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Industriekultur

Industriekultur

Im Zuge des >Zechensterbens< wurde im Ruhrrevier seit 1960 vielerorts qualitätlle Industriearchitektur funktionslos. Ließ sich für kleinere Bauten zumeist noch eine Anschlussnutzung finden - z. B. durch Handwerksbetriebe -, so wurden Fördertürme, Schachthallen, Maschinenhäuser, Kohleaufbcreitungsanlagen, Kokereien und Kühltürme in der Regel so bald wie möglich gesprengt. Dieser Kahlschlag geschah jahrelang ohne nennenswerte publizistische Reaktion. Erst der drohende Abriss der Maschinenhalle der Dortmunder Zeche Zollern 2/4 prozierte im Sommer 1969 ein überregionales Echo. Fasziniert n dem Jugendstil-Dekor an diesem Bauwerk, alarmierte eine kleine Gruppe n Künstlern, Architekten und Museumslcuten die kunsthistorische Fachwelt, die Öffentlichkeit und die nordrhein-wcstfälische Landesregierung. Noch im Dezember 1969 wurde die Stahlfachwerk-Halle mitsamt ihrer historischen Maschinenausstat-tung unter Denkmalschutz gestellt.
Eine Folge dieser Rettungsaktion, die überregional auf Handlungsbedarf in einem neuen Aufgabenfeld aufmerksam gemacht hatte, war 1973 die Gründung n speziellen Referaten für technische Denkmalpflege bei den beiden Landesdenkmalämtern in Bonn und Münster. Diese Referate kümmerten sich fortan auch im Ruhrgebict um dcnkmalwerte Industriearchitektur: Zechen, Hochofenwerke, Fabriken, Kraftwerke, Verkehrsbauten, Arbeitersiedlungen usw. Dabei galt es noch lange, gegen Unverständnis im öffentlichen und politischen Raum anzukämpfen. Gerade Denkmäler der Montanindustrie waren ja mit vicrlcrlei negativen Erinnerungen behaftet, an Schwerarbeit, Umweltverschmutzung, Arbeitsplatzverlust Überdies erfordert die denkmalpflcgcrische Erhaltung n historischen Industrieanlagen in der Regel Investitionen in Millionenhöhe.



Als um 1970 zahlreiche Kolonien im Ruhrrevier zugunsten moderner Wohnblöcke abgerissen werden sollten, setzten sich die Bewohner erfolgreich zur Wehr. Sic wollten ihre gewohnte I.cbenswelt nicht gegen ein Leben im >sterilen< Ncubaublock eintauschen. Vielfältige Nachbarschaftskontakte wurden zur Grundlage für unerschrockene Solidarität. Dabei besaß der Kampf um >Eisenheim< bei Oberhausen-Osterfeld und >Flöz Dickebanl« in Gelscnkirchen-Ückendorf eine Signalwirkung. - Inzwischen sind die meisten Siedlungen in ihrem Bestand gesichert. Eine beachtliche Zahl n Kolonien und Gartenstädte wurden auf der Basis n dcnkmalpflegerischen Gcstaltungs-satzungen in rbildlicher Weise renoviert. In anderen Fällen verschönerten die Bewohner ihre Häuser, die sie n der Zechengescll-schaft mittlerweile erworben hatten, in jeweils individualistischer Weise, ohne auf die Grundstrukturen der Gesamtanlage Rücksicht zu nehmen. Man entfernte die Fensterläden, plattierte die Hausfassaden, setzte klotzige Garagen in Höfe und Gärten Auf diese Weise konnte das ehedem harmonische Gesamtbild einer Kolonie schnell zerstört werden.
In den 1970er Jahren geriet >Arbeitergeschichte< (d. h. die Geschichte der Lebens- und Arbeitsbedingungen in den unteren Sozialschichten) in zunehmendem Ausmaß ins Blickfeld n universitärer Forschung, Volkshochschularbeit und musealer Sammeltätigkeit. In den Vororten mancher Revierstädte fanden sich Gruppen n älteren Bergleuten, Hüttenarbeitern und Hausfrauen zusammen, um in hartnäckiger Kleinarbeit eine Vielzahl n Dokumenten, Fotos und persönlichen Erinnerungen zusammenzutragen. Bei der Neukonzeption n elierten historischen Museen wurde seit ca. 1980 der Sozialgeschichte des Industriezeitalters im Ruhrgebiet breiter Raum gewährt. Die Einrichtung einer >Arbcitcrküche< gehörte zeitweilig geradezu zur Pflichtaufgabe eines Geschichtsmuseums. Als das Essener Ruhrlandmuseum 1984 neu eröffnet wurde, handelte die Hauptausstcllung unter dem Titel >Vom Ruhrland zum Ruhrgebiet< facettenreich über die historische Arbeits- und I.cbenswelt im Zeitalter n Kohle und Stahl.

Während der letzten 15 Jahre bekam das Bemühen um die Erhaltung und Neunutzung n Industriedenkmälern im Ruhrrevier vielfach Schubkraft und Auftrieb. Vor allem das Land Nordrhein-Westfalen stellt inzwischen in jedem Jahr beachtliche Summen für die Restaurierung n denkmalwerter Industriearchitektur zur Verfügung. Abgesehen n den Standorten der beiden großen Industriemuseen dient heute eine stattliche Anzahl historischer Industriebauten unter der Regie einzelner Kommunen, Stadtteil-Initiativen, Vereine etc. kulturellen Zwecken. Zahlreiche Fabrikhallen werden zudem n Firmen oder Handwerksbetrieben dauerhaft nachgenutzt und dadurch r dem Verfall bewahrt. In Presse und Öffentlichkeit ist das Interesse an >Industriekultur< erheblich gewachsen. Dieser etwas schillernde Begriff umfasst neben der wissenschaftlichen Dokumentation und touristischen Erschließung n historischer Industriebauten r allem ihre kulturelle Nutzung für Konzerte, Ausstellungen, Feste Prominente Schauplätze aktueller Industriekultur sind r allem das Meiderichcr Hüttenwerk im Landschal'tspark Duisburg-Nord, der ehemalige Gasometer der Gutehoffnungshütte in Oberhausen,- die Zeche Zollverein 12 in Essen-Katernberg und die Jahrhun-dcrthalle des Bochumer Vereins in Bochum. Die Zechenareale n Nordstern in Gelsenkirchen, Ostcrfcld in Oberhausen und Maximilian in Hamm wurden n Bund bzw. Land zu Gartenschauen umgenutzt und stehen seither auch auf Dauer als öffentliche Parks der Revierbevölkerung zu Erholungszwecken zur Verfügung.
Einen maßgeblichen Impuls gewann das Engagement um Industriekultur durch die internationale Bauausstellung Emscher Pari« im Jahrzehnt zwischen 1989 und 1999. Ziel der >IBA< war es, die geschundene Revierlandschaft zwischen Duisburg und Bergkamen nach ökologischen und ästhetischen Kriterien neu zu gestalten. Der wesentliche Schwerpunkt zielte dabei auf die Entwicklung einer breiten Palette n >Parks« (Landschafts-, Wohn-, Handwerker-, Gewerbe-, Technologie-, Wissenschaftsparks) auf frei werdenden Brachflächen, und zwar unter Einbeziehung n funktionslos gewordener Industriearchitektur. Weiterhin sanierte man verschiedene Kolonien und Gartenstädte sowie innerstädtische Problemzonen. Man renaturierte Bachläufe, legte Rad- und Wanderwege an und erschloss historische Industrieareale durch Erlebnisfahrtcn mit Dampfzügen auf Werksbahngclcisen Im Rahmen der IBA wurden spektakuläre Großausstellungcn in hochrangigen Industriedenkmalcn gezeigt: >Feuer und Flamme« im Gasometer Oberhausen (1994), »Sonne, Mond und Sterne« in der Kokerei Zollverein (1999). Schließlich vernetzt man neuerdings das gesamte Ruhrgebiet durch ein Geflecht n touristischen Themenrouten: Die >Route der Industriekultur« verknüpft die Highlights der architektonischen Überlieferung. Sie wird durch 24 Nebenrouten zu spezifischen Themenbercichen ergänzt. Die >Routc der Industrienatur« erschließt die Besonderheiten n Fauna und Flora in der Industrieregion. Die >Route der Landmarkenkunst« führt zu weithin sichtbaren Türmen und künstlerisch überformten Bergehalden







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