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Von der Industrialisierung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges

Von der Industrialisierung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges



I. Vom feudalen Agrarstaat zur kapitalistischen Industrienation


Im 19. Jahrhundert veränderten sich althergebrachte soziale Strukturen und

Beziehungen grundlegend. Die Menschen wurden nicht mehr in einen

gesellschaftlichen Stand hineingeboren, in dem alle Lebensformen vorgegeben



waren. Der mündige Bürger war für seine individuelle Entfaltung selbst

verantwortlich, er wählte sein Gewerbe, verfügte frei über seinen Besitz, war

nicht an einen Geburtsort oder Grundherren gebunden und gehörte nicht automatisch

zu einer Zunft oder Korporation, sondern schloß sich freiwillig einem Verein oder

Partei an, um seine Interessen durchzusetzen.

Vor allem aber gab die Stellung des Einzelnen im Produktionsprozeß und auf dem

Markt de Ausschlag über seine Klassenzugehörigkeit. Dabei spaltete sich die

Gesellschaft in zwei Hauptklassen: die  Bourgeoisie, die über Kapital und

Produktionsmittel verfügte, und das Proletariat, das nichts außer seiner

Arbeitskraft anzubieten hatte. Der Konflikt zwischen diesen Klassen spitzte sich

zu, je größer die Gegensätze zwischen ihnen wurden.



1. Bauernbefreiung und Agrarrevolution


Einen wichtigen Meilenstein in dieser Entwicklung bildete noch vor der

Industrialisierung die Veränderung der Herrschaftverhältnisse auf dem Lande. Die

bäuerliche Bevölkerung machte um 1800 etwa 75% der Gesamtbevölkerung in

Deutschland aus. Jede Mißernte und jeder Krieg bedrohte sie mit Verarmung und

Hungersnöten, ihre Mitglieder lebten in rechtlicher Abhängigkeit vom Grundherren.

Auf dem Gebiet des Deutschen Bundes wuchs die Bevölkerung zwischen 1816 und 1864

von knapp 30 Millionen auf über 45 Millionen Menschen an. Die Ernährung dieser

ständig wachsenden Zahl stellte ein ungelöstes und äußerst beunruhigendes Problem

dar. Nur eine grundlegende Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion

konnte hier Abhilfe schaffen. Die Bauern wurden allmählich zu gleichberechtigten

Staatsbürgern und vor allem zu Eigentümern der Anbauflächen. Dies geschah auf dem

Wege staatlicher Reformen, mit denen zum Teil auf Unruhen und Aufstände reagiert

wurde.

In Preußen wurden die Erbuntertänigkeitsverhältnisse zwischen 1807 und 1850

beseitigt. Die persönliche Unfreiheit der Bauern wurde aufgehoben, damit entfiel

auch die Gerichtsbarkeit des Grundherrn, der seine Ansprüche auf Frondienste und

Abgaben verlor.

In Süd- und Westdeutschland gelangten die freien Bauern in den vollen Besitz

ihrer Höfe und zahlten den Grundherrn Ablösegelder dafür. In Preußen hingegen

mussten die Bauern bei der Übernahme der Anbauflächen in ihren persönlichen

Besitz großen Teile des von ihnen bewirtschafteten Bodens an den Grundherrn

abtreten. Dadurch entstand eine Schicht besitzloser Landarbeiter, die bei der

Entschädigung des Grundherrn ihre Existenzgrundlage verloren - eine noch größere

soziale Ungleichheit war das Ergebnis. Auch die Aufteilung der gemeinschaftlich

genutzten Böden (Allmende) an einzelne Bauern ging zu Lasten der besitzlosen

Unterschichten. Die Großgrundbesitzer widerum hatten durch die hohen

Ablösesummen, die ihnen aus den Entschädigungen der Bauern zuflossen, genügend

Kapital, um weiteren Grund und Boden zu erwerben. In Preußen konnten sie ihren

wirtschaftlichen Vorteil durch das Dreiklassenwahlrecht und eine

Verfassungsänderung in politischen Einfluß verwandeln.

Mit der Umverteilung des Großgrundbesitzes und der Neuordnung der

gesellschaftlichen Verhältnisse ging eine Veränderung der Produktionsmethoden

einher. Der einzelne Bauer verfügte nun über seine Arbeitszeit und entschied

selbständig über die Nutzung der Anbauflächen, die Einführung neuer

landwirtschaftlicher Methoden und den Verkauf seiner Produkte. Außerdem wurde die

landwirtschaftliche Nutzfläche vergrößert und die Erträge durch den Kunstdünger

und technische Geräte gesteigert. Diese Entwicklungen trugen zu einer deutlich

besseren Ernährungsgrundlage seit der Jahrhundertmitte mit bei.





2. Industrielle Revolution


Die gesellschaftlichen Umbrüche des 19. Jahrhunderts wurden durch wirtschaftliche

Entwicklungen nachhaltig beeinflusst. Die Industrialisierung des europäischen

Kontinents hat wegen ihrer Umwälzungen den Begriff einer Revolution mindstens

ebenso verdient wie die politischen Ereignisse von 1789 oder 1848.

Am Beginn standen Erfindungen, die bereits im 18. Jahrhundert in England gemacht

wurden. Sie betrafen vor allem die Textilindustrie und die Eisenerzeugung. Der

Einsatz neuer Maschinen anstelle der handwerklichen Fertigung ermöglichte die

Produktion größerer Mengen in kürzerer Zeit. Mit der Dampfmaschine (1765) wurde

die Industrie unabhängig von natürlichen Energien. Dampfschiff und

Dampflokomotive (1825) revolutionierten den Transport.

Ihren technischen Vorsprung konnten die Engländer noch das ganze 19. Jahrhundert

als Wirtschaftsvorteil nutzen. Um 1850 trat Deutschland schließlich in die

Antreibsphase ('Take-off') der industriellen Revolution. Außer technischen

Erfindungen waren auch der Ausbau des Verkehrswesens und der Gütertransport, der

Abbau von Zollschranken für die Entstehung eines Marktes und vor allem die

Freisetzung von Arbeitskräften und Anlagekapital notwendige Voraussetzungen für

die Industrialisierung. Immer größere Fabriken wurden eröffnet, in denen

arbeitsteilige Strukturen herrschten und freie Lohnarbeiter anstelle von

Handwerksgesellen beschäftigt wurden. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen

Bankengründungen, denn mit der Betriebsgröße stieg auch der Kapitalbedarf.

Das Bürgertum profitierte von der wirtschaftlichen Liberalisierung. Mit der

Herstellung von Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit entstand ein neuer

Unternehmertyp, der ohne Zunftzwänge Werkstätten eröffnen und nach eigenem

Gutdünken Geld investieren konnte. Materielle Güter waren die Grundlage dieser

neuen gesellschaftlichen Klasse, die als Besitzbürgertum an wirtschaftlicher

Modernisierung und pragmatischem Handeln orientiert war.

Staatlicherseits wurde die vorteilhafte Wirtschaftsentwicklung bald gefördert.

Allerdings trat der Staat selten als Unternehmer auf, sondern versuchte private

Initiative zu wecken. Weiteren Einfluß nahm er außerdem zum einen mit der

Einrichtung von Gewerbeschulen und Technischen Hochschulen und zum anderen durch

den Ausbau des Verkehrssystems. Ab 1835 wurde das Eisenbahnnetz in kürzester Zeit

verdichtet und damit für die Wirtschaft nutzbar. Durch die Eisenbahn verkürzte

sich die Beförderungszeit der Güter drastisch, der Transport auf der Schiene war

konkurrenzlos billig und verband binnem kurzen auch die wichtigsten Städte und

Regionen Mittelauropas zu einem Absatzmarkt.

Lokomotivbau und Schienenproduktion erhöhten die Nachfrage nach

schwerindustriellen Erzeugnissen. Die Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie nahm

einen rasanten Aufschwung, woran auch die Rüstung ihren Anteil hatte. Für den

Eisenbahnbau wurde zudem erstamals ein neues Finanzierungsinstrument in größerem

Umfang eingesetzt: die Aktiengesellschaft.

Innerhalb des Deutschen Bundes verliefen diese Entwicklungen nicht in allen

Staaten prallel. Besonders in Österreich kam die Industrialisierung nicht so

rasch in Gang und beschränkte sich auf einzelne Regionen. Dadurch blieb die

Volkswirtschaft wesentlich länger agrarisch orientiert. Preußen hingegen verfügte

seit 1815 mit dem Rheinland und Oberschlesien über bedeutende Erzvorkommen, die

die Voraussetzungen für den Aufstieg des Landes zur Industriemacht legten. Von

Westfalen, das seit dem Wiener Kongreß ebenfalls zu Preußen gehörte, gingen die

entscheidenden Schritte zur Industrie aus (Mechanisierung der Textil- und

Eisenindustrie sowie Liberalisierung des preußischen Berggesetzes 1851). An Rhein

und Ruhr, in Brandenburg, Sachsen und Oberschlesien entstanden seit der

Jahrhundertmitte Bergwerke, große Betriebe zur Eisenverhüttung sowie gewaltige

Großstahl- und Maschinenfabriken. Aus der Verwertung von Nebenprodukten, die bei

der Verkokung von Kohle anfallen, entwickelte sich ein neuer Wirtschaftszweig,

die chemische Industrie, deren Produkte (Synthetische Farben, Kunstdünger) großen

Absatz fanden. 1834 wurde außerdem der Deutsche Zollverein gegründet, ein

Wirtschaftsabkommen, das die Binnenzölle im innerdeutschen Warenverkehr aufhob

und so Deutschlands wirtschaftliche Einigung vorantrieb. Ihm traten unter

preußischer Führung nahezu alle deutschen Staaten bei. Österreich dagegen

beteiligte sich nicht und verlor deshalb weiter an Einfluß in Deutschland. Die

spätere 'kleindeutsche Lösung' wurde durch diese wirtschaftliche Entwicklung

begünstigt.

Das revolutionäre Instrument der Industrialisierung war ihre außerordentliche

Geschwindigkeit. Sie spielte sich zwischen 1834 und 1873 ab und war zur Zeit der

Reichsgründung bereits erfolgreich abgeschlossen. In der deutschen

Volkswirtschaft bestimmte nicht mehr die Landwirtschaft, sondern die Industrie

den Konjunkturverlauf. Deutschland war zur zweitgrößten Industrienation in Europa

geworden.

3.Soziale Mißstände


Der deutsche Wirtschaftsboom hielt bis 1873 an. Seit 1848 hatte sich das deutsche

Volkseinkommen verdoppelt. Aber gerade jene Gesellschaftsschicht, die durch ihre

Arbeit den Aufschwung ermöglicht hatte, verelendete zusehends. Pauperismus und

Agarreform hatten eine große Bevölkerungsgruppe entstehen lassen, die auf dem

Land keine Erwerbsmöglichkeit mehr fand und in den Städten ihr Auskommen suchte.

Dort trafen die besitzlosen Landarbeiter und verarmten Kleinbauern auf arbeitslos

gewordene Handwerksgesellen und bildeten zusammen das moderne

Industrieproletariat.

Ihre Lebensbedingungen waren entsetzlich, denn Arbeitskraft war eine billige

Ware: Es gab zuviel davon auf dem Markt. Um sich gegen die ausländische, vor

allem britische Konkurrenz behaupten und die deutschen Industrieprodukte billig

halten zu können, wurden von den Unternehmen ohnehin nur geringe Löhne gezahlt.

Die Landflucht vergrößerte das Angebot von Arbeitern, was die Löhne zusätzlich

drückte und dazu führte, daß eine Familie nur durch Kinder- und Frauenarbeit

existieren konnte. Üblich waren Arbeitszeiten von 12, teilweise über 14 Stunden

an 6 bis 7 Tagen pro Woche ohne geregelte Erholung oder Urlaub. Die

Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz waren höchst mangelhaft, Unfälle an der

Tagesordnung. Es gab keine Vorsorge im Fall von Krankheit und Invalidität.

Altersversorgung oder Kündigungsschutz waren unbekannt. Jeder Konjunktureinbruch

hatte Massenarbeitslosigkeit zur Folge. Das Qualifikationsniveau war gering, es

gab kaum Aufsteigschancen.

Der Bedarf an Arbeitskräften schellte in Zeiten der Hochkonjuntur sowie beim

Ausbau arbeitsintensiver Wirtschaftszweige wie dem Montanbereich sprunghaft an.

Aus immer größeren Entfernungen strömten Zuwanderer in die Städte und neuen

Ballungsgebieten, wo sie ihren Arbeitsplatz wiederum häufig wechslen mussten. Die

rasch gebauten Arbeiterunterkünfte waren nur primitiv ausgestattet, ihre

Überbelegung führte zu unhygienischen und krankheitsfördernden Wohnverhältnissen.

Die Lebenserwartungen unter solchen Bedingungen waren gering, die

Kindersterblichkeit hoch.




II. Nationalstaat und Weltgesellschaft (1850-1914)


Die Wiener Ordnung, die auf der Solidarität und den gemeinsamen Interessend er

fünf europäischen Großmächte beruhte, zerbröckelte in den 1850er Jahren

allmählich. Immer häufiger verfolgten die Staaten nur noch die eigene

Machtpolitik und gingen dazu wechselnde Bündnisse ein. Fortan bestimmten nicht

mehr revolutionäre Entwicklungen von unten, sondern kriegerische Durchsetzungen

von oben die Bildung von Nationalstaaten.



1. Beginn der 'Ara Bismarck'


In Deutschland hatte nach dem Scheitern der bürgerlichen Revolution von 1848

Ernüchterung eingesetzt. Statt der hehren Ideale von 1789 oder 1813 wurde

'Realpolitik' das Schlagwort der neuen Ara und Otto von Bismarck (1815-1898) ihr

erfolgreichster Interpret. Sein Politikverständniss charakterisierte eine

programmatische Rede als preußischer Ministerpräsident 1862: 'Nicht durch Reden

und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern

durch Eisen und Blut.'

Von Demokratie und Parlament hatte Bismrack keine hohe Meinung und ließ

dies in seinem Regierungsstil auch deutlich erkennen. Als er sein Amt antrat,

befand sich die preußische Regierung in einer Krise, die König Wilhelm I.

(1797-1788) bereits an den Rand der Abdankung gebracht hatte. Im Zusammenhang mit

einer Heeresreform verweigerte das Parlament der Regierung die Zustimmung zum

Staatshaushalt. Bismarck löste das Problem auf seine Weise: Er regierte in den

folgenden 4 Jahren ohne Parlament.

Der Erfolg seines verfassungswidrigen Vorgehens aber brachte schließlich selbst

seine schärfsten Kritiker zum Schweigen oder nötigte ihnen gar Bewunderung ab. In

seinen Zielen unbeirrbar, war er in der Wahl seiner Mittel nicht eben zimperlich.

Oberster Zweck seiner Politik war die Machterweiterung Preußens und die

Machtstabilisierung des Monarchen. Denn Bismarck war ein preußischer, kein

deutscher Patriot. Dennoch gelang es ihm, die nationale Einheit herzustellen. In

ihrer Begeisterung übersahen manche Liberale, wie sehr die Freiheit dabei auf der

Strecke blieb.



2. Die deutsche Revolution von oben


Auslöser waren Erbstreitigkeiten zwischen dem Deutschen Bund und Dänemark um die

Herzogtümer Schleswig und Holstein. Österreich und Preußen erklärten deswegen

Dänemark im Januar 1864 den Krieg. Nach dem raschen Sieg über die dänischen

Truppen bewegte Bismarck die österreichische Regierung zu einer gemeinsamen

Verwaltung der beiden Herzogtümer, obwohl man in Wien mit Besitzungen soweit im

Norden kaum etwas anzufangen wußte.

Preußen hingegen hatte ein sehr großes Interesse daran, sich die beiden Gebiete

einzuverleiben und damit sein Territorium bis zur Nord- und Ostsee auszudehnen.

Durch sein diplomatisches Geschick gelang es Bismarck, eine Intervention der

europäischen Großmächte zu vermeiden. England hatte sich ohnehin für eine

Nichteinmischung in kontinentale Angelegenheiten entschieden. Unter einem Vorwand

maschierten preußische Truppen schließlich am 9. Juni 1866 in das österreichisch

verwaltete Holstein ein. Es ging in dem Konflikt nur vordergründig um die

Elbherzogtümer. Der Streit war vielmehr ein Symptom für die alte Rivalität

zwischen Preußen und Österreich. Seit der Gegenrevolution 1848/50 hatte

Österreich seine Vormacht im Deutschen Bund ständig ausbauen können.

Wirtschaftlich und gesellschaftlich waren die beiden Länder seit dem Wiener

Kongreß immer weiter auseinandergedriftet. Während das Kaiserreich weiterhin

agrarisch orientiert blieb, entwickelte sich Preußen zunehmend zur

Industriemacht.

Trotzdem war der Krieg zwischen Österreich und Preußen keineswegs unvermeidbar.

Und Bismarck hatte sich auch stets die andere Option des Ausgleichs durch

Verhandlungen offengehalten. Denn das Kräfteverhältnis war nicht günstig für sein

Land. Doch dank der Strategie des Generalstabschefs Moltke, aber auch dank der

guten Ausbildung und Ausrüstung der preußischen Truppen sowie der schnellen

Mobilisierung mit der Eisenbahn fiel schon am 3. Juli 1866 in der Schlacht von

Königgrätz die Entscheidung. Die österreichische Regierung gab sich geschlagen.

Um die Interventionsmöglichkeiten der europäischen Mächte zu begrenzen, drängte

Bismarck auf einen raschen Friedensschluß. Österreich verlor nur eine Provinz

(Venetien), aber im Frieden von Prag am 23. August stimmte es der Auflösung des

Deutschen Bundes und der Neuordnung Deutschlands ohne eigene Beteiligung zu,

ebenso der Annexion von Schleswig und Holstein sowie der ehemaligen Verbündeten

Österreichs (Hannover, Hessen, Nassau und Frankfurt). Das bedeutete einen

außerordentlichen Machtzuwachs und eine deutliche Westverschiebung Preußens. Noch

im Jahr 1866 wurde der Norddeutsche Bund gebildet, in dem die Vormachtstellung

Preußens unumstritten war. Sein Bundeskanzler hieß Otto von Bismarck.

Zwar stand für ihn durchaus nicht von vornherein fest, daß der neue Bund nur ein

Provisorium im Übergang zur deutschen Einheit sein würde. Dennoch arbeitete er

auch auf diese Entwicklung hin. Für den Kriegsfall schloß er geheime Bündnisse

mit den süddeutschen Staaten und festigte die wirtschaftliche Einheit durch die

Erneuerung des Zollvereins 1867. Deutschland wuchs immer mehr zusammen -

Österreich stand außen vor. Es war nach der Niederlage mit einer dringendes

Neuordnung des Staatswesens beschäftigt. Ergebnis war die Konstruktion einer

'Donaumonarchie' Österreich-Ungarn, die den Vielvölkerstaat noch einmal

zusammenkitten sollte.



3. Bismarcks Bündnissystem und die europäische Sicherheitspolitik


Der Sieg der deutschen Truppen über Dänemark, Österreich und Frankreich sowie die

Gründung des Deutschen Reiches hatten das europäische Mächtegleichgewicht

durcheinander gebracht. Mißtrauisch blickten die anderen Großmächte auf den neuen

Staat und sein strakes militärisches Potential. Bismarck beeilte sich ihre

Bedenken zu zerstreuen. Das Reich sei satuiert, d.h. zufriedengestellt, und

strebe keine weitere territoriale Vergrößerung an.

In der Außenpolitik entwickelte er ein hochkompliziertes Bündnissystem, das außer

ihm - und nach ihm - niemand zu handhaben wußte. Es eignete sich zudem nur dazu,

einen Krieg hinauszuzögern, eine langfristig angelegte Sicherheitspolitik auf der

Basis eines stabilen Interessenausgleichs war es nicht. Das lag auch an der

veränderten Situation in Europa. Oberstes Ziel der Großmächte war nicht mehr der

europäische Friede, sondern die eigenen Machterweiterung. Dabei dachten sie nicht

mehr nur in europäischen Kategorien, es ging vielmehr um die Aufteilung der Weilt

in Einflußsphären.

England konzentrierte sich in den 1870er Jahren auf den Ausbau seines Empire und

war an der Erhaltung des Status quo auf dem Kontinent interessiert. Die russische

Regierung sah in Großbritannien das größte Hindernis bei der Ausdehnung im Orient

und in Asien, während sie auf dem Balkan mit österreichischen Intgeressen

zusammenstieß. Frankreich hatte nach der Niederlage von 1871 das vordringliche

Anliegen, den territorialen Verlust rückgängig zu machen und Vergeltung zu üben.

Vor dem langsam auseinander brechenden Osmanischen Reich ging die Gefahr aus, daß

es die Begehrlichkeiten der europäischen Großmächte zu weiteren Expansionen wie

auch die Nationalgefühle der auf dem Balkan und im Vorderen Orient lebenden

Völker wecken würde. Die Schwäche des sogenannten 'kranken Mann am Bosporus' war

äußerst friedensbedrohend.

Für die deutsche Diplomatie ging es in erster Linie darum, ein Bündnis des

französischen Nachbarn mit Rußland - und damit einen Zweifrontenkrieg - zu

verhindern, aber auch eine englisch-französiche Annäherung zu vermeiden. Mit dem

Drei-Kaiser-Abkommen von 1873 zwischen dem Zaren und den Kaisern von Deutschland

und Österreich versuchte Bismarck, die Gefahr eines russisch-französischen

Bündnisses abzuwenden. Doch diese Konstellation wurde bereits wenige Jahre später

äußerst fraglich. Nachdem Bismarck den Konflikt zwischen den beiden Ostmächten

auf einem Kongreß 1878 als 'ehrlicher Makler' ohne eigene Interessen geschlichtet

hatte, wurde er für die notwendigen Kompromisse und damit verbundenen

Enttäuschungen verantwortlich gemacht. Insbesondere Rußland hatte sich mehr

deutsche Unterstüzung für seine Balkanpläne erhofft und fand die deutsch Position

höchst undankbar nach allem, was das Zarenreich während der Reichsgründungsphase

für Deutschland geleistet hatte.

Um den verstimmten Zaren nicht den Franzosen in die Arme zu treiben, ging

Bismarck daran, die eigene Position zu stärken und damit für eine Allianz

attraktiv zu machen. Ergebnis war der Zweibund zwischen Deutschland und

Österreich-Ungarn von 1879. Tatsächlich bewog dieses Defensivbündnis die

russische Politik zu einer Wiederannäherung an das Deutsche Reich. Im

Drei-Kaiser-Bündnis von 1881 wurde zwischen den drei Ostmächten ein

Neutralitätsabkommen geschlossen, das 1884 noch einmal verlängert wurde. Obwohl

darin die jeweiligen Interessensphären auf dem Balkan abgesteckt wurden, blieb

Osteuropa ein Pulverfaß, das jederzeit explodieren konnte. Seit 1882 gab es

außerdem den Dreibund zwischen Deutschland, Österreich und Italien, ein äußerst

vage formuliertes Abkommen, auf das im Kriegsfall wenig Verlaß sein würde.

Zur Absicherung gegen aggressive Tendenzen der französischen Politik schloß

Bismarck mit dem Zarenreich 1887 ein geheimes Bündnis. Dieser

'Rückversicherungsvertrag' enthielt ein 'ganz geheimes' Zusatzprotokoll, in dem

Deutschland den Russen Unterstützung bei ihren Ambitionen in Bulgarien und am

Schwarzen Meer zusagte - eine heikle Zusicherung, die wahrhaftig besser geheim

blieb, denn sie widersprach anderen internationalen Verträgen und stellte einen

Affront gegen die englische und österreichische Politik dar. Der Bündnisfall

durfte nicht eintreten, denn dabei würde das Doppelspiel ans Licht kommen. Um die

Zusagen des Rückversicherungsvertrages nicht einhalten zu müssen, vermittelte

Bismarck deswegen ein Abkommen zwischen England, Österreich-Ungarn und Italien

(Dreibund), in dem diese Mächte den gegenwärtigen Zustand auf dem Balkan

garantieren. Angesichtes dieser Übermacht mußte Rußland seine Absichten in

Bulgarien zähneknirschend aufgeben.

Zwar konnte auf diese komplizierte Weise eine Eskalation der Krise und eine

französisch-russische Allianz noch einmal verhindert werden, doch allmählich

begannen sich die raffiniert geknüpften Bündnisfäden zu einem engen Netz zu

verheddern, in dem das Reich immer weniger Handelsspielraum besaß und das Europa

zusehends in zwei große Lager spaltete. Bei der gleichzeitig einsetzenden

Aufrüstung und dem wachsenden Einfluß des Militärs auf politische Entscheidungen

nimmt es im Rückblick kaum Wunder, daß die Krisen irgendwann aus dem Ruder liefen

und der Großkrieg nicht mehr verhindert werden konnte. Immerhin konnte Bismarck

diesen Moment deutlich hinauszögern. Seine Nachfolger hatten andere Prioritäten.



4. Bismarcks Sturz und das persönliche Regiment Wilhelms II.


So umsichtig Bismarck die Interessen des Reiches außenpolitisch zu vertreten

wußte, so wenig erfolgreich war seine Innenpolitik, in der er einen harten

Konfrontationskurs pflegte. Offensichtlich überblickte  der preußische Junker

nicht, in welchem Ausmaß die Industrialisierung die deutsche Gesellschaft bereits

verändert und zu einem modernen Staat umgeformt hatte. Sowohl 'Kulturkampf' als

auch 'Sozialistengesetze' erwiesen sich als Fehlschläge. Mit seiner Haltung

verhinderte der Reichskanzler vor allem, daß die Arbeiterschaft in das Deutsche

Reich integriert wurde. Auch seine fortschrittliche Sozialgestzgebung konnte

daran nichts ändern.

1888 starb im Alter von 91 Jahren Kaiser Wilhelm I., der seinem Kanzler stets

frei Hand gelassen hatte. Die Regierung seines Sohnes, des schwer krebskranken

Friedrich III., dauerte nur drei Monate. Als Wilhelm II. (1859-1941) noch im

selben Jahr den Thron bestieg, begann eine neue Ara. Denn obwohl der junge Kaiser

den alten Bismarck bewunderte, wollte er doch aus dessen Schatten treten und

selbständig Politik betreiben. Durch ein sozialpolitiosches Reformprogramm

beabsichtigte er, die Arbeiterschaft der SPD zu entfremden und für die Monarchie

zu gewinnen. Aber die kaiserlichen Versöhnungsversuche hatten nicht den

gewünschten Effekt. Die Arbeiter entzogen ihrer Partei keineswegs die

Unterstüzung. Enttäuscht wandte sich Wilhelm II. wieder von den Arbeitern ab. Das

böse Wort von den 'vaterlosen Gesellen' offenbarte seine wahre Haltung zu ihnen.

Die größeren Differenzen Wilhelms II. mit seinem Reichskanzler entzündeten sich

an außenpolitischen Fragen, was im März 1890 schließlich zum Rücktritt Bismarcks

führte. Der Kaiser lehnte die Verlängerung des Rückversicherungsvertrages mit

Rußland ab, weil er den Sinn der komplizierten Bündniskonstruktion nicht

durchschaute. Wie sein scheidender Kanzler vorhergesehen hatte, war die Folge

eine französisch-russische Militärkonvention (1892). Von nun an hatte das Reich

mit einem Zweifrontenkrieg zu rechnen.

'Der Lotse geht von Bord', so nannte es eine englische Karikatur, als Bismarck

nach insgesamt 28 Jahren aus der Regierung Preußen-Deutschlands schied. Der 'neue

Kurs' des Kaisers war gekennzeichnet von häufig wechselnden Kanzlern und

spontanen, unüberlegten Entscheidungen. Wilhelm II. holte nicht Rat bei

erfahrenen Experten, sondern steuerte in einer wachsenden Überschätzung der

eigenen Kraft das Reich hin zur Weltmachtgeltung - und Weltkrieg.




III. Der Erste Weltkrieg (1914-1918)


1. Julikrise und Kriegsbeginn


Ausgelöst wurde die Julikrise durch ein politisches Attentat: Der österreichische

Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau wurden am 28. Juni 1914 in

Sarajewo erschossen. Österreich vermutete die Drahtzieher des Attentas in

Serbien. Für ein Vorgehen gegen den Provokateur suchte man sich der Rückendeckung

in Berlin zu vergewissern, denn es war mit einem russischen Eintreten für Serbien

zu rechnen. Die deutsche Regierung sagte ihrem einzigen Verbündeten volle

Unterstützung zu. Der Regierung in Belgrad wurde am 23. Juli 1914 ein Ultimatum

zugeleitet, das nahezu unannehmbare Forderungen stellte. Tatsächlich rechnete man

in Wien mit einer Ablehnung und wollte sofort anschließend Belgrad den

Kriegerklären. Überraschenderweise gab die serbische Regierung jedoch in großen

Teilen nach. Die Welt atmete auf.

Doch die Militärs der Donaumonarchie glaubten, daß die Chancen für einen Sieg

Österreichs sich in Zukunft nur verschlechtern könnten und drängte zum

Losschlagen. Die Regierung fügte sich ihren Argumenten und erklärte noch am 25.

Juli die serbischen Zugeständnisse für ungenügend. Noch am selben Tag begann die

österreichische Mobilmachung, der am 28. Juli die Kriegserklärung folgte.

Die britischen und deutschen Bemühungen, den Konflikt durch Verhandlungen zu

lösen, waren damit hinfällig geworden. Außerdem hatte am 30. Juli die allgemeine

Mobilmachung der russischen Streitkräfte bereist begonnen, worauf die deutsche

Armee aufgrund des Schlieffenplans rasch mit dem Aufmarsch im Westen reagieren

musste. Die Politik folgte nicht mehr der Staatsräson, sondern den militärischen

Planungen. Deswegen erklärte Deutschalnd am  1. August Rußland den Krieg, am 3.

August außerdem Frankreich. Unmittelbar nach dem Einmarsch deutscher Truppen in

Belgien überreichte London am 4. August seine Kriegserklärung in Berlin.










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