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Das neue Zeitalter der Eurometropolen



Das neue Zeitalter der Eurometropolen

Der Wandel der zwischenstädtischen Systeme
Städte sind nicht nur räumliche Ausschnitte des politischen, sondern auch des ökonomischen Systems. Zwei ökonomische Systeme sind unter Bezug auf die funktionelle Ausbildung n Städten zu unterscheiden (Abb. 6.28):
1. das globale System des quartären Sektors der Wirtschaft, welches über das internationale Finanzkapital und trans- sowie internationale Unternehmen sowie internationale Organisationen aller Art seinen Zuschnitt erhält, und
2. das nationalstaatliche zentralörtliche System, welches den konsumentenorientierten Dienstleistungssektor im hierarchischen System der Zentralen Orte bereithält.
Mit dem überproportionalen Wachstum des quartären Sektors in den größeren Stadtregionen entstand ein komplex gebautes intermetropolitanes System, welches das ältere zentralörtliche System, d.h. die Einzugsbereiche der Zentralen Orte (regionale Zentren und Kleinstädte bis zu 50.000 Einwohnern), überlagert und teilweise kappt. In den Anfängen ebenfalls auf die Gründerzeit zurück geht die Entstehung n Freizeitrevieren (in den Alpen, an den Küsten Europas). Mit der Aufspaltung n Arbeits- und Freizeitwohnungen entstand in der Nachkriegszeit um die großen Städte eine Zweitwohnungsperipherie.



Das Zentrale-Orte-System ist ein nationalstaatliches System. Nun geht aber die Zeit einer Dominanz der nationalstaatlichen Stadtsysteme in Europa zu Ende, und zwar durch den Aufbau der supranationalen Ebene der EU mit synchron dazu erfolgender partieller "Demissionierung des Nationalstaates und schließlich durch die Globalisierung der Ökonomie. Damit laufen drei Vorgänge gleichzeitig ab:
1. Es erfolgt eine Separierung des konsumentenorientierten tertiären Sektors m quartären Sektor der Wirtschaft und damit eine Trennung n zentralörtlich-nationalstaatlichem und globalem Städtesystem.
2. Aufgrund der Effekte der EU sowie der Einbindung in kontinentale Verkehrsnetze und globale Vermarktungssysteme llzieht sich eine Umstrukturierung der zentralörtlichen Systeme. Es erfolgt eine Angleichung der "nationalen Zen-trale-Orte-Systeme an eine europäische Stufenskala der Zentralen Orte. Restrukturierungen und DeSilisierungen sind zu erwarten. Die Abstände zwischen den Hierarchiestufen vergrößern sich aufgrund der Konzentrationsrgänge in Handel und Gewerbe und selbst bei staatlichen Einrichtungen; einzelne Stufen des zentralörtlichen Systems werden eliminiert, Städte sinken in niedrigere Ränge ab.
In den ehemals wirtschaftlich organisierten Staaten ist die Eliminierung der unteren Ränge der Zentralen Orte zum Großteil bereits erfolgt und eine Restrukturierung wenig wahrscheinlich, nicht zuletzt deshalb, weil unter den kommunistischen Regierungen die einst tragenden besitz- und gewerbebürgerlichen Schichten enteignet und diskriminiert wurden, so dass eine Neubildung geringe Wahrscheinlichkeit besitzt. 3. Es entsteht ein neues kontinentales System aus der Konkurrenz der Metropolen um die Anteile am wachsenden quartären Sektor. Hierbei kommt es nicht wie bei den Zentralen Orten zur Ausbildung einer neuen Hierarchie, sondern es entsteht eine sehr komplexe Rangordnung aufgrund der nicht direkt kompatiblen Rangordnungen n ökonomischen, politischen und kulturellen Funktionen. Bei föderalistischer Staatsverfassung entsteht aus der Spezialisierung auf bestimmte Funktionen des quartären Sektors ein ahierarchisches Konkurrenzmuster. Die Bundesrepublik Deutschland bietet hierfür aufgrund des jahrzehntelangen Verlusts der Hauptstadtfunktion n Berlin und der föderalistischen Verfassung das beste Beispiel (Frankfurt: Banken, Flughafen; Köln: Versicherungen; Hamburg: Hafen usw.). Aufgrund dieser staatsinternen Konkurrenz um Anteile des quartären Sektors ist daher kaum zu erwarten, dass die so lange geteilte Hauptstadt Deutschlands in absehbarer Zeit den Sprung n einer Eurometropole zu einer Global City machen wird.

In strikt zentralistisch organisierten Staaten, für welche Frankreich ein Beispiel darstellt, ist eine derartige Funktionsteilung allerdings nicht zu erwarten.
Die Attraktivität n Metropolen für internationale Investoren ist besonders in den postsozialistischen Staaten wichtig. Dort werden in mittelfristiger Zukunft allerdings nur die Primatstädte n den Übersprungseffekten des internationalen Finanzmarktes profitieren, und ihre Sonderstellung wird umso länger bestehen bleiben, je später die betreffenden Staaten in den wirtschaftlichen Inte-grationsprozess Europas einbezogen werden.
Insgesamt separieren sich durch die Globalisierung der Ökonomie die Metropolen Europas zunehmend n den Regionalstädten der nationalen zentralörtlichen Systeme. Hierbei akzentuieren sich Prozesse des Aufstiegs und Niedergangs n Metropolen, deren Rangpositionen kontinuierlichen Verschiebungen unterliegen, wobei die Insilitätszone in der Rang-Größen-Reihung höhere Ränge als bisher erreicht und auch die Primate Cities in die Insilität einbezogen werden.
Mit der Globalisierung der Ökonomie ist das Konzept der Global City entstanden. Derartige "Weltstädte sind Zentren des internationalen Finanzkapitals, Standorte n Hauptquartieren transnationaler Unternehmen und eines schnell wachsenden Sektors unternehmensorientierter Dienstleistungen sowie Sitz internationaler Institutionen und internationale Verkehrsknoten. Global Cities werden zu führenden Orten der Akkumulation n Kapital, sind jedoch andererseits relativ abgehoben n ihrem lokalen und regionalen Umfeld und dessen Prosperität oder Niedergang. New York ist ein Beleg dafür.
Europa verfügt über zwei Global Cities, London und Paris, welche gleichzeitig die Funktion n Primatstädten besitzen.

Die Rangskalierung europäischer Metropolen

Die Besonderheit des europäischen Metropolensystems besteht in der Verschränkung von nationalen zentralörtlichen Systemen, an deren Spitze die jeweiligen Hauptstädte als so genannte Primatstädte stehen, mit dem globalen ökonomischen System.
Nun ist die Gewinnung von Rangskalierungen europäischer Metropolen nicht nur ein akademisches Anliegen, sondern besitzt beachtliche Praxisrelevanz, da die Standortentscheidungen von Spitzenkonzernen davon beeinflusst werden. Feststellung und kontinuierliche Registrierung von Rangplätzen zählen damit zu den neuen Aufgaben der Unternehmensberatung, das Streben um die Verbesserung des Rangplatzes der einzelnen Metropole zu den neuen Agenden der betreffenden politischen Entscheidungsträger.
Von der weltweit agierenden Immobilienfirma Cushman & Wakefield stammen die hier angege benen Rangwerte für die Jahre 1990 und 2003 für die wirtschaftliche Position der Eurometropolen sowie die Angaben über deren Bekanntheitsgrad, aus welchem die kulturelle Position ersichtlich ist.

An die beiden Global Cities London und Paris reihen sich nur drei Metropolen an, die ihren Rangplatz seit 1990 unverändert halten konnten: Frankfurt, die Bankenmetropole, Brüssel, die Hauptstadt Belgiens und Sitz der EU, sowie Amsterdam, die niederländische Kapitale. Die Veror-tung der genannten fünf Städte entspricht dem so genannten "Goldenen Dreieck auf der ökonomischen Landkarte Europas. Während alle fünf genannten Metropolen ihre Rangplätze innerhalb des Zeitraums von 1990 bis 2003 unverändert behaupten konnten, sind bei den tieferen Rangplätzen seit 1990, d. h. seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, durchgehend starke Veränderungen der Positionen eingetreten. Es erstaunt nicht, dass sich Berlin vom bescheidenen 15. Rangplatz auf den 8. vorschieben konnte, überraschender ist dagegen der Bedeutungsgewinn der katalanischen Hauptstadt Barcelona vom 11. auf den 6. und der spanischen Hauptstadt Madrid vom 17. auf den 7. Platz. Dieser Sprung nach vorne vollzog sich aber nicht nur in der Bewertung der beiden Metropolen hinsichtlich des quartären Sektors, sondern auch hinsichtlich des allgemeinen Bekanntheitsgrades. Auf der anderen Seite ist der Aufstieg von Berlin mit relativen Bedeutungsverlusten von Düsseldorf und Hamburg verbunden.
Die Schweizer Metropolen Zürich und Genf wurden von München überholt. Stark an Bedeutung verloren hat die schottische Primatstadt Glasgow. In einer tieferen Rangetage konnte unter den postsozialistischen Metropolen Prag seinen Rangplatz deutlich verbessern und Wien überrunden, welches sich nunmehr auch mit der Konkurrenz von Budapest und Warschau konfrontiert sieht.
Fragt man nach der Position der aufgelisteten Metropolen als Primatstädte von Nationalstaaten, so lautet die Antwort, dass von den insgesamt 30 Eurometropolen 19 gleichzeitig Hauptstadtfunktion aufweisen, weitere drei Hauptstädte von Ländern darstellen, nämlich München im bayrischen Freistaat und Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen sowie Barcelona als Hauptstadt der autonomen Provinz Katalonien. Auf die sektorale Differenzierung von Metropolen in Deutschland wurde bereits hingewiesen. Hierher gehören außer den bereits genannten Metropolen Frankfurt und München auch Düsseldorf und Hamburg. In Italien hat Mailand seit langem die wirtschaftliche Führung inne. In allen postsozialistischen Staaten gelang es bisher nur den Hauptstädten, in das ökonomische Ranking aufzusteigen.
Insgesamt sind derzeit alle Hauptstädte der EU-15-Staaten in der ökonomischen Rangreihung vertreten, während von den EU-Erweiterungsstaaten die Hauptstädte der sehr kleinen baltischen Staaten sowie jene Sloweniens und der Slowakei noch nicht über eine entsprechende Anziehungskraft für den quartären Sektor verfügen.
Das ökonomische Ranking ist nur teilweise mit dem Bekanntheitsgrad identisch. Deutliche Ausreißer wie Rom und Wien belegen, dass neben ökonomischen Standortvorzügen auch kulturelle Qualitäten einen hohen Stellenwert besitzen.
In Nordamerika wird die Wirtschaftskraft der Metropolen mittels der Skyline der Wolkenkratzer abgebildet. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Rangordnung der europäischen Metropolen ebenfalls in der dritten Dimension sichtbar ist.

Die "Sichtbarkeit der Eurometropolen in der dritten Dimension

Der Anspruch auf die dritte Dimension verblieb in Europa bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts den "Wolkenkratzern Gottes. Die im Stadtzentrum gelegenen Türme von Kirchen und Domen haben eine außerordentlich starke identitätsstif-tende Funktion besessen und besitzen sie im säkularisierten Europa erstaunlicherweise noch immer. Zwar hat der Eiffelturm bei der Pariser Weltausstellung den ersten Akzent für die technischen Möglichkeiten des 19. Jahrhunderts in der Vertikalen gesetzt, doch haben zwei Weltkriege auf kontinentaleuropäischem Boden ökonomische Potentiale zerstört. Erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat Paris bei strikter Beibehaltung von kompakter Stadt und großem Stil mit peripheren Wolkenkratzerpositionierungen - einschließlich von La Defense - europäische Maßstäbe für Städtebau und Stadtplanung gesetzt, gleichzeitig jedoch die Tradition des Stadtzentrums als soziale Mitte bewahrt (Abb. 6.29).
Insgesamt haben traditionelle städtebauliche Leitbilder, Bauordnungen und Vorstellungen über das Image von Städten den Wolkenkratzerbau in den europäischen Städten bis in die Gegenwart weitgehend verhindert. Im Vergleich zur globalen Ausbreitung des Wolkenkratzers in allen ehemals dem Commonwealth angehörenden Staaten, in Lateinamerika und in vielen Metropolen Asiens sind Wolkenkratzer von amerikanischen Dimensionen in den europäischen Metropolen bisher eine Ausnahme geblieben. Es fehlt nicht nur, von wenigen Standorten abgesehen, die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt, welche die hohen Investitionen rechtfertigen würde, sondern es bestehen nicht zu unterschätzende mentale Barrieren bei den Entscheidungsträgern.
Setzt man eine Marke von +/-100 m als Höhen-untergrenze für Wolkenkratzer an und geht man ferner von mindestens zehn derartigen Wolkenkratzern als Untergrenze aus, so sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur wenige Metropolen mit einer derartigen Wolkenkratzeragglomeration ausgestattet. Die Liste ist kurz und besteht aus den Metropolen London, Paris, Frankfurt, Brüssel, Madrid und Warschau (vgl. Tabelle 6.1).
Darüber hinaus unterscheidet sich die Veror-tung des Hochhausbaus in Europa grundsätzlich von der in Nordamerika. Während dort die Vertikalstruktur der Skyline den Gipfel der Bodenpreise in der Stadtmitte reflektiert, bleibt umgekehrt in den europäischen Städten unter dem Einfluss des Denkmalschutzes und dem Druck der öffentlichen Meinung die Stadtmitte von Hochhäusern ausgespart (Abb. 6.30). Damit halten die neuen Landmarken der Banken, Versicherungen, Großkonzerne und Hotels einen Respektabstand zu den traditionellen Landmarken der Kirchen und Rathäuser. Aus Gründen des Anschlusses an die Hauptstränge der Ent- und Versorgung etablieren sich Hochhäuser in den Narbenzonen der städtischen Verbauung. Sie kennzeichnen die Wachstumsfront des zentralen Geschäftsbezirks, durch den Nahverkehr stark frequentierte Bahnhöfe, die Knoten der städtischen Massenverkehrsmittel sowie Ausleger der City. Ferner sind sie zu einem Instrument der Slumsanierung geworden.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Nordamerika und Europa hinsichtlich der Verortung des Bürosektors ist durch die Mobilisierung von Büroraumflächen im Althausbestand mittels Umwandlung von Wohnungen in Büros bedingt. Dies spielt in allen kompakt verbauten Innenstädten der Eurometropolen nach wie vor eine beachtliche Rolle. Die von der staatlichen Planung initiierte Errichtung von Sub-Cities, wie La Defense in Paris, der City Nord in Hamburg oder der UNO-City in Wien, in Form einer Public-Private-Partnership konnte in Konkurrenz mit den Fühlungsvorteilen der traditionellen City nur einen Teil der neu auftretenden Nachfrager an sich ziehen.
Eine Ausnahme bildet das Frankfurter Wolkenkratzermodell. Frankfurt ist das Bankenzentrum von Deutschland und hat durch die Etablierung der Europäischen Zentralbank andere kontinentaleuropäische Konkurrenten überrundet. Der 1997 errichtete Commerzbank-Tower ist mit 259 m derzeit das höchste Bürohochhaus Deutschlands. Freund hat 1999 drei Hochhausgenerationen unterschieden, von denen die erste in den 1950er Jahren die Höhe des Doms (95 m) nicht erreicht hat, ebenso wie die Objekte der 1960er Jahre, von denen überdies eine erhebliche Anzahl inzwischen entweder total saniert oder bereits wieder abgebrochen (!) wurde. Erst die 1970er Jahre generierten einige Wolkenkratzer, wie den Altbau der Commerzbank. Mit der dritten Generation setzte der "extravagante Wolkenkratzerbau mit postmoderner Architektur ein. Derzeit weist Frankfurt 23 Wolkenkratzer auf. Entsprechend dem Entwurf von Le Corbusiers "Ville contemporaine stehen sie in beachtlichem Abstand voneinander. Dank der baulichen Kontinuität zur Altstadt und der Wallgrünflächen besteht ein "attraktives Freilichtmuseum moderner Bürohausarchitektur (Freund 1999, S. 102) (Abb. 6.31). Frankfurt nimmt unter den deutschen Großstädten eine singulare Position ein. In den beiden nach Berlin größten Städten, Hamburg und München, ist die Errichtung von Wolkenkratzern durch kommunalpolitische Entscheidungen bisher bewusst verhindert worden. Die Argumentation ist bekannt. Sie lautet, dass die traditionsreiche Silhouette mit dem Image der Stadt verbunden ist und durch ihre ästhetische Einmaligkeit nicht nur die Identifikation der Einwohner bewirkt, sondern auch einen ökonomischen Wert für die Standortwahl von Unternehmen und den Städtetourismus darstellt.

Diese Aussage führt zurück zur Frage der Sichtbarkeit des ökonomischen Rangs der Eurometropolen in einer Wolkenkratzersilhouette. Die Tabelle 6.1 belegt, dass sich nur die beiden Global Cities London und Paris durch die Zahl der Wolkenkratzer und Hochhäuser über 70 m klar von den anderen Eurometropolen abheben, allerdings dicht gefolgt von Frankfurt, dem Finanzzentrum des Kontinents, welches unabhängig von der eher bescheidenen Einwohnerzahl seiner Kernstadt Schritt zu halten versucht. Ansonsten lautet die Aussage, dass die ökonomische Rangordnung der Eurometropolen nicht aus der Skyline abgelesen werden kann. Umgekehrt haben Eurometropolen, welche nicht zu den Top 30 gehören, wie Neapel (10 Wolkenkratzer, 13 Hochhäuser über 70 m) und Rotterdam (10 Wolkenkratzer, 25 Hochhäuser über 70 m), eine durchaus respektable Kubatur in der dritten Dimension.

Postmoderne Megastrukturen

Postmoderne Megastrukturen sind ein Kennzeichen der großen Eurometropolen. Sie bilden Schaustücke der Grundstücksverwertung und Standortentwicklung in Form von Großbauvorhaben der öffentlichen Hand im Verein mit dem internationalen Finanzkapital, welche als Public-Private-Partnerships getätigt und unter verschiedenen Etiketten vermarktet werden. Die französische Stadtplanung bietet mit der Schaffung einer zweiten City unmittelbar an der Grenze der kompakten Kernstadt von Paris ein in der städtebaulichen Tradition der großen barocken Sichtachsen des französischen Absolutismus verankertes Modell. Französische Architekten haben Paris auch als die Hauptstadt der "Republique des Pharaos bezeichnet, nicht ganz zu Unrecht. Paris untersteht seit der Zeit des Absolutismus direkt dem Innenminister und hat überdies direkten Zugang zum staatlichen Budget. Die nationalstaatliche Doktrin, den Status von Paris als Kulturmetropole der Welt zu erhalten und auszubauen, haben von Charles de Gaulle über Mitterrand bis zu Jacques Chirac, dem gegenwärtigen Staatspräsidenten und vormaligen Oberbürgermeister der französischen Kapitale, alle französischen Präsidenten vertreten.

Die Konzeption der großen Ost-West-Sichtachse, welche vom Louvre über die Champs-Elysees mit der Fortsetzung nach Versailles bereits vorhanden war, wurde mit dem Ausbau von La Defense akzentuiert und gleichzeitig durch den U-Bahn-Bau auch in das öffentliche Verkehrssystem integriert. Die Pariser Tradition von Haussmann wird damit fortgeführt, gleichzeitig über die Stadtgrenze hinausgegriffen und eine enorme bausoziale Aufwertung im ehemaligen Vorortebereich bewirkt. Wenn auch die Gesamtangaben über die Bürofläche im Ausmaß von 1,6 Millionen m' und 100.000 hier Beschäftigten sowie ein Einkaufszentrum von 120.000 m2 im internationalen Vergleich beachtlich sind (immerhin % von 20 der führenden französischen Firmen besitzen hier ihr Zentralbüro), so verdient noch größere Beachtung die Konzeption der Beseitigung schlechter Wohnquartiere, welche schon vor Haussmann die Pariser Stadtplanung beherrscht hat.
Die gleiche Kombination von städtebaulicher Repräsentation und Slumbeseitigung kennzeichnete auch die Bahnhofsüberbauung von Montpar-nasse, wo mit 209 m der höchste Büroturm auf dem Kontinent errichtet wurde, der erst 1990 durch den Messeturm in Frankfurt mit 256 m auf den zweiten Platz verwiesen wurde.
Bei der Waterfront Development reichen die Megastrukturen der bekanntesten Beispiele von den Londoner Docklands über den Hafenumbau in Rotterdam (Abb. 6.32) bis zur Integration der Donau in die Stadtlandschaft von Wien (Abb. 6.33).
Ähnlich wie in Paris bei La Defense war auch in London nationales Prestige im Spiel, als man die abgewirtschafteten Londoner Docklands völlig umzugestalten begann (Abb. 6.3*0. Allerdings war der Staat nicht im gleichen Umfang als Geldgeber beteiligt. Investitionsorientiert waren die Unternehmungen aber auch hier, ebenso wie in Liverpool, Manchester, Newcastle und Cardiff.
Die Verwirklichung des Konzepts "Wien an die Donau begann mit dem Bau der UNO-City durch den österreichischen Staat und wurde von der Stadtgemeinde in der schrittweisen Entwicklung einer "waterfront development fortgesetzt. Durch den Bau eines zweiten Donaubettes, um künftige Flutkatastrophen auszuschließen, entstand eine Insel von 21 km Länge mit einer Breite von 70 bis 210 m und durch die Errichtung eines Kraftwerks unterhalb von Wien ein 20 km langer Stausee. Mit dem Ausbau des kollektiven Freizeitraums der Donauinsel wurde intuitiv eine richtungsweisende städtebauliche Idee kreiert und für das bipolare Konzept von Arbeits- und Freizeitgesellschaft ein neues Planungsleitbild gefunden. Demnach gehören die "große, grüne Wiese, Erholungsflächen und Sportanlagen in einer Zeit der Freizeitgesellschaft nicht mehr an den Rand, sondern in die Mitte der Stadt mit bester Erreichbarkeit für alle mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel.

Die französische Hauptstadt hat nicht nur als erste Stadt in Europa eine echte zweite City bekommen, sondern erhielt - ebenso von der Regierung gefördert - die Erlebnisstadt Eurodisney als einen Bestandteil der Agglomeration, um im Rahmen des Planungskonzepts für Paris Arbeitsplätze für die vierte Trabantenstadt Mame-Ia-Vallee zu schaffen. 1987 akzeptierte die sozialistische Regierung das Projekt, 1988 unterzeichnete Chirac den Vertrag mit der Disney Company. Dieser vom französischen Staat enorm geförderte und von der Walt Disney Company gebaute größte Vergnügungspark von Europa weist eine Besucherzahl von rund 10 Mio. jährlich auf, was etwa der Einwohnerzahl der Pariser Agglomeration entspricht.

West-Ost-Unterschiede der Eurometropolen

Die Internationalisierung des Immobilienmarktes in Europa ist eine verhältnismäßig neue Entwicklung, welche ab den 1980er Jahren zunächst in wenigen Metropolen begonnen hat, sich gegenwärtig als Effekt des Gemeinsamen Marktes schlagartig weiter ausbreitet und immer tiefere Schichten des städtischen Systems erfasst. Die "Freiheit der Kapitalbewegung ist eine wichtige Voraussetzung hierfür. Damit kommt es zu einer Überschichtung der nationalen Immobilienmärkte, welche, an die Finanzmittel der Hypothekenbanken der einzelnen Staaten gekoppelt, bisher die Preisbildung in den nationalen Ökonomien bestimmt haben.
In der viel diskutierten Transformation vom Plan zum Markt in den postkommunistischen Staaten war der internationale Immobilienmarkt als Erster am Zug und erreichte die Primate Cities im östlichen Mitteleuropa und in Osteuropa in extrem kurzer Zeit. Aufgrund des geringen Angebots an hochwertigen Objekten, welche dem westlichen technologischen Standard entsprachen, kam es bei schlagartig eingetretener Nachfrage zu weit überzogenen Preisforderungen, die von den internationalen Firmen, welche als Erste vor Ort waren, auch akzeptiert wurden, so dass sich die Spirale weiter nach oben drehen konnte. Diese für die erste Phase der Bildung des Immobilienmarktes gültige Aussage traf vor allem für den Bürosektor zu. Als Beleg sei angeführt, dass 1993 die Büromieten in Moskau höher als in London oder Paris waren, in Warschau höher als in Frankfurt oder Berlin, in Prag so hoch wie in München und höher als in Mailand und Budapest, welches seinerseits mit Hamburg gleichgezogen hatte. Das Wiener Niveau wurde 1992 von den Hauptstädten kleiner neuer Staaten, wie Laibach in Slowenien oder Bratislava in der Slowakei, bereits erreicht. Inzwischen ist mit dem rasch einsetzenden Büroneubau eine Normalisierung eingetreten.
Während die Internationalisierung des Immobilienmarktes, gestützt auf die beiden Freiheiten des Transfers von Boden und Kapital im Rahmen der EU, zu einer mächtigen, ganz Europa umspannenden Bewegung geworden ist, trifft dies bei der Internationalisierung des Arbeitsmarktes nicht zu. Ferner sind Über- und Unterschichtungsbewegungen zu unterscheiden. Die Überschichtung durch ausländische Manager ist bisher auf wenige Finanz- und Kulturzentren Europas sowie die Hauptstädte reduziert, wird sich aber in Zukunft weiterentwickeln. Die Unterschichtung ist dagegen als internationales Phänomen im Großen und Ganzen auf die wirtschaftlich prosperierenden Räume von Mittel- und Westeuropa beschränkt, betrifft hier aber nicht nur die Metropolen, sondern auch kleine und mittelgroße Städte und selbst Teile des ländlichen Raumes, wo der Bedarf an Arbeitskräften nicht aus der lokalen Arbeitsbevölkerung befriedigt werden kann (vgl. unten).
Die Arbeitsmärkte der Metropolen in Ostmitteleuropa unterscheiden sich grundsätzlich von denen Westeuropas. Es fehlt nicht nur die hohe, vielfach sogar über dem nationalen Durchschnitt liegende Arbeitslosigkeit, wie sie vor allem die südeuropäischen Metropolen belastet, sondern offene Stellen können vielfach nicht besetzt werden, wie dies in Prag oder Budapest der Fall ist, wo der Rückbau des staatlichen Sektors und die Entindus-trialisierung durch die Tertiärisierung kompensiert werden. Es sind vor allem internationale Firmen zu nennen, deren Nachfrage sich zu zwei Dritteln auf den Bürosektor und hier wieder auf besser qualifizierte Arbeitskräfte richtet. Dieser Trend wird in der mittelfristigen Zukunft andauern. Damit steht die Aussage im Zusammenhang, dass in Ostmitteleuropa die Metropolen einige Zeit von der steigenden Arbeitslosigkeit verschont bleiben werden, welche die Staaten insgesamt erfasst hat.
Die Globalisierung der Ökonomie hat eine Globalisierung der Migration im Gefolge.

Nun gab es in den europäischen Städten in den 1960er Jahren noch kaum ethnische Viertel. Diese Aussage bedarf zu Beginn des 21. Jahrhunderts einer Revision. Eine neue Wanderungswelle hat Europa erreicht. Die europäische Zuwanderung hat freilich ein anderes Profil und andere Voraussetzungen als die Einwanderung in die USA. Sie erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem eine europäische Identität fehlt und es kein "we are all Euro-peans gibt. Überdies mangelt es an einer einheitlichen Immigrationspolitik der EU-Staaten, und schließlich gewinnt immer wieder eine Festungsmentalität die Oberhand, wobei die einzelnen Nationalstaaten eine unterschiedliche Politik mit kurzfristig sich ändernden Zielen betreiben.
Andererseits ist festzustellen, dass durch die Migration aus ehemaligen Kolonien und aus der zur NATO gehörenden Türkei ungefähr die Hälfte der rund 20 Mio. Ausländer in der EU bereits dem Islam angehört, dessen Mitglieder im Unterschied zur ersten Gastarbeitergeneration und anders als die Zuwanderer aus den postsozialistischen Staaten in den aufnehmendem Städten sehr rasch kulturelle Symbole und Einrichtungen errichten und höhere Segregationsindizes erreichen als lokale Oberschichten. Eine breitere Akkommodation der muslimischen Zuwanderer ist derzeit nicht absehbar.
Der europäische Munizipalsozialismus hat stets Antisegregationsstrategien auf seine Fahnen geschrieben und außerordentlich viel in die Chancengleichheit der Ausbildung und der Wohnverhältnisse von Migranten investiert. In Hinblick auf die räumliche Verortung von islamischen Migranten sind derzeit zwei Strategien sichtbar, nämlich ein Hinausschieben in den suburbanen Raum, wie im Falle von Paris, bzw. eine Aufsplitterung in zahlreiche Standorte in Verbindung mit besonders massiven ethnischen Antisegregationsstrategien wie in Wien. Es ist keine Frage, dass die Akzeptanz von vermutlich mittelfristig nur sehr mühsam zu akkulturierenden Ethnien zum Prüfstein der europäischen Demokratien werden wird. Erschwert wird diese "Prüfung dadurch, dass sich die neue internationale Migration aus anderen Kulturräumen zu einer Zeit vollzieht, in der ein Rückbau des umfangreichen "social overhead in Sicht ist und sich die Bürger der sozialen Wohlfahrtsstaaten mit Sorge fragen, ob sie die knapper werdenden öffentlichen Güter und Dienste mit immer mehr ausländischen Zuwanderern werden teilen müssen. Die Ausländerfeindlichkeit hat in dieser Sorge eine wesentliche Wurzel und ist in allen europäischen Staaten zu finden. Entsprechend den Unterschieden in der Zahl der spezifischen Ethnien und der Individualität der europäischen Metropolen sind keine europäischen, sondern nur individuelle, stadtspezifische Lösungen möglich.

Fazit

Fassen wir zusammen: Festzuhalten sind drei Faktoren, durch die sich in mittelfristiger Zukunft die Metropolen in der Europäischen Union von denen der Vereinigten Staaten von Nordamerika unterscheiden werden. Diese drei sind:

1. das historische Primat der Hauptstädte der europäischen Staaten sowie die hierarchischen Organisationsstrukturen des öffentlichen Sektors in der Stadt und in den jeweiligen nationalen städtischen Systemen,
2. die bewährte Politik des Munizipalsozialismus zur Reduzierung sozialer Konflikte und Probleme und schließlich
3. die Position der europäischen Metropolen als dritte Kraft bei den Entscheidungsgremien der EU in Brüssel, welche neben den Nationalstaaten und den internationalen Konzernen zunehmend in Erscheinung treten und sich im globalen Wettbewerb profilieren werden.












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