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Bevolkerungsproblematik in China





Anmerkung:        Bewusst werden im Text Präsens und verschiedene Vergangenheitszeiten nebeneinander verwendet. Dies trägt u. a. der Tatsache Rechnung, dass einige Quellen altes oder älteres Datenmaterial enthalten.

Vorwort


Da die Ressourcen des „Raumschiffes“ Erde begrenzt sind, geniesst die Kontrolle des Bevölkerungswachstums zentrale Bedeutung. Am Beispiel der Volksrepublik China sei gezeigt, welche Wege der Bevölkerungskontrolle ein Drittweltland beschreiten kann. Allerdings sind einige der beschriebenen Massnahmen ethisch sehr fragwürdig und nur unter diktatorischen Verhältnissen durchzuführen. Trotzdem kommt den chinesischen Anstrengungen in gewisser Weise modellhafter Charakter zu.















































1. Bevölkerungsentwicklung bis zum 20. Jh.


Für die Darstellung der grossen Entwicklungslinien der chinesischen Bevölkerung zu Beginn unserer Zeitrechnung ist verhältnismässig gutes Zahlenmaterial vorhanden. Für die Daten aus der Zeit vom 10. – 17. Jh. ergibt sich jedoch ein Unsicherheitsfaktor daraus, dass der Begriff der Familie und der fronpflichtigen Männer in erster Linie fiskalische Bedeutung hatte und nicht notwendigerweise den demographischen[1] Gegebenheiten entsprach. Das Bild, das sich aus den Volkszählungen der Jahre +2 und 140 (den besten der älteren Zeit ) ergibt, zeigt sehr deutlich das Ende eines langen Besiedlungs- und Urbarmachungsprozesses, dessen Beginn auf etwa zwei oder drei Jtsd. vorher zur Zeit der neolithischen Revolution anzusetzen ist. Mit einer Bevölkerung von 50 – 60 Mio. schien China ein demographisches Gleichgewicht erreicht zu haben.

Zu Beginn des 13. Jh. mag China etwa 100 – 120 Mio. Einwohner gezählt haben, von welchen mehr als die Hälfte in den südlichen Provinzen ansässig war. Man weiss nur wenig über die Auswirkungen der mongolischen Eroberung am Ende des 13. Jh. Es ist nicht sicher, ob sie wirklich die Katastrophe war, als welche sie die Geschichtsschreibung darstellt. Jedoch ist Tatsache, dass das Land bei seiner Befreiung von den nomadischen Eroberern (1360) mindestens 40% der Bevölkerung verloren hatte. Vom Ende des 17. Jh. bis 1830 verdreifachte sich die Bevölkerung von 140 auf 400 Mio. Ein solcher Bevölkerungszuwachs erinnert stark an die gegenwärtige Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt. Er ist besonders bemerkenswert, weil er unmittelbar der europäischen Bevölkerungsexplosion voranging, ohne jedoch mit einer technischen oder industriellen Revolution in Zusammenhang zu stehen. Er erfasste das gesamte Gebiet Chinas, vor allem aber die halbtrockenen Provinzen des Nordwestens, wo die Bevölkerungszahl sich zwischen dem 16. Und 18. Jh. vervierfachte.


Das Fehlen einer sorgfältigen Dokumentation der Bevölkerungsentwicklung Chinas nach 1850 erschwert genaue Aussagen. Nachdem China 1850 430 Mio. Einwohner zählte, trat eine lange Zeit der Stagnation, sogar des Bevölkerungsrückgangs ein. Die meisten Beobachter am Ende des Kaiserreichs oder zu Beginn der Republik schätzten die Einwohnerzahl auf 400 Mio. Die Volkszählung von 1908, die allerdings unter sehr mangelhaften Bedingungen durchgeführt wurde, bezifferte die Einwohner des Kaiserreiches auf 374 Mio., eine Zahl, die jedoch sofort angezweifelt wurde. Verschiedene spätere Schätzungen schwanken um 450 Mio.

In der ersten Hälfte des 20. Jh. zeigte China die meisten der charakteristischen Merkmale eines unterentwickelten Landes. Vorwiegend landwirtschaftlich ausgerichtet, hatte es die Folgen der Bevölkerungsexplosion des 18. Jh. nicht überwinden können. Zweierlei fällt besonders auf: die ländliche Übervölkerung und das geringe Durchschnittsalter. Die Übervölkerung  machte sich allerdings nicht, wie oft behauptet wird, in allen Landesteilen gleichermassen bemerkbar, da sie sehr ungleich verteilt war. In Bezug auf die durchschnittliche Lebenserwartung befand sich China jedoch im Gegensatz zu dem ehemaligen Britisch – Indien in einer sehr viel besseren Lage. Mit einer mittleren Lebenserwartung von 34 Jahren würde China heute sogar einen verhältnismässig guten Platz im Vergleich zu den Staaten der Dritten Welt einnehmen. Die Schwankungen der Sterblichkeitsziffern lassen sich schwerer rekonstruieren. Während der ersten Hälfte des 20. Jh. blieb China, das Land der Hungersnöte und Naturkatastrophen, weder vom Bürgerkrieg noch von den traditionellen Zyklen der Trockenheit und Überschwemmungen verschont. Man kann höchstens sagen, dass unter normalen Bedingungen die Sterbequote bei etwa 30‰ lag. Diese verhältnismässig hohe Zahl war durch eine Säuglings- und Kindersterblichkeit von etwa 300‰ bedingt, d.h., dass nur zwei von drei Kindern älter als 5 Jahre alt wurden, ein Verhältnis, das etwas günstiger liegt als die vergleichbaren Zahlen des ehemaligen Britisch-Indien.



2. Bevölkerungsproblematik in der Volksrepublik China




Über die Bevölkerung und deren Entwicklung um 1930 liegen kaum detaillierte Informationen vor. Nach Abwä­gen der Geburten- und Sterblichkeitsrate ist jedoch ein Bruttozuwachs von ca. 1% anzunehmen. Dieser für China tiefe Wert gründet in der geringen Anzahl verheirateter Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter und einer hohen Kindersterblichkeitsrate von ca. 1/3, da China in der ersten Hälfte des 20. Jh. weder von Hungersnöten und Bürgerkriegen noch von anderen Naturkatastrophen und Dürreperioden verschont blieb.



Abb. 1: In nächster Zukunft wird Chinas Bevölkerung noch weiter steigen, wird sich aber höchstwahrscheinlich zu Beginn des 21. Jahrhunderts bei rund 1,4 Mia. stabilisieren.


1953 wurde das wahre Ausmass des Bevölkerungsproblems erst richtig erkannt. Die von einer Volkszählung hervorgebrachte Zahl von 582 Mio. Einwohnern überstieg jede Schätzung bei weitem. Sie zeigt, dass Chinas Bevölkerung trotz sehr ungünstiger Verhältnisse weiter gewachsen war. In den ersten Jahren der Volksrepublik wuchs die Bevölkerung sogar noch schneller, so dass es 1959 schon 650 Mio. und 1970 wahrscheinlich 800 Mio. zählte. Diese Entwicklung hat die Lage der Volksrepublik erheblich beeinflusst und es lässt sich trotz öffentlicher Dementis sagen, dass der Rhythmus des Bevölkerungszuwachses für die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Landes das grösste Problem darstellte.

Bemerkenswert ist, dass der 2. Weltkrieg nicht wie in vielen andern Ländern eine Einschnürung in die Bevölkerungspyramide, sondern einen Rückgang der männlichen Bevölkerung und eine allgemeine Verjüngung brachte. Diese Tatsache ist auf die aussergewöhnliche Grausamkeit des Krieges mit Japan zurückzuführen, die alle Altersstufen gleich stark betraf. Die erwähnte Verjüngung beginnt ihre Auswirkungen im ersten Fünfjahresplan zu zeigen (1953-1957). Während der Anteil der Jugendlichen unter 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung  von 44 auf 49% stieg, sank der Anteil der Erwachsenen zwischen 20 und 49 Jahren von 42 auf 39%. Genauere Faktoren der Bevölkerungsentwicklung sind auch aus dieser Zeit nicht bekannt. Man nimmt jedoch allgemein an, dass der schnellen Bevölkerungsentwicklung der 50er Jahre eine jährliche Zuwachsrate von 2% zu Grunde liegt, was einer jährlichen Zunahme von etwa 14 Mio. Menschen entspricht. Dieses schnelle Wachstum muss als Ergebnis einer ungleich sinkenden Sterbe- und Geburtenziffer gesehen werden, welches ein klassisches Phänomen beim Übergang von einer traditionellen zu einer modernen Bevölkerungsstruktur darstellt. Laut den vom chinesischen Staat herausgegebenen Zahlen sank die Sterbequote in der Zeit von 1952 - 1957 von 18 auf 11%, während die Geburtenzahl nur von 37 auf 33% sank. Während die stabile Geburtenzahl mit jährlich 21.5 Mio. Geburten der Realität zu entsprechen scheint, ist der Rückgang der Sterblichkeit mit Vorbehalten zu versehen. Ihr Sinken von 9.8 Mio. auf 6.9 Mio. könnte sowohl durch einen starken Rückgang der Säuglingssterblichkeit, die jedoch zweifellos höher liegen dürfte als von den Behörden angegeben, wie auch durch einen sehr erstaunlichen Rückgang der Sterbefälle bei Erwachsenen bedingt sein. Die zu geringe Registrierung der Sterbefälle wird jedoch durch die zu geringe Registrierung der Geburten etwa ausgeglichen.

Durch die weit verbreitete Anwendung von Verhütungsmitteln bekommt eine chinesische Frau im Schnitt nicht einmal mehr 2 Kinder, wodurch die Bevölkerung sogar sinken würde. Doch das scheint recht unwahrscheinlich, da die Lebenserwartung seit 1949 auf das Doppelte wuchs – auf 71 Jahre. Zudem sind derzeit ca. 125 Mio. Frauen im idealen Gebäralter, – so viele wie nie zuvor – wodurch sich Maos Bevölkerungspolitik als Echo ein zweites mal auswirkt.

China hat heute schon mit den klassischen Problemen der Städte in Industrienationen zu kämpfen: zuviel Verkehr, schlechte Luft, Lärm. Schon jetzt sind die Städte teilweise für LKW’s gesperrt.



3. Politische Bewältigung der Bevölkerungsexplosion


In früheren Zeiten herrschte in China die Ansicht, dass die Bevölkerung ein Mass für die Weisheit des Herrschers sei. Man war daran interessiert, eine möglichst grosse Bevölkerung zu haben, die jedoch von Kriegen und Naturkatastrophen leicht verkleinert werden konnte. So hielt sich die Bevölkerung in einem natürlichen Gleichgewicht. Im Rahmen der Bevölkerungsumwälzung der neueren Zeit erkannte man im 18. Jh. den Zusammenhang zwischen der ständigen Preissteigerung, der Verelendung des Volkes und der Bevölkerungsexplosion. Doch selbst im 19. Jh., als auch der Niedergang Chinas langsam mit der Überbevölkerung in Zusammenhang gebracht wurde, dachte niemand daran, der Bevölkerungsexplosion auf politischem Weg, etwa durch Geburtenkontrolle, Einhalt zu gewähren. Es herrschte allgemein die Ansicht, dass die Kriege und Katastrophen, die den Untergang jeder Dynastie begleiten, das Problem regeln werde. Die Behörden waren der Meinung, dass sie die Zuwachsquote von 1% durch Krisen und Katastrophen zu einem Nullwachstum reduzieren würde. Doch trotz 15 Jahren Krieg und Revolution (ca. 1930 - 45) stagnierte die Bevölkerung keineswegs, sie stieg sogar mit einer Zuwachsquote von  2% noch schneller. Z.T. war das starke Wachstum auch durch Anstrengungen von Staat und internatio­nalen karitativen Organisationen bedingt, die versuchten Epidemien, Hungersnöte etc. einzudämmen. Diese Zuwachsrate führte zu einer Verdoppelung der Bevölkerung allein in den 30er Jahren.

In den ersten Jahren der kommunistischen Volksrepublik, die 1948/49 gegründet wurde, wurde jeder Versuch über eine politisch geplante Beschränkung des Bevölkerungswachstums zu diskutieren mit dem Zitat Maos abgeblockt: „Es ist eine ausgezeichnete Sache, dass China eine grosse Bevölkerung hat!“ (aus: Staiger Brunhilde, 1980: 103). Auch ideologisch waren solche Massnahmen nicht erwünscht, da Geburtenbeschränkung immer mit grosser wirtschaftlicher Not und Versagen eines Herrschers in Zusammenhang gebracht wurde.

Erst unter dem Druck konkreter Verteilungsprobleme und einer schwer kontrollierbaren Landflucht, die eine Wohnraumknappheit in den Städten verursachte, konnten sich Befürworter der Geburtenkontrolle innerhalb der Partei zu Wort melden. Mitte der 50er Jahre kam es zu einem Kompromissvorschlag, nachdem Geburtenplanung nicht mehr länger als Bankerotterklärung angesehen wurde, sondern in den Gesamtrahmen sozio-ökonomischer Planung mit einbezogen wurde. Mao Tse-tung brachte diese Haltung später auf die Formel, die in China heute noch gilt: „Wir dürfen es nicht zulassen, dass in der menschlichen Reproduktion Anarchie herrscht, deshalb ist es auch nötig Geburten zu planen.“ (aus: Staiger Brunhilde, 1980: 105). Vornehmlich ökonomische Gründe führten zu dieser Einsicht und dazu, dass seit 1956 eine Politik mit Geburtenkontrolle betrieben wurde. Doch auch diese war von der Erklärung Maos geprägt, dass es in einem kommunistischen Staat keine Überbevölkerung gebe, dass eine grosse Bevölkerung ein gute Sache sei. Die Befürworter von Geburtenkontrollen hatten im Endeffekt zwar recht, lagen in einem Punkt der wirtschaftlichen Folgen aber falsch. Dass eine Bevölkerungsvermehrung keine Vermehrung des Nahrungsmittelangebots nach sich ziehen muss, trifft auf China nicht zu. Einer Bevölkerungszunahme von 30% in 15 Jahren stand eine Zunahme der Getreideproduktion von 40% gegenüber. Zusätzlich herrschte zum Teil ein Mangel an ungelernten Arbeitskräften. Auf lange Sicht hinaus musste der jährliche Arbeitskräfteüberschuss (ca. 10 Mio.), der jedes Jahr zu den ca. 20 Mio. Arbeitslosen (1957) hinzukamen, Wirtschaft und Gesellschaft teuer zu stehen kommen. So wandelte sich die Ursache des Problems Überbevölkerung von der ungerechten Verteilung der Arbeit, wie es Mao erklärte und durch das kommu­nistische System löste, zu einer Knappheit an verfügbarem Kapital für Investitionen. China lief damit Gefahr seine technologische Revolution zu verpassen, da es auf Techniker setzten musste, deren Produktivität relativ gering war.

Dass Chinas Führung Massnahmen zur Geburtenkontrolle ergriff und zu unterstützen begann, ist u.a. auch auf die Hartnäckigkeit des chinesischen Frauenverbandes zurückzuführen, der trotz einigen Rückschlägen die Geburtenkontrolle stets als Emanzipation der Stellung der Frau verfochten.





4. Erste Massnahmen zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums


Die Frage der Geburtenbeschränkung wurde 1963 anlässlich der beginnenden Bewegung für sozialistische Erziehung wieder aktuell. In der Hauptphase der Grossen Proletarischen Kulturrevolution[3] trat sie in den Hintergrund, schien aber von der späteren Führungsspitze wieder gebilligt zu werden. Trotz der Vielfalt der angewandten Methoden und gesetzgeberischen Mittel lässt sich dennoch eine Entwicklungslinie der chinesischen Bevölkerungspolitik erkennen. Während der ersten Kampagne für die Geburtenbeschränkung, 1956, befürwortete die Regierung sowohl die Anwendung traditioneller Verhütungsmittel als auch die freiwillige Sterilisation von Männern und Frauen. Das wirksamste Mittel bleibt jedoch die Abtreibung, deren gesetzliche Regelung gemildert wurde und die man mit Hilfe indirekter wirtschaftlicher Sanktionen gegenüber zu grossen Familien unterstützt. Die Abtreibung wird verheirateten Frauen empfohlen, die bereits zwei Kinder haben und deren Einkünfte gering sind: sie wird, bei vorheriger Einwilligung der Eheleute und ggf. auch deren Eltern, kostenfrei in Krankenhäusern durchgeführt. Im Verlauf der folgenden Periode wurde der Akzent stärker auf die regelmässige Anwendung von Präservativen und intrauterinen Verhütungsmitteln gelegt. Gleichzeitig wurde im Rahmen der Bewegung für Sozialistische Erziehung für ein höheres Alter bei der Eheschliessung geworben. Seit der „Kulturrevolution“ wurden vor allem die oralen Verhütungsmittel von der Regierung empfohlen. In den 60er Jahren wurde allgemein eine sog. 22-Tage-Pille benutzt. Darüber hinaus bemüht sich die Forschung um die Gewinnung eines Kontrazeptionsmittels, das männliche oder weibliche Unfruchtbarkeit für eine Dauer von mehreren Monaten oder einem Jahr herbeiführen soll. Mangels genauer Untersuchungen sind die Ergebnisse dieser Politik der Geburtenbeschränkung schwer abzuschätzen. Zu Beginn hat der grosse Mangel an Arzten und Sanitätern, unter dem das Land litt, die Verbreitung des Gebrauchs von Verhütungsmitteln gehemmt und die Inanspruchnahme von Abtreibungsmöglichkeiten begrenzt. Ausserdem muss man Zurückhaltung und Widerstand einer Bevölkerung in Betracht ziehen, für welche die Zahl der Kinder eine Beweis familiären Glücks darstellt. Viele Anzeichen weisen also darauf hin, dass die Bemühungen der Arzteschaft und des Frauenverbandes vor 1965 nicht über den Rahmen der Stadtbevölkerung hinaus wirksam geworden sind. Unter diesen Umständen ist es besonders schwierig, die leichte Senkung der Bruttozuwachsrate der Bevölkerung von 1966 an zu analysieren. Die von der Regierung mit Nachdruck empfohlene Erhöhung des Heiratsalters für Frauen auf 25 konnte allein schon die Fruchtbarkeitsquote um 20% herabsetzen. Diese Situation änderte sich aber vollkommen, als die Kinder, die nach 1949 geboren wurden, das Erwachsenenalter erreichten. Eine Projektion der Alterspyramide von 1953 zeigt für die Zeit nach 1968 eine schneller steigende Zuwachsrate von Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter.

Die Senkung der natürlichen Zuwachsrate der Bevölkerung auf 1% schien auf lange Sicht das Ziel der chinesischen Regierung zu sein.



5. Die Ein–Kind–Politik


In den 70er Jahren wurde auf dem Land das Heiratsalter für Frauen auf 23, für Männer auf 25 Jahre heraufgesetzt, in der Stadt gar auf 25 und 28 Jahre. Wer das neue Recht verletzte, dem drohten harte Strafen. Wer die Norm erfüllte, konnte mit Belohnungen rechnen.

Tatsächlich sank die durchschnittliche Kinderzahl in den siebziger Jahren um mehr als die Hälfte – auf 2,5 pro Frau. In solch einem Tempo hatte sich noch keine Nation der Welt das Gebären abgewöhnt. Doch für Maos radikale Nachfolger war das noch zu wenig. 1979 präsentierten sie dem Land, in dem viele Kinder und vor allem Söhne seit jeher eine wichtige Rolle spielten, den nächsten Schocker: das Postulat der Ein–Kind–Familie.

Die neue Vorgabe liess sich nur mit stalinistischen Methoden durchsetzen. Fabriken, Dörfer, Gemeinden, Bezirke und Provinzen – alle Ebenen der Gesellschaft bekamen Quoten zugeteilt, die von strammen Parteikadern und Familienplanungs-Komitees überwacht wurden und keinesfalls überschritten werden durften. Deng Xiao-ping, seit 1977 der neue starke Mann Chinas, gab die Losung aus: „Nutzt, mit welchen Mitteln auch immer, alle Möglichkeiten, um die Bevölkerung zu reduzieren – aber tut es.“

Jede Frau brauchte seither ein Zertifikat zum Schwangerwerden. Bei Paaren mit zwei oder mehr Kindern wurde einer der Partner zwangssterilisiert. Wer sich dagegen wehrte, dem wurden Wasser und Strom abgestellt, Führerschein und Gewerbeerlaubnis entzogen. Einer chinesischen Journalistin führten die Behörden einmal stolz die Arbeit einer Eingreiftruppe der Familienplanung vor. Sie zeigten ihr, wie die Häuser von sechs Familien niedergerissen wurden, weil die Frauen eine Abtreibung verweigert hatten. Im Krankenhaus des Ortes, berichtete die Journalistin weiter, standen mülleimerweise abgetriebene, bis zu acht Monate alte Feten herum.

Eine Kontrollbeamtin aus einer Provinz nördlich von Beijing beschreibt, wie Kinder sogar bis zum neunten Monat abgetrieben bzw. ermordet wurden. Dass gar Arzte selbst Neugeborene umbrachten und sie dann als Totgeburten deklarierten, um die vorgegebenen Quoten nicht zu überschreiten.

Unter dem Druck der Ein-Kind-Kampagne verdreifachte sich binnen vier Jahren die Zahl der Abtreibungen. 1982 endete fast die Hälfte aller Schwangerschaften durch einen Eingriff der Planer. In manchen Städten wie Schanghai wurden weit mehr Feten abgetrieben als Kinder geboren. Auch die Tötung von Mädchen nahm ungeheure Ausmasse an. Für viele Bauern stellte sich nach Geburt einer Tochter die Frage, ob sie auf die staatliche Versorgung im Alter verzichten wollten oder das Mädchen umbringen sollten, um die Quoten für einen „zweiten Versuch“ zu retten.

Zwar sank Chinas Wachstumsrate nach Einführung der Ein-Kind-Politik noch einmal, aber bald zeigt sich, dass die Regierung übertrieben hatte. Auf dem Land, wo 80 Prozent aller Chinesen wohnen, liess sich die verschärfte Geburtenkontrolle nicht voll durchsetzen. Hier waren Kinder einfacher zu verstecken, als in der Stadt und Überwachungsbeamte leichter zu bestechen. Bis heute „fehlen“ in Chinas Statistiken vermutlich 50 Mio. nicht gemeldeter Kinder. Viele Bauern, die neuerdings durch die Privatisierung der Landwirtschaft unabhängig geworden waren, konnten es sich obendrein leisten, die hohen Bussen für illegale Nachkommen zu zahlen.

Auf den öffentlichen Druck hin wurden die Bestimmungen 1984 gelockert. Minderheiten und Bewohner besonders armer Regionen wurden von der Ein-Kind-Politik ausgenommen. Diese und viele andere Sonderregelungen erlaubten vielerorts 2 Kinder, wodurch die Wachstumsquote wieder anzog.



6. Beurteilung des Problems aus der Sicht des Auslands


Vom Ausland wird die quantitative Entwicklung der chinesischen Bevölkerung mit einer Mischung aus Erstaunen und Besorgnis verfolgt. Diese Einstellung lässt sich aus verschiedenen Gründen erklären:  zunächst aus einer weit verbreiteten Unwissenheit über die tatsächliche Grösse und jährliche Zuwachsquote, zweitens aus einer Ungewissheit, wie weit die Verantwortlichen in der chinesischen Politik in der Lage sind, Bevölkerungswachstum und ökonomische Zuwachsraten so aufeinander abzustimmen, dass langfristig nicht nur die materielle Subsistenz der chinesischen Bevölkerung, sondern auch die Möglichkeit einer zügigen Entfaltung der Produktivkräfte gewährleistet bleiben. Drittens spielen die Neugier auf die konkreten Massnahmen und Erfolge einer Politik des kontrollierten und geplanten Bevölkerungswachstums und letztlich die Frage, wie weit die chinesischen Erfahrungen in eine Politik umformuliert werden können, die für andere Länder der armen Welt Modellcharakter annehmen kann, eine Rolle.

Heute bewundern viele Bevölkerungswissenschaftler die chinesische Familienplanung, trotz bedrohlicher Aussichten. Immerhin wurde das galoppierende Wachstum gebremst.

Der Kieler Bevölkerungsexperte Hans Jürgens ist sogar der Meinung, dass die Bremsmassnahmen nur dank dem kommunistischen System gegriffen haben und dass eine Demokratisierung für China eine Katastrophe wäre, da die Geburtenrate wieder in die Höhe schnellen würde (aus: Reiner Klingholz, 1994: 144). Der chinesische Uniprofessor He Bochuan schätzt die ideale Bevölkerung für China auf Grund der natürlichen Ressourcen auf ca. 500 Mio. - gegenüber heute 1.2 Mia. Seiner Meinung nach darf die Bevölkerung die Grenze von 1.5 Mia. nicht übersteigen, wenn alle Chinesen ein anständiges Leben haben sollen. Doch laut heutigen Prognosen wird diese Grenze schon im Jahr 2025 überschritten werden.





7. Chinas Wirtschaft


In Wirtschaftskreisen wird China als grosser Zukunftsmarkt gesehen, das nach einem Bericht der Weltbank „China 2020“, der nach dem 15. Kommunistischen Parteitag veröffentlicht wurde, in drei bis vier Jahren sogar Japan als Wachstumszentrum ersetzten könnte. China hat beeindruckende Leistungen zu verzeichnen: zwischen 1978 und 1995 wuchs Chinas Bruttoinlandprodukt um jährlich 9.8% durchschnittlich und hob 200 Mio. Menschen aus der Armut, und China soll weiter wachsen. Bereits hat es Japan vom zweiten Rang der weltgrössten Volkswirtschaft verdrängt. Nur noch die USA produzieren mehr. Dieser enorme Aufschwung wurde durch eine getarnte „soziale Marktwirtschaft“ ermöglicht, die Deng Xiao-ping Ende der 70er Jahre einführte.

Besonders die Küstenregionen befinden sich in einem grossen Wachstum, je nach Region beträgt die Wachs­tumsrate seit einem Jahrzehnt durchschnittlich 15%. Und die optimistischen Wirtschaftsfachleute sehen im Konsumrausch der 1.2 Mia. Einwohner die einzige Chance das Land zu demokratisieren. Das ganze Land würde von der wachsenden Wirtschaft in den Küstenregionen profitieren, da Arbeitsplätze geschaffen würden. Die unendlich steigende Nachfrage würde die Wirtschaft in Schwung halten.

Ein jährliches Wachstum von 6.5% für das ganze Land für die nächsten 25 Jahre sei durchaus möglich, das würde die chinesische Wirtschaft in einem Viertel Jahrhundert um den Faktor sieben vergrössern. China würde in 25 Jahren dieselbe Entwicklung durchlaufen wie andere Industrieländer in 80 Jahren. Dies ist nur möglich, da China über alle nötigen Rohstoffe selber verfügt: Kohle, Erdöl, Erze.

Zudem verfügt China noch über einen entscheidenden Vorteil gegenüber andern Billiglohnländern: ein praktisch unbegrenztes Angebot an Arbeitskräften, das in einer Zeit, in der in anderen Billiglohnländern die Löhne langsam zu steigen beginnen. In Schanghai liegt der Durchschnittslohn 1997 bei 0.90 US-$/Stunde. China bekommt jedoch immer mehr Konkurrenz vom sich öffnenden Markt in Vietnam, der mit noch tieferen Löhnen lockt.

Dieses immense Wachstum wurde z.T. von den staatseigenen Betrieben provoziert, die bewusst Verluste einfuhren, um die Preise senken zu können. Zudem hat China einen hoch verschuldeten Finanzsektor, der die grösste Hürde für ein nie dagewesenes Wachstum darstellt. Der chinesische Staat gibt zu, dass die Banken praktisch pleite und ca. 20% aller Kredite faul sind.

Chinas wachsende Industrie ist aber auch eine der dreckigsten. Schon jetzt muss in China die Natur stark unter dem industriellen Boom leiden. Regelmässig verschwinden einige Gebiete unter einer Smogglocke, welche diese auf Satellitenbildern verschwinden lässt. Und bis im Jahr 2025 soll China mehr Kohlendioxid ausstossen als die USA, Kanada und Japan zusammen.



8. Zukunftsaussichten


Demographen gehen davon aus, dass Chinas Bevölkerungszahl bis Mitte des 21. Jahrhunderts auf jeden Fall die von He Bochuan befürchtete Schmerzgrenze von 1,5 Milliarden erreichen wird. Das würde bedeuten, dass bis 2050 eine zusätzliche Menschenzahl versorgt werden muss, die der heutigen Einwohnerschaft von Grossbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Österreich und Deutschland zusammen entspricht. Aber auch, dass die Bevölkerung aus Mangel an Nachwuchs allmählich überaltert und dann in China 300 Mio. betagte Menschen leben werden – und zwar ohne den Rückhalt traditioneller Familienstrukturen.

Angesichts der rasant wachsenden Wirtschaft, wird China in absehbarer Zeit mit gewaltigen Umweltproblemen zu kämpfen haben, sofern es nicht sehr bald strenge Umweltschutzgesetze einführt. Mit der fortschreitenden Industrialisierung und Restrukturierung, die schon vielen den Arbeitsplatz gekostet hat, ist den Städten, zusammen mit der Landflucht, ein neues, gewaltiges Problem entstanden, welches eine Massenarbeitslosigkeit und Wohnraumknappheit nach sich ziehen wird.

9. Quellenverzeichnis


Prof. Dr. Böhm Dieter, et.al.; 1994: Cornelsen – Aktuelle Landkarte, Nr. 10. Cornelsen Verlag. Berlin.


Dr. Botskor Iván; Okt. 1997: Asian Pazifik, Nr. 14. Dr. Iván Botskor GBR. Ulm.


Brunhilde Staiger; 1980: China. Horst Erdmann Verlag für internationalen Kulturaustausch. Tübingen, Basel.


Engler Siegfried P., et.al.; 1980: Klipp und klar, 100x China. Bibliographisches Institut Mannheim, Wien, Zürich.


Franke Wolfgang; 1978: China Handbuch. Westdeutscher Verlag GmbH. Opladen


Klingholz, Reiner; 1994: Wahnsinn Wachstum – Wieviele Menschen erträgt die Erde. Geo im Verlag Gruner und Jahr AG und Co. Hamburg.




Demographie: Wissenschaft der Bevölkerungsentwicklung

Neolithikum: Jungsteinzeit

der Gründung der Volksrepublik nachfolgende Revolution gegen den Kapitalismus

innerhalb der Gebärmutter (Med.)









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