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Die Globalisierung der Migration

Die Globalisierung der Migration

Die Globalisierung der Ökonomie hat eine Globalisierung der Migration im Gefolge. In Europa war die Gastarbeiterwanderung die erste Etappe in einem Wanderungsprozess, dem aufgrund des nach wie vor bestehenden Bedarfs an spezifischen Billigarbeitskräften inzwischen eine neue Zuwanderung gefolgt ist. Sie besteht aus einer bisher nur relatimäßigen Ost-West-Wanderung innerhalb Europas, deren potentielle Ausmaße unmittelbar nach der politischen Wende weit überschätzt wurden, und aus einer interkontinentalen Zuwanderung aus Asien, Afrika und Lateinamerika.

Die Gastarbeiterwanderung

Im Zuge des genannten dreiteiligen Wanderungsprozesses von Ausländern haben sich die Herkunftsräume verändert, wobei allerdings bereits bei der Gastarbeiterwanderung zwischen den beiden wichtigsten Aufnahmeländern auf dem Kontinent, Frankreich und Deutschland, gravierende Unterschiede bestanden. Frankreich hat sich nämlich stets als Einwanderungsland gegenüber Ausländern deklariert, während Deutschland bis heute keine "echte Einwanderungspolitik betreibt.
Nun nimmt Frankreich in der europäischen Bevölkerungsentwicklung eine Sonderstellung ein. Als einziger Staat hat es im 19. Jahrhundert die so genannte "Bevölkerungsschere der Industrialisierung nicht mitgemacht und bereits damals mit einer Reduzierung der Kinderzahl begonnen. Frankreich war bereits vor dem Ersten Weltkrieg ein Einwanderungsland, blieb es in der Zwischenkriegszeit und setzte diese Tradition unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fort. Anders war die Situation in Deutschland, welches mehr als 8 Mio. vertriebene "Volksdeutsche und bis zum Mauerbau 3 Mio. Ostdeutsche aufzunehmen hatte.



In kurzer Zeit sind festgefahrene Wanderungsschneisen entstanden, von denen die Abbildung 5.7 eine Vorstellung vermittelt. Die Rekrutierungsgebiete von Frankreich und Deutschland sonderten sich zu drei Viertel der Gastarbeiterzahlen voneinander. Das Einzugsgebiet von Frankreich erstreckte sich nach Südosteuropa und Nordafrika, jenes von Deutschland nach Südosteuropa und bis zur Türkei.
Im Jahr 1982 betrug die Zahl der Ausländer in Westeuropa 14,7 Mio., davon lebten 4,7Mio. in der Bundesrepublik, 4,7Mio. in Frankreich, 2,1 Mio. in Großbritannien und etwas mehr als 900.000 in der Schweiz. Der Ausländeranteil in der Schweiz betrug damals 14,7% und wurde nur von dem in Luxemburg mit 26,4% übertroffen (Fassmann und Münz 1994, Tab.1, S.6).
Die Besonderheit der kontinentaleuropäischen Gastarbeiterwanderung bestand in der Aufspaltung der Wohnstandorte. Gastarbeiter "leben in zwei Gesellschaften (Lichtenberger 1984). Sie gehören zu den "unterschichtenden Ethnien in den Aufnahmeländern und bilden gleichzeitig ein überschichtendes soziales Stratum in ihren Herkunftsgebieten. Die schlossartigen Wohnhäuser von portugiesischen Gastarbeitern (Abb. 5.9), welche in Frankreich arbeiten, sind hierfür ein Beleg. Es gibt Ähnliches in Süditalien, und allein im ehemaligen Jugoslawien wurden mehr als 1 Mio. Häuser gebaut, von denen ein Gutteil im Bürgerkrieg zerstört worden ist. Dalmatinische Gastarbeiter haben darüber hinaus auf den Friedhöfen ihrer Heimatorte aus ihren in Deutschland oder Österreich zurückgelegten Ersparnissen eindrucksvolle Marmorgrüfte errichtet (Abb. 5.12).
Inzwischen ist durch die EU-Erweiterung eine /weite Wohlstandskante längs der neuen Außengrenze der EU-25 entstanden. In gesteigerter Form wiederholt sich der Kapitaltransfer über die Außengrenzen der EU hinweg in die Nachbarstaaten, besonders in die Ukraine und auch hier wieder in den südlichen Abschnitt, der als Ostgalizien vor 1918 ein Teil der Donaumonarchie gewesen ist. Die schlossartigen Bauten portugiesischer Gastarbeiter in Frankreich werden damit durch die weit aufwendiger gebauten Häuser der Gastarbeiter aus der Ukraine in den Schatten gestellt (Abb. 5.10).
An der neuen Außengrenze der EU kommt es zu erstaunlichen Overspill-Effekten rings um die alten städtischen Zentren von einem Einfamilienhausboom, der weiter im Westen bereits abgeklungen ist. Hier gilt erneut das Rezept der 1960er Jahre "do it with your neighbour. Das Phänomen des "Lebens in zwei Gesellschaften hat mit der EU-Erweiterung eine neue Peripherie im Osten erreicht.

Die Ost-West-Wanderung

Die Ost-West-Wanderung in Europa war nicht erst ein Produkt der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, sondern reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Sie begann mit dem Bahnbau und mit der Industrialisierung und erfolgte bis zur Errichtung des Eisernen Vorhangs in mehreren Wellen. Aber selbst der Eiserne Vorhang wurde anlässlich des Ungarischen Aufstandes 1956 und des Prager Frühlings 1968 kurz "hochgehoben. Die Beseitigung der Demarkationslinie, der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme und der beginnende Konflikt im ehemaligen Jugoslawien brachten der EU und besonders den Anrainerstaaten Deutschland und Österreich eine massenhafte Zuwanderung. Anfang der 1990er Jahre erreichte die jährliche Zuwanderung nach Deutschland die Millionengrenze, jene nach Österreich die Einhunderttausendmarke. Durch gesetzliche Änderungen der Asyl- und Fremdengesetze konnte diese Massenmigration jedoch sehr rasch abgestoppt werden. Die Furcht vor einer neuen Massenzuwanderung blieb und führte zu langen Verhandlungen über die Übergangsregelungen im Bereich der Niederlassungsfreiheit mit den EU-Erweiterungsstaaten (Abb. 5.8). Umgekehrt ging es darum, deren Furcht vor dem Ausverkauf von Grund und Boden durch EU-Bürger zu beseitigen. Die endgültige Öffnung der Arbeitsmärkte wurde jedenfalls auf 2011 verschoben. Zu diesem Zeitpunkt ist eine massenhafte Ost-West-Wanderung aufgrund stark sinkender Geburtenzahlen in den EU-Erweiterungsstaaten schon unwahrscheinlich, dabei wäre sie dann als Ergänzung des schrumpfenden Arbeitskräfteangebots in der EU-15 willkommen (Fassmann 2004).

Im Schatten der Verhandlungen über die EU-Erweiterungen hat die Migration jedoch längst ein multikulturelles Profil erhalten. Dieser Prozess begann bereits mit der Zuwanderung von Bürgern der Maghrebstaaten nach Frankreich und setzte sich etwas später mit der Zuwanderung der Türken fort. Zum Unterschied von den nordafrikanischen Zuwanderern sind jedoch die Türken im Rahmen einer Ost-West-Wanderung über den Kontinent hin mit Zwischenstationen in Österreich und Deutschland bis in die Beneluxstaaten, nach Frankreich und selbst in einzelne nordeuropäische Staaten gelangt. Geht man die Einbürgerungslisten des Jahres 2000 durch, so fehlen sie weitgehend in allen südeuropäischen Staaten und in Nordeuropa in Norwegen und Finnland, ebenso in den EU-Erweiterungsstaaten.


Die interkontinentale Migration

Die interkontinentale Migration in die EU hat im Laufe der 1990er Jahre in aller Stille zu einer starken Zunahme der Einbürgerungen geführt, wobei die einzelnen Staaten jedoch eine unterschiedliche Einbürgerungspolitik praktizieren, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Von entscheidender Bedeutung ist jedenfalls die Zunahme der Einbürgerungen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Betrug die Zahl der Einbürgerungen zu Beginn der 1990er Jahre jährlich rund 200.000 Personen, so ist sie bis zum Jahr 2000 auf mehr als 600.000 angestiegen und hat sich im Jahr 2002 erneut verdoppelt. Ein weiteres Ansteigen der Einbürgerungen ist zu erwarten, womit "Ausländer "nationalisiert und damit "statistisch eliminiert werden.

Die Daten der Einbürgerungen in die EU-Staaten im Jahr 2000 belegen die interkontinentale Zuwanderung in die EU eindrucksvoll. Die Zahlen der Neubürger aus Asien und Afrika, aus Lateinamerika und der Türkei übertreffen jeweils bereits die Gesamtzahl der aus anderen EU-Staaten stammenden Neubürger (Abb. 5.11). Deutschland ist das Einbürgerungsland par excellence. Die Gesamtzahl von Einbürgerungen im Jahr der Jahrtausendwende entspricht mit 186.000 der Gesamtzahl der Fälle in Großbritannien und Frankreich. In den beiden letztgenannten Staaten dominieren Neubürger aus den ehemaligen Kolonien, in Großbritannien aus Indien, Pakistan, Bangladesch, Kenia, Jamaika, Südafrika und Australien; in Frankreich aus Algerien, Marokko, Tunesien und Vietnam. In Deutschland ist die Türkei das mit Abstand wichtigste Herkunftsland. Ferner sind Neubürger aus dem Vorderen Orient wichtig; der Iran, der Irak, Syrien, der Libanon und Afghanistan sind überproportional vertreten.

Auständische "Ghostbevölkerung und Asylbewerber

Im Schatten der interkontinentalen Migration sind zwei politisch äußerst brisante Probleme ungelöst: Erstens drängt eine steigende Zahl von illegalen Zuwanderern auf einen "schwarzen und "grauen Arbeitsmarkt. Die Schätzungen über diese ausländische Ghostbevölkerung reichen von k Mio. bis zu 8 Mio. Sie gelangen als "boat people über die spanische und italienische Küste oder als Frachtgut von LKWs über die Türkei und die Ukraine nach Europa. Nationalstaatliche Lösungen mit schubweiser Regularisierung herrschen vor.

Zweitens haben politische Konflikte in Südosteuropa, im Vorderen und Mittleren Orient und in Afrika in den letzten beiden Jahrzehnten rund 6 Mio. Asylbewerber nach Europa gebracht. Während in den 90er Jahren Deutschland das Hauptziel bildete, ist im 21. Jahrhundert Großbritannien mit fast 100.000 Asylbewerbern im Jahr, gefolgt von Frankreich, an die Spitze gerückt. In jüngster Zeit ist ferner die Zahl der Asylbewerber in den Erweiterungsstaaten angestiegen, in den EU-15-Staaten jedoch gefallen. Eine einheitliche Durchführung der Asylverfahren in der EU ist im Werden.

Fazit

Die Einbindung von massenhaft zuströmenden Ethnien wird zum Prüfstein europäischer Demokratien werden. Erschwert wird diese "Prüfung dadurch, dass sich die neue internationale Migration zu einem Zeitpunkt vollzieht, zu dem sich aufgrund der neoliberalen Tendenz der EU-Staaten die Gesellschaftspolitik von der Wirtschaftspolitik abgekoppelt hat, ein Rückbau des umfangreichen sozialen Schutzschildes in Sicht ist und sich die Bürger der sozialen Wohlfahrtsstaaten mit Sorge fragen, ob sie die knapper werdenden öffentlichen Güter und Dienste mit immer mehr ausländischen Zuwanderern teilen müssen. Die Ausländerfeindlichkeit hat in dieser Sorge eine wesentliche Wurzel und ist in allen europäischen Staaten zu finden. Diese Sorge hat im vergangenen Jahrzehnt durch die zunehmende Einwanderung von Personen aus dem islamischen Kulturbereich und auch aus China eine weitere entscheidende Akzentuierung erfahren. Es ist noch nicht geklärt, ob Immigranten aus völlig anderen Kulturräumen sich in die Normen und Verhaltensweisen der europäischen Gesellschaften einzupassen bereit und fähig sind. Eine europäische Einwanderungspolitik ebenso wie eine Integrationspolitik fehlen. Von Staat zu Staat bestehen Unterschiede in den Aufnahmekriterien. Allerdings ist Immigration keineswegs ein flächenhaftes Problem, sondern in erster Linie ein Problem der Kernstädte der Euro-Metropolen, wobei sich insgesamt ein "Comeback der Geschichte abzeichnet, d.h., die einstigen Kolonialmächte wie Frankreich und Großbritannien erhalten in höherem Maße Zuwanderer aus den ehemaligen Kolonien und der größte in der Mitte der EU gelegene Staat, Deutschland, weist das mit Abstand breiteste und zahlenmäßig umfangreichste Spektrum an Migranten auf.







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