zu der Meinung gelangt, daß diese wohl auch notwendig sind. Gleichzeitig aber zu der Erkenntnis, daß verschärfte Gesetze wohl einen Verlust an Liberalität für den einzelnen Bürger zur Folge haben werden.


Und es könnte so kommen, daß verschärfte Gesetze die Freiheit des einzelnen einschränken und unserem liberalen System schaden, andererseits aufgrund des hohen Organisationsgrades und der weltweiten Mobilität der Gruppierungen der OK gar nicht zu besonders großen Erfolgen bei deren Bekämpfung führen werden.


Meine Auseinandersetzung mit der OK hat mich zu dem Schluß geführt, daß diese ein Faktor ist, der -durch Verursachung materieller Schäden, immaterieller Schäden sowie durch den zu ihrer Bekämpfung notwendigen Verlust an Liberalität unseres Systems - eine Gefahr für unser demokratisches System darstellt.


Und daher wäre eigentlich zu erwarten, daß unsere politischen Vertreter mit allen Kräften ver-suchen, Maßnahmen zu finden und zu verabschieden, die unser System gegen den Einfluß der OK schützen.



IV. Zur Bekämpfung der OK


IV.I    Die Situation der Polizei


Zuständig für die Bekämpfung und Verfolgung von Verbrechen sind die Apparate von Polizei und Justiz. Ihre Ausrüstung und Organisation sind von politischen Vorgaben abhängig.


Es wäre nun zu erwarten, daß diese so ausgerüstet würden, daß sie möglichst effektiv arbeiten und es mit den optimal ausgerüsteten, flexiblen und spezialisierten Gruppen der OK aufnehmen könnten.


Wie sieht es damit aus? Als Beispiel sei nur eine Stellungnahme genannt, die die Situation in unserer Hauptstadt Berlin wiedergibt. Es 'zieht sich durch Berlin die Bandenkriminalität wie ein roter FadenSchon 1994 wurden dort 550 843 Straftaten begangen und 245 Morde verzeichnet193 000 Schupos und Kripobeamte teilen sich 400 Computer und 1500 kugelsi- chere Westen. 450 Ladas und Barkas aus DDR-Beständen sind noch immer im Einsatz. Zahlreiche Fahrzeuge haben einen Kilometerstand von mehr als 200 000 km. Irgendwann gehen wir zu Fuß', beschreibt Eberhard Schönberg von der GdP die Situation (Focus 19/96, S.60 f)in dem 'Alptraum Mafia-City' betitelten Bericht.


Doch nicht nur die allerorten von der Polizei beklagte mangelhafte Ausrüstung führt dazu, daß sich hier ungleiche Gegner gegenüber stehen. Auch die bürokratische Organisation unseres Landes bildet ein entscheidendes Hindernis. Diese führt zu einer Schwerfälligkeit des Polizei-apparates. Während Verbrecher in Zeiten allgemeiner Kommunikation und Mobilität flexibel agieren, muß die Polizei auf dem Dienstweg um Genehmigung von Aktionen ersuchen, statt rasch reagieren zu können. 'Die Mafiabosse fliegen um die Welt-bis der Dienstreiseantrag der

Fahnder genehmigt ist, sind sie längst zurück.'(Roth, J. in Focus 19/96, S.64)


Auch steht den staatsübergreifend tätigen verbrecherischen Organisationen eine äußerst unzulänglich organisierte internationale polizeiliche Zusammenarbeit gegenüber.


Um eine wirksame Bekämpfung zu erreichen, müßte

-die Ausrüstung der Polizei verbessert

-die Organisationsform und die internationale Zusammenarbeit flexibilisiert

- die personelle Ausstattung dem Anstieg der begangenen Straftaten angepaßt werden.


Vertreter der Polizei plädieren dafür schon seit langem. Es ist Sache der Politiker, durch ihre Entscheidungen, durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln und die Verabschiedung von Gesetzen die Rahmenbedingungen für die Bekämpfung der OK zu verbessern.



IV.II   Maßnahmen von politischer Seite



Die oben aufgezeigten Defizite lassen darauf schließen, daß das Problem seitens der zuständige Politiker bislang eher vernachlässigt worden ist. Angesichts der schwerwiegenden materiellen und immateriellen Schäden durch OK scheint es mir ein gravierender Fehler, daß die Warnungen von Fachleuten offenbar so wenig beachtet werden.


Es fehlt nicht nur an der Bereitstellung finanzieller Mittel. Es fehlt ebenso auf der Ebene der Legislative eine klare Dokumentation des Willens, sich mit der OK auseinanderzusetzen. Wohl haben sich die deutschen Innenminister 1990 auf ihrer Konferenz auf eine Definition geeinigt:

'Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind,

wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere Zeit oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter

Verwendung gewerblicher oder geschäftsmäßiger Strukturen, b) unter Anwendung von Gewalt

oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel, c) unter Einflußnahme auf Politik, Medien,öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.'(Raith, W.:Organisierte Kriminalität, Reinbek 1995, S.27).


Diese Definition führte jedoch kaum zu geeigneten Maßnahmen. Das nachfolgend abgefaßte Gesetz zur 'Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der

Organisierten Kriminalität (OrgkG)' zählt zwar eine Reihe von Delikten auf.


Es definiert aber die Mitgliedschaft in einer Gruppe der OK nicht als Straftatbestand und wi-derspricht damit völlig den Erfahrungen in anderen Ländern, etwa den USA und Italien, die mit OK zu kämpfen haben. (Raith, a.a.O., S.26 ff)


Die fehlende klare Erfassung des Problems auf Gesetzesebene verunsichert die Strafverfolger.

Ferner erschweren Gesetze, die die Freiheit des einzelnen schützen, wie z.B. das Datenschutz-gesetz, ebenso die strafrechtliche Verfolgung.


Ob fehlende Unterstützung der Polizei durch finanzielle Mittel oder der Justiz durch klare Ge-setze - unsere Politiker negieren das Thema, anstatt von anderen Ländern wie USA und Italien, die ebenfalls lange untätig waren, zu lernen.


Die Ankündigung des nordrhein-westfälischen Innenministers Kniola, gegen die Korruption sowohl in den Reihen der Polizei als auch auf breiter Front - Prostitution, Glücksspiel, OK- entschieden vorgehen zu wollen, fällt als Ausnahme auf.(Focus 46/1996, S.62)


Es ist zu fragen, ob die Politiker aus Unkenntnis, aus Bequemlichkeit, aus Furcht vor dem Verlust von Wählerstimmen - aufgrund der Stärkung der Polizei, der Verschärfung von Gesetzen, des Eingeständnisses des Problems - es unterlassen, klare Maßnahmen zu beschließen.


Diese sind dringend notwendig. da durch die Öffnung des Ostblocks die Bedrohung noch zunimmt. Kapitalkräftig sind dort vor allem die Gruppen der OK. Die Russische Mafia ist, wenn auch die einflußreichste, so doch nicht die einzige Gruppierung, die in der vergleichsweise noch wohlhabenden BRD agiert.


Ich erwähnte eingangs die Forderung von Zachert, dem ehemaligen BKA-Leiter, über die gesellschaftlichen Kräfte, nicht zuletzt die Medien, den Willen zur Bekämpfung der OK in der Bevölkerung konsensfähig zu machen. Doch der wache Bürger hat nur begrenzte Möglichkeiten der Einflußnahme. Unmutsäußerungen, ob in Leserbriefen, in Talk-.Shows, in Wähler- oder Bürgerversammlungen sind mögliche, doch schwache Mittel.


Die Politiker müssen erkennen, daß sie eine Verantwortung haben, nicht nur die Bürger vor politisch geprägten Terroranschlägen zu schützen, die in der Vergangenheit nur Nadelstiche, nicht aber eine ernste Gefahr für unsere Demokratie darstellten. Im Gegensatz zum Tun politisch radikaler Gruppen, die eine Systemveränderung wünschten, steht bei der OK aus-schließlich das Geld im Vordergrund.

Die OK versucht, mit allen illegalen Mitteln auf allen illegalen Weisen rücksichtslos Geld zu

machen, dieses Geld zu waschen und mit der so entstandenen Kapitalkraft Macht zu erlangen.


Verdrängen die Politiker dies weiterhin, setzen sie nicht endlich alle Kräfte ein, um die Auseinandersetzung mit der OK aufzunehmen, so werden deren kriminelle Strukturen sich in jedem Bereich unseres Alltags festsetzen und diese Bereiche manipulieren.


Nach meiner Meinung stand unser demokratisches System noch niemals einer Bedrohung gegenüber, die der durch das OK vergleichbar war.


Ich kann nur hoffen, daß es noch nicht zu spät ist. Und daß die Politiker handeln, bevor es zu spät ist.













































L I T E R A T U R V E R Z E I C H N I S



1. Butzbacher Zeitung vom 21.10. 1996


2. Focus 19/96, S. 60 ff


3. Focus 46/96, S.62


4. Peters, Butz:Die Absahner, Organsierte Kriminalität in der Bundesrepublik,

Reinbek bei Hamburg 1990


5. Ostendorf, H.:Beispiele schwerer Formen der Kriminalität in:Informationen zur

Politischen Bildung 248, Bonn 1995, S. 41 ff


6. Raith, W.:Organisierte Kriminalität, Reinbek bei Hamburg 1995


7. Zackert, H.-L.:Die Entwicklung der Organisierten Kriminalität in Deutschland, in:

Informationen zur politischen Bildung 248, Bonn 1995




A N H A N G

















































Stellt das Organisierte Verbrechen eine Gefahr für das

demokratische System der Bundesrepublik dar?



I.        Zu demokratischen Systemen wie dem unseren


I.I.      Notwendige Grundzüge demokratischer Systeme

I.II.    Organisiertes Verbrechen - eine Bedrohung unserer Demokratie?



II.       Zur Organisierten Kriminalität


II.I Merkmale von Gruppen der OK

II.II    Schadensverursachen durch Gruppen der OK



III. Zu den Auswirkungen auf unser demokratisches System



IV. Zur Bekämpfung der OK


IV.I    Die Situation der Polizei

IV.II   Maßnahmen von politischer Seite