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CHAOS

CHAOS

1. Deterministisches Chaos - allgemeine Vorbemerkungen

1.1 Einführung

1.2 Was ist deterministisches Chaos?

1.3 Prinzipielle 'Unschärfen'

1.4 Chaotische Experimente

2. Das Magnetpendel

2.1 Versuchsaufbau

2.2 Versuchsdurchführung

2.3 Theoretische grundlagen der Simulation

2.4 Optimierung der Formeln



2.5 Veränderung der Ausgangsbedingungen

2.6 Grenzverlauf der Attraktionsgebiete

2.7 Verletzung der starken Kausalität

2.8 Anleitung zu den Simulationsprogramme

3. Das Drehpendel

3.1 Versuchsaufbau

3.2 Versuchsdurchführung

4. Chaotische Phänomene am Beispiel des Drehpedels

4.1 Bifurkationszenario

4.2 Poincaré-Schnitt

4.3 Attraktoren

4.4 Feigenbaumdiagramm

4.5 Logistische Funktion


1.1 Einführung

In den Medien, in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen und auf Ausstellungen ist immer öfter von 'Chaos' die Rede. Insbesondere beschäftigen sich jedoch die unterschiedlichsten Wissenschaftsbereiche wie beispielsweise Kunst, Wirtschaft, Mathematik und Physik damit. Wichtige Mitbegründer der mathematisch- physikalischen Forschungsrichtung waren Benoit Mandelbrot und Henri Poincaré, die den Begriff 'deterministisches Chaos' entscheidend mitprägten, mit dem sich diese Facharbeit befaßt.

1.2 Was ist deterministisches Chaos?

Der Begriff 'deterministisch' (lat.: bestimmbar, berechenbar) bedeutet, daß das beschriebene System durch lösbare Gleichungen beschreibbar ist. Daraus folgt jedoch nicht, daß es eine Funktion geben muß, die die Phase eines Systems zur Zeit in Beziehung setzt. Der Begriff 'Chaos' heißt, daß das Zeitverhalten des Systems irregulär ist. Es darf also nicht periodisch sein, d.h. es darf sich nicht wiederholen.

Deterministische chaotische Prozesse sind demnach solche, 'deren zeitliche Entwicklung einerseits deterministischen Differenzen- bzw. Differentialgleichungen folgt, die sich aber auf der anderen Seite durch irreguläres, scheinbar zufälliges (chaotisches) Zeitverhalten auszeichnet. Das bedeutet, daß sowohl reguläre Prozesse (stationäre, periodische, mehrfachperiodische Prozesse) als auch rein stochastische Prozesse nicht unter deterministisches Chaos fallen. Reguläre Prozesse erfüllen nicht die Bedingung des irregulären Zeitverhaltens; stochastische Prozesse sind nicht durch deterministische Gleichungssysteme beschreibbar, sondern nur durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Deterministisches Chaos deckt den gesamten Bereich zwischen diesen beiden Grenzfällen ab.' Es ist wichtig, nochmals auf den Unterschied zwischen stochastischen Prozessen (Systemen also, die auf reinem Zufall basieren) und deterministischem Chaos hinzuweisen, da diese Begriffe (u.a. auch in älterer Literatur) häufig nicht präzise unterschieden werden.

'Es scheint paradox, daß Chaos deterministisch ist, erzeugt nach festen Regeln ohne stochastische Elemente. Prinzipiell ist die Zukunft durch die Vergangenheit vollständig bestimmt, aber praktisch werden kleine Fehler verstärkt - das Verhalten ist deshalb zwar kurzfristig vorhersagbar, langfristig aber unvorhersagbar.'

Das folgende Beispiel verdeutlicht diese Fehlerverstärkung: 'Bei einem idealisierten Billardspiel sollen die Kugeln ohne Energieverlust über den Tisch rollen und zusammenstoßen. Mit einem einzigen Stoß schickt der Spieler die Kugeln in eine längere Folge von Kollisionen; er möchte die Wirkung eines Stoßes abschätzen. Für welchen Zeitraum könnte ein Spieler mit perfekter Kontrolle über den Stoß die Bahn des Spielballs vorhersagen? Sofern er nur einen Effekt vernachlässigt, dessen Stärke der gravitiven Anziehung eines Elektrons am Rande der Milchstraße entspricht, wäre die Vorhersage bereits nach einer Minute falsch. Die Ungenauigkeiten wachsen so schnell, weil die Kugeln rund sind und deshalb kleine Bahnabweichungen bei jedem Zusammenstoß vergrößert werden. Das Anwachsen geschieht exponentiell: () Bei jeder Kollision wird der Gesamtfehler multipliziert; auf diese Weise erreicht jeder noch so kleine Effekt rasch makroskopische Dimensionen. Das ist eine der fundamentalen Eigenschaften von Chaos.'

Die zwei wesentlichen Phänomene von deterministisch chaotischen Systemen sind also das exponentielle Anwachsen von Fehlern (bzw. Unschärfen) bei den Meßwerten und das irreguläre Verhalten, das sich durch deterministische Gleichungen beschreiben läßt.

1.3 Prinzipielle 'Unschärfen' bei den Meßwerten

Laplace behauptete 1776, daß man den Zustand des Universums für künftige Jahrhunderte genau bestimmen könne, sofern man den augenblicklichen Zustand ebenso genau bestimmen könne. Doch 1903 wurde diese Behauptung von Poincaré widerlegt, der feststellte, daß 'ein kleiner Fehler zu Anfang () später einen großen Fehler zur Folge haben [wird]. Vorhersagen werden unmöglich und wir haben ein zufälliges Ereignis.'

Könnte man aber den Zustand am Anfang völlig exakt bestimmen, und wäre es möglich, mit diesen Meßwerten zu rechnen, so hätte Laplace jedoch (bei Vernachlässigung des unendlichen Aufwands) recht. Da man aber davon ausgehen kann, daß die betrachteten Meßwerte (Auslenkung, Geschwindigkeit, Ort, etc.) kontinuierlich sind, müßten sie auf unendlich viele Stellen genau angegeben werden, was eine digitale Verarbeitung dieser Daten technisch unmöglich macht. Darüber hinaus würde auch die Heisenberg'sche Unschärferelation(7) eine völlig exakte Bestimmung aller Meßwerte nicht zulassen.

1.4 Chaotische Experimente

In dieser Facharbeit werden zwei chaotische Experimente theoretisch behandelt: das Magnetpendel und das Drehpendel. Hierfür wurden Computersimulationen in der Sprache 'C' programmiert, deren Ergebnisse ausgewertet und daraus generelle Erkenntnisse der Chaosforschung abgeleitet werden. Dabei wird auch deutlich, daß selbst das Chaos an gewisse 'Regeln' gebunden ist, daß es Aspekte gibt, die in jedem chaotischen Experiment zu finden sind und daß auch der ästhetische Aspekt der Chaosanalysen seinen Reiz besitzt.

Um in dem vorgegebenen Rahmen ein möglichst breites Spektrum zu behandeln, werden die gewonnen Erkenntnisse vereinfacht und nur in einem stark beschränkten Umfang ausgeführt.

Die Programme sind sowohl als Programmquelltext(9) als auch als ausführbare Programme für einen IBM-PC kompatiblen Rechner auf Diskette beigelegt. Manche Programme ('MAUSPEND' und 'FEIGBAUM') benötigen eine Maus; ein 486er oder ein besserer Rechner wird empfohlen. Die Programme laufen unter der DOS-Kommandozeilenebene; benötigte Parameter werden mit dem Programmaufruf übergeben, wodurch die Parametereinstellungen in sogenannte 'Batchfiles' gespeichert werden können.




1 Im Folgenden auch kurz 'Chaos' genannt
2 Die Phase eines Systems beschreibt seinen aktuellen Zustand eineindeutig. Bei einem Teilchen, das frei von äußeren Einflüssen ist, wäre dies sein Ort und Impuls. Wäre es angeregt, müßte noch der Zustand des anregenden Systems beachtet werden.
3 Atmanspacher, Morfill
, Seite 1f
4 Crutchfield, Farmer, Packard, Shaw
, Seite 8
5 Crutchfield, Farmer, Packard, Shaw
, Seite 11
6 Crutchfield, Farmer, Packard, Shaw
, Seite 10
7 Der Impuls und der Ort eines Teilchens (und somit dessen Phase) sind nicht beliebig genau bestimmbar
8 Weitere Einzelheiten, insbesondere zum Drehpendel, siehe

9 Die Programmquelletexte sind C-Sourcecodes (insbes. für BorlandC 3.1)



2. Das Magnetpendel



2.1 Versuchsaufbau

Drei mit verschiedenen Farben (rot, gelb und blau) gekennzeichnete, gleich große und gleich starke Magneten werden so auf eine Ebene gestellt, daß sie die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks mit der Seitenlänge 20 cm bilden. Über den Schwerpunkt dieses Dreiecks wird ein Pendel (ein Faden von etwa 1,5 m Länge, an dem eine mit Graphit bedampfte Styroporkugel mit einem Durchmesser von etwa 3 cm befestigt ist) gehängt, so daß es die Magneten knapp nicht mehr berührt. Die Kugel pendelt unter dem Einfluß der Anziehungskraft der drei Magneten. (Abb. 2.1.1)

Die oben gegebenen Maße sind nur Beispiele und lassen sich beliebig ändern. Die Magneten sollten jedoch immer stärker als die Schwerkraft sein, um das Pendel aus dem Schwerpunkt des Dreiecks, dem natürlichen Ruhepunkt des Pendels, herauszuziehen.

2.2 Versuchsdurchführung


Bewegt man das Pendel zu einem beliebigen Anfangspunkt und läßt ihm dann freien Lauf, so bewegt es sich in chaotischen Schleifen und kommt schließlich (wegen der Luftreibung) über einem der drei Magneten zum Stillstand. (Abb. 2.2.1)

Aber über welchem? Neben den durch die Anordnung bestimmten Konstanten ist die Startposition die einzige Größe, die auf das Ergebnis Einfluß nimmt. Ein Magnet zieht das Pendel dann an sich, wenn es in seiner unmittelbaren Umgebung gestartet wird. Andernfalls kann das Pendel jedoch auch über einem Magneten stehenbleiben, der von der Startposition weit entfernt ist. Ist letzteres der Fall, ist also nur eine Anfangsposition gegeben, die nicht im direkten Einflußgebiet des Magneten liegt, so lassen sich über die Bahn, die das Pendel beschreibt -und damit auch über dessen Endposition- keine Vorhersagen treffen.

Um dieses Phänomen näher zu untersuchen, wird der Startpunkt (also die Position des Pendels beim Loslassen) dem Endpunkt (der Magnet, an dem das Pendel am Schluß 'hängenbleibt') gegenübergestellt. Dies geschieht in Form einer Karte, auf der der Startpunkt mit der Farbe des Magneten gefärbt wird, über dem das Pendel letztendlich stehen bleibt. Ein Pendel, das über einem roten Gebiet der Karte, dem Attraktionsgebiet des roten Magneten, gestartet wird, bleibt demnach schließlich über dem roten Magneten stehen.

Zeichnet man mehrere Karten (mit den gleichen Magneten und Naturkonstanten), so wird man feststellen, daß sie sich voneinander unterscheiden, obwohl der durchgeführte Versuch jedesmal der gleiche ist. Eindeutige Gebiete wie die um die Magneten selbst werden sich nicht ändern, da in diesem Fall das Pendel sofort am Magnet hängenbleibt, aber der 'Rest' wird sich voneinander unterscheiden. Dies liegt daran, daß man nie zweimal genau denselben Startpunkt treffen kann. Auch wenn der Unterschied zwischen den Anfangspunkten noch so gering ist, so vergrößert sich die Differenz zwischen den Pendelbahnen im Verlauf des Experiments so stark, daß sie nachher so groß ist wie die Meßwerte selbst.

Die Auswertung ist jedoch mit den Mitteln des Experiments nur äußerst mühsam zu erfassen. Hier hilft die Computersimulation.

2.5 Veränderung der Ausgangsbedingungen

[Kleiner Ausschnitt gekürzt, ebenfalls wegen Formeln]

Dieser Abschnitt beschäftigt sich deshalb mit den Auswirkungen der Veränderung der Reibung. Verkleinert man beispielsweise die Reibungskonstante µ, so verliert das Pendel erst später seine Energie; es pendelt also länger. Dadurch wird der Unterschied der Bahnen von zwei benachbarten Anfangspunkten immer größer. Dies wirkt sich besonders an den Grenzen der Attraktionsgebiete aus: sie verzahnen sich stärker, und die Unvorhersagbarkeit nimmt zu.

Die Abbildungen 2.5.1 und 2.5.2 verdeutlichen dies. Während bei einem Wert von µ = 0,065 -außerhalb der eindeutigen Bereiche um die drei Magneten- die Grenzen zwischen den Attraktionsgebieten noch relativ klar sind, herrscht bereits bei einem Wert von µ = 0,028 ein chaotisches Punktewirrwarr, bei dem kaum mehr von 'Grenzen' im eigentlichen Sinn des Wortes gesprochen werden kann. Auf den zweiten Blick lassen sich jedoch Strukturen erkennen.


2.6 Grenzverlauf der Attraktionsgebiete

Vergrößert man immer wieder Ausschnitte von Grenzverläufen, so wird man feststellen, daß zwischen den Attraktionsgebieten zweier Magneten immer das Attraktionsgebiet des dritten Magneten liegt. Wie kann das sein?

Befindet sich das Pendel in der Nähe der Grenze zweier Attraktionsgebiete, ist die Anziehungskraft von dem näheren der konkurrierenden Magneten größer. Der stärkere Magnet 'gewinnt' und kann das Pendel an sich reißen. Was passiert aber unmittelbar an der Grenze? Hier heben sich die Kräfte der beiden Magneten nahezu auf, so daß die resultierende Kraft nicht mehr zu einem der beiden Magneten zeigt, sondern senkrecht auf der Geraden durch die beiden Magneten steht. Hier 'freut' sich der dritte Magnet, nutzt seine Chance und zieht das Pendel an sich. Jetzt gibt es aber wieder zwei Gebiete verschiedener Magneten, die aneinanderstoßen. Das ganze Spiel wiederholt sich; zwar nicht an der selben Stelle der Pendellaufbahn, sondern am nächsten 'Entscheidungspunkt'.

2.7 Verletzung der starken Kausalität

Versucht man, das Pendel mehrmals am gleichen Anfangspunkt zu starten, so könnte vermutet werden, daß das Pendel immer eine ähnliche Bahn beschreiben und schließlich beim selben Magneten hängenbleiben wird. Diese Vermutung beruht auf dem Axiom der starken Kausalität, das James C. Maxwell 1879 folgendermaßen beschrieb: 'Es ist eine metaphysische Doktrin, daß gleiche Ursachen gleiche Wirkungen nach sich zögen. Niemand kann sie bestreiten. Ihr Nutzen aber ist gering in einer Welt wie dieser, in der gleiche Ursachen niemals wieder eintreten und nichts zum zweiten Mal geschieht. Das daran anlehnende physikalische Axiom [der starken Kausalität] lautet: Ahnliche Ursachen haben ähnliche Wirkungen. Dabei sind wir von der Gleichheit übergegangen zu Ahnlichkeit, von absoluter Genauigkeit zu mehr oder weniger grober Annäherung'

Bei chaotischen Systemen sieht die Wirklichkeit anders aus: Ahnliche Anfangspunkte in einem 'strittigen' Gebiet (also in einem Gebiet, in dem die Grenzen der Attraktionsgebiete der einzelnen Magneten stark verzahnt und flächenmäßig recht klein sind) führen zu vollkommen verschiedenen Laufbahnen des Pendels. Die anfangs zwar annähernd gleichen Anfangspunkte entfernen sich exponentiell voneinander und enden meist bei verschiedenen Magneten. Dies ist der sogenannte 'Schmetterlingseffekt' oder, anders gesagt, die Verletzung der starken Kausalität: In chaotischen Systemen können ähnliche Ursachen völlig verschiedene Wirkungen haben; kleine (auf den ersten Blick unbedeutende) Veränderungen können sich mit der Zeit derart verstärken, daß sie nachher so groß wie die Meßwerte selbst sind. Das Programm 'MAUSPEND' demonstriert dieses Verhalten.


1 Das Attraktionsgebiet eines Magneten i ist (in diesem Fall) die Menge aller Anfangspunkte, deren (durch die Pendellaufbahn zugeordnete) Endpunkte über dem Magneten i liegen.
2 Worg
, Seite 32




3. Das Drehpendel



3.1 Versuchsaufbau

Ein Rad ist mit seinem Mittelpunkt an einer Stange befestigt, die frei drehbar gelagert ist. An der Stange ist außerdem eine Spiralfeder angebracht, die das Rad im unangeregten Zustand in eine Ruheposition bringt. Nun wird die Feder durch einen Oszillator angeregt, was mit der Anregung des Rades durch den Oszillator gleichzusetzen ist. Die Drehung wird durch einen Wirbelstromkreis, dessen Stärke frei einstellbar ist, gedämpft. Dies soll u.a. eine sogenannte Resonanzkatastrophe vermeiden, die durch die ständige Energiezufuhr durch den Oszillator entstehen könnte.

Nach einiger Zeit stellt sich die Drehfrequenz des Rades auf die Oszillatorfrequenz ein. In dieser Form dreht sich das Rad in einer vollkommen linearen Weise - wie ein Pendel, das keiner äußeren Einwirkung unterliegt.

Bringt man nun eine kleine Unwucht so am Rad an, daß sie bei einer Auslenkung der Feder um 0° nach oben zeigt, so ändert sich das Verhalten des Pendels: es wird chaotisch.

3.2 Versuchsdurchführung

Der oben beschriebene Versuch wurde an einem Drehpendel der Ludwig-Maximilians- Universität durchgeführt. Dabei wurde deutlich, daß die Anregungsfrequenz in der Nähe bzw. etwas unter der Eigenschwingfrequenz des Pendels liegen muß, damit es zu einer Resonanz und damit zu einem chaotischen Verhalten des Pendels kommt.

Die aktuelle Auslenkung und die Geschwindigkeit des Pendels wurden während des Versuchs gemessen und zur Auswertung an einen Computer weitergeleitet, der u.a. ein Auslenkungs/Zeit (j/t) - und ein Winkelgeschwindigkeit/Auslenkungs (w/j) - Diagramm ausdrucken konnte (siehe Abbildung 3.2.1, die direkt aus dem Drehpendelversuch stammt. Die Masse der Unwucht betrug dabei 100g). [Tut mir leid wegen der komischen Buchstaben; das j sollte eigentlich ein phi sein und das w ein omega].

Vergleicht man diese Abbildung mit denen aus der Simulation (vgl. 4.1), so kann man eine Ahnlichkeit feststellen. In 4.1 wird auch die Bifurkation (Aufspaltung einer Schwingung) näher erklärt.


4. Chaotische Phänomene am Beispiel des Drehpedels

4.1 Bifurkationszenario

Bei einem relativ hohen M0 Brems (=0,105) tritt eine periodische Schwingung auf (Abb. 4.1.1). Bei einer Verkleinerung der Dämpfung ist eine höhere Schwingungsamplitude zu erwarten, da die Wirbelstrombremse weniger Energie abführt. Weil sich aber auch die Geschwindigkeit (und damit auch die Bremswirkung) des Pendels erhöht, wird die Amplitude nicht laufend höher, sondern pendelt sich bei einer gewissen (etwas größeren) Amplitude ein.

Senkt man die Dämpfung (auf M0 Brems = 0,0994), so spaltet sich die Grundschwingung in zwei Schwingungen mit verschiedenen Amplituden auf, die sich nach jedem Schwingungsdurchgang abwechseln (Abb. 4.1.2). Dieses Verhalten nennt man Bifurkation, das sich wie folgt erklären läßt: 'Die Eigenfrequenz des Pendels ist abhängig von der Amplitude (). Da die Anregungsperiode [des Oszillators] konstant bleibt, liegt bei größerer Amplitude keine Resonanz vor und die Amplitude wird kleiner. Bei der kleineren Amplitude stimmen Eigenschwingperiode und Anregung wieder zusammen, es herrscht wieder Resonanz. Die Amplitude wächst und der Zyklus beginnt wieder von vorne.'

Verringert man die Dämpfung noch weiter (auf 0,093), so spaltet sich die Schwingung wiederum auf. Die beiden Teilschwingungen sind jetzt jeweils zwei Perioden lang. (2. Bifurkation, Abb. 4.1.3). Bei nochmaliger Verkleinerung von M0 Brems (auf 0,0925) teilt sich die Schwingung abermals in zwei Teilschwingungen mit jeweils vier verschiedenen Perioden auf. (3. Bifurkation, Abb. 4.1.4). Diese Schwingung wiederholt sich also erst nach dem achtfachen der ursprünglichen Periodenlänge. Ab hier sind die Abstände zwischen den Bifurkationen so klein, daß sie kaum mehr 'getroffen' werden können.

Bei einem Wert von M0 Brems = 0,092 ist das Verhalten chaotisch. (Abb. 4.1.5) 'Es stellt sich auch nach langer Einschwingzeit kein periodischer Vorgang ein, das System schwingt unregelmäßig (). Der Vorgang ist natürlich immer noch deterministisch (), aber nicht mehr stark kausal. Kleinste Störungen wirken sich stark auf das Verhalten aus, eine Langzeitvorhersage ist nicht mehr möglich ().'

Bei einer noch kleineren Dämpfung (M0 Brems = 0,06) tritt plötzlich wieder Ordnung auf - es stellt sich eine stabile Schwingung ein (Abb. 4.1.6). Diese nennt man ein 'Fenster im Chaos'.

Verkleinert man M0 Brems weiter, werden die Schwingungen wieder chaotisch (Abb. 4.1.7).

Betrachtet man eine Reihe von chaotischen Schwingungen in einer Folge, können mehrere ähnliche Schwingungen hintereinander erkannt werden, die schließlich 'aufbrechen' und sich zu einer neuen Schwingung formieren (Abb. 4.1.8). Es handelt sich hierbei um das Phänomen der Unterbrechung [intermittency]. Hier bleibt ein physikalisches System einige Zeit statisch, bis es plötzlich für einige Zeit einen chaotischen Ausbruch zeigt und dann wieder statisch ist; danach kommt wieder ein chaotischer Ausbruch und so weiter.

4.2 Poincaré-Schnitt


Die Schwingung des chaotischen Drehpendels hat (neben den Konstanten) genau drei Variablen, die den aktuellen Zustand des Pendels eindeutig beschreiben. Diese Variablen sind die Auslenkung des Pendels j, dessen Geschwindigkeit w und der Zustand des Oszillators, dem t modulo T entspricht, da die Anregung des Oszillators periodisch ist (d.h. sich alle T Zeiteinheiten wiederholt). Sind alle Variablen exakt gegeben (in der Realität aber niemals möglich), so kann die weitere Laufbahn des Pendels berechnet werden.

Die drei Variablen geben einen Raum, den sogenannten Phasenraum. In ihn kann die gesamte Bahn des Pendels eingezeichnet werden, indem für jede Phase des Pendels (bestimmt durch t modulo T, j und w) ein Punkt eingezeichnet wird. Der Raum wird des weiteren so gekrümmt, daß die Ebenen für t = nT (n element N0+) übereinanderliegen. Die Linien können sich nicht schneiden, da es sonst zu einem Punkt zwei Möglichkeiten geben würde, wie es vom Schnittpunkt aus weitergehen könnte, was aber unmöglich ist, da ein Punkt den Zustand des Pendels eineindeutig festlegen muß.

Die Bahn kann jedoch geschlossen sein. Das bedeutet dann, daß die Schwingung des Pendels periodisch ist (sich wiederholt). In diesem Fall handelt es sich um einen Bifurkationszustand und nicht um 'echtes' Chaos. 'Ein charakteristisches Merkmal im Fall einer chaotischen Bewegung ist, daß Kurven, die durch zwei benachbarte Punkte im Phasenraum gehen, nicht beieinander bleiben, sondern sich exponentiell voneinander entfernen.'

Da ein dreidimensionaler Raum schwer darzustellen und zu überblicken ist, reduziert man die Daten durch den Poincaré-Schnitt. Es wird hierbei eine günstig gelegte Ebene durch den Phasenraum gelegt und dann nur die Stoßpunkte durch die Ebene anstatt der gesamten Laufbahn des Pendels registriert. Eine günstige Schnittebene wird beispielsweise durch die Festlegung des Oszillators auf t modulo T = 0 erreicht.

Eine kontinuierliche Bahn wird also durch den Poincaré-Schnitt auf eine Folge von Punkten reduziert, die man ihren Orbit nennt(6). Eine periodische Bahn hat eine begrenzte Anzahl von Schnittpunkten, die gleich der Zahl der Schwingungen des Pendels ist. Eine quasiperiodische Bahn (sie kommt nicht zum Ausgangspunkt zurück, sondern ist geringfügig versetzt), eine Bahn also, bei der sich alle Schwingungen ähneln, aber nicht gleich sind, 'produziert im Poincaré-Schnitt [eine] gepunktete Linie, die das Zentrum des Bildes umschließt. () Während periodische Bahnen im Poincaré-Schnitt als ein Muster aus isoliert liegenden Punkten erscheinen, bilden quasiperiodische Orbits Linienstrukturen. Chaotische Orbits hingegen füllen ganze Bereiche der Schnittebene aus (). Bilder von der Art () zeigen auf einen Blick, wo ein System sich einfach, das heißt langfristig prognostizierbar, und wo es sich chaotisch, das heißt auf lange Sicht unvorhersagbar, verhält.'

4.3 Attraktoren

Wird die Bahn eines Systems nach einer gewissen Einschwingzeit in den Phasenraum eingezeichnet, so nennt man das entstandene Gebilde einen Attraktor. Wird das System mit verschiedenen Anfangswerten gestartet (z.B. mit unterschiedlichen Anfangsauslenkungen j, aber bei gleichbleibenden Konstanten wie etwa der Dämpfung), so nähert sich die Phasenbahn dem Attraktor asymptotisch an. Es gibt verschiedene Arten von Attraktoren:

der Fixpunkt. Dieser tritt bei einem gedämpften System ohne Anregung auf. Das System bewegt sich auf diesen Punkt zu, bei dem die Geschwindigkeit null und der Ort ein Ruhepunkt ist. Beim Drehpendel wären in diesem Punkt j = jRuhe und w = 0. Das Magnetpendel hat dagegen drei Fixpunkte: über den drei Magneten.

der Grenzzyklus. Das System bewegt sich unabhängig vom Anfangspunkt mit der Zeit asymptotisch zu einer geschlossenen Kurve im Phasenraum hin . Das System kommt auch langfristig nicht zur Ruhe, sondern erreicht (nach einer gewissen Einschwingzeit) immer den gleichen Zyklus: den Grenzzyklus.

der seltsame Attraktor. Er ist eine dreidimensionale Bahn im Phasenraum, die nicht geschlossen ist. Aber auch an diesen komplizierten Attraktor nähern sich die Bahnen von verschiedenen Anfangswerten an. Bei einem Poincaré-Schnitt durch den seltsamen Attraktor bemerkt man, daß auch hier eine Art Ordnung herrscht.

4.4 Feigenbaumdiagramm

Die Punkte des Poincaré-Schnitts eines Systems sind ausreichend, um seinen Bifurkationsgrad und seine Komplexität bzw. Art (Bifurkation oder Chaos) zu bestimmen. Ein System mit einer periodischen Schwingung hat genau einen Schnittpunkt; nach der ersten Bifurkation genau zwei verschiedene Schnittpunkte, nach der zweiten Bifurkation sind es vier. Dies liegt daran, daß sich eine Schwingung mit n verschiedenen Schnittpunkten bei einer Bifurkation in zwei verschiedene Schwingungen mit je n Schnittpunkten aufteilt. Bei jedem Schritt verdoppelt sich also die Zahl der Schnittpunkte. Das heißt, daß ihre Anzahl gleich 2^Grad der Bifurkation [das '^' heißt 'hoch' und ist fü die Browser, die das nicht anders darstellen können] ist, oder umgeformt: Grad = log2 Anzahl. Die Anzahl der Schnittpunkte gibt somit die Komplexität einer Schwingung an. Um dieses Phänomen näher zu untersuchen und um die Grenzen zwischen den einzelnen Bifurkationen näher kennenzulernen, stellt man die Pendelauslenkung j in den Schnittpunkten der Dämpfung M0 Brems gegenüber (Abb 4.3.1).

An der Abszisse der Abbildung 4.3.1 ist die Dämpfung (M0 Brems) angetragen. Links beginnt sie bei 0 und endet rechts bei 0,125. An der Ordinate ist die Auslenkung j der einzelnen Poincaré-Schnittpunkte angetragen (oben ist +pi, unten -pi), die erst nach einer gewissen Einschwingzeit des Pendels eingezeichnet wurden, da das Pendel eine bestimmte Zeit braucht, bis es sich in der für die Dämpfung typischen Schwingung befindet.

In der Vergrößerung lassen sich die Bifurkationsgrenzen ablesen (die erste Bifurkation wurde nicht berücksichtigt, da der Wert der Dämpfung nur sehr ungenau abzulesen ist):

Bifurkationsgrad = i






Dämpfung M0 Brems = ci






Dämpfungsunterschied = ci-1 - ci






Quotient d. Dämpfungsuntersch.






Es fällt auf, daß der Quotient der Dämpfungsunterschiede (deltai = (ci-1 - ci) : (ci - ci+1) ) konstant ist. Die Abweichung des letzten Wertes (delta5) ist auf die begrenzte Genauigkeit der Meßwerte zurückzuführen. Die Bifurkationsgrenzen lassen sich also folgendermaßen berechnen: ci = cunendl. + k · delta-i, wobei in diesem Fall cunendl. ungefähr 0,0922976 und k ungefähr 0,0459662 ist.

Das chaotische Punktewirrwarr ist also keine Schwingung mit relativ hohem Bifurkationsgrad (wie man vielleicht annehmen könnte), da Schwingungen mit endlichem Bifurkationsgrad nur bei einer Dämpfung auftreten, die größer als cunendl. ist.

4.5 Logistische Funktion

Das Rotationspendel ist ein sich kontinuierlich entwickelndes bzw. in der Simulation ein sich annähernd kontinuierlich entwickelndes physikalisches System. Das heißt, daß sich die beobachtete Variable (= Darstellungsvariable, im behandelten Fall die momentane Auslenkung j) kontinuierlich ändert, d.h. größer und kleiner wird. Zur Analyse des Systems wird eine Datenreduktion vorgenommen: Es werden nur noch die Tiefpunkte der Auslenkung registriert, der Rest der Pendellaufbahn wird nicht beachtet.

Diese Datenreduktion (= Diskretierung) wird nun auch für die Erzeugung der Daten verwendet. Das System des Rotationspendels kann somit nicht mehr angewandt werden, sondern es wird ein System benötigt, das bei jedem Iterationsschritt verwendbare, d.h. sinnvolle Daten liefert: die logistische Funktion. Sie ist eine einfache mathematische Abbildung und hat auf den ersten Blick nichts mit den bereits behandelten Pendelschwingungen zu tun.

(4.5.1) Xneu = c · Xalt · (1 - Xalt)

X ist hierbei die Darstellungsvariable, c der Kontrollparameter. Diese iterative Abbildung liefert zu jedem Wert einen neuen, von c abhängenden Wert. Dieser kann dann erneut als 'alter' Wert in die Gleichung eingesetzt werden.

'Die logistische Abbildung wird im Einheitsintervall x element [0;1] betrachtet. In diesem Einheitsintervall besitzt sie die Nullstellen xz1 = 1 und xz2 = 0. Ihr Maximum erhält man aus der Differentiation von (4.5.1) zu xmax = 0,5. Der dazugehörige Funktionswert ist f(xmax) = [c] : 4. Wegen der Bedingung x element [0;1] ist also [c] element [0;4].'

Zahlenreihen, die durch die logistische Iterationsfunktion gewonnen wurden (wobei der Anfangswert gleichgültig ist, sofern er ungleich 0 und ungleich 1 ist, da sonst Xneu ebenfalls Null ist), können in drei grundsätzlich verschiedene Arten untergliedert werden:

Konvergenz gegen einen bestimmten Wert; für c < 1 ist dieser Wert Null (Abb. 4.4.1)

Wiederholung (nach einer gewissen 'Einschwingzeit') (Abb. 4.4.2 bis 4.4.5)

Keine Regelmäßigkeit (Abb. 4.4.6)


Betrachtet man die periodischen Schwingungen (Abb. 4.4.2 bis 4.4.4) genauer, so erinnern sie stark an ein Bifurkationsszenario, wie es in 4.1 besprochen wurde (eine Schwingung spaltet sich bei jeder Bifurkation in zwei Unterschwingungen auf).

Die Abbildungen 4.4.7 bis 4.4.10 zeigen verschiedene Ausschnitte und Vergrößerungen aus dem Feigenbaumdiagramm der logistischen Funktion. Der Kontrollparameter c wurde an der Abszisse angetragen (von 2,5 bis 4) und von links nach rechts schrittweise erhöht. Die jeweils vorkommenden Funktionswerte X wurden (nach einer gewissen 'Einschwingzeit' von 100 Iterationen) auf der Ordinate angetragen.

Untersucht man bei der logistischen Funktion (genauso wie beim Drehpendel) die Verhältnisse zwischen den Aufspaltungspunkten, so stößt man auf ein interessantes Ergebnis:

Bifurkationsgrad = i







Kontrollparameter ci







Parameterdifferenz ci - ci-1







Quotient d. Parameterdifferenz







Auch hier ist der Quotient der Kontrollparameterdifferenzen delta konstant. Ein genauerer Wert lautet(11): delta = 4,6692. Die Bifurkationsgrenzen lassen sich ebenso wie beim Drehpendel berechnen:

(4.5.2) ci = cunendl. + k · delta-i ist ungefähr 3,56992 - 2,65699 · 4,6692-i

delta wird auch Feigenbaumkonstante genannt. Sie wird als universell bezeichnet, da sie nicht nur für die Gleichung (4.5.1) gilt, sondern auch für alle Gleichungen, die ein quadratisches Maximum haben. Hier einige Beispiele(12):

Das Phänomen des Feigenbaumdiagramms und der Feigenbaumkonstante d tritt übrigens bei allen oder zumindest bei den meisten deterministisch chaotischen Systemen auf. Deterministisches Chaos ist also nicht etwas rein Chaotisches und vollkommen Unvorhersagbares, sondern verhält sich in gewissen Punkten gewissermaßen geregelt. Die Regeln sind zwar nicht der Art, wie man sie aus der klassischen Physik kennt, lassen es aber trotzdem zu, gewisse Aussagen über ein System zu treffen und gewisse Parallelen zu anderen Systemen zu ziehen.




1 Worg
, Seite 49
2 Worg
, Seite 49
3 Lundquist, March, Tosi
, Seite 20f
4 t modulo T := Rest von der Teilung von t durch T, d.h.: t-[t/T]
5 vgl. Worg
, Seite 17
6 vgl. Breuer
, Seite 33
7 Breuer
, Seite 33
8 vgl. Lundquist, March, Tosi
, Seite 21
9 vgl. Worg
, Seite 63
10 Atmanspacher, Morfill
, Seite 25
11 aus Worg
, Seite 66
12 aus Worg
, Seite 67






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