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Gaius Sallustius Crispus - Bellum Iugurthinum



Gaius Sallustius Crispus - Bellum Iugurthinum



Lebenslauf:


Gaius Sallustius Crispus wurde 86 v. Chr. in Amiternum geboren. Er kam aus gutem Hause (seine Familie gehörte dem Ritterstand an) und er genoß eine gute Ausbildung. Am Anfang verfolgte Sallust gar nicht den Gedanken Geschichtsschreiber zu werden, er interessierte sich vielmehr für die Politik. Er versuchte in der Politik Fuß zu fassen und schloß sich deshalb, wie es zu dieser Zeit üblich war, einem einflußreichen Mann an, nämlich dem Triumvir M. Crassus. Sallust war von Cäsars Ideen sehr begeistert und wie zwei erhaltene Briefe an jenen zeigen, sah er in ihm den Retter für den allmählich im Chaos versinkenden Staat. (?). So wie Cäsar sparte auch Sallust nicht mit Kritik am Adel. Die Parteinahme für Cäsar war auch möglicherweise der Grund, daß Sallust im Jahre 50 von Appius Claudius aus dem Senat und damit aus der normalen politischen Laufbahn gestoßen wurde. Cäsar beauftragte Sallust in den folgenden Jahren mit der Führung eines Truppenkommandos (?) in Illyrien (49) und mit der Niederschlagung einer Meuterei der Legionen in Kampanien, die für den Afrikafeldzug im folgenden Jahr bestimmt waren. Doch beide Male blieb Sallust erfolglos. Jedoch rehabilitierte ihn Cäsar und er konnte seine politische Laufbahn als Prätor wiederaufnehmen. Einige Historiker meinen, daß Sallust durch eine Unternehmung gegen die Insel Cercina im Afrikafeldzug maßgeblich zu Cäsars Sieg beigetragen hat. Sallust wurde daraufhin Statthalter in der neu geschaffenen Provinz Africa. Dieser Posten als Statthalter brachte ihm soviel ein, daß er sich in Rom die berühmten "Sallustischen Gärten" und in Tibur eine Villa kaufen konnte. Als er wegen der Art seiner Provinzverwaltung in einen Prozeß verwickelt wurde, ließ Cäsar den Prozeß einstellen. Die Ermordung Cäsars im Jahre 44 zerstörte alle seine politischen Hoffnungen und er zog sich aus der Politik zurück.



Von diesem Zeitpunkt an widmete sich Sallust der Geschichtsschreibung und der Erforschung der Ursachen des Verfalls der römischen Herrschaft. Das Ausscheiden aus der Politik, der er sich nicht mehr zugehörig fühlte, weil echte Leistung und menschlicher Wert (virtus), wie er meinte, nicht mehr selbstverständliche Anerkennung fanden, ist ihm nicht leicht gefallen.  Sallust gehörte zu den Römern, für die die Tätigkeit für den Staat den höchsten Stellenwert hatte. Ein anderer Grund für Sallusts Rückzug aus der Politik war sicherlich, daß es seiner Meinung nach keinen Ruhm und keine Anerkennung mehr zu ernten gab. Sallust hat aber immer noch den Willen dem Staat zu dienen und deshalb wendet er sich der Geschichtsschreibung zu. Seiner Meinung nach ist es für sein Volk nützlicher, wenn er sich der Geschichtsschreibung widmet, anstatt in der Politik zu bleiben und sich dem Treiben der anderen anzuschließen.

Sallust will mit seiner Geschichtsschreibung, die nach dem Tod Cäsars entstanden ist, nicht einfach das Geschehene darstellen, sondern er verfolgt wie auch die anderen Geschichtsschreiber einen bestimmten Zweck. Er will Beispiele geben zu Tüchtigkeit, zu wahrem Wert und zu Tapferkeit - kurz gesagt virtus - und auch dazu aufrufen. Er meint, die Geschichte ist für den Römer das, was die Ahnenbilder für den Mann aus vornehmer Familie sind, beides soll dazu anspornen, der virtus der Vorfahren gleichzukommen. Weiters ist es seine Absicht, einer großen Sache ein Denkmal zu errichten und dabei dem wahren Wert zu seiner verdienten Anerkennung zu verhelfen.  Dabei kommt es in erster Linie nicht darauf an, das, was wir unter historischer Wahrheit verstehen zu beschreiben, nämlich den richtigen zeitlich-kausalen Zusammenhang, sondern eben die tiefere Wahrheit. Man hat Sallust vorgeworfen, daß er aus parteilichem Interesse mit Hilfe von zeitlichen Ungenauigkeiten und Verschiebungen den Zusammenhang fälschen wolle. Doch das ist falsch und durch das folgende Beispiel zu beweisen: Im Bellum Iugurthinum wird Metellus, ein Mann des Adels, von Sallust aufs höchste gerühmt, während Marius, ein Mann seiner Partei, auch getadelt wird und nicht immer im besten Licht steht. Die zeitlichen Verschiebungen passieren wahrscheinlich deshalb, weil Sallust künstlerisch frei schaltet und versucht die tiefere Wahrheit herauszuheben. Ein sicherlich nicht ungefährliches Verfahren, doch es gelingt Sallust es in gesundem Maße anzuwenden.

Sallust hat es sich zur Aufgabe gemacht, die römische Geschichte "stückweise" zu beschreiben. Er begann damit, "Die Verschwörung des Catilina" darzustellen, schrieb dann das Bellum Iugurthinum und als letztes Werk die Historien, ein Werk, das mit dem Tod Sullas begann. Sallust wählte die Gegenstände seiner Werke aber nicht zufällig. "Die Verschwörung des Catilina" stellt den moralischen Verfall auf dem Höhepunkt dar. Catilina ist die große Verbrechergestalt, die nur in so einer korrupten Gesellschaft agieren konnte. Das Bellum Iugurthinum handelt von der Reaktion des Volkes auf die korrupte Nobilität und die Historien erzählen die verheerenden Folgen des sullanischen Regime (?). Alle Werke beschäftigen sich also mit dem Problem, wie es dazu gekommen ist, daß der römische Staat so unaufhaltsam auf den Abgrund zusteuert. Für den griechischen Historiker Poseidonius steht der Verfall des römischen Reiches mit der Zerstörung Karthagos in Zusammenhang. Nachdem nämlich Karthago zerstört worden war, hatten die Menschen nun Zeit sich den Lastern, wie zum Beispiel Ehrsucht und Habsucht (ambitio und avaritia), zu "widmen". Für Sallust beginnt mit diesem Zeitpunkt ein unaufhaltsamer und unübersehbarer Verfall. In allen drei Werken kommt dieses Leitmotiv (?) vor. In "Die Verschwörung des Catilina" gleich am Anfang, um die Gestalt des Catilina durch diese Schilderung zu charakterisieren, im Bellum Iugurthinum in einer Einlage und in den Historien in der Vorrede. Dadurch wird erkennbar, wie wichtig ihm gerade dieses Anliegen, die Erkenntnis des moralischen Verfalls, war. Und dieses Bild wird immer düsterer. In "Die Verschwörung des Catilina" wird die Vorzeit noch in goldenem Licht gesehen, im Bellum Iugurthinum sind die Menschen vor der Zerstörung Karthagos nur mehr aus Zwang gut, und in den Historien wird nach der Zerstörung Karthagos nur mehr ein Anwachsen des Verderbnis festgestellt. So ist erkennbar, daß Sallusts Menschenbild und damit das Bild vom Gesamtverlauf der römischen Geschichte immer dunkler und verzweifelter wird.


Bellum Iugurthinum Übersetzung:


24. Proömium (1- 4):

Fälschlich klagt das Menschengeschlecht über seine Natur, weil es eher durch blinden und kurzlebigen Zufall als durch Willenskraft gelenkt wird. Denn ganz im Gegenteil könnte man durch Überlegung weder etwas Größeres noch etwas Vortrefflicheres finden, und ebenso herausfinden daß der Natur mehr die Strebsamkeit der Menschen als Kraft oder Gelegenheit fehle. Aber der Führer und Feldherr des Lebens der Menschen ist der Wille. Sobald dieser den Weg zum Ruhm der Leistung geht, ist er im Übermaß kräftig und mächtig und herrlich und benötigt nicht das Glück, das die Rechtschaffenheit, die Einsatzbereitschaft und die anderen guten Eigenschaften weder irgendjemandem geben noch rauben kann. Wenn der Mensch sich aber, unnatürlichen Begierden ausgeliefert, zu Trägheit und körperlichen Genüssen wendet und sich so zu Grunde richtet und wenn er sich eine Zeit lang verderblicher Leidenschaft hingibt, wird die Ohnmacht der Natur kritisiert sobald durch Sorglosigkeit die Kräfte, die Zeit und der Geist entschwunden sind: Jeder Schuldige schiebt seine eigene Schuld auf äußere Umstände. Wenn aber die Menschen soviel Sorgfalt auf das Gute legen würden, wie sie mit großer Begeisterung fremdes Hab und Gut und nichts Nützliches und sogar viel Gefährliches und Verderbenbringendes anstreben, würden sie einerseits nicht so sehr (durch den Zufall) gelenkt, als sie den Zufall lenken, andererseits würden sie sich zu solcher Größe steigern, daß sie, soweit dies Sterblichen möglich ist, durch Ruhm unsterblich würden.

Denn wie das Geschlecht der Menschen aus dem Körper und dem Geist zusammengefügt ist (besteht), so folgen alle Dinge und alle unsere Interessen teils der Natur des Körpers, teils der Natur des Geistes. Deshalb werden ein hervorragendes Aussehen, großer Reichtum, außerdem die Kraft des Körpers und alles andere dieser Art in kurzer Zeit verschwinden; aber hervorragende geistige Leistungen sind wie der Geist unsterblich. Kurz gesagt, wie es einen Beginn für die Güter des Körpers und des Glücks gibt, so gibt es auch ein Ende, und alles Entstandene geht zugrunde und alles Gewachsene wird alt. Der unzerstörbare, ewige Geist, der Lenker des Menschengeschlechts, handelt und beherrscht alles und läßt sich selbst nicht beherrschen. Umso mehr muß man sich über die Verkehrtheit derer wundern, die, den Freuden des Körpers hingegeben, in übertriebenem Wohlstand und Faulheit das Leben verbringen, aber den Geist - es gibt weder etwas Besseres noch Größeres als diesen in der Natur der Menschen - aus Mangel an Pflege und aus Sorglosigkeit erschlaffen lassen, wo es doch so viele verschiedene geistige Beschäftigungen gäbe, durch die größte Berühmtheit erlangt wird.

Aber von diesen scheinen mir Amter und Kommandostellen, schließlich jede politische Betätigung zu dieser bewegten Zeit keineswegs erstrebenswert, da weder ein Ehrenamt für Leistung verliehen wird, noch jene, denen es durch Betrug möglich war, diese (=Ehrenämter) auszuüben, sicher oder deshalb angesehener (=umso mehr angesehen) sind. Denn jedenfalls mit Gewalt das Vaterland oder die Untertanen zu lenken, obwohl es möglich ist und man auch (=man es sowohl kann als auch man) Mißstände so beheben (gutmachen) kann, ist es dennoch bedenklich, wo doch alle politischen Umstürze Mord, Verbannung und andere Feindseligkeiten verheißen. Vergeblich aber sich zu bemühen und, indem man sich fertigmacht, nichts anderes außer den Haß zu ernten, wäre äußerst dumm, falls nicht zufällig jemanden die unehrenhafte und verderbenbringende Begierde gefangen hält, der Macht von Wenigen Ansehen und Freiheit zu opfern.

Aber von den anderen Tätigkeiten, die vom Geist ausgeübt werden, ist vor allem die Beschäftigung mit der Geschichte von großem Nutzen. Weil viele über ihren Vorzug gesprochen haben, bin ich der Meinung, daß man es übergehen muß, gleichzeitig damit außerdem niemand glaubt, daß ich aus Überheblichkeit mein Bemühen durch Lob hervorhebe. Und ich glaube, daß es Leute geben wird, die, weil ich beschlossen habe, mein Leben fern von politischer Betätigung zu führen, meiner so großen und so nützlichen Mühe den Namen der Trägheit geben werden, jedenfalls scheint es das größte Bestreben von diesen zu sein, sich beim Volk beliebt zu machen und durch Bewirtungen des Volkes seinen Dank zu suchen. Wenn diese überlegen würden, unter welchen Zeitumständen ich den Beamtentitel (Amter) erlangt habe und welche Männer nicht dasselbe erreichen konnten und welche Art von Menschen später in den Senat gelangten, werden sie wirklich glauben, daß ich eher zu Recht als aus Faulheit meine Lebensentscheidung geändert habe, und daß für den Staat ein größerer Vorteil aus meiner Ruhe, als aus den politischen Tätigkeiten der anderen kommen wird.

Denn ich hörte oft, daß Quintus Maximus, Publius Scipio und andere sehr berühmte Männer unserer Gesellschaft so zu reden pflegten: wenn sie die Bilder ihrer Vorfahren (Ahnenbilder) betrachteten, würden sie sich sehr heftig für die Tugend begeistern. Natürlich habe nicht jenes Wachsbildnis so viel Kraft in sich, aber die Erinnerung an ihre großen Taten lasse dieses Feuer in den Herzen hervorragender Männer wachsen (auflodern) und sich nicht früher eindämmen, als bis die Tüchtigkeit den Ruf und den Ruhm der Vorfahren erreicht habe. Im Gegenteil aber, wen von allen gibt es bei diesen heutigen Sitten, der nicht durch Reichtum und Ausbeutung, nicht aber durch Rechtschaffenheit und Strebsamkeit, sich mit seinen Vorfahren messen würde? Auch politische Neulinge, die zuvor, durch Tugend den Adel zu übertreffen pflegten, bemühten sich mehr heimlich und durch Spitzbübereien (Hinterlist) als durch ihre guten Eigenschaften um militärische und politische Funktionen: gerade so wie wenn das Prätorenamt und das Konsulat und alles andere dieser Art an sich(=für sich selbst) berühmt und großartig wären und nicht auf gleiche Weise bewertet würden, wie die Tugend derer ist, die diese innehaben (übernehmen). Aber ich habe mich allzu freizügig und zu weit vorgewagt, weil mich die Sitten der Gesellschaft mit Arger und Ekel erfüllen. Nun kehre ich zum (begonnenen) Vorhaben zurück.


25. Das Thema des Werkes (5, 1- 3):


Ich werde über den Krieg schreiben, den das römische Volk mit Iugurtha, dem König der Numider, führte, zunächst weil er groß und schrecklich und das Kriegsglück wechselhaft (= lange unentschieden) war, weiters weil man damals zum ersten Mal gegen die Überheblichkeit des Adels Widerstand geleistet hat. Dieser Kampf stürzte die ganze göttliche und menschliche Ordnung ins Chaos und steigerte sich so weit in den Wahnsinn, daß den politischen Leidenschaften erst Krieg und die Zerstörung

Italiens ein Ende machen sollten. Aber bevor ich den Anfang einer derartigen Geschichte darlege, greife ich ein wenig weiter zurück, damit für das Verständnis alles klarer und offenkundiger wird.


26. Der junge Iugurtha (6- 7, 1):



Sobald dieser herangewachsen war, überaus kräftig (kraftstrotzend), von schönem Aussehen und am weitaus stärksten in geistigen Fähigkeiten (= hochbegabt), gab er sich nicht dem übertriebenen Wohlstand und der Trägheit zu seinem Verderben hin, sondern, wie es die Sitte jenes Volkes ist, ritt er, warf Speere und maß sich im Wettlauf mit Gleichaltrigen und, obwohl er alle an Ruhm übertraf, war er dennoch bei allen beliebt. Außerdem verbrachte er die meiste Zeit beim Jagen, den Löwen und die andern wilden Tiere tötete er als Erster oder als einer der Ersten, er machte sehr viel und sprach sehr wenig von sich selbst. Obwohl Micipsia am Anfang voll Freude über diese Dinge war, da er der Meinung war, daß die Tüchtigkeit des Iugurtha seiner Herrschaft Ruhm bringen wird, wurde er dennoch durch diesen Umstand heftig beunruhigt und stellte bei sich viele Überlegungen an, nachdem er gemerkt hatte, daß der junge Mann bei seinem (eigenen) hohen Alter und seinen (noch) kleinen Kindern mehr und mehr an Einfluß wuchs (gewann).

Die Natur der Menschen ängstigte ihn, die begierig nach Herrschaft (=herrschsüchtig) und hemmungslos dazu bereit ist, ihre Begierde zu stillen, außerdem die günstige Gelegenheit seines und des Alters seiner Kinder, die sogar genügsame Männer aus Hoffnung auf Beute auf Abwege führt, dazu noch die Begeisterung der Numider, die für Iugurtha entflammt war. Aus diesen Gründen war, daß, wenn er solch einen Mann durch eine List tötete, ein Aufstand oder ein Krieg entstehen könnte.

Durch diese Schwierigkeiten war er in die Ecke getrieben, und sobald er sah, daß er einen bei den Landsleuten so beliebten Mann weder durch Gewalt noch aus dem Hinterhalt (durch Tücke) beseitigen könne, beschloß er, weil Iugurtha im Handeln entschlossen war und militärischen Ruhm suchte, ihn Gefahren auszusetzen und auf diese Weise dem Schicksal die Entscheidung zu überlassen.


27. Die römischen Parteien (41f.):


Übrigens ist die Unsitte der Parteien und Gruppierungen und weiters aller üblen Praktiken erst vor wenigen Jahren in Rom entstanden (aufgekommen), durch Frieden und durch Überfluß an den Dingen, die die Menschen für das Wichtigste halten. Denn bevor Karthago zerstört wurde, verwalteten das Volk und der römische Senat den Staat friedlich und maßvoll miteinander, und es gab weder um Ruhm noch um die Herrschaft Streit unter den Bürgern: die Angst vor den Feinden bewahrte die Bürgerschaft in ihren guten Eigenschaften (= die Bürgerschaft bewahrte ihre guten Eigenschaften). Aber sobald jene Furcht aus den Gedanken gewichen war, kam freilich das, was das Glück liebt, nämlich Überheblichkeit und Zügellosigkeit, auf. So war der Frieden, den sie im Unglück gewünscht hatten, nachdem sie ihn schließlich erlangt hatten, ziemlich hart und bitter. Der Adel begann nämlich seine Würde und das Volk seine Freiheit in Willkür zu verwandeln, jeder für sich nahm weg, zog und riß an sich. So wurde alles in zwei Parteien gespalten, der Staat, der im Mittelpunkt (des gemeinsamen Interesses) gewesen war, wurde zerrüttet. Im übrigen hatte der Adel durch den Zusammenhalt (innerhalb der Partei) die größere Durchschlagskraft, die im Volk liegende, völlig zersplitterte Kraft hatte trotz ihrer Größe weniger Macht (vermochte weniger). Durch den Schiedsspruch von Wenigen wurde im Krieg und im Frieden entschieden; in den Händen derselben Menschen waren die Staatskassa, die (Verwaltung der) Provinzen, die politischen Funktionen und die ehrenvollen Triumphe; das Volk wurde durch Kriegsdienst und Armut bedrängt; die Feldherrn eigneten sich die Kriegsbeuten gierig zusammen mit wenigen (Nobilität!) an. Inzwischen wurden die Eltern oder die kleinen Kinder der Soldaten von ihren Wohnsitzen vertrieben, sofern einer der Nachbar eines Mächtigeren war. So kam mit der Macht Habgier ohne Maß und Ziel auf, beschmutzte und zerstörte alles, nahm auf nichts Rücksicht und hielt nichts für heilig, bis daß sie sich selbst zugrunde richtete. Denn sobald sich Leute aus dem Adel fanden, die den wahren Ruhm einer ungerechten Macht vorzogen, geriet die Bürgerschaft in Aufruhr, und es begann eine Spaltung im Inneren, so als ob das Chaos auf Erden entstehen würde.



Denn nachdem Tiberius und Gaius Gracchus, deren Vorfahren im Punischen und in anderen Kriegen viel für den Staat geleistet hatten, dem Volk die Freiheit zu verschaffen und die Verbrechen der Wenigen aufzudecken begannen, leistete der Adel, schuldbewußt und dadurch beunruhigt, den Tätigkeiten der Gracchen Widerstand bald durch Bundesgenossen und Latiner, manchmal durch römische Ritter, die die Hoffnung auf ein Bündnis (mit der Nobilität) vom Volk getrennt hatte; und zuerst hatten sie Tiberius, dann ,wenige Jahre später, den dieselbe Bahn einschlagenden Gaius, den einen als Tribunen, den anderen als Triumvirn zur Gründung von Kolonien, (zusammen) mit Marcus Fluvius Flaccus mit dem Schwert getötet. Und freilich war der Sinn der Gracchen aus Gier nach dem Sieg nicht genügend maßvoll. Doch für einen sittlich guten ist es besser, unterdrückt zu werden, als auf schlechte Art Unrecht zu unterdrücken. Nach diesem Sieg hat also der Adel nach Lust und Laune viele Menschen getötet oder in die Verbannung geschickt und hat für die übrige Zeit eher die Furcht vermehrt als (tatsächlich) Macht dazugewonnen. Diese Situation richtete schon sehr oft große Staaten zugrunde, indem nämlich die eine Partei die andere (wörtl.: die einen die anderen), auf jede Art besiegen will und sich an den Besiegten zu bitter rächen will. Wenn ich mich aber vorbereiten würde, Erörterungen über die Interessen der Parteien und über den sittlichen Zustand der ganzen Gesellschaft, im einzelnen oder ihrer Größe (Bedeutung) nach, anzustellen, würde es mir früher an Zeit als an Stoff fehlen.


28. Die Schlacht um Zama (60):


Zur gleichen Zeit wurde bei Zama mit großer Kraft gekämpft. Wo jeweils ein Legat (=General) oder ein Tribun das Kommando führte, dorthin drangen sie mit großer Heftigkeit vor, und keiner hatte in den anderen mehr Hoffnung als in sich selbst (=verließ sich auf..), und in gleicher Weise handelten die Stadtbewohner: an allen Stellen kämpfte man oder traf Abwehrmaßnahmen, mit größerer Hingabe verwundeten die einen die anderen als daß sie sich selbst schützten, Geschrei vermischt mit Anfeuerung, Freudenausbrüchen und Seufzen, ebenso der Lärm der Waffen drang zum Himmel und Geschosse flogen von beiden Seiten. Aber sobald die Feinde nur ein wenig im Kampf nachließen, betrachteten jene, die die Mauern verteidigten, gespannt das Reitergefecht aus der Ferne. Man konnte diese, je nachdem, wie jeweils die Lage Iugurthas war, bald voll Freude, bald ängstlich sehen; und wie wenn sie von ihren Leuten gehört oder gesehen werden könnten, warnten die einen, die anderen munterten auf und gaben entweder Handzeichen oder machten Bewegungen (mit den Körpern) und bewegten sich bald hierhin und dorthin, gleichsam Geschossen ausweichend oder diese werfend. Sobald Marius dieses merkte - denn er führte auf dieser Seite das Kommando - handelte er absichtlich ruhiger und täuschte Mißtrauen an der Lage vor und ließ die Numider unbehelligt dem Kampf des Königs zuschauen. Nachdem jene so durch Anteilnahme am Schicksal ihrer Leute gefesselt waren, griff er plötzlich mit großer Kraft die Mauer an. Und schon kletterten die Soldaten auf Leitern (diese) hinauf und hatten beinahe die Zinne eingenommen, als die  Städter zusammenliefen und Steine, Feuerbrände, und außerdem andere Geschosse schleuderten. Unsere Leute leisteten zuerst Widerstand, als dann die eine und andere Leiter gebrochen war und die, die darauf gestanden hatten, herabstürzten, zogen die übrigen, so gut sie konnten, ab, wenige unversehrt, ein großer Teil (der Großteil) von Verwundungen erschöpft. Schließlich unterbrach die Nacht auf beiden Seiten die Schlacht.


29. Charakteristik des Marius (63):


Zur gleichen Zeit hatte in Utica dem Gaius Marius, als er gerade den Göttern durch Opfertiere dankte, der Eingeweidebeschauer gesagt, daß ihm Großes und Wunderbares prophezeit wird: daher solle er das, was er im Sinn führe, im Vertrauen auf die Götter betreiben (ausführen), das Glück möglichst oft versuchen, alles würde gut (günstig) ausgehen. Aber jenen ließ schon zuvor das ungeheure Verlangen nach einem Konsulat nicht zur Ruhe kommen; um dieses zu erlangen, war außer dem Alter seiner (der) Familie alles andere im Übermaß vorhanden: Einsatzbereitschaft, Rechtschaffenheit, großes Wissen in Militärangelegenheiten, bedeutende militärische Fähigkeit, er war mäßig im Privatleben, erhaben über Begierde und Reichtum, nur auf Ruhm bedacht.

Übrigens wurde er in Arpinum geboren und wurde seine ganze Kindheit dort (in Arpinum) genährt; sobald er im militärdienstfähigen Alter war, übte er sich im Kriegsdienst, und nicht in griechischer Beredsamkeit und nicht in feiner großstädtischer Lebensart: so bildete sich bei ehrbaren Tätigkeiten in kurzer Zeit ein rechtschaffener Charakter heran. Sobald er sich also beim Volk um das Militärtribunat bewarb, wurde er - obwohl die meisten sein Gesicht nicht kannten - und seine Taten sicher bekannt waren, in allen Bezirken (Volksabteilungen) anstandslos (leicht) gewählt. Nach dieser politischen Funktion erwarb er sich dann eine andere, später wieder eine andere und immer war er in den amtlichen Stellungen so (auf diese Weise) tätig, daß er einer einflußreicheren (Stellung), als er ausübte, für würdig gehalten wurde. Dennoch wagte es solch ein Mann zu dieser Zeit nicht - denn später wurde er durch seinen Ehrgeiz jäh zu Fall gebracht - sich um das Konsulat zu bewerben. Denn damals verlieh das Volk die übrigen Amter (politischen Funktionen), das Konsulat gab der Adel unter sich von Hand zu Hand weiter. Niemand konnte als Homo Novus noch so berühmt sein und noch so hervorragende Taten aufweisen, daß er nicht für jene politische Funktion unwürdig und gleichsam für schmutzig gehalten wurde.


30. Der Opfertod der beiden Philaeni (79):

Aber da wir wegen der Angelegenheiten der Lepitaner auf diese Landschaft (zu sprechen) gekommen sind, erscheint es als nicht unberechtigt der hervorragenden und wunderbaren Tat zweier Karthager zu gedenken; an diese Sache hat uns dieser Ort (diese Stelle) erinnert. Zu dieser Zeit herrschten die Karthager über den größten Teil Africas und auch die Kyrenenser waren mächtig und reich. Das Gebiet in der Mitte war sandig, von einer (gleicher) Art; weder gab es einen Fluß noch einen Berg, der ihre Gebiete abtrennen hätte können. Diese Situation verursachte (verwickelte sie in) einen großen und langwierigen Krieg unter ihnen. Nachdem auf beiden Seiten Truppen, ebenso Flotten häufig vernichtet und in die Flucht geschlagen wurden und die einen die anderen ziemlich aufgerieben hatten, befürchteten sie, daß bald ein anderer Besiegte und ermattete Sieger angreifen könnte, und trafen bei einem Waffenstillstand ein Abkommen, daß an einem bestimmten Tag Gesandte von zu Hause aufbrechen sollten: die Stelle, an der sie aufeinandertreffen würden, sollte als gemeinsame Grenze beider Völker gelten. Deshalb wurden von Karthago zwei Brüder geschickt, deren (beider) Name Philaeni war, die beeilten sich den Weg zurückzulegen, die Kyrenenser kamen langsamer voran. Ob das durch Sorglosigkeit oder durch Zufall passierte, konnte ich nicht sicher in Erfahrung bringen. Übrigens pflegt in diesen Gegenden der Sturm (die Reisenden) nicht anders aufzuhalten als (er es) auf dem Meer tut. Denn wenn der aufkommende Wind in den ebenen und unbewachsenen Gegenden den Sand vom Boden aufgewirbelt hat, pflegt dieser, mit großer Kraft getrieben, Mund und Augen zu füllen: so wird die Sicht behindert und der Weg verlangsamt. Nachdem die Kyrenenser sahen, daß sie ziemlich verspätet waren und weil sie die Sache verdorben hätten, zu Hause Strafe fürchteten, beschuldigten sie die Karthager, vorzeitig von zu Hause weggegangen zu sein, zogen alles in Zweifel, und wollten schließlich alles lieber, als besiegt weggehen. Aber weil die Punier einen anderen Vorschlag, wenn er nur billig wäre, verlangten, überließen die Griechen den Karthagern die Wahl, entweder sich dort, wo sie die Grenze für ihr Volk verlangten, lebend begraben zu lassen oder sie selbst dürften zu derselben Bedingung, an die Stelle, an die sie wollten, vorrücken. Die Philaeni billigten den Vorschlag und opferten sich und ihr Leben für den Staat auf: so wurden sie lebend begraben. Die Karthager weihten an dieser Stelle den Brüdern Philaeni Altäre und zu Hause wurden jenen weitere (andere) Ehren zugesprochen.


31. Die Übernahme der Kriegsführung durch Marius (84):


Aber Marius war infolge des großen Wunsches der Masse Konsul geworden, und nachdem ihn das Volk für die Provinz Numidien bestimmt hatte, griff er, der schon vorher schlecht auf den Adel zu sprechen war, jetzt diesen ganz besonders oft und heftig an; er beleidigte bald einzelne, bald alle zusammen; er behauptete, daß er das Konsulat nach dem Sieg über sie als Siegespreis bekommen habe, außerdem anderes, rühmlich für ihn selbst und für jene kränkend. Unterdessen hielt er das für das Wichtigste, was für den Krieg notwendig war: er verlangte für die Legionen Ergänzung, Hilfstruppen ließ er von Völkern und Königen herbeiholen, außerdem rief er aus Latium und von den Bundesgenossen die Tapfersten zusammen, die meisten (waren ihm) vom Kriegsdienst her, wenige vom Ruf bekannt, und veranlaßte durch Umwerben die Leute trotz abgedientem Kriegsdienst mit ihm aufzubrechen. Und der Senat wagte es nicht jenem, obwohl er gegen ihn eingestellt war, irgend etwas zu verweigern; Übrigens hatte er die Ergänzung sogar gern beschlossen, weil man einerseits nicht glaubte, daß dem Volk der Militärdienst willkommen sei und andererseits daß Marius entweder die Möglichkeit zum Kriegführen oder die Begeisterung des Pöbels verlieren werde. Aber diese Hoffnung war vergeblich: so große Lust mit Marius zu ziehen hatte die meisten ergriffen. Jeder werde reiche Beute gewinnen, als Sieger nach Hause zurückkehren, und anderes derartiges stellten sie sich vor, und Marius hatte sie mit seiner Rede nicht wenig zuversichtlich gestimmt. Denn nachdem alles, was er verlangt hatte, beschlossen war und er die Truppen ausheben wollte, berief er, um das Volk aufzumuntern und zugleich den Adel, wie er es gewohnt war, zu attackieren, eine Versammlung ein. Dann hielt er eine Ansprache folgender Art:


32. Die Rede des Marius vor der Volkversammlung (85):


Ich weiß, Bürger, daß die meisten sich nicht mit denselben Mitteln bei euch um die Befehlsgewalt bewerben und sie, nachdem sie sie erlangt haben, ausüben: zuerst sind sie einsatzbereit, zurückhaltend, bescheiden, dann führen sie ein Leben in Untätigkeit und Überheblichkeit. Aber mir erscheint das Gegenteil richtig: Denn da der Staat als ganzer bedeutender als das Konsulat oder die Prätur ist, muß jener mit (umso) größerer Sorgfalt verwaltet werden als man sich um diese bewirbt. Und ich täusche mich nicht, welch große Aufgabe ich mit der durch euch verliehenen Auszeichnung auf mich nehme. Den Krieg vorbereiten und zugleich die Staatskasse schonen, die zum Militärdienst zwingen, die man nicht gegen sich aufbringen will, sich zu Hause und auswärts um alles sorgen und dies unter Neidern, Gegenspielern und Intriganten tun, Bürger, das ist schwieriger als man meint.  Außerdem, wenn die anderen einen Fehler begehen, dient ihnen das alles als Schutz: ihr alter Adel, die tapferen Taten ihrer Vorfahren, die finanziellen Möglichkeiten ihrer Verwandten und Bekannten und ihre zahlreiche Gefolgschaft; alle meine Hoffnungen liegen bei mir (selbst), die notwendigerweise (nur) durch meine Tüchtigkeit und Unbescholtenheit geschützt werden; denn alles andere ist ohne Kraft. Auch das bemerke ich, Bürger, daß die Augen aller (von allen) auf mich gerichtet sind, daß mir die Gerechten und Gutgesinnten günstig (gnädig) gestimmt sind - denn meine Ruhmestaten sind dem Staat förderlich - , der Adel aber eine Gelegenheit sucht (um) auf mich loszugehen. Umso energischer muß ich mich einsetzen, daß ihr euch (einerseits) nicht einfangen läßt und daß sich (andererseits) jene vergeblich mühen. So war ich von Kindheit bis zu meinem jetzigen (=diesem) Alter, daß alle Mühen und Gefahren mir vertraut sind. Es ist nicht meine Absicht, Bürger, das, was ich vor der von euch verliehenen Auszeichnung umsonst machte, nach empfangenem Lohn aufzugeben. Es ist für jene schwierig sich in ihrer Machtstellung zu mäßigen, die bei ehrgeiziger Amtsbewerbung so taten, als seien sie anständig; mir, der das ganze Leben in besten Eigenschaften führte, wurde gutes Handeln schon aus Gewohnheit zur Natur.

Den Krieg mit Iughurta zu führen habt ihr mir befohlen, über diese Sache ist der Adel sehr ungehalten gewesen. Ich bitte, überlegt bei euch, ob es besser sei, das zu ändern, wenn ihr einen aus jenem Haufen Adeliger zu diesem oder zu einem anderen solchen Unternehmen schickt, einen Mann von altem Geschlecht und zahlreichen Ahnenbildern und ohne Kriegserfahrung - mit dem Erfolg freilich, daß er in einer so großen Sache ohne Erfahrung unsicher ist, übereilt handelt, und irgendeinen aus dem Volk als Ratgeber für seine Aufgabe nimmt. So geschieht es meistens, daß der, den ihr befehlen ließet, sich einen anderen als Befehlshaber sucht. Und, Bürger, ich kenne welche, die, nachdem sie zu Konsuln gewählt wurden, die Berichte von den Vorfahren und die militärischen Anweisungen der Griechen zu lesen begannen: Leute, die zu spät kommen! Denn die Taten (eines Konsuls) setzen liegt zeitlich später als Konsul zu werden, praktische Sachkenntnis ist aber Voraussetzung (kommt zuerst). Vergleicht nun, Bürger, mich Homo Novus mit der Überheblichkeit jener. Was jene zu hören oder zu lesen pflegen, ich habe einen Teil dessen gesehen, anderes selbst ausgeübt; Was jene aus Büchern, das habe ich durch Kriegsdienst gelernt. Nun schätzt, ob Taten oder Worte mehr bedeuten. Sie verachten meinen Stand als Homo Novus, ich die Faulheit jener; mir wird meine Abkunft, jenen ihre Vergehen vorgeworfen. Freilich glaube ich, daß von Natur aus alle ein und dieselben seien, die Tapfersten aber die Edelsten. Und wenn man jetzt von den Vätern des Albinus oder Bestia erfragen könnte, ob sie lieber mich oder jene von sich als Söhne haben wollen, was glaubt ihr, würden sie antworten, außer daß sie möglichst gute Kinder wollten? Wenn sie mich aber zu Recht verachten, sollen sie das ebenfalls mit ihren Vorfahren machen, bei denen - wie bei mir - der Adel aus der Tüchtigkeit erwuchs. Sie sind neidisch auf meine Ehre: also sollen sie neidisch sein auf Anstrengung, Unbescholtenheit, auch auf meine Gefahren, da ich durch diese jene erhielt. Jedoch durch Überheblichkeit verdorbene Menschen führen so ein Leben, als ob sie eure Ehren verachten; Sie bewerben sich so darum, als ob sie ehrenhaft gelebt hätten. Es irren wahrlich jene, die verschiedenste Dinge gleichzeitig erwarten, Vergnügen aus Faulheit und Belohnungen für Tüchtigkeit. Und sogar, während sie vor euch oder im Senat eine Rede halten, heben sie im größten Teil ihrer Rede ihre Vorfahren hervor, und halten sich für glänzender, weil sie an deren Heldentaten erinnern. Das Gegenteil trifft zu! Denn je hervorragender das Leben jener, desto schändlicher deren Sorglosigkeit. Tatsächlich verhält sich die Sache so: Der Ruhm der Vorfahren ist für die Nachkommen gleichsam ein Licht und er duldet weder, daß deren Gutes noch deren Böses im Verborgenen bleibt. In dieser Sache muß ich einen Mangel zugeben, Bürger, jedoch ist es mir erlaubt - was viel hervorragender ist - von meinen eigenen Taten zu sprechen. Nun seht, wie ungerecht sie sind: was sie sich durch fremde Tüchtigkeit anmaßen, das gestehen sie mir auf Grund meiner eigenen nicht zu, natürlich weil ich keine Ahnenbilder habe und weil mein Adel jung ist, wobei es sicher besser ist, diesen geschaffen zu haben als übernommenen verdorben zu haben.



Ich weiß freilich durchaus, wenn sie mir jetzt antworten wollten, daß ihnen Beredsamkeit und wohlgesetzte Worte im Übermaß zur Verfügung stünden. Aber angesichts eurer größten Wohltat, weil sie bei jeder Gelegenheit mich und euch mit Schimpfworten herunterreißen, gefiel es mir nicht zu schweigen, damit niemand Bescheidenheit als schlechtes Gewissen auslegt. Denn jedenfalls kann mir aus tiefster Überzeugung keine Rede schaden: da die Wahrheit mich notwendigerweise rühmt, widerlegen mein Leben und meine Sitten die fügen. Aber da eure Beschlüsse getadelt werden, die ihr mir die höchste Ehre und die schwerste Arbeit aufgeladen habt, überlegt euch immer und immer wieder, ob dies euch nicht reuen muß. Ich kann zur Beglaubigung weder Ahnenbilder noch Triumphe oder Konsulate meiner Vorfahren zeigen, aber wenn es die Situation verlangt, Ehrenlanzen, ein Feldzeichen, Orden, andere militärische Auszeichnungen, und außerdem Narben auf der Brust. Dies sind meine Ahnenbilder, dies mein Adel, nicht durch ein Erbe erhalten, wie jene ihren, sondern von mir durch zahlreiche eigene Anstrengungen und Gefahren erworben. Meine Worte sind nicht wohl gesetzt: Ich halte das für unwichtig; die Tüchtigkeit zeigt sich (von) selbst genug. Für jene ist rhetorische Kunstfertigkeit nötig, damit sie ihre schändlichen Taten durch eine Rede verbergen. (Und) ich habe nicht die griechische Schrift gelernt: Ich hatte wenig Lust sie zu lernen, da sie ihren Lehrern auf die Tüchtigkeit hin nicht nützlich war. Aber ich habe mir jenes angeeignet, was für den Staat am meisten nützlich ist: den Feind schlagen, Wachdienst versehen, nichts fürchten außer schlechtem Ruf, Kälte und Hitze in gleicher Weise zu erdulden, auf dem Boden schlafen, Mangel und Anstrengung zur selben Zeit ertragen. Mit diesen Lehren werde ich die Soldaten ermutigen und nicht sie knapp halten, (und) es mir gut gehen lassen, und nicht den Ruhm mir und jenen die Anstrengungen überlassen. Das ist eine nützliche Kommandoführung, die den freien Bürger achtet. Denn, wenn man selbst in Weichheit lebt, (aber) das Heer durch harte Strafen zur Disziplin zwingt, heißt das Herr (über Sklaven), nicht Feldherr sein. Dies und solch anderes taten eure Vorfahren und machten sich und den Staat damit berühmt. Auf diese vertraut der Adel, obwohl selbst in seinen Bräuchen ihnen sehr unähnlich, uns Nacheiferer der Vorfahren verachtet er und fordert alle Ehren nicht nach Verdienst, sondern wie Schulden von euch zurück. Übrigens irren sich diese sehr überheblichen Leute sehr. Deren Vorfahren hinterließen jenen alles, was möglich war: Reichtum, Ahnenbilder, ihr hervorragendes Andenken; Tüchtigkeit hinterließen sie nicht und konnten es auch nicht: Sie allein kann weder als Geschenk gegeben noch angenommen werden. Sie sagen, daß ich geizig und von ungehobelter Art sei, weil ich zu wenig geschmackvoll ein Gastmahl ausrichte und keinen Schauspieler habe, auch keinen Koch, der teurer wäre, als mein Gutsverwalter. Das bereitet mir Freude zu gestehen, Bürger. Denn von meinem Vater und von den anderen sittlich hochstehenden Männern habe ich es so gelernt: Kultiviertheit zieme sich für Frauen, Anstrengung für Männer und es gebühre sich für alle Guten mehr Ruhm als Reichtum zu haben. Waffen, nicht glänzender Hausrat seien ihr Schmuck. Sollen sie eben das immer machen, was ihnen gefällt, was sie für wertvoll halten: lieben, trinken; wo sie ihre Jugend verlebten, dort sollen sie ihr Alter verbringen: bei Gastmählern, dem Bauch und dem schändlichsten Teil des Körpers ergeben; Schweiß, Staub und solch anderes sollen sie uns überlassen, die jenes höher schätzen als Gastmähler. Jedoch so ist es nicht. Denn sobald sich die schimpflichsten Männer durch Schandtaten entehrt haben, sind sie darauf aus, den Guten (Tapferen) die Belohnung zu entreißen. So erweisen sich auf unerhörte Weise Prasserei und Faulheit, die schlimmsten Eigenschaften, denen, die sie gepflegt haben, überhaupt nicht nachteilig, dem unschuldigen Staat bringen sie Verderben.

Nachdem ich jenen nun, soweit es meine Art ist, nicht soweit es ihre Schandtaten verlangten, geantwortet habe, möchte ich ein wenig über den Staat sprechen. Zuallererst habt guten Mut wegen Numidien, Bürger. Denn was Iugurtha bis zu diesem Zeitpunkt geschützt hat, habt ihr alles beiseite geräumt: die Habgier, Unerfahrenheit und Überheblichkeit. Weiters ist dort ein Heer, das die Gegend kennt, aber beim Hercules eher mutig als glücklich. Denn ein großer Teil ist durch die Habgier oder Unbesonnenheit seiner Führer aufgerieben worden. deshalb bemüht euch mit mir zusammen, ihr, die ihr im militärpflichtigen Alter steht, nehmt die Aufgaben des Gemeinwesens wahr, und niemand soll Angst haben wegen des Unglücks anderer oder der Überheblichkeit der Feldherrn. Ich selbst werde im Heereszug wie in der Schlacht als Ratgeber und als Bundesgenosse die Angst mit euch teilen und mich und euch in allen Situationen gleich behandeln. Und wirklich, mit Hilfe der Götter steht alles kurz bevor: Sieg, Beute, Ruhm. Wenn diese zweifelhaft oder fern wären, würde es sich aber gehören, daß alle Guten dem Staat zu Hilfe kommen. Denn durch Faulheit wurde niemand unsterblich gemacht und kein Vater wünschte seinen Kindern, daß sie ewig leben, vielmehr daß sie gut und ehrenwert das Leben verbringen. Ich würde mehr sagen, Bürger, wenn die Worte bei Furchtsamen die Tapferkeit fördern würden. Denn ich glaube, für Mutige habe ich im Übermaß gesprochen.


33. Charakteristik des Sulla (95):


Übrigens, während sich diese Sache ereignete, kam der Quästor Lucius Sulla mit einer großen Zahl Reiter ins Lager; damit er diese in Latium und bei den Bundesgenossen ausheben konnte, war er in Rom zurückgeblieben.

Aber da uns der Zusammenhang an diesen so großen Mann erinnert hat,  scheint es passend, über dessen Wesen und Lebensart mit ein paar Worten zu sprechen. Wir haben nämlich nicht die Absicht, an einer anderen Stelle über die Taten Sullas zu sprechen, und Lucius Sisenna, der am besten und am genauesten von allen, welche über diese Dinge sprachen, berichtet hat, scheint mir zu wenig unparteiisch gesprochen zu haben.

Sulla war also ein Adeliger aus patrizischem Geschlecht - von einem durch die Faulheit der Vorfahren schon beinahe in Vergessenheit geratenen ("ausgelöschten") Zweig - in griechischer und lateinischer Literatur war er in gleicher Weise gebildet, er war von unbändigem Ehrgeiz, begierig nach Vergnügen, aber nach Ruhm war er noch gieriger; er gestaltete die Freizeit kostspielig, dennoch hielt ihn von Aufgaben niemals der Genuß ab, nur seiner Frau gegenüber hätte er sich ehrenhafter verhalten können; er war beredet, schlau und dabei noch schnell beim Freundschaften schließen, von unglaublicher Vorstellungsgabe und unergründlichem Wesen, er war gewohnt viele Dinge zu schenken und am meisten Geld. Und jener war vor dem Sieg im Bürgerkrieg der glücklichste von allen und niemals übertraf das Glück seinen rastlosen Einsatz, und viele zweifelten, ob er tüchtiger oder glücklicher sei. Denn ich bin mir im unklaren, ob ich mich beim Erzählen eher schämen oder grämen soll über das, was er später machte.


34. Gefangennahme Iugurthas (113):


In dieser Nacht, die dem zum Gespräch bestimmten Tag vorausging, soll Bocchus (=der Maure), nachdem er die Freunde kommen ließ, aber seinen Beschluß sofort wieder änderte und die übrigen wegschickte, angeblich viel bei sich selbst überlegt haben, im Mienenspiel, im Blick und in der Bewegung des Körpers gleich wie im Geist unruhig, was nämlich, obwohl er so schwieg, das Verborgene in seinem Herzen offenbarte. Dennoch befahl er schließlich, Sulla herbeizuholen, und führte auf dessen Vorschlag auf den Numider einen Anschlag durch. Dann, sobald der Tag kam und ihm gemeldet wurde, daß Iugurtha nicht weit weg sei, ging er mit wenigen Freunden unserem Quästor gleichsam ehrenhalber entgegen, auf einen Hügel, der für die im Hinterhalt Liegenden sehr leicht einzusehen war. Ebendorthin kam der Numider mit zahlreichen Freunden, unbewaffnet, wie gesagt wurde, (heran) und sofort drang man, nachdem ein Zeichen gegeben wurde, von allen Seiten zugleich aus dem Hinterhalt auf ihn ein. Die Übrigen wurden niedergemacht, Iugurtha wurde Sulla gefesselt ausgeliefert und von ihm zu Marius geführt.


35. Marius, der Retter Roms (114): 


Zur selben Zeit wurde mit den Galliern von unseren Feldherrn Q. Caepio und Cn. Manlius unglücklich gekämpft. Aus Angst davor erzitterte ganz Italien. Von damals bis in unsere Tage waren die Römer dieser Ansicht: Alles andere beuge sich ihrer Tapferkeit, mit den Galliern (aber) würden sie um das Leben, nicht um den Ruhm kämpfen. Aber nachdem gemeldet worden war, daß der Krieg in Numidien beendet sei und man Iugurtha in Fesseln nach Rom bringe, wurde Marius in seiner Abwesenheit zum Konsul gewählt und Gallien ihm als Provinz zugesprochen; auch feierte er als Konsul am ersten Januar zu seinem großen Ruhm einen Triumph. Und zu dieser Zeit ruhten Hoffnung und Stärke des Staates auf jenem.


Die politische Szene:


Die letzte Epoche der römischen Republik wird allgemein verurteilt, da sie als stürmisch und verdorben gilt. Man spricht auch von Dekadenz, jedoch andererseits war diese Epoche auch eine Zeit der Freiheit, der Lebenskraft und der Neuerung. So erlangten zum Beispiel die Frauen zu jener Zeit ein hohes Maß an Freiheit. Es war leicht und üblich eine Ehe zu scheiden, und nicht immer war der Mann der Initiator der Scheidung.

Diese liberale und menschliche Entwicklung wird heute viel zu wenig gewürdigt und gerade der römische Autor Sallust muß in diesem Punkt kritisiert werden. Denn dieser hat in seinen Werken immer von seiner eigenen Zeit abgelenkt. Sallust war ein homo novus, der gegen die Partei der Optimaten gekämpft hatte und auch unter den nobiles (Adel) hatte er viele Feinde. Doch dies hinderte ihn keineswegs daran, den aristokratischen Idealen positiv gegenüberzustehen, welche mit der großartigen Vergangenheit Roms in enger Verbindung standen. Die altmodische Gesinnung beeinflußte die Männer aus den municipia sehr stark und obwohl die Erfahrungen, die  ein solcher homo novus im Senat machte, oft kurz und unangenehm waren, entstand doch rasch ein Gefühl für die Tradition in ihm.


"Bellum Iugurthinum" - Krieg:


Die Bellum Iugurthinum ist ein Werk, das von der Person und vom Leben des numidischen Fürsten Iugurtha handelt. Doch es ist keineswegs eine Biographie, sondern der Bericht über einen auswärtigen Krieg, der schreckliche und tiefe Auswirkungen auf die römische Innenpolitik hatte. In der Tat leitete er das Bellum Italicum, den Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla und die Diktatur Sullas ein.

Das Bellum Iugurthinum beginnt mit einem Proömium, das erklärt, daß Sallust wegen mangelnder politischer Betätigung Geschichte schreiben müsse. Danach beschreibt Sallust sein Thema und dessen Bedeutung:

Scipio Aemilianus hatte nach dem Tod von Masinissa die Aufgabe, die Angelegenheiten in Afrika zu regeln. Er setzte den Sohn Micipsa Masinissas ein, der über einen großen Teil Numidiens herrschen sollte. Als Scipio Aemilianus Numantia belagerte, schickte Micipsa Truppen dorthin um ihn zu unterstützen. An der Spitze dieser Hilfstruppen stand der junge Jugurtha, ein unehelicher Sohn Masinissas. Er konnte sich vor Numantia auszeichnen und gewann so einflußreiche Freunde. Micipsa nahm daraufhin Jugurtha bei sich auf und stellte ihn seinen beiden Söhnen Adherbal und Hiempsal gleich. Als Micipsa im Jahre 118 starb, brach Streit unter den Prinzen aus. Hiempsal wurde ermordet und Adherbal floh nach Rom, um sich dort über Jugurtha zu beschweren. Der Senat schickte daraufhin eine Kommission nach Numidien, um das Land zwischen Jugurtha und Adherbal aufzuteilen. Doch bald darauf brachen erneut Feindseligkeiten zwischen den beiden aus und Jugurtha belagerte seinen Widersacher bei Cirta. Es trafen zwei römische Kommissionen ein, doch ihre Vermittlungsversuche blieben erfolglos. Cirta fiel und Adherbal wurde wie sein Bruder ermordet. Da in Cirta auch eine große Zahl römischer und italischer Händler getötet wurde, brach in Rom bald Empörung aus. Der Senat mußte handeln und befahl einen Feldzug gegen Numidien, an dessen Spitze L. Capurnius Bestia (Konsul im Jahr 111) stehen sollte. Diesen Zeitpunkt kann man als Beginn des Numidischen Krieges bezeichnen, der erst im Jahre 105 durch die Gefangennahme Jugurthas sein Ende fand. Dieser Krieg ist in drei Phasen einteilbar. Die erste Phase ist gekennzeichnet durch Verzögerungen, Kompromisse und durch verbrecherische Unzulänglichkeiten. Gleich am Anfang fiel der römische Konsul Calpurnius Bestia in Numidien ein und schloß mit Jugurtha einen Waffenstillstand. Dieser Waffenstillstand wurde aber nicht anerkannt und der Krieg brach aufs neue aus. Der Feldzug wurde nun von Postumius Albinus geführt, der sich aber nur durch seine äußerst "lasche" Vorgangsweise auszeichnete. Als Postumius Albinus abreiste, um Wahlen abzuhalten, wurde der Oberbefehl auf seinen Bruder Aulus übertragen. Dieser startete einen stümperhaft ausgeführten Überfall und führte seine Armee somit in die Kapitulation. Die zweite Phase des Krieges wurde von dem Konsul Q. Caecilius Metellus zwar viel energischer betrieben, doch auch er gelangte zu keiner Entscheidung. Erst in der dritten Phase des Krieges, als der homo novus C. Marius die Truppen anführte, konnte Jugurtha endlich bezwungen werden.



Doch Sallust schreibt nicht nur über den Krieg an sich, sondern auch über die politischen Aspekte. Er versteht es, diese zwei Handlungsstränge (den Krieg und die damit verbundene Politik) eng miteinander zu verflechten. Durch Verwendung von diversen Stilmitteln entstehen Unterbrechungen, Übergänge und Höhepunkte und Sallust streut auch immer wieder verschiedene Exkurse ein. So zum Beispiel über die Geographie und die Völker Afrikas oder auch über das politische Leben in Rom und die Parteipolitik. Deswegen handelt das Bellum Iugurthinum auch von zwei Auseinandersetzungen: Nämlich von der mit Jugurtha und von der mit der nobilitas.

Sallust meidet in seinem Werk das annalistische Schema und auch der chronologische Ablauf ist nicht immer korrekt. Es wurde oft kritisiert, daß Jahre und zeitliche Zwischenräume für Sallust keine Bedeutung gehabt hätten. Auch Sallusts Darstellung der Feldzüge ist zum Teil unausgeglichen und sprunghaft. So werden einzelne Episoden sehr genau und äußerst ausführlich erzählt, andere wiederum bleiben unbestimmt und namenlos. Immer wieder kommen auch Ungereimtheiten bei Zeit- und Ortsangaben vor. Für Sallust waren die Moral und die römischen Tugenden sehr wichtig, das können wir auch in seinen Werken erkennen. Weiters ist für Sallust typisch, daß er sich nur auf das beschränkt, was für ihn wesentlich ist und daß er Einzelheiten und Anmerkungen, die das Verständnis erschweren könnten, wegläßt.  Doch all das kann man Sallust nicht zum Vorwurf machen, denn er wollte nie über die Größe der Armeen oder über genaue zeitliche Zwischenräume berichten. Vielmehr agiert er wie ein Dramatiker, genau wie die anderen Geschichtsschreiber seiner Zeit. Er versucht in seinem Werk die afrikanische Kriegsführung zu beschreiben und daher verwendet er auch sehr lebhafte Ausdrücke für die Beschreibung der Wüste, der Natur, der Erschöpfung, des Landes und für Mord und Verrat.

Eine wichtige Frage, die die Römer sehr beschäftigte war, wem nun der Ruhm für den Sieg zufallen sollte. Die Optimaten meinten immer, daß Metellus der Vater des Sieges sei, da er angeblich den Widerstand Jugurthas gebrochen hat. Außerdem behaupteten sie, daß Marius nur aus innenpolitischen Gründen Oberbefehlshaber wurde. Es ist auch offensichtlich, daß Marius der Strategie folgte, die ihm von Metellus vorgegeben worden war. Jedoch übertraf Marius Metellus auch, weil er unter seinem Oberbefehl die Bedingungen schuf, die später zum Sieg führten.


"Bellum Iugurthinum" - Politik:


Für das "Bellum Iugurthinum" Sallusts ist auf jeden Fall kennzeichnend, daß es vorurteilsfrei ist und nicht durch eine parteiliche Einstellung verdreht ist. So wird zum Beispiel die Leistung von Metellus gebührend anerkannt und die des Marius nicht überbewertet. Außerdem wird auch nicht an der geschickten Diplomatie Sullas gezweifelt.

Im Bellum Iugurthinum erfahren wir auch einiges über die Oberbefehlshaber des Feldzuges. Der erste Anführer war Calpurnius Bestia, er war Konsul im Jahre 111. Er wurde wegen des mit Jugurtha geschlossenen Waffenstillstandes sehr oft kritisiert, doch Sallust steht ihm trotzdem außerordentliche Verdienste zu. Auch werden seine guten Eigenschaften wie Tatkraft, Intelligenz und Geschick erwähnt, doch es wird auch sehr genau beschrieben, wie diese guten Eigenschaften durch seine Profitgier und seine Käuflichkeit überlagert wurden. Auch Postumius Albinus wird als ehrgeiziger Feldherr beschrieben, doch wird an ihm kritisiert, daß er zusah, wie sich der Krieg immer mehr in die Länge zog. Außerdem verschweigt Sallust nicht, daß die Armee in einem katastrophalen Zustand war, als Q. Metellus sie übernahm. Dieser Metellus wird einerseits sehr positiv beschrieben. Nachdem er den Oberbefehl innehatte, erfuhr der Krieg rasch eine Wende und auch seine Tatkraft und sein untadeliger Ruf werden sehr gelobt. Weiters soll er nicht durch Geld oder Profit beeinflußbar gewesen sein, und die Maßnahmen, wie er die Truppen wieder kampffähig machte, werden mit Zustimmung bis ins Detail beschrieben. Doch auch er hat negative Charakterzüge: Als Marius nach Rom gehen will, um sich um das Konsulat zu bewerben, versucht Metellus ihm davon abzuraten. Am Anfang versucht er dies freundlich, doch am Schluß schreckt er auch vor Vorwürfen nicht zurück. Sallust meint weiters, daß Metellus wie alle anderen nobiles von Geringschätzung gegenüber anderen und von Arroganz (superbia)erfüllt ist. Als er dann noch erfährt, daß Marius nicht nur Konsul geworden ist, sondern daß ihm auch noch der Oberbefehl über die Truppen in Numidien durch einen Volksbeschluß übertragen wurde, ist er verbittert und erschüttert. Doch auch Marius, der spätere Triumphator über die Numider, die Cimbern, und die Teutonen, wird von Sallust nicht nur positiv dargestellt. Es wird beschrieben, wie er in Afrika das Ansehen seines Feldherrn untergraben wollte und außerdem wird es als ein geschickter Ränkeschmied bezeichnet. Weiters soll er den mos maiorum verletzt haben, das heißt, daß er Leute für seine Expeditionsstreitmacht erfaßte, die den Besitztumsqualifikationen nicht entsprachen. Einige erklärten dies damit, daß es zu wenig geeignete Rekruten gebe, doch besonders seine Kritiker erklärten sein Handeln damit, daß er die Armen brauche um seine Macht und seinen Einfluß zu vergrößern.

Auffällig im Bellum Iugurthinum ist, daß Sallust das Glück des Marius sehr oft betont, aber ihm nie virtus zugesteht. Virtus ist für Sallust die höchste Tugend, und die steht er wie gesagt nicht Marius zu, sondern Metellus. Auch weicht Sallust der Versuchung aus, Marius als Held oder als Vorbild zu bezeichnen. Bei seiner Charakteristik mischt Sallust sehr gut das Gute mit dem Schlechten. Dieses Verhalten spricht für Sallusts Unabhängigkeit und für sein Urteilsvermögen.

Der Numidische Krieg hat für Sallust große politische Bedeutung. Er kritisiert vor allem den Adel, der versucht seine Macht überall auszuspielen. Die Meinung des Autors ist, daß der Adel sehr anmaßend und verschwenderisch handelt und eine Mißwirtschaft mit der ererbten Herrschaft von Rom betreibt. Der Angriff auf die Oligarchie findet in einer Ansprache des Marius, die sowohl eine gesellschaftliche als auch eine politische Anklage ist, seinen Höhepunkt. In dieser Ansprache geht Marius mit offenem Tadel, aber auch mit Sarkasmus und Ironie gegen den Adel vor, den er als Kaste bezeichnet. Die Rede, die Sallust in seinem Werk einbaut, ist weniger dazu bestimmt, die Mißstände in der Gesellschaft und in der Politik aufzuzeigen, als die Person des Marius zu charakterisieren. Marius weist in seiner Rede auf die Schwierigkeit seiner Lage hin. Er meint, daß der Adel einen Vorteil besitzt, da er sich auf Ahnenruhm, familiäre Verbindungen und auf zahlreiche Klientel stützen kann. Er dagegen als homo novus kann sich nur auf seine eigenen Vorzüge stützen, auf seine virtus und innocentia. Er meint damit, daß die virtus nicht vererbbar ist, sondern jeder, egal ob von niedriger oder von hoher Geburt, muß sich seine virtus selbst erwerben. Durch diese Rede ist wieder einmal Sallusts Abneigung gegen den Adel erkennbar. Er kritisiert weiters, daß der Adel, der als einziger Zugang zu den Amtern und  zu den Mitteln des Staates hat, seine Macht (potentia) gierig und rücksichtslos ausnützt. (und starke Kritik an der superbia des Adels, superbia kommt in der Rede fünf mal vor.

Sulla, der Quästor des Marius, wird vom Autor nur kurz charakterisiert. Er wird als ein Adeliger aus heruntergekommenen patrizischem Hause bezeichnet, der sicherlich schlau, tatkräftig, beredt und gut erzogen war. Doch war er auch dem Ruhm, dem Vergügen und der Verschwendungssucht ergeben. Sallust schreibt auch, daß er sich bis zu seinem Sieg im Bürgerkrieg der Gunst des Glücks erfreuen konnte und es auch verdiente, doch für alles, was er danach tat, könne man nur Abscheu und Abneigung empfinden.


C. Marius:


Am Anfang des ersten Jahrhundert vor Christus hatte Rom mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. So kam es zum Beispiel zu einem Ausbruch von Gewalttätigkeiten in Italien und im Osten oder zu zwei Bürgerkriegen innerhalb der ursprünglichen römischen Bürgerherrschaft. Der Hauptgrund für die Streitigkeiten war allerdings Iugurtha, ein Potentat aus Numidien, der Rom zu lange provoziert hat. Infolgedessen erklärte Rom ihm 112 den Krieg. Im Jahre 107 verhalf das Volk C. Marius zum Konsulat, weil es hoffte, daß Marius Iughurta in seine Schranken verweisen werde. Während dieser ersten Amtsperiode legte Marius den Grundstein zu seinem Sieg. Im gleichen Jahr noch führte C. Marius ein wichtiges Gesetz ein. Er machte die capite censi, das heißt die Besitzlosen, wehrpflichtig. Der Besitzlose wurde auf Kosten Roms mit Schwert und Schild ausgestattet und hatte diverse militärische Aufgaben zu verrichten (z.B. die Bewachung der Stadt und des Forums). Marius` Kritiker meinten, er habe das System vor allem verändert um sich beliebt zu machen oder weil er selber aus bescheidenen Verhältnissen stammte, seine Anhänger waren jedoch der Meinung, daß das neue System demokratischer sei und außerdem wären nicht genug Rekruten mit Besitz vorhanden gewesen. Die Verordnung wurde sogar auf das Jahr 104 umdatiert um sie zu rechtfertigen, weil die Kimber und die Teutonen eine größere Gefahr als Iugurtha dargestellt hatten. Der proletarius sah sich nun aufgefordert in den Kriegsdienst einzutreten. Auf Staatskosten bewaffnet bewachten sie nicht nur die Stadt und das Forum, sondern sie waren auch auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Denn sie bekamen nicht nur ihren Sold, sondern wurden auch mit einem Stück Land am Ende der Dienstzeit belohnt. Nach dem Beschluß des Kolonialgesetzes im Jahre 103 wurde die Rekrutierung der capite censi noch stärker forciert. Der Volkstribun L. Saturninus, der vor der Wahl seinen Widersacher ermorden ließ, stellte einen Gesetzesantrag, der neue Siedlungen auf dem Land und in den Kolonien vorsah. C. Marius brauchte zwar diese Gesetze für seine Veteranen, doch als der Volkstribun weitere Morde befahl, um C. Servilius Glaucia das Konsulat zu ermöglichen, ging C. Marius auf Druck des Volkes dennoch gegen die beiden vor. Sie und ihre Anhänger griffen zu den Waffen und flohen ins Kapitol. Als man ihnen versprach, sie am Leben zu lassen, ergaben sie sich, später wurden sie aber dann doch gelyncht.


Italien zerbricht:


Der Konsens, der Italien unter römischer Führung geeinigt hatte, und der schon zuvor Risse bekommen hat, brach nun komplett zusammen. Die Italiker hatten mit den Römern Seite an Seite gekämpft, um ein Reich im Mittelmeerraum aufzubauen, das nun Rom allein gehörte. Als die Oberschicht der Italiker begann, eine starke Abneigung gegen die Abhängigkeit von Rom zu entwickeln, kam der Gedanke auf, den Italikern römische Bürgerrechte zu verleihen. Diese Abneigung war auch sicher nicht unbegründet: So wurde zum Beispiel der Großteil der Steuererträge des gesamten Imperiums in Rom ausgegeben und die Italiker verfügten weder über ein Stimmrecht in Rom, noch durften sie Magistrate dorthin aussenden. Jedoch unterstanden sie den Befehlen Roms und seiner Magistrate, und sie waren dem Machtmißbrauch dieser Leute schutzlos ausgeliefert. Den schwersten Machtmißbrauch beging Rom, als es gegen Ende des zweiten Jahrhunderts immer mehr Verbündete in sein Heer berief. In den Kriegen gegen Iugurtha und gegen die Cimbern und die Teutonen lag das Verhältnis von Verbündeten zu Römern schon bei etwa 2:1. Zu dieser Zeit war die glanzvolle Kariere des C. Marius schon in vollem Gange. Er war ein homo novus, der aus der Gemeinde Arpinum stammte, die 188 erst das Stimmrecht erhielt. Der Anfang seiner Kariere war eher wenig spektakulär. Zuerst war er Militärtribun unter P. Scipio Aemilianus, dann erlitt er eine Niederlage bei seiner Kandidatur für das Amt des Adilen, auf diese folgte ein mühevoll errungenes Prätorenamt, und dann das Amt eines Legaten bei Q. Metellus in Numidien. Q. Metellus führte zu dieser Zeit die römischen Truppen in Numidien an, doch als C. Marius im Jahre 107 das Konsulat anvertraut wurde, bekam er auch den Oberbefehl im Numidienfeldzug übertragen. Marius führte die römischen Truppen schließlich auch zum Sieg gegen Jugurtha. Jedoch in seinen fünf aufeinanderfolgenden Amtsperioden als Konsul, in den Jahren 104-100, erreichte er etwas, was noch kein Römer vor ihm erreicht hatte: Er führte nämlich die Niederlage der Cimbern und Teutonen herbei. Es entstand eine Art Kult um den Triumphator und im Münzwesen der römischen Republik tauchte ein völlig neues Phänomen auf: Ein Mann und seine Taten wurden auf Münzen dargestellt. Auch verdeutlichte C. Marius wie wenig ihn die Rechtslage bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft kümmerte, indem er das römische Bürgerrecht als Belohnung für Tapferkeit und für außergewöhnliche Leistungen verlieh. Ahnlich unbekümmert ging man auch zu dieser Zeit bei Zensuserhebungen vor, denn es wurde nicht mehr nachgeprüft, ob jemand wirklich Anspruch auf das römische Bürgerrecht und damit auch auf Registrierung besaß. 










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