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Wende - Zehn Jahre friedliche Revolution-Und was dann

Zehn Jahre friedliche Revolution:

Und was dann?

I.                                                                                  Einleitung

Was ist eine Revolution? Der Begriff schwankt inhaltlich zwischen "unaufhaltsamer Veränderung" und "gewaltsamer Umgestaltung".[1] Viel zu selten kann man Ereignissen der Geschichte die erste Interpretation des Begriffs zuweisen. Die Friedliche Revolution bildet dabei eine Ausnahme und hebt sich dadurch deutlich vom übrigen gewaltbereiten Konsens der Weltgeschichte ab.



"Revolutionen gehen von unten aus!"[2] Dieser Satz scheint eine Ode an den Sozialismus zu sein, da das Volk für eine friedliche Umwälzung verantwortlich gemacht wird. Es stellt sich also die Frage, warum der Sozialismus, der offensichtlich das Gute im Menschen hervorbrachte, letztlich scheiterte?

II.                                                                               Hauptteil

Die Endphase des SED-Regimes

Ab Mitte der achtziger Jahre verstärkte sich der innen- und außenpolitische Druck auf das SED-Regime. Der Reformkurs Michail Gorbatschows wurde von der Staatsführung der DDR strikt abgelehnt, ließ jedoch die Hoffnungen der Bevölkerung auf Liberalisierungen wachsen. Der Unzufriedenheit in der Bevölkerung über den Mangel an Demokratie und Freiheiten suchte die DDR-Führung sowohl durch sozialpolitische Maßnahmen wie z. B. Wohnungsbau, als auch mit einer Lockerung der Ausreisepolitik entgegenzuwirken. Trotzdem bildeten sich zahlreiche Oppositionsgruppen, deren Aktionsbereitschaft gegen Ende der achtziger Jahre sichtlich zunahm. Außerdem war bis zum November 1989 die Anzahl der Ausreiseanträge auf über 100 000 gestiegen.[3] Die Schriftstellerin Christa Wolf äußerte sich in einer Fernsehansprache zu diesen Problemen. Sie bat die Bürger der DDR, zu ihrem Vaterland zu halten und zu bleiben.[4]

Sowohl die kostspielige Sozialpolitik und die Subventionierung der Grundversorgung als auch die verfehlte Planwirtschaft vor allem im industriellen Bereich beschleunigte den wirtschaftlichen Verfall der DDR, dessen Ausmaß den Staat bis kurz vor den Bankrott trieb.[3]

Ursachen des Zerfalls unter Betrachtung der Dynamik politischer Systeme

Michail Gorbatschow hatte am 40. Jahrestag der DDR noch warnend betont: Gefährlich werde es für diejenigen, 'die nicht auf das Leben reagieren". Diese Außerungen erscheinen im Nachhinein wie eine Aufforderung an die DDR-Regierung, den Forderungen aus dem Volk nachzugeben.[5] Der Gedanke an den Beginn einer politischen Umgestaltung der DDR (siehe Anhang 1) begann jedoch zu spät. Das politische System war bereits destabilisiert. Wesentliche Faktoren dafür lassen sich parallel dazu an den jüngsten Entwicklungen zeitgenössischer politischer Systeme erkennen: Ihre Leistungsfähigkeit und damit ihr Bestand hängen letztlich von ihrer handlungsmäßigen und institutionellen Anpassungsfähigkeit durch strukturelle Differenzierungen ab, d.h. solche politischen Systeme, die Anpassungsleistungen an neue, sich rapide verändernde Umwelten auf Dauer nicht zu erbringen vermögen, geraten zunehmend stärker und auswegloser in Krisen, die sich zunächst als Regierbarkeitskrisen offenbaren, sich dann jedoch unaufhaltsam zu Systemkrisen vertiefen.[6]

Das Problem war also die Fortsetzung der politisch-ökonomischen Strategie, denn solange die gesetzmäßige Entwicklung zum Sozialismus/Kommunismus als immunisierende Ideologie zur Erhaltung des Status quo gefördert wird, ist nicht zu erwarten, daß anders verfahren wird als nach der Melodie: 'Mehr desselben!'. Die Eigendynamik ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse wird weiter in das Korsett eines repressiven und pädagogisierenden Staates gepreßt. Der reale Sozialismus wird ständig an einem gegebenen Verständnis von "Sozialismus" gemessen, doch die Realität kommt nicht ans Ideal heran, es sei denn, man erklärt das Ideal zur Realität.

Das Ergebnis: Die proletarische Gesellschaft erscheint als 'Prometheus in Fesseln', gefesselt durch eine rigide staatlich-parteiliche Kontrollmaschinerie, die gerade das blockiert, was sie selbst immer propagiert, nämlich Kollektivität und Plandemokratie.[7]

Der Beginn einer Veränderung

Bild [11]

Die Situation in der DDR eskalierte, nachdem im Mai 1989 oppositionelle Bürgerrechtsbewegungen während der Kommunalwahlen Wahlfälschungen nachweisen konnten. Die Staatsführung reagierte mit Restriktionen. Im Laufe des Sommers 1989 flüchteten Tausende DDR-Bürger in bundesdeutsche Botschaften, vor allem in die der Tschechoslowakei und Ungarn. Gleichzeitig kam es ab dem 25. September 1989 überall zu Massendemonstrationen, über die das Regime keine Kontrolle mehr hatte.[3]

Als am Abend des 9. Novembers bei der Pressekonferenz des neuen Politbüros mit Günter Schabowski ein Reporter der italienischen Nachrichtenagentur ANSA routinemäßig fragt, wie es denn nun aussehen solle mit einer neuen Reiseregelung für DDR-Bürger, liest Schabowski monoton einen ihm zugeschobenen Zettel ab: "Mir ist eben mitgeteilt worden - der Ministerrat der DDR hat beschlossen: Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt." Stille herrscht im Saal, bis die Presseleute die Sensation erfassen, die sich hinter dem dürren Amtsdeutsch verbirgt. Ab wann? "Wenn ich richtig informiert bin, nach meiner Kenntnis unverzüglich", sagt Schabowski, jetzt selbst zögernd.

Um 20:30 Uhr werden die Ereignisse im Bundestag in Bonn bekannt. Drei Abgeordnete stimmen spontan die Nationalhymne an, viele Politiker haben Tränen in den Augen.

Gegen 21:30 Uhr stürmen die ersten Ostberliner an die Grenzen nach Westberlin, es herrscht Ungewißheit unter den Grenzsoldaten, niemand wird durchgelassen. Dann, um 22 Uhr brechen alle Dämme, der Schießbefehl wird aufgehoben, die Grenzen sind offen. [4]

Die Ereignisse überschlugen sich. "Zäune und Mauern müssen fallen. Aber wir wollen nicht das Armenhaus Deutschlands werden!"[8] Das frisch zugelassene "Neue Forum" formulierte diesen Satz, welcher am besten vor übertriebener Hast bei weitreichenden politischen Entscheidungen warnen sollte, denn von den ersten "Wir sind ein Volk!"-Parolen  bis zur Wiedervereinigung war es noch ein weiter Weg. Die Menschen wollten die Union um jeden Preis. Plötzlich bekam die Bevölkerung jedoch Angst, dass ihr Staat und damit ihr Humankapital im Zuge der Wiedervereinigung von der BRD verschlungen werden würde und ein Ausverkauf ihrer materiellen und moralischen Werte hätte stattfinden können.[9] Gleichzeitig erlangte die Bevölkerung das Gefühl einer Enttäuschung, da die von ihr selbst hochgeputschte Vorstellung einer sozialen und ökonomischen Vollkommenheit im Kapitalismus nicht der Realität entsprach.

III.                                                                                   Das Resultat

Die Wende war also ein Zusammenwirken vieler Faktoren: Das marode Wirtschaftssystem stand dabei an erster Stelle. Die Unzufriedenheit über den stark rudimentären "Parteipluralismus", welcher keine echte Demokratie ermöglichte, sowie die starke Abschottung gegen westliche Einflüsse seit den siebziger Jahren, die den Menschen keine Reisefreiheit ließ und zusätzlich die Neugier nur unnötig steigerte, spitzten die Lage letztendlich zu.

"Vergessen! Verfälschen!" Eingebrannt ins Gedächtnis der Menschen spielt diese persönliche Haltung des einzelnen immer eine entscheidende Rolle bei jeglicher Erinnerung an das "Damals":

In den meisten Köpfen wird beispielsweise als ein positiver Aspekt der DDR-Politik die nicht vorhandene Arbeitslosigkeit gewertet. Das Aufbringen der dafür nötigen Mittel sowie die Sinnlosigkeit einiger Arbeitsplätze speziell in der Verwaltung werden jedoch gern übersehen oder gar vergessen. Dadurch entsteht ein verfälschtes Bild der Wirklichkeit. Da zusätzlich der Grad des Vergessens mit dem Laufe der Zeit zunimmt, verschönert sich die Vorstellung der Vergangenheit zunehmend. Im Gegensatz dazu steht das Kind (aus dem Zitat im Quelltext Zeile 48): Nur ihm ist es möglich, die Geschichte unvoreingenommen zu betrachten, während es dem Bürger, beeinflußt durch das eigene Erleben der Realität im Sozialismus, ohne eine objektive Reflektion der Geschehnisse nicht möglich erscheint, sich vom Inseldenken zu lösen.

Es muss daher darauf geachtet werden, dass eine objektive Betrachtung heute für alle Bürger gewährleistet wird - durch Schule, Informationsveranstaltungen, und Medien. Da ich noch nicht alt genug war, die Wende und ihre Hintergründe bewußt zu erfassen, ist mein persönliches Verhältnis zur Wende größtenteils von den Erzählungen meiner Eltern sowie von den oben genannten Informationsquellen geprägt. Für mich ist daher das Geschehene Geschichte, welche zeigt, wie sich die gegenwärtige Existenz und die Elemente der Vergangenheit einander bedingen. Jegliche Kenntnis der Historie ist damit eine Erfahrung, die mir hilft, die Gegenwart zu erklären und gleichzeitig das Treffen zukünftiger Entscheidungen zu erleichtern.






Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlußfolgerung

Ausgehend vom Auftrag des Generalsekretärs des ZK der SED, Genossen Egon Krenz, ein ungeschminktes Bild der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen vorzulegen, wird Folgendes dargelegt:

I. Die Deutsche Demokratische Republik hat beim Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft bedeutende Erfolge erreicht, die auch international anerkannt werden. In einer zur Vorbereitung des XII. Parteitages ausgearbeiteten Analyse werden die auf vielen Gebieten erreichten bedeutenden Erfolge bei der Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR ausführlich dargelegt, die hier nur zusammengefasst eingeschätzt sind

Im internationalen Vergleich der Arbeitsproduktivität liegt die DDR gegenwärtig um 40 % hinter der BRD zurück. Im Einsatz des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens sowie der zur Verfügung stehenden Ressourcen besteht ein Missverhältnis zwischen dem gesellschaftlichen Überbau und der Produktionsbasis. Die Verschuldung im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet ist seit dem VIII. Parteitag gegenwärtig auf eine Höhe gestiegen, die die Zahlungsfähigkeit der DDR in Frage stellt.

Die ökonomische Lage der DDR wird durch folgende Hauptfakten gekennzeichnet: Im Zeitraum seit dem VIII. Parteitag wuchs insgesamt der Verbrauch schneller als die eigenen Leistungen. Es wurde mehr verbraucht als aus eigener Produktion erwirtschaftet wurde zu Lasten der Verschuldung im NSW[1], die sich von 2 Mrd. VM 1970 auf 49 Mrd. VM 1989 erhöht hat. Das bedeutet, dass die Sozialpolitik seit dem VIII. Parteitag nicht in vollem Umfang auf eigenen Leistungen beruht, sondern zu einer wachsenden Verschuldung im NSW führte. Hinzu kommt, dass das Tempo der Entwicklung der Geldeinnahmen der Bevölkerung höher war als das des Warenfonds zur Versorgung der Bevölkerung. Das führte trotz eines hohen Niveaus der Versorgung zu Mangelerscheinungen im Angebot und zu einem beträchtlichen Kaufkraftüberhang Der Fünfjahrplan 1986 -1990 für das NSW wird in bedeutendem Umfang nicht erfüllt. Bereits in den Jahren 1971 - 1980 wurden 21 Mrd. VM mehr importiert als exportiert. Das ist im Zusammenhang mit der dazu erforderlich gewordenen Kreditaufnahme und den Zinsen die Hauptursache des heutigen außergewöhnlich hohen Schuldenberges ..

II. Welche Schlussfolgerungen können angesichts dieser Situation vorgeschlagen werden ?

1. Die grundsätzlichen gesellschaftlichen Ziele, die für die Zukunft gestellt werden, müssen mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes unter Berücksichtigung der charakterisierten ökonomischen Situation in Übereinstimmung gebracht werden. Es ist eine grundsätzliche Anderung der Wirtschaftspolitik der DDR verbunden mit einer Wirtschaftsreform erforderlich

Wichtige Persönlichkeiten dieser Zeit [8]

Bohley, Bärbel (*1945); seit 1974 freischaffende Malerin und Grafikerin; einflußreiche Wortführerin in der Friedensbewegung der DDR; Mitgründerin von Neues Forum

de Mezière, Lothar (*1940); Rechtsanwalt; seit 1956 Mitglied der Ost-CDU; 1989-91 Vorsitzender der Ost-CDU, April bis Oktober 1990 Ministerpräsident der DDR

Gorbatschow, Michael (*1931); Mechaniker; Jurist; 1978 Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU; 1985-91 Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU; 1989 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991 auch Staatspräsident

Gysi, Gregor (*1948); Rechtsanwalt; seit 1967 Mitglied der SED; 1989-92 Vorsitzender der PDS; 1990 Mitglied der Volkskammer; seit 03.10.1990 Mitglied es Deutschen Bundestages

Hager, Kurt (*1912); Journalist; 1933-45 Emigration; seit 1955 verantwortlicher Sekretär des SED-Zentralkomitees für Kultur und Wissenschaft; führender Ideologe der SED, wurde am 21.01.1990 aus der Partei ausgeschlossen

Honecker, Erich (1912-1994); Dachdecker; ab 1929 KPD-Mitglied; 1935-45 politischer Gefangener; 1946-89 Mitglied des Zentralkomitees der SED; 1976-89 Staatsratsvorsitzender der DDR; wurde am 03.12.1989 aus der Partei ausgeschlossen.

Kohl, Helmut (*1930); Studium der Rechts- und Staatswissenschaften sowie Geschichte, ab 1947 CDU-Mitglied; seit 1964 Mitglied des Bundesvorstandes; seit 1969 Mitglied des Parteipräsidiums; seit 1972 Bundestagsmitglied; seit 1973 CDU-Vorsitzender; seit 1982 Bundeskanzler

Krenz, Egon (*1937); Lehrer; 1974 1.Sekretär des Zentralrats der FDJ; 1983-89 Mitglied des Politbüros der SED; 18.10.1989-06.12.1989 Partei- und Staatschef der DDR; wurde am 21.01.1990 aus der Partei ausgeschlossen.

Mielke, Erich (*1907); Eisenbahnbeamter; 1925 KPD-Mitglied, 1950 ZK der SED-Mitglied; 1957-89 Minister für Staatssicherheit; 1976-89 Mitglied des Politbüros des ZK der SED; wurde am 03.12.1989 aus der Partei ausgeschlossen

Modrow, Hans (*1928); gelernter Maschinenschlosser, Lehrer; 1973-89 1.Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden; Nov.1989-März 1990 Vorsitzender des Ministerrates der DDR; seit 03.10.1990 Bundestagsmitglied (PDS)

Reich, Jens (*1940); Arzt, Molekularbiologe; Unterzeichner der Gründungserklärung des Neuen Forums; 1990 Abgeordneter der Volkskammer

IV.                                                                                    Literaturverzeichnis

dtv-Lexikon, F. A. Brockhaus GmbH & Deutscher Taschenbuchverlag © 1997, Band 15, S. 155, Stichwort Revolution

Auszug aus der Rede der DDR Schriftstellerin Christa Wolf vor rund 500000 Demonstranten in Ostberlin am 4. Nov. 1989, aus: Frankfurter Rundschau, 9.11.1989, S.10

Microsoft Encarta ©1997, Stichwort Deutsche Demokratische Republik

TV-Sendungen "Chronik der Wende", ORB ©1994, vom 5.11.94 - 13.11.94

http://www.zum.de/ZUM/Faecher/Gk/HE/111/wandel/01ueberb.doc, zuletzt geändert: 26.4.99

Theo Stammen, Grundlagen der Politik, in: Grundwissen Politik, hrsg. v. der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1991, S. 22 ff.

Timm Kunstreich: "Proletarische Gesellschaft - 'Prometheus in Fesseln'?" ©1986, bei http://glasnost.glasnost.de/hist/ddr/ddr86.html, zuletzt geändert: 22.3.98

http://www.referate.heim.at/html/w/wende01.htm, zuletzt geändert: 12.2.99

http://glasnost.glasnost.de/hist/ddr/89krenz.html, zuletzt geändert: 2.9.96

http://www.zum.de/zum/faecher/gk/he/111/wandel/06ende.doc, zuletzt geändert: 26.4.99

http://www.zum.de/zum/faecher/gk/he/111/wandel/04demo.doc, zuletzt geändert: 26.4.99


Aufgaben:


Geben Sie die geschichtlichen Hintergründe der damaligen Zeit an!

Stellen Sie Ihr persönliches Verhältnis zur Wende dar und interpretieren Sie in diesem Zusammenhang das Zitat: "Vergessen! Verfälschen!" aus Kindheitsmuster von Christa Wolf!

Geben Sie Möglichkeiten an, wie man gewährleisten kann, dass auch zukünftige Generationen über dieses Thema informiert werden!



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