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Schalke, Bismarck, Erle, Buer



Schalke, Bismarck, Erle, Buer

Schalke war Mythos und Alptraum zugleich. Der Schalker Markt mit seiner gigantischen Industriekulisse wurde um 1900 auf mindestens zehn unterschiedlichen Ansichtskarten in den bizarrsten Kolorierungen abgebildet: Hier quellen giftig-gelbe Qualmwolkcn aus einem Wald n Fabrikschornsteinen. Rauchschwaden verdunkeln den Himmel, sodass Sonne und Mond nur noch als fahle Scheiben durchscheinen. Solche Postkarten wurden damals nicht etwa als Proteste gegen infernalische Umweltzerstörung vervielfältigt, sondern als werbewirksame Beweisstücke für industriellen Fortschritt. Dabei zeigt der zumeist gewählte Blickwinkel nur einen kleinen Ausschnitt der berühmten Schalkcr Industriewerke, die eine beachtliche Vielfalt aufwiesen: drei Schachtanlagen der Zechen Consolidation und Graf Bismarck, ein Draht- und ein Blechwalzwerk, eine Eisenhütte und eine Kcsselfabrik, eine Glas- und Spiegelmanufaktur, ein Gas- und Wasserwerk Maßgeblicher Initiator dieser Fabriklandschaft war Friedrich Grillo (1825-88), dem die dankbare Kommune 1898 ein prächtiges Denkmal setzten ließ: Aus einem Brunnenbecken ragte ein Obelisk aus Granit auf, an dessen Schauseite eine Grillo-Büste angebracht war, die links und rechts n den Skulpturen eines Bergmanns und eines Schmieds flankiert wurde.




Inzwischen hat das Schalkcr Ortsbild viel an Dramatik eingebüßt. Durch die Montankrise verloren die meisten Industriewerke stark an Bedeutung, was den Abriss n Fabrikhallen und Kaminen nach sich zog. Der Schalker Markt wird seit 1964 n der ausladenden Rampe einer Straßenbrücke überspannt und ist seitdem zu einem öden Abstellplatz für Lastkraftwagen verkommen. In den Wohn- und Geschäftsstraßen fiel das Gros der Gründerzeitfassaden dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Die zweitürmige katholische Josefskirche wurde nach Bombenschäden in reduzierter Form wieder aufgebaut. Selbst das heutige Grillo-Denkmal ist nur ein schwacher Abglanz des einstigen Originals: Bergmann und Schmied wurden 1940 zu Kriegszwecken eingeschmolzen und erstanden nicht wieder. Nur n der zerbeulten Grillobüste fertigte der Bildhauer Hans Rctzbach 1954 eine Kopie an, die seit 1965 auf einem schlichten Sockel gegenüber n St. Josef steht.

Noch in einem weiteren Sinn war Schalke Mythos: Die Anfänge der berühmten Fußballmannschaft Schalke 04 lassen sich bis ins Jahr 1904 zurückverfolgcn - zu einer lockeren Gemeinschaft n Jungbergleuten, die in der Hauergasse mit einem mehrfach geflickten Fußball begeistert einem Hobby frönten, das damals noch keinerlei gesellschaftliches Ansehen besaß. Die >wilde< Straßenmannschaft wurde erst 1915 in den Westdeutschen Spielerverband aufgenommen, als viele elierte Vereine wegen des Weltkriegs keine komplette Mannschaft mehr aufstellen konnten. Aus den Jahren des rasanten Aufstiegs n Schalke 04 werden liebenswürdige Anekdoten kolportiert: Vor wichtigen Spielen habe Ernst Kuzorra sich unter Tage aufs Ohr legen dürfen; währenddessen hauten die anderen Kumpel >scine< Kohle mit heraus Zwischen 1934 und 1942 erlebten die Schalker ihre beispiellose Erfolgsserie und wurde sechsmal Deutscher Meister. Ein Endspielsieg in der 1. Deutschen Bundesliga gelang schließlich 1958.

Wenngleich die Mannschaft heute im Parkstadion n 1974 in der Nähe n Gelsenkirchen-Er/e kickt, blieb die alte Glückauf-Kampfbahn aus den 1930er Jahren in Schalke-Nord erhalten und steht unter Denkmalschutz. Der Eingangsbereich an der Kurt-Schumacher-Straße heißt inzwischen >Ernst-Kuzorra-PlatzBraubauerschaft« hieß, taucht auf einem Bilderzyklus auf, den der Maler Rudolf Schäfer 1925 zur Erinnerung an die Toten des Ersten Weltkriegs für die Christuskirche am Trinenkamp schuf. In der Gestalt des heidnischen Hauptmanns« begleitet dort der deutsche Reichskanzler Otto n Bismarck persönlich den Kreuzweg Christi. Nikodemus, Simon n Cyrcne und die beiden Emmaus-Jünger tragen die Gesichtszüge n evangelischen Pastoren, die in den 1920er Jahren an dieser Kirche amtierten. Am unteren Bildrand kommentieren martialische Sprüche die Passion: Der Kreuzweg gilt als AUSZUG ZUM KAMPF, Golgatha ist DF.R GROSSE KAMPF Dieser Gemäldezyklus lässt sich nur aus der kollektiven Verzweiflung über die deutsche Niederlage n 1914/18 erklären, wie sie offenbar auch in der Bismarcker Kirchengemeinde ihren Niederschlag fand. Die Erlösungstat Christi wird hier zum nationalpolitischen Mythos umgedeutet: Der heidnische Hauptmann, der sich unter dem Kreuz zu Christus bekennt (»Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn!«), gewinnt durch die Auferstehung Jesu eine neue Zukunftsperspektive. Und - parallel hierzu gesehen - wird das historische Vermächtnis Otto n Bismarcks als Bürgschaft dafür interpretiert, dass auch das geschlagene Deutschland bald zu neuer Kraft und Herrlichkeit auferstehen werde Angesichts der tatsächlichen Entwicklung der deutschen Geschichte wirkt solche Kriegslheologie aus heutiger Rückschau makaber!
Im Norden n Gclsenkirchcn-Bismarck weist eine ältere evangelische Kirche auf das rindustrielle Zeitalter zurück. Die Bleckkirch c. die in der Nähe des Ruhr-Zoos liegt, entstand 1735 nach einer einfachen Zeichnung n Johann Conrad Schlaun. Im Zuge der industriellen Bevölkerungsexpansion wurde sie 1879-89 durch ein Querschiff mit Apsis und einen Glockenturm erheblich erweitert. Der qualitätlle Renaissance-Altar n 1574 war bereits 1738 aus der Kapelle n Schloss Grimberg in diese Kirche überführt worden. Die Abendmahlsszene zeigt Apostel mit westfälisch-derben Gesichtszügen sowie ein reichhaltiges Angebot an Speisen, bei dem auch ein Spanferkel nicht fehlt. Dem Judas, der die 40 Silberlinge in einer großen Geldkatze aulbewahrt, sitzt der Teufel in Gestalt eines kleinen Raben im Genick.

Für Gelsenkirchen-ErZe sind r allem Bergarbeitersiedlungen zu erwähnen. Im Süden, an der Auguststraße stehen kompakte Sechs-familienhäuscr aus den späten 1880er Jahren für den frühen Koloniebau städtischer Prägung. Der schnurgerade Straßenzug gewinnt seinen Reiz durch den Kontrast mit der direkt anschließenden Bismarck-Siedlung aus den Jahren r dem Ersten Weltkrieg. Abwechslungsreiche Straßenbildcraus altfränkisch' gestalteten Hausfassaden suggerieren hier die Idylle einer süddeutschen Kleinstadt. Ein Ensemble aus drcieinhalbstöckigen Stadthäusern mit Erkern und Fachwerkgiebeln schließt die Gartenstadt zur Oranger Straße hin ab. Man fühlt sich an Alt-Nürnberg erinnert. Von ähnlichen Leitlinien ließ sich derselbe Zechenbaumeister auch bei der Schievenfcld-Siedlung im Norden n Erle inspirieren, wo besonders eine ausladende Torhausanlage beeindruckt und mit Allee, Straße, Anger und Marktplatz verschiedene Straßenraum-Modellc variantionsreich durchgespielt werden.
In der Fußgängerzone im Zentrum n Gclscnkirchen-ßwer stehen vereinzelt noch alte Fachwerkhäuser zwischen großstädtischen Geschäftsbauten aus der Gründerzeit. Die Dorfkirche aus dem 13.-l6. Jh. wurde 1890 gegen leidenschaftlichen Widerstand aus der katholischen Gemeinde heraus abgerissen. Reste der Ausstattung aus Barock und Mittelalter - darunter ein romanischer Sandsteinlöwe -sind heute in der Propsteikirche St. Urban zu sehen, einer weiträumigen neugotischen Hallenkirche, bei der das Ziegelmaucrwcrk außen mit Sandstein verblendet ist (Architekt: Bernhard Hertel, 1890-93). Im Übrigen birgt dieses Gotteshaus seit 1972 die größte Orgel des Ruhrbistums Essen. Der Glockenturm, der im Bombenkrieg seinen hohen Spitzhelm verlor, trägt nach wie r ein flaches Notdach.
Kommunaler Stolz über die spät erfolgte Stadterhebung Bucrs (1911) führte zur ung eines großzügigen >StadtforumsBesucherbergwcrk< für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Am Beispiel der benachbarten Gartenstadt Schüngelbcrg lässl sich gut die Entwicklung n mehreren Jahrzehnten Bergarbeiterwohnungsbau nachllzichcn. Die früheste Phase wird durch schlichte Koloniehäuscr aus den 1890er Jahren an der Holthauser Straße dokumentiert. Zwischen 1903 und 1916 entstanden dann eingeschossige Wohnhäuser mit sehr variationsreicher barockisierender Dachgestaltung an der Ostfalen-, Gertrud- und Schüngelbergstraße. Wie groß der Wertunterschied war, den eine Zcchcngesellschaft damals zwischen >Bcrgbcamten< und einfachen Bergleuten machte, lässt sich gut an den Häusern der Westfalenstraße (1908-l0) studieren. Die 1916-l8 entstandene Bebauung der Albrechtstraße zitiert schließlich eine geradezu biedermeierliche Idylle. Danach blieben Pläne zur Erweiterung und Vollendung der Siedlung jahrzehntelang unausgeführt. Sie erfolgte erst in den 1990er Jahren im Rahmen der IBA: Der Zürcher Architekt Rolf Keller gewann einen internationalen Wettbewerb mit einem Gestaltungskonzept, das die gerade in Schüttung befindliche Halde Rungenberg miteinbezog. Heute führt eine Treppe wie eine Himmelsleiter aus der neuen Siedlung auf den künstlichen Berg, dessen Doppelspitze in Sommernächten als >Land-markc< durch eine Lichtinstallation n Klaus Noculak und Hermann EsRichtcr künstlerisch überhöht wird.












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