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TUAREG - DIE TUAREG

DIE TUAREG





Ein Nomadenvolk kämpft um sein Überleben








Geschichte Spezialgebiet


I. Einleitung


Seit über einem Jahrtausend bewohnen die Tuareg, ein Berbervolk von ca. 1 Million Menschen, eine der unwirtlichsten Regionen der Erde. Ihr Siedlungsgebiet erstreckt sich über fünf afrikanische Staaten erstrecken. Früher als die Herren der Sahara gefürchtet, droht ihre Kultur heute durch Ignoranz, afrikanische Machtinteressen und Dürrekatastrophen unterzugehen.


Die Tuareg und ihr "Rittertum" werden bis heute romantisiert. Für viele sind die Tuareg noch immer die stolzen Herren der Wüste, schön und geheimnisvoll durch ihre indigoblaue Verschleierung. Sie reiten auf weißen Kamelen und schwarze Sklaven erledigen die Arbeit für die edle Kaste der Noblen: Dies aber ist der Stoff, aus dem Romane sind. Heute leben die meisten Tuareg am Rande des Existenzminimums. Ihr Volk ist heute in seiner kulturellen und physischen Existenz bedroht.


II. Lebensweise und Kultur

Die Tuareg kann man nicht als eine einheitliche Ethnie bezeichnen, denn sie unterscheiden sich nicht nur erheblich in ihrem Außeren voneinander, sondern besitzen auch ihren Schichten gemäß unterschiedliche Verhaltens- und Moralvorstellungen. Was sie in erster Linie verbindet, sind ihre Sozialordung und ihre gemeinsame Sprache tamaschek.


1) Siedlungsgebiet und Herkunft



Abb.: Karte Siedlungsgebiet der Tuareg


Das Siedlungsgebiet der Tuareg umfasst die Sahelzone der Länder Mali, Algerien, Libyen, Niger und Burkina Faso. Jedoch hat sich seit mehreren Jahrzehnten das Klima in diesen Zonen verändert. Der saisonale Regen fällt immer unregelmäßiger, der früher die Savanne ergrünen ließ und den Tuareg Weideland bescherte.


Die Tuareg stammen ursprünglich aus der Gegend von Tripolitanien. Noch früher sollen sie aus der Gegend des Kaukasus eingewandert sein. Man spricht deshalb von einer kaukasoiden Rasse . Als die Beni Hilal Araber im 6. und später dann im 11. Jh. in Nordafrika einfielen, wurden die Berber aus Tripolitanien in die Wüste verdrängt. Die Tuareg sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die Nachfahren solcher legendären Völker, wie der Garamanten, Lotophagen, Atlantiden, der Sumerer, Phönizier etc. Sie übernahmen Kamele und einiges mehr von den Arabern und akklimatisierten sich in der Wüste bzw. im Sahel.



Völkername "Tuareg"


Der Begriff "Tuareg" wurden von ihren arabischen Nachbarn (Berbern, Haussa) geprägt und bedeutet: "von Gott verlassen", "von Gott verstoßen". Heute findet er weltweit Verwendung. Nur die Tuareg selbst benützen ihn in ihrer Sprache nicht, sondern bezeichnen sich als kel tagelmust - die Menschen, die indigofarbene Schleier tragen oder kel tamaschek - die Menschen, die tamaschek sprechen.


3) Soziale Schichten


Zwar leben die Tuareg innerhalb ihrer zugehörigen Schicht von den anderen getrennt, dennoch sind sie durch Dienstleistungen und gegenseitige Abhängigkeiten auf die anderen angewiesen. Die Schichtzugehörigkeit wird matrilinear bestimmt, das heißt die Kinder gehören immer zur Schicht der Mutter, ebenso richtet sich die Stellung des Mannes nach der seiner Frau. Heiraten außerhalb der eigenen Schicht sind möglich, eine Ausnahme dabei bilden die inadan (Schmiede), die nur innerhalb ihrer eigenen Gruppe Verbindungen eingehen.


Der höchste Stand, die geachteten Freien (imajeghan), gefolgt von den angesehenen Korangelehrten (inesleman), und die breite, oft verspottete Masse der Vasallen (imrad) hatten jeweils sowohl ihre eigenen Schmiede als auch ihre Sklaven (eklan). Diese lebten, im Gegensatz zu den Schmieden, in völliger Abhängigkeit. In den abgelegenen Tälern und Ebenen des Aïr bestehen diese gesellschaftlichen Strukturen noch heute.


Der Begriff "Familie" ist komplex. Alle Kinder der Brüder eines Mannes zählen für seine eigenen Kinder als Brüder und Schwestern, während die Kinder seiner Schwestern Cousins und Cousinen sind. Männer und Frauen bleiben ihren eigenen Familien stets mehr verhaftet als der, in die sie eingeheiratet haben.


a)     Die Schmiede (inadan)


Die Schmiede stehen außerhalb der Hierarchie und werden geachtet, verachtet und gefürchtet. Als Beherrscher des Feuers und der Mineralien wähnt man sie im Bund mit den Geistern. Sie dürfen einige Tabus brechen, an die sich alle anderen halten müssen. Sie vermitteln zum Beispiel zwischen Streitenden. Es fällt ihnen auch die Rolle des Heiratsvermittlers zu. Ihr sozialer Rang hängt weitgehend von der Gruppe ab, für die sie arbeiten. Die Schmiede fertigen sämtliche Metallgegenstände, die ein Tuareg benötigt: von Waffen wie Messern und Schwertern über Gebrauchsgegenstände wie Pinzetten, Schminkstifte, Schlösser oder Parfümdosen, auch Kamelsättel, Zaumzeug und sonstiges Haushaltsgerät, bis hin zu vorwiegend aus Silber geschmiedetem Schmuck. Außerdem arbeiten Schmiede Holz zu Zeltpfosten, Betten, Tragestangen, Mörsern, Schüsseln und Löffeln. Ihre Frauen fädeln Ketten und verarbeiten Leder mit großem handwerklichem Geschick: Kissen, Säcke, Taschen, Beutel, Seile, Zügel und Kamelpeitschen.

Schmiede bearbeiten bevorzugt Silber, da es das reine, vom Propheten gesegtene Metall ist. Auch Messing und Kupfer finden Verwendung. Kupfer gilt als Metall, das Heilkraft besitzt. Gold wirt als Metall des Teufels betrachtet und ist als Unglücksbringer gefürchtet (für Touristen werden jedoch auf Wunsch Schmuckstücke in Gold hergestellt). Eisen ist das unreine Metall, welches nur für Klingen und Schlösser verwendet wird und nicht mit der Haut in Berührung kommen soll. Als Schmuckstein findet vor allem Karneol aus Indien Verwendung, der die Heilung, vor allem von Blutkrankheiten und Wunden, fördert. Auch den "bösen Blick" soll er abwehren.

Die jungen Schmiede heutzutage "haben sich von der Mythologie ihres Volkes entfernt und verwenden deren Symbole als reines Formenspiel."[1]



b) Die Adeligen oder Noblen (imajeghan)


Traditionell besaßen sie die politische und wirtschaftliche Macht. Sie stellten den Herrscher des Landes. Ihre Aufgaben waren die Kamelzucht, die Durchführung der Raubzüge und die Schutzgewährung der ihnen unterstellten Vasallengruppen, die ihrerseits dafür Abgaben zahlen mussten. Sie kontrollierten die Handelswege und führten die Kamelkarawanen durch.


c) Die Schriftgelehrten (inesleman)


Diese Schicht besaß genaue Kenntnisse des Koran (ähnlich den marabouts) der arabischen Welt. Sie zahlten keine Abgaben und waren oft den Adeligen gleichgestellt.


d) Die Vasallen (imrad)


Die Vasallengruppen stellen die zahlenmäßig größte Schicht. Früher waren sie für die Haltung der Ziegen verantwortlich und kümmerten sich um die Kamele der Adeligen. Sie führetn auch Karawanen durch. Eine andere Vasallengruppe waren die sesshaften Oasenbauern, die einen Teil ihrer Ernte an die Adeligen abgeben mussten.

e) Die Sklaven (eklan)


Die Nachfahren afrikanischer Sklaven verrichteten früher alle anfallenden Arbeiten für die Adeligen.


4) Religion und soziale Stellung der Frau


Zwar sind die Tuareg Muslime, im Gegensatz zu fast allen anderen islamischen Gesellschaften besitzt die Frau jedoch bei ihnen keineswegs wenige Rechte. Nicht die Frauen, sondern die Tuaregmänner verhüllen ihr Gesicht. Auch der in weiten Teilen Afrikas verbreitete grausame Brauch der Beschneidung und genitaler Verstümmelung junger Frauen fand nie Einzug in die Tuaregkultur.

Die Frau muss nicht jungfräulich in die Ehe gehen und bestimmt selbst, wen sie heiratet. Generell gehen junge Frauen zwar als Jungfrauen in die Ehe, aber es wird kein Beweis für die Jungfräulichkeit der Braut gefordert (wie etwa das blutbefleckte Betttuch nach der Hochzeitsnacht in anderen islamischen Kulturen). Der Druck, den Akt in der ersten Hochzeitsnacht zu vollziehen, existiert nicht; vielmehr wird vom Bräutigam erwartet, dass er Zurückhaltung übt und behutsam vorgeht, bis seine Braut zu körperlicher Liebe bereit ist. Scheidungen sind ebenfalls erlaubt und beiden Partnern bleibt dann das Recht, eine neue, andere Verbindung einzugehen. Das Haus und sein Inhalt gehören der Frau.

5) Sprache und Schrift


a) tinifagh


Bei den Tuareg gibt es keine Schreibkultur, obwohl sie eine eigene Schrift besitzen, das tifinagh. Es ist ging aus dem altlibyschen Alphabet hervor und besteht je nach Region aus 21 bis 27 streng geometrischen Schriftzeichen.


Tinifaghontschbe

Abb.: tinifagh Schriftzeichen


Vokale fehlen. Das Schriftbild ist sehr variabel und lässt dem Schreiber freie Wahl, ob er von oben nach unten, von unten nach oben, von rechts nach links oder von links nach rechts schreiben und ob er zwischen den Wörtern ein Leerzeichen lassen will oder nicht. Schmiede und Schmiedefrauen beherrschen das tifinagh. Schmuckstücke werden häufig mit Inschriften signiert. Tinifagh wird auch verwendet, um Liebeserklärungen in den Sand zu schreiben, die ein Mann seiner Angebeteten nicht direkt sagen kann. Es war Aufgabe der Frauen, den Kindern die Schriftzeichen zu lehren. Längere geschriebene Texte findet man allerdings kaum.


b) tamaschek


Die gemeinsame Sprache der Tuareg ist tamaschek. Insgesamt existieren 7 Dialekte, die zwar im groben einen allgemeinen Zusammenhang besitzen, sich jedoch oft sehr in Grammatik und der Bedeutung einzelner Wörter unterscheiden. Im Laufe der Zeit war diese Sprache vielen Einflüssen ausgesetzt, heute findet man daher keinen reinen Dialekt mehr, sondern innerhalb dem tamaschek arabische, französische und Haussawörter. Bedingt durch die Handelsbeziehungen beherrschen viele Tuareg mittlerweile ebenfalls die offizielle Handelssprache Westafrikas, Haussa.

Auf tamaschek gibt es das Wort "nein" kaum. Es wäre zu unhöflich und zu respektlos und könnte zu einer direkten Konfrontation führen, die den sozialen Frieden gefährden würde. Tangalt nennen die Tuareg diese Art der indirekten Ablehnung oder höflichen Umschreibung. Das Wort für "danke" findet auch nur in Ausnahmefällen Verwendung.

6) Kleidung, Schönheit, Schmuck


Tuareg tragen gri-gris, Lederamulette, die, je nach Inhalt, gegen Krankheiten, feindliche Waffen oder böse Geister helfen.


a) Frauen


Die Stoffe der Kleidung von Tuaregfrauen sind einfarbig, vorzugsweise Blautöne. Tuaregfrauen widmen ihrer Erscheinung viel Zeit. Allein die komplizierte Frisur nimmt of vier bis fünf Stunden in Anspruch. Hände und Fuße müssen mit filigranen Hennamustern geschmückt werden. Das weibliche Schönheitsideal ist Körperfülle, und das höchste Ziel, welches die Frauen mit ihrer äußeren Erscheinung verfolgen ist die weibliche Anmut und Zurückhaltung. Auch die Helligkeit der Hautfarbe spielt eine große Rolle - je heller, desto schöner.

Der gewickelte Rock, den die Frauen hier tragen, heißt pagne.



b) Männer


Das prestigeträchtigste Kleidungsstück der Männer ist sicherlich der tagelmust. Er hat eine rechteckige Grundform und eine begehrte, tiefblaue Farbe. An der Art der Wickeltechnik, der Verwendung eines Turbanbandes und der Form der Amulettbänder, die manchmal an dem Turban befestigt sind, sind die regionaltypischen Unterschiede zu erkennen. Bubu, das Übergewand, ist ein weites Tuchstück, welches in der Mitte eine kleine Öffnung für den Kopf besitzt. Angenähte Stoffbahnen ergeben weite Armel, die nach Belieben hochgeschlagen werden. Der bubu hat auf der Vorderseite eine große Tasche und ist oft bestickt. Darunter trägt "mann" eine weite Hose, die durch einen Ledergürtel am Bund gehalten wird und am Beinabschluss enger wird. Die seitlichen Nähte sind oft mit Zierstickereien versehen. Einige Männer tragen das traditionelle Langschwert, takuba.




7) Nahrung


Die traditionelle Nahrung der Tuareg besteht aus Milch und Hirse. Hirse in jeder Form - mit Wasser, Ziegenkäse und Datteln zu flüssigem Brei verrührt oder als fester, ungesalzener Pudding in warmer Kamelmilch. Tuaregfrauen bereiten manchmal im Sand gebackenes Brot aus Weizenmehl zu. An hohen Feiertagen wird ein Schaf geschlachtet. Gekocht wird in großen, schweren Eisentöpfen über offenem Feuer. Zu fast allen Gerichten wird gesalzene rote Soße aus Tomatenmark gereicht. Gemüse findet nur in der Stadt und bei den Oasenbauern Verwendung. Wenn die Ziegen genügend Milch geben, machen die Frauen takomert, einen Käse, den man zum Tee ist. An Süßem gibt es getrocknete oder zu Sirup verkochte Beeren, Datteln, Honig oder gezuckerte Erdnüsse. Ziegen- und Kamelmilch ist ein lebenswichtiges Grundnahrungsmittel. Das traditionelles Nomadenessen ist ein leicht gesalzener Hirsebrei in frischer, warmer Kamelmilch.


8) Rituale, Feste und tam tams


Die Tuareg feiern viele verschiedene Zeremonien. Das Hochzeitsritual zum Beispiel, dauert 7 Tage und 7 Nächte lang. Nach der Bezahlung des Brautpreises legen die Väter den Hochzeitstermin fest. In der Nacht vor der eigentlichen Hochzeit trägt man phantasievolle Gewänder aus bunten Haussastoffen. Braut und Bräutigam müssen sich bis zur Hennazeremonie vor der Öffentlichkeit verbergen. Während der Hennazeremonie werden die Farben dem Bräutigam auf Hände und Füße aufgetragen. Die Hochzeit gilt als vollstreckt.


Auch bei der Geburt eines Neugeborenen gibt es eine spezielle Zeremonie, zur der nur Frauen der weiblichen Linie der Verwandtschaft zugelassen sind. Parfümhölzer werden angezündet, und die Frauen beginnen zu tanzen und zu singen. Sie wandern in das mit Teppichen reich geschmückte Zimmer der Mutter. Ein tam tam schließt sich an. Tam tam heißen die kleinen Feste der Tuareg. Die Frauen bilden einen Kreis. Eine gibt den Takt vor und schlägt mit einer Gummisandale auf eine Kürbisschale, eine Kalebasse, die, auf den Kopf gestellt, in einer großen, mit Wasser gefüllten Emailleschüssel schwimmt. Die anderen singen, trällern und klatschen. Manchmal tanzen die Frauen, manchmal die Männer. Nur selten tanzen beide Geschlechter zusammen. Die Frauen wechseln sich in der Rolle der Vorsängerin ab. Eine beginnt mit einem Lied. Der Rest bildet den Chor.


Die Tuareg feiern auch viele Zeremonien, um böse Geister fernzuhalten. Dazu schrieb der deutsche Tuaregkenner, Dr. Hans Ritter 1993: "Diese Wesen der Einöde sind ihre Gestalt wandelnde und nach Belieben unsichtbare Wesen der einsamen Regionen, eine Art Schattengesellschaft der Lebenden. Sie bilden Familien, sind sterblich und stammen nach den meisten Quellen nicht von den Seelen der Toten ab. Da sie Blut lieben, spielen Tieropfer, etwa bei der Namensgebung, Hochzeit und auch bei Erkrankungen eine wichtige Rolle."


9) Medizinische Versorgung


Ausgebildete Arzte gibt es, sieht man von den seltenen Überlandfahrten der "Arzte ohne Grenzen" ab, nur in Arlit und Agadez.. Die traditionelle Medizin, die teilweise sehr wirksam, aber für den Patienten manchmal mühsam ist, "gerät angesichts der bunten Verpackungen aus dem Ausland ins Hintertreffen."[2].

Geburtenkontrolle und Verhütung sind wichtige Themen. Der Staat Niger fördert mit ausländischen Geldern die Geburtenregelung, um so die Bevölkerungsexplosion in den Griff zu bekommen. Die Pille oder eine dreimonatige Hormonspritze bekommt man kostenlos. Alle anderen Verhütungsmittel sind entweder zu unsicher, oder es fehlen die kulturellen und auch sanitären Voraussetzungen. Das staatliche Programm zeigt kaum Erfolg, da die Männer sich nicht darum kümmern und die wenigsten Frauen lesen können. Das Thema wird selten gemeinsam besprochen. Viele Kinder werden nach wie vor als gute Altersabsicherung betrachtet.

III. Die heutige Problematik


Die Tuareg werden heute als "stolze Ritter der Wüste" gerne romantisiert, jedoch ist ihre Kultur und ihr jahrhundertealtes Wissen, mit dem sie unter schwierigsten klimatischen Bedingungen überleben konnten, vom Untergang bedroht. Die traditionellen Wanderwege ihrer Herden sind jetzt durch Staatsgrenzen zerschnitten und Zölle behindern den Handel mit den Nachbarsvölkern. Die Kamelkarawanen, die dem Salzhandel dienten, werden immer seltener. Unkontrollierbar wandernde Bürger sind allerdings offenbar überall ein Alptraum für Politker und Bürokraten.


1) Dürrekatastrophen


In den extremen Dürreperioden der 70er und 80er Jahren verendeten zahllose Kamele, Schafe, Ziegen und Rinder der Tuareg. Viele Brunnen versiegten. Die Hilfe der Nichtregierungsorganisationen erreichte jedoch die Opfer der Katastrophe nicht, stattdessen tauchten die Hilfsgüter auf den Märkten des Südens auf, wo sie zu horrenden Preisen verkauft wurden.


Notgedrungen gaben viele ihr Nomadenleben auf und flohen vor der Trockenheit in die Städte und ins Exil nach Algerien und Libyen. Dort versprach ihnen Präsident Gaddhafi eine Ausbildung in seiner Armee und eine "Tuaregrepublik". Diese jungen Männer, die ishomar, sollten in dem darauffolgenden Bürgerkrieg eine bedeutende Rolle spielen. Die traditionelle Gesellschaftsform der Tuareg zerfiel in drei Teile: die verarmten Nomaden, die ishomar in der Fremde, und die in den Städte lebenden Tuareg.


Der Präsident Nigers, General Saibou, plante in den 80ern eine Reise nach Libyen, um sich mit den Führern der ishomar zu treffen und sie zu einer Rückkehr in den Niger zu bewegen. Gaddhafis Versprechungen waren leere Worte geblieben, stattdessen kämpften die ishomar in Kriegen, die ausschließlich Libyens Zwecken dienten. So kehrten viele zurück.


2) Die Tuaregrebellion


Die bittere Armut infolge der großen Sahel-Dürren, der daraus folgende Verlust des eigenen Lebensraums, die kollektive Perspektivlosigkeit, die Militärherrschaft und die mangelnde Teilhabe an der Politik entladen sich in bewaffneten Überfällen der zurückkehrenden ishomar auf die Symbole des Staates (die Verwaltungsbüros, Gendarmerieposten, Gerichte und Finanzkassen).



Am 7. Mai 1990 protestierte eine kleine Gruppe unbewaffneter, junger Tuareg gegen die Inhaftierung einiger Kameraden. Im Verlaufe eines Handgemenges wird ein Polizist von seiner eigenen Waffe getötet, die Tuareg fliehen in Panik. Innerhalb kurzer Zeit belegt das Militär das Lager mit stundenlangem Trommelfeuer. Im Umkreis von Tchin-Tabaraden werden die Nomadenzelte dem Erdboden gleichgemacht und die Brunnen besetzt, um ankommende Tuareg zu ermorden. Die Tuareg werden aufs Grausamste hingerichtet - dabei spielte es keine Rolle, ob die Opfer an dem Vorfall beteiligt waren.


Im Nachbarland Mali setzte die Übergangsregierung unter einem Militärgeneral setzte zu Vergeltungsschlägen der Armee gegen die zivile Tuaregevölkerung an. So wurden auf der Suche nach mutmaßlichen Angreifern wahllos Tuareg verhaftet, gefoltert, vergewaltigt und erschossen Hinzu kam noch, dass die Tuareg in Mali ihren größten Feind in ihren ehemaligen schwarzen Sklaven fanden, die nun wirtschaftliche und politische Macht besaßen und an ihren früheren hellhäutigeren Herren Rache übten.. Als Tuaregrebellen bei einem Überfall Waffen erbeuteten, verwüsteten Soldaten in der Stadt Timbuktu in Mali am 11. Mai 1991 systematisch die Geschäfte von Tuareg und verhafteten zahllose Zivilisten. Nur wenige Tage später wurden in der Stadt Léré 50 führende Persönlichkeiten der Tuareg von der Armee standrechtlich erschossen. Bei den Übergriffen der Militärs starben mindestens 2.000 Tuareg. Zehntausende flüchteten. So suchte rund die Hälfte der Tuaregbevölkerung Malis Schutz in den Nachbarländern.


1991 kam es zu Friedensvereinbarungen, die jedoch nur wenige Monate hielten. In Niger gründete sich am 20. Oktober 1991 die Befreiungsfront Aïr und Azwagh (FLAA). Diese Tuaregorganisation forderte vor allem die Autonomie der nördlichen Landesteile Nigers.


Der August 1992 bedeutete einen weiteren Höhepunkt an Grausamkeiten an den Tuareg, mehrere hundert Menschen wurden Opfer einer Regierung, die erst durch Nichtbeachtung, Verweigerung lebenswichtiger Hilfe und schließlich durch staatlichen Mord ("Endlösung") das "Tuaregproblem" zu lösen. Mit Hilfe von Claude Silberzahn, Generaldirektor des französischen Geheimdienstes, willigte Frankreich schließlich ein, in dem Konflikt die Vermittlerrolle zu übernehmen. Im Februar erlebte der Niger die ersten freien Parlamentswahlen, Präsident wurde Mahamane Ousmane.


Wenige Monate später schloss die malesische Regierung mit den Rebellenbewegungen den Nationalen Friedenspakt Mali. Darin waren unter anderem festgelegt:


  • Dezentralisierung der Verwaltung im Norden zugunsten der dort lebenden etwa 300.000 Tuareg
  • Größeres allgemeines Mitspracherecht
  • Gefangenenaustausch
  • Rückführung der Flüchtlinge, 50.000 in mauretanischen Lagern, 70.000 in Algerien
  • Integration der Tuaregkämpfer in die reguläre Armee
  • Maßnahmen zur ökonomischen Entwicklung

Schon 1993 stellte sich allerdings heraus, dass die Armee in Mali an einer militärischen Fortsetzung des Konflikts interessiert war und daher den Waffenstillstand immer wieder brach. Im selben Jahr kamen in Niger drei Waffenstillstände von jeweils dreimonatiger Dauer und ein Gefangenenaustausch durch Vorverhandlungen zustande.


Im Februar 1994 fand dann die erste Runde der Verhandlungen zwischen der nigrischen Regierung und den Rebellen in Burkina Faso unter Vermittlung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und der Beteiligung Algeriens, Malis und Burkina Fasos statt.


Erst am 15. April 1995 wurde der entgültige Friedensvertrag in Ouagadou paragraphiert und dam 24. April in Niamey feierlich unterzeichnet, allerdings verliehen nicht alle Widerstandsgruppen dem Abkommen ihre Unterschrift. Er enthält folgende wesentliche Punkte:


selbstständige Verwaltung der Regionen

Demilitarisierung und Rückgabe allen Kriegsmaterials

Generalamnestie aller Rebellen

Eingliederung der Rebellen in die Regierungstruppen

Hilfe zur Rückführung der Flüchtlinge

Wiederaufbau der Infrastruktur in den betroffenen Gebieten

Entwicklung der Landwirtschaft

Förderung des Bergbaus

Entwicklung des Gesundheitswesens

Entwicklung und Aufbau von Schulen

Verbesserung des Transport- und Kommunikationswesens

Ausbau des Tourismus


Mit der Unterzeichnung war ein erster Schritt in Richtung Frieden getan. Im demokratisch regierten Mali ist der politische Wille zur "Entwicklung" der Tuareggebiete erkennbar. Trotzdem gibt es zahlreiche Probleme. So werden zwar Krankenhäuser gebaut, doch es fehlt an Straßen, um Medikamente herbeizuschaffen. Im Nachbarland Niger gefährden Militärputsche immer wieder den Frieden. Und bis heute warten die Tuareg auf die ihnen zugesicherte Autonomie und finanzielle Förderung.


3) Mano Dayak


Mano Dayak wurde zur wichtigsten politischen Figur der Tuareg.




Er wurde um 1950 in Tidène (Aïr) geboren und wuchs in der Sahara auf. Französische Kolonialherren schickten ihn zur Schule und in ein Gymnasium in Agadez. Er studierte in den USA und in Paris. In seiner Heimat zurückgekehrt, eröffnete er ein Reisebüro, um die Wirtschaft in seinem Heimatland anzukurbeln und den Bewohnern der Region ein Einkommen zu sichern. Aus diesem Grund setzte er sich auch dafür ein, dass die Rallye Paris-Dakar über Agadez führte. Er versuchte mit allen Kräften, das Tuaregproblem einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen und die immer wieder drohenden blutigen Auseinandersetzungen abzuwenden. Durch seine Öffentlichkeitsarbeit und seine Popularität in Frankreich (ehemalige Kolonialmacht Nigers) gelang es ihm, mittels der französischen Medien Druck auf die nigrische Regierung auszuüben.


Er gründete 1991 die U.D.P.S. (Union für Demokratie und sozialen Fortschritt), mit der er sich um eine politische Lösung der Konflikte bemühte. Die U.D.P.S. fand schnell großen Zulauf in der Bevölkerung des Niger. Die Partei organisierte Informationsreisen, Konferenzen und Meetings. Sie trat für die Schaffung eines föderativen Systems ein, in dem sich alle nationalen Gemeinschaften im Rahmen ihrer kulturellen Besonderheiten entwickeln könnten. Die Regierung in Niamey (Hauptstadt des Niger) war jedoch zu diesem Zeitpunkt zu keinen Verhandlungen bereit. Trotz der gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Tchin-Tabaraden von Seiten des Militärs und der F.L.A.A., suchte Mano Dayak weiterhin nach einer politischen Lösung.


Mano Dayak starb am 15. Dezember 1995 auf dem Weg zu Verhandlungen wegen dem bis jetzt noch nicht eingehaltenen Friedensvertrag mit dem nigerischen Premierminister. Mano Dayaks Flugzeug explodierte beim Start.

IV. Verwendete Literatur


  • Mano Dayak, "Geboren mit Sand in den Augen" (Unionsverlag)
  • GEO Heft Nr. 8/1991
  • Désirée v. Trotha, "Die Enkel der Echse" (Goldmann)
  • Internet
  • Infomaterial von der "Gesellschaft für Bedrohte Völker" e.V.



Desirée v. Trotha, Die Enkel der Echse S. 164

Désirée v. Trotha, "Enkel der Echse" S. 168






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