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Balkankriegs

Die Balkankonflikte von 1908 - 1913 vor dem Hintergrund der rivalisierenden europäischen Mächte


Vorbemerkung

Das Gebiet, das die heutigen Länder Bulgarien, Makedonien, Griechen­land, Serbien, Bosnien und Albanien umfasst, nannte man im übrigen Europa noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts "Europäische Türkei". Erst im 19. Jahrhundert war der Begriff "Balkan" im Westen aufgetaucht. Die Geographen beseitigten damals die letzten weißen Flecken auf der Landkarte Europas und nannten den längs durch Bulgarien laufenden Bergriegel "Balkan" und danach die gesamte Landmasse zwischen Adria, Agäis und Schwarzem Meer die "Balkanhalbinsel".



Das Wort Balkan selbst stammt von den türkischen Eroberern des späten Mittelalters und bedeutet soviel wie "Gebirge" oder "Bergland". Damit haben sie dem Gebiet, das sie vom 14. bis zum 16. Jahrhundert eingenommen hatten, einen treffenden Namen gegeben. Es wird kreuz und quer von in sich ver­schachtelten Gebirgszügen und Tallandschaften durchzogen: unbewohnbar, unkultivierbar und ein Hindernis auf dem Weg von Osten nach Westen und umgekehrt

Diese Lage Südosteuropas und die daraus resultierende Abgeschlossen­heit hatte weitreichende Folgen für seine Geschichte. Eine erste wesentliche Konsequenz war, dass die Gebirge eine Entstehung mächtiger südosteuro­pä­ischer Staaten verhinderten. Die politische Macht musste aufgeteilt und zer­split­tert bleiben wie das Land selbst. Die Völker, die hier wohnten, waren im­mer durch die Geographie auf ihre in sich abgeschlossenen Siedlungsräume ver­wiesen. Den landschaftlichen Kontrasten entsprechen der Partikularismus, die Differenzierung und Zersplitterung seiner Bevölkerung in eine Vielzahl sich abgrenzender kultureller, religiöser und politischer Gruppen. Daraus ergab sich, dass Südosteuropa des öfteren zum Spielball der Großmächte wurde. Zu diesen gehörten das oströmische Reich (Byzantinische Reich), das Habsburger Reich, Venedig und das Osmanische Reich. Dies bedeutete, dass Südosteu­ropa oder zumindest der größte Teil davon, immer nur eine Nebenrolle spielte. Keine noch so gewaltige Großmacht schaffte es jedoch, die Gebirgsbereiche vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Verfolgte und bedrohte Menschen flüchteten sich immer wieder in die Gebirge. So konnten uralte Völker, wie zum Beispiel die Albaner, mit ihren Kultur- und Lebensformen bis heute überleben

Die Annexionskrise

Revolution der Jungtürken

Anfang Juli des Jahres 1908 ging von Makedonien eine Revolte türkischer nationalistisch gesinnter Offiziere aus, die in der Folge auf weitere Provinzen übergriff. Diese Offiziere, die sogenannten Jungtürken, hofften, durch die Schaffung eines Verfassungs- und Rechtsstaates nach dem Muster der west­europäischen Demokratien das Osmanische Reich vor dem Verfall zu retten . Sie forderten die Wiederherstellung der suspendierten Verfassung von 1876. Sultan Abd Al Hamid II. musste dem Druck nachgeben, die Konstitution wieder in Kraft setzen und Parlamentswahlen ankündigen. Aus den Wahlen gingen die Jungtürken als stärkste Partei hervor . Gegenüber den nationalen Minderheiten auf dem Balkan betrieben sie eine zunehmend repressive Politik, wodurch sich die innenpolitischen Spannungen und Konflikte weiter verschärften.

Folgen der Revolution

Unabhängigkeit Bulgariens

Bulgarien befürchtete, die neue türkische Regierung könne ihre Rechtstitel in den okkupierten Provinzen durchsetzen . Fürst Ferdinand erklärte deshalb sein Land, das bisher in einem Abhängigkeitsverhältnis zu der Türkei stand, am 5. Oktober zu einem selbstständigen Königreich. Dem neuen Staat gehörte auch Ostrumelien an, das bisher eine tributpflichtige türkische Provinz gewe­sen war. Man kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass hinter dieser Aktion keine Großmacht stand.

Die türkische Regierung protestierte heftig gegen die einseitige Verletzung des Berliner Vertrags von 1878, der dem Osmanischen Reich die Oberherr­schaft über Bulgarien gesichert hatte. Die Entrüstung der Türkei fand aber keine Anteilnahme, da nach internationaler Meinung die Unabhängigkeitserklä­rung Bulgariens dem nationalen Selbstbestimmungsrecht der Völker ent­sprach

Annexion Bosniens und Herzegowinas

Im Herbst 1906 wurde der rela­tiv moderate österreichische Au­ßenmini­ster Goluchowski durch den kompromissloseren und ag­gressive­ren Baron Aeh­rent­hal abgelöst. Aeh­renthal richtete seine Au­ßenpo­litik bereits von Be­ginn an auf eine Schwä­chung oder mög­liche Zerstö­rung Serbi­ens. Seiner Mei­nung nach hätte nur die An­nexion Bosniens und Herze­gowinas sowie die Auftei­lung Serbi­ens unter der Doppel­monar­chie und Bul­garien die südli­chen Gren­zen des habs­burgischen Reiches endgül­tig gesichert. Ein erster Schritt in diese Rich­tung war die Verkün­dung des österreichi­schen Planes, eine Bahn­linie durch den Sandzak Novi Pazar zu bauen.

Vom April des Jahres 1908 an startete der ehrgeizige russische Außenmi­nister Izvolskii zahlreiche Versuche, eine russisch - österreichische Einigung in verschiedenen Balkanproblemen zu erreichen. Der Eisenbahnbau, die bis jetzt noch nicht genau definierten Grenzen des Sandzak Novi Pazar und die Make­donische Frage sollten diskutiert werden. Insbesondere zeigte er sich bereit, einer österreichischen Annexion Bosniens und Herzegowinas zuzustimmen, wenn Wien im Gegenzug gewillt war, seine Okkupationstruppen aus dem Sandzak Novi Pazar abzuziehen und eine Öffnung der Dardanellen für russi­sche Kriegsschiffe zu unterstützen.

Dieser Vorschlag Izvolskiis bedeutete aber in Wirklichkeit eine Zustim­mung Russlands zu der weiteren Etablierung Österreichs auf dem Balkan. Er riskierte quasi den Verlust der russophilen Haltung der Belgrader Regierung oder die Vernichtung Serbiens durch die Doppelmonarchie. Zudem wäre eine freie Passage durch die Dardanellen für die schwache Schwarzmeerflotte Russlands zu diesem Zeitpunkt von geringem Wert gewesen. Das russischen Außenministerium kam in einer Untersuchung aus den Jahren 1904 bis 1905 zu der Ansicht, dass eine Beibehaltung der damaligen Situation günstig sei, weil dadurch Russland vor Angriffen stärkerer Seemächte sicher war. Einzig der Gewinn des Sandzaks Novi Pazar, der ein österreichischer Keil zwischen Serbien und Montenegro war, hätte einen Vorteil bedeutet.

Trotzdem stellte Izvolskii in einem an Wien gerichteten Aidemémoire klar , dass Russland unter Umständen bereit sei diesem Handel zuzustimmen. Die beiden Außenminister Aehrenthal und Izvolskii einigten sich schließlich am 15. September 1908 in Buchlau in Mähren. Dort wurde allerdings keine schriftliche Vereinbarung getroffen, eine Tatsache, die die späteren Unstimmigkeiten noch verschärfen sollte

Am 5. Oktober 1908 verkündete der österreichische Kaiser Franz Joseph I. dann, ohne andere Regierungen vorher zu informieren, die Annexion der Bal­kanländer Bosnien und Herzegowina mit den Worten: "Eingedenk der in alten Zeiten zwischen Unseren glorreichen Vorfahren auf dem ungarischen Thron und diesen Ländern bestandenen Bande, erstrecken Wir die Rechte Unserer Souve­ränität auf Bosnien und Hercegovina und wollen, dass auch für diese Länder die für Unser Haus geltende Erbfolgeordnung zur Anwendung gelange . Die Ge­biete wurden zwar schon seit dem Berliner Kongreß 1878 von Österreich - Un­garn verwaltet, waren aber staatsrechtlich immer noch Provinzen des Osmani­schen Reichs. Die Annexion löste daher eine internationale Krise aus

Für Russland erfüllten sich die mit der Einigung von Buchlau verbundenen Erwartungen nicht. Zar Nikolaus II. missfiel die Rolle, die sein Außenminister bei den Verhandlungen gespielt hatte. Izvolskii hatte seine Kompetenzen durch die Vereinbarung mit Wien überschritten, die den Eindruck erweckte, dass der Zar es ohne weiteres akzeptiere, Slawen unter österreichische Herrschaft fal­len zu lassen. Die internationale Situation stand ebenfalls ungünstig für Russ­land. Der einzige Alliierte, Frankreich, war nicht bereit, einer Veränderung an der momentanen Stellung der Dardanellen zuzustimmen. Großbritannien ver­weigerte gleichermaßen die Unterstützung der Pläne Izvolskiis. Somit konnte Russland sein Anliegen, die Öffnung der Dardanellen für seine Marine, wegen des internationalen Widerstandes nicht durchsetzen und protestierte nun ge­gen die bosnische Annexion. Einen Ausweg aus dieser isolierten Position Russlands sah Izvolskiis in einer internationalen Konferenz, die über die Lö­sung der Annexionskrise beraten sollte.

Die Schlüsselrolle in diesem Konflikt fiel nun dem Deutschen Reich zu, das von Österreich - Ungarn über die geplante Annexion nicht im Voraus informiert worden war. Wilhelm II. beklagte sich darüber, dass er als Alliierter nicht in die Pläne des österreichischen Kaisers Franz Joseph eingeweiht worden war . Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow ließ allerdings keinen Zweifel an Deutschlands Haltung und stellte sich, trotz heftiger Kritik aus eigenen Reihen, vorbehaltlos auf die Seite der Donaumonarchie. Am 29. März beschwor Bülow in einer Rede die "Nibelungentreue" gegenüber Österreich - Ungarn und er­klärte, das Deutsche Reich sei bereit, an der Seite des Verbündeten zu kämp­fen. Bülow wusste nämlich, dass Russland nicht imstande war, einen Krieg ge­gen die Mittelmächte zu führen und folglich keinerlei Gefahr für Deutschland bestand . Österreich - Ungarn befand sich nun in einer fast unangreifbaren Position: Es war sich der deutschen Hilfe sicher und konnte die Teilnahme an einer internationale Konferenz, in der die strittigen Fragen hätten diskutiert werden sollen, verweigern. Russland hingegen war angeschlagen und isoliert, da weder Großbritannien noch Frankreich bereit waren, seine Politik zu unter­stützen.

Die Annexion Bosniens und Herzegowinas, die ein gezielter Schlag gegen Serbien war, stieß dort auf einhellige Ablehnung: Serbien erkannte die Anne­xion nicht an, da es seine Ansprüche auf die annektierten Gebiete und dem­nach den Traum von einem Großserbischen Reich der Serben, Kroaten und Slowenen gefährdet sah. Aus diesem Grund wurde die gesamte serbische Ar­mee mobilisiert und die Regierung protestierte vehement gegen die Aktion der Donaumonarchie

Anfang des Jahres 1909 verdeutlichten sich nochmals die einzelnen Posi­tionen. Deutschland würde, falls nötig, Österreich - Ungarn militärisch unter­stützen. Frankreich und Großbritannien schreckten aber vor einem bewaffneten Eingreifen zugunsten Russlands zurück. Hinzu kam noch das Einlenken der Türkei, die anfänglich auf den endgültigen Verlust ihrer Provinzen mit Empö­rung reagiert hatte. Es kam zu einem wochenlangen Boykott von Waren aus Österreich - Ungarn und zur Forderung nach einer Entschädigungszahlung. Wien erzielte schließlich unter deutscher Vermittlung am 26. Februar mit der Pforte eine Einigung über Bosnien und die Herzegowina. Der Türkei bekam umfangreiche Entschädigungsleistungen: "den Sandzak von Novi Pazar und 54 Millionen Goldkronen

Für Russland und Serbien blieb deswegen kein anderer Ausweg, als die neue Lage zu akzeptieren. Izvolskii ließ am 27. Februar 1909 in Belgrad mittei­len, dass Serbien von jeglichem territorialen Anspruch an die annektierten Ge­biete Abstand nehmen solle und weitere Provokationen zu unterlassen habe. Aufgrund der nun fehlenden Rückendeckung durch St. Petersburg erklärte Serbien am 31. Februar: "[to] abandon the attitude of protest and opposition which she has maintained towards the annexation since the last autumn [and to] change the direction of her present policy towards Austria - Hungary in order to live henceforth on terms of good neighbourliness with the latter. Darüber hi­naus wurde sogar eine serbische Truppenreduzierung bekanntgegeben. Damit war die Krise ausgestanden. Die Mittelmächte hatten gewonnen

Mittelbare Folgen der Annexionskrise

Die bosnische Annexionskrise konnte noch auf diplomatische Weise bei­ge­legt werden, da die betroffenen Staaten, wie zum Beispiel Serbien, die Tür­kei oder Russland im Hintergrund, nicht für einen Kampf mit den Mittelmäch­ten gerüstet waren. Die Folgen sollten sich aber als unübersehbar erweisen:

In Belgrad steigerte man sich immer mehr in eine Todfeindschaft gegen Österreich - Ungarn hinein.

Der alte russisch - österreichische Antagonismus in Südosteuropa lebte durch die Annexionskrise und die außenpolitische Blamage Nikolaus' II. vor der Weltöffentlichkeit wieder auf.

Die Annexionskrise war mit eine Ursache für die beiden Balkankriege.

Die Mächtekonstellation des Ersten Weltkriegs formierte sich.

Das Attentat von Sarajevo, ausgeführt durch eine von der serbischen Regie­rung geduldete Geheimorganisation, wurde durch den österreichisch - serbi­schen Konflikt provoziert. Österreich - Ungarn sah sich daraufhin gezwun­gen zu handeln und löste durch sein Ultimatum den Ersten Weltkrieg aus.

Der 1. Balkankrieg

Vorgeschichte des 1. Balkankriegs

Seit der diplomatischen Niederlage in der Annexionskrise war es das Hauptziel der russischen Außenpolitik, auf dem Balkan das österreichische Expansionsstreben einzudämmen; zeitweise wurde dabei sogar eine Einbezie­hung der Türkei in eine Balkanallianz in Erwägung gezogen. Erst in zweiter Linie richtete sich Russlands Politik gegen den Nationalismus der Jungtürken. Deshalb hatte die russische Regierung wohl die Balkanstaaten zum Interes­senausgleich bewogen

Bereits von April 1909 an wurde des öfteren der bulgarischen Regierung von Serbien ein gemeinsames Bündnis vorgeschlagen. Anfang des Jahres 1912 überzeugten die russischen Minister in Serbien und Bulgarien, Hartwig und Nekhlyudov, die beiden Staaten von der Notwendigkeit einer gemeinsa­men Allianz. In einem Abkommen vom 13. März 1912 erklärten Serbien und Bulgarien, zur Verteidigung ihrer Unabhängigkeit und Integrität zusammenzu­arbeiten. Gleichzeitig wollten sie jeglichen Versuch einer Großmacht, in die Balkanterritorien des Osmanischen Reiches einzudringen, zusammen abweh­ren. Ein geheimes Beiblatt des Vertrages sah vor, dass im Falle eines gemein­samen Sieges der beiden Staaten über die Türkei Serbien ein Teil von Nord­makedonien zugeteilt werde und Bulgarien einen Großteil des Restes der Pro­vinz Makedonien erhalte. Der Besitz einer "zone contestée" (strittige Zone) sollte durch Nikolaus II. von Russland entschieden werden. Dies war allerdings nur ein Mittel, Serbien mehr Land zu geben als den Anteil, worauf es ein An­recht hatte und gleichzeitig Bulgariens Gesicht zu wahren. Es war für die betei­ligten Staaten bereits klar, dass der Schiedsspruch des Zaren zugunsten Ser­biens ausfallen würde. Makedonien war insofern von Bedeutung, als von dort die wichtige Verbindungsstraße am Vardar entlang kontrolliert werden konnte. Es ermöglichte auch über den Hafen von Saloniki Kontakt mit den Handelszen­tren der Agäis und des Mittelmeers.

Die Allianz war allerdings bereits von Beginn an geschwächt, da die Staa­ten unterschiedliche Absichten zu dem Bündnis bewogen: Für die Serben war der Vertrag ein Bollwerk gegen Österreich - Ungarn genauso wie gegen die Türken; obendrein hofften sie auf Gebietszuwachs sowohl in Makedonien als auch an der Adriaküste, wobei das Chaos, das in Albanien herrschte, ihnen große Chancen einzuräumen schien. Für die Bulgaren war der Vertrag jedoch einzig und allein gegen die Türken gerichtet. (Schon König Ferdinand hatte von einem triumphalen Einzug in Konstantinopel geträumt.) Außerdem wurde die gegenseitige Übereinkunft die Gebietsverteilung Makedoniens betreffend nur unter größten Schwierigkeiten erreicht. Für Russland, dessen Vertreter bei den Verhandlungen eine entscheidende Rolle gespielt hatten, war die wichtig­ste Funktion die Blockade jeglichen weiteren Einflusses von Österreich - Un­garn auf den Balkan. Deshalb war Russland gegen eine weitere territoriale Schwächung des Osmanischen Reiches.

Das Übereinkommen von Serbien und Bulgarien war der Grundstock einer Balkankoalition . "Schon am 29. Mai 1912 schloss sich ein bulgarisch - grie­chischer Vertrag an. Der Beitritt Montenegros im September/Oktober 1912 be­deutete nicht nur den Schlussstein am Gebäude des Balkanbundes, er kehrte auch die antitürkische Blickrichtung offen hervor." Aggressor war ausgerech­net der schwächste der Balkanstaaten: Montenegro. Die Unterstützung des Aufstandes in Nordalbanien hatte den montenegrischen König Nikola schon im Verlauf des Jahres 1912 in einen Konflikt mit der türkischen Macht gebracht. Am 6. Oktober brach er die diplomatischen Beziehungen ab und erklärte der Pforte zwei Tage später den Krieg . Ein Anlass für diesen Waffengang auf dem Balkan war leicht zu finden, da dieser dauernd durch Guerillakrieg, An­schläge und Überfälle heimgesucht wurde . So überreichte der monte­negrische Ge­schäftsführer Plamenac am Vormittag des 8. Oktober 1912 fol­gende Note an die Pforte:

Da die Türkei die Wünsche Montenegros nicht erfüllen und die strittigen Fragen nicht ordnen wollte, sieht sich Montenegro gezwungen, mit den Waffen Gerechtigkeit zu schaffen

Ein weiterer Kriegsgrund für Montenegro war der Versuch König Ni­kolas', das Prestige seiner Dynastie zu vergrößern und als natürlicher Führer der südslawischen Bevölkerung Serbien zu ersetzen. Er hoffte auch, durch ei­nen schnellen Sieg über die Türkei die Großmächte vor vollendete Tatsachen zu stellen und dadurch ihre schwachen Versuche, den Balkankrieg abzuwen­den, zunichte zu machen. Noch am selben Tag, als die Kämpfe begannen, warnten Russland und Österreich gemeinsam die Balkanstaaten vor einer Verletzung des status quo. Die erste Folge dieser Erklärung war für Montene­gro die Be­endigung der finanziellen und militärischen Hilfe, die es seit einigen Jahren von Russland bekommen hatte. Innerhalb weniger Tage (18. Oktober 1912) zogen, entgegen der Anweisung der Großmächte, die verbündeten Ser­ben, Bulgaren und Griechen nach. In Serbien und Bulgarien war das öffentliche Verlangen nach einem Krieg gegen die Türken so stark, dass ein Kriegseintritt nur unter der Gefahr einer Revolution zu verhindern war

Kriegsverlauf im 1. Balkankrieg

Die Hauptkriegsschauplätze befanden sich im Oktober 1912 in Albanien, im Kosovo, in Makedonien und Thrakien. Die angegriffenen türkischen Armeen, auf deren Seite noch die Arnauten sowie christliche Albanerstämme kämpften, waren zahlenmäßig stark unterlegen. "The Balkan forces numbered about 700 000, against 320 000 for their adversary" . Bei Kumanovo errangen die Serben unter Kronprinz Alexander einen schwer erkämpften Sieg und besetzen da­r­aufhin Üsküb, das wieder in Skopje umbenannt wurde. Die türkische Herr­schaft im Westbalkan war damit beendet. Die üblichen Greueltaten an der Zi­vilbevöl­kerung durch ein geschlagenes Heer auf dem Rückzug schoben sich die Tür­ken und Arnauten gegenseitig zu. In Thrakien und Makedonien rächte sich die einheimische orthodoxe Bevölkerung an den Türken. In Panik zogen sich dar­aufhin zehntausende Muslime in Richtung Istanbul zurück und kamen dabei dem bulgarischen Vormarsch in die Quere. Die Griechen stießen vom Süden her über die Pässe von Sarantaporos vor und sicherten sich Saloniki . Anfang November war der Zusammenbruch der Türkei unabwendbar gewor­den. Das durch den italienisch - türkischen Krieg sowie die innenpolitischen Krisen ge­schwächte Osmanische Reich erkannte, dass es seine Machstellung kaum halten konnte und bemühte sich deshalb schon im November um Waf­fenstill­stands- und Friedensverhandlungen. Sie begannen am 3. Dezember 1912, wurden aber im Januar 1913 ergebnislos abgebrochen, was die Fortset­zung des Krieges am 30. Januar 1913 zur Folge hatte . In Thrakien, auf dem West­balkan und bei Saloniki hatten die Türken unter dem Verlust von zehntau­sen­den Toten und Gefangenen ihr Territorium bis auf die Festungen Janina im Epirus, Skutari an der albanischen Küste, Adrianopel und die Dardanellenforts verloren . Das bulgarische Heer wurde an der Çatalça - Linie, 35 Kilometer vor Istanbul, erfolgreich aufgehalten. Bis April 1913 fielen nichtsdestoweniger Adrianopel, Janina und Skutari. Das Kriegsziel war dadurch erreicht, die Tür­ken wurden erfolgreich aus Europa verdrängt . Die Pforte konnte schließlich am 19. April 1913 ein Waffenstillstandsabkommen mit der Balkanallianz erwir­ken. Eine weitere Konferenz fand am 20. Mai in London statt, in der die euro­päischen Großmächte als Vermittler auftraten. Der Friede von London wurde am 30. Mai unterzeichnet und beschränkte die europäischen Besitzungen der Türkei auf einen kleinen Landstreifen vor Konstantinopel

Die Folgen des 1. Balkankriegs

Vor den Augen der überraschten Europäer hatte die Großmacht Türkei in kürzester Zeit den europäischen Teil ihrer Besitzungen fast vollständig verlo­ren. Dies bedeutete auch den Zusammenbruch der Militärmacht Türkei, die bis dahin von allen Fachleuten in ihren strategischen Überlegungen als wichtiger Faktor mit einbezogen worden war. Das durch den Wegfall der Türkei entstan­dene Machtvakuum in Südosteuropa hatte Auswirkungen auf alle Groß­mächte . Deren Ziel war nun, das politische Gleichgewicht wiederherzustellen und den europäischen Frieden durch die Beilegung von Konflikten zu sichern. Konflikte entstanden vor allem durch die Rivalitäten um den größeren Einfluss in Südeuropa zwischen den beiden Hauptgegnern Russland und Österreich - Ungarn

Positionen Österreich - Ungarns, Italiens und Deutschlands

Wien befürchtete in erster Linie; dass mit der Vergrößerung Serbiens Russland auf dem Balkan eine stärkere Position einnehmen könnte. Die Lö­sung, die deshalb das Habsburger Reich bevorzugt hätte, war die komplette Rückkehr zu den Vorkriegsverhältnissen. Da dies nicht erreichbar war, wollte Wien unter allen Umständen verhindern, dass Serbien einen Korridor zum Mittelmeer und infolgedessen einen Hafen an der Adriaküste bekommt. Dabei war es Österreich - Ungarn gleichgültig, welche Gebietsforderungen Serbien dann als territorialen Ausgleich für den nicht erhaltenen Adriahafen in Make­donien gewinnen sollte. Falls Serbien diesen Hafen bekommen hätte, wäre es noch unabhängiger von Österreich - Ungarn gewesen. Der Hafen hätte sogar von Russland als Basis benutzt werden können, um die Adria für österreichi­sche Schiffe unbefahrbar zu machen. Auf der Suche nach Möglichkeiten, um Serbien von der Adria abzuschotten, schien es am effektivsten und sichersten, einen möglichst großen, unabhängigen albanischen Staat zu schaffen

Italien war der Krieg willkommen, da die Türkei nun gezwungen war, Li­byen aufzugeben. Des weiteren stimmte Rom mit Österreich - Ungarn überein, dass Serbien keinen Adriakorridor erhalten solle. Rom spekulierte dort nämlich auf Albanien als zusätzliches Kolonialgebiet

Deutschlands Südosteuropapolitik sah während des Balkankriegs kein ak­tives Eingreifen in die Kämpfe vor, ansonsten strebte man die Beibehaltung des damaligen Zustandes an: Schon allein wegen der wirtschaftlichen Interes­sen des Reichs sollte Österreich - Ungarns Vormachtstellung auf dem Balkan sowie der Bestand der asiatischen Türkei nicht gefährdet werden

Positionen Russlands, Frankreichs und Englands

Die großen Verluste, die die Türkei hinnehmen musste, waren in St. Pe­tersburg genauso unerwünscht wie in Österreich. Alarmiert durch das schnelle Vorstoßen der Bulgaren, erwog man teilweise sogar den Einsatz eines russi­schen Schwarzmeer - Geschwaders auf türkischer Seite, um eine bulgarische Eroberung Konstantinopels und ein Überschreiten der Çatalça - Linie zu ver­hindern. Der Zar zeigte sich auch nicht bereit, den Bitten Ferdinands von Bul­garien nachzugeben, ihm einen Durchlass zum Marmarameer oder die Inbe­sitznahme der Inseln Samothraki und Thasos zu gewähren.

Großbritanniens Ziel war, zum einen die Schaffung eines unabhängigen albanischen Staates durchzusetzen zum anderen auf jeden Fall eine Störung der Handelsschifffahrt an den Dardanellen zu vermeiden.

Frankreichs Präsident Poincaré stellte in seinem Brief vom 16. November an Izvolskii klar, dass er die Initiative auf dem Balkan Russland überlasse.

Friedensschluss

Die Gesandten der Großmächte und der Balkanstaaten trafen sich vom 20. bis zum 30. Mai in London, um über einen Waffenstillstand und einen gemein­samen Friedensvertrag zu verhandeln. Die Großmächte hofften, durch ihre Beteiligung an den Verhandlungen, die Lage wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie einigten sich jedoch nur darauf, dass die Dardanellen und Kon­stantinopel weiterhin türkisch bleiben müssten . Des weiteren vereinbarten die Großmächte, dass ein unabhängiger albanischer Staat mit der Hauptstadt Dur­rës (Durazzo) geschaffen werden solle. Allerdings war man sich über dessen Grenzen völlig im Unklaren. Montenegro forderte Skodra (Shkodër, Skutari), Griechenland beanspruchte den ganzen Südteil mit Korça und die Serben wollten den gesamten Kosovo mit Durrës als Hafen. Schließlich setzte sich im Friedensvertrag 1913 nur Serbien, mit Russland im Hintergrund, durch: Es be­kam den gesamten Kosovo zugesprochen, der allerdings überwiegend alba­nisch besiedelt war. Durch diesen rein diplomatischen Entschluss wurde eine gefährliche Brandregion auf dem Balkan geschaffen. Für den jungen Staat Al­banien bedeutete dies zudem eine starke wirtschaftliche Einschränkung. Der Kosovo - Konflikt wurde dadurch 1913 für die Zukunft vorprogrammiert. Grie­chenland wurde mit der Çameria, einem zum Teil albanisch besiedelten Kü­stenstreifen im Nordepirus, kompensiert. Montenegro erhielt Pec (Ipek), einen alten serbischen Patriarchensitz. Durch den bewusst hervorgerufenen Streit um Pec wurde die Eintracht der ansonsten sehr gut zusammenarbeitenden Kö­nigshäuser in Cetinje und Belgrad empfindlich gestört. Bei der Gebietszuwei­sung versuchten die Großmächte Reibungsflächen zwischen den kleinen Völ­kern zu schaffen und sie gegeneinander auszuspielen, um die eigene Vor­machtstellung zu erhalten, getreu dem Leitsatz "divide et impera". 1913 wurde also nur ein unvollständiges Albanien geboren, da gut ein Drittel der Albaner außerhalb der festgesetzten Staatsgrenzen blieb. Die Unabhängigkeit Alba­niens sollte durch die Großmächte garantiert werden und als oberste Instanz wurde der deutsche Prinz Wilhelm zu Wied gewählt. Dieser sah sich allerdings mit solch chaotischen Zuständen konfrontiert, dass er bereits nach sechs Mo­naten wieder abreiste

Der 2. Balkankrieg

Vorgeschichte des 2. Balkankriegs

Bereits lange vor dem Waffenstillstand vom 30. Mai in London gab es An­zeichen für einen neuen Zwist auf dem Balkan. Von Beginn des ersten Balkan­krieges an versuchte Rumänien, das bis jetzt keine Rolle gespielt hatte, eben­falls von der Niederlage der Türken zu profitieren. Es forderte von Bulgarien als Entschädigung für dessen Eroberungen eine Veränderung der südliche Grenze und insbesondere die Abtretung der Festung Silistra, deren Bevölke­rung rein bulgarisch war. Im Januar 1913 spielte die rumänische Regierung sogar mit dem Gedanken, die geforderten Gebiete ohne Kriegserklärung mit Gewalt in Besitz zu nehmen. Anfang Mai war die bulgarische Regierung dann auch bereit, Silistra mit einem kleinen Gebietsstreifen abzugeben, aber Rumä­nien wies dieses Angebot als zu geringfügig zurück.

Noch bedrohlicher erschien der scheinbar kurz bevorstehende Zusam­menbruch der antitürkische Koalition. Die serbische Regierung fürchtete, dass Bulgarien den Vertrag vom März 1912, den Grundstein der Balkanallianz, nicht anerkennen könne und selbst einen Großteil Makedoniens okkupiere. Ein strit­tiger Punkt war ferner der Besitz Salonikis. Schon im März und dann wieder im Mai brachen teilweise kurze Feuergefechte zwischen griechischen und bulgari­schen Soldaten im Strumatal aus.

Zu dieser Situation kam außerdem noch die Tendenz Serbiens und Grie­chenlands, sich gegen Bulgarien zu verbünden. Im Januar 1913 trafen sich Kronprinz Alexander von Serbien und Prinz Nikolas von Griechenland in Sa­loniki und verhandelten über eine Allianz, um auf einen möglichen Angriff Bul­gariens vorbereitet zu sein. Am 1. Juni wurde dieser serbisch - griechische Vertrag unterzeichnet. Darin wurden die Grenzen festgelegt, die Serbien und Griechenland im Falle eines Sieges über Bulgarien fordern würden. Beide Staaten begannen umgehend, die Türkei für ihre Pläne zu gewinnen.

Bulgarien befand sich nun in einer sehr schwierigen Lage. Zum einen war es außenpolitisch isoliert und durch die Feindschaft der Nachbarländer be­droht. Gleichzeitig forderten aktive makedonische Emigranten in Bulgarien, den serbischen und griechischen Gebietsforderungen bezüglich Makedoniens nicht nachzugeben . Da eine diplomatische Aufteilung des Gebiets aufgrund der "Unersättlichkeit der balkanischen Vertreter" fast unmöglich schien, entschloss sich das bulgarische Hauptquartier, nun in einer militärischen Blitzaktion ein fait accompli zu schaffen. Geplant war die rasche Inbesitznahme Makedoniens mittels eines gleichzeitigen Aufmarsches gegen die Ser­ben und Grie­chen. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni begann der so­genannte 2. Balkan­krieg durch einen Über­ra­schungsangriff gegen die Ser­ben

Kriegsverlauf im 2. Bal­kankrieg

Eine Reihe von Schlachten in der ersten Juliwoche um Bregal­nitsa endete siegreich für die serbische Ar­mee; währenddessen unter­nahmen die Grie­chen von Süden her Ent­lastungs­an­griffe und überrannten Thrakien bis zum Fluß Maritza. Der bul­garische Vor­stoß war geschei­tert. Dazu kam noch, dass die ru­mänische Armee die Gunst der Stunde nutzte, am 13. Juli die Do­nau über­schritt und na­hezu ohne Wi­derstand bis fast nach Sofia vor­stoßen konnte. Die Türkei startete eine Offen­sive von der Çatalça - Linie und erober­ten am 20. Juli Adri­anopel zurück. Am 7. Juli bat Bul­garien Russland, als Vermittler aufzutre­ten, und am 14 Juli akzeptierte es die vom Zaren vorge­schlagene Grenzzie­hung in Makedonien, die vorsah, einen Groß­teil dieser Provinz Serbien zu überlassen. Durch den Vertrag von Buka­rest am 10. Au­gust 1913 wurde der 2. Balkankrieg nach einer Dauer von ge­rade einem Monat beendet

Gebietsverteilung nach dem 2. Balkankrieg


Gebietsstand und Bevölkerung im Herbst 1912


Gebietsstand und Bevölkerung im Herbst 1913




Zuwachs







Serbien

48 300 km²


87 400 km²




3,0 Millionen


4,5 Millionen









Montenegro etwa

9 000km²


14 250 km²



etwa

0,275 Millionen


0,5 Millionen









Bulgarien

99 000 km²


112 000 km²




4,3 Millionen


4,5 Millionen









Rumänien

131 000 km²


139 000 km²




7,2 Millionen


7,5 Millionen



Tabelle [21] Handbuch der europäischen Geschichte, S.582;

Das Abkommen von Bukarest sah Gebietsabtretungen Bulgariens an alle Gegner vor. Von den Eroberungen im 1. Balkankrieg behielt es nur einen klei­nen etwa 13 km breiten Küstenstreifen Thrakiens und die Region Strumica. Serbien erhielt Binnenmakedonien mit Skopje, den Kosovo und den Sandzak Novi Pazar. Es konnte sein Staatsgebiet dadurch etwa verdoppeln. Griechen­land besetzte Küstenmakedonien mit Thessaloniki und Kavalla. Wenn man dazu noch das eroberte Epirus nimmt, hatte Griechenland ebenfalls einen ge­waltigen Gebietszuwachs zu verzeichnen. Rumänien begnügte sich mit dem Südteil der Dobrudscha, wodurch auch Silistra rumänisch wurde. Sogar das Osmanische Reich, das kurz vorher noch bekämpft worden war, erhielt wieder Adrianopel und Ostthrakien zurück

Die Folgen des 2. Balkankriegs

Vor allem für das Habsburger Reich war das Abkommen von Bukarest ein schwerer Schlag, der das europäische Kräftegleichgewicht empfindlich störte. Im Frühling des Jahres 1913 favorisierte die Haltung der österreichischen Re­gierung Bulgarien stark. General Stabschef Conrad von Hötzendorff war sogar bereit, eine militärische Allianz mit Bulgarien einzugehen. Am 24. Juni 1913, als der Krieg bereits drohend bevorstand, teilte die bulgarische Regierung dem Habsburger Außenminister in Sofia mit, dass in Anbetracht der offenen Feind­seligkeit Serbiens, eine weitere materielle und moralische Unterstützung Serbi­ens auf Kosten Bulgariens völlig gegen Österreichs Interessen verstieße . Dennoch erfuhr Serbien einen weiteren Machtzuwachs während Wien, dessen Politik durchweg probulgarisch war, nichts Effektives unternahm, um dies zu verhindern. Die Verantwortlichen in Wien waren sich keineswegs darüber einig, welche Balkanpolitik von Österreich verfolgt werden solle. Weiter spielte eine Rolle, dass Rumänien, zumindest auf dem Papier, seit 1883 ein Alliierter Öster­reich - Ungarns war. Es erwies sich folglich als sehr schwierig, Bulgarien gegen Serbien zu unterstützen, ohne Bulgarien gleichzeitig gegen Rumänien zu stär­ken. Entscheidend war, dass keiner der beiden möglichen Verbündeten Öster­reich - Ungarns, Deutschland und Italien, bereit war, auf dem Balkan einzugrei­fen. Bethmann Hollweg, der deutsche Kanzler seit Bülows Entlassung im Juli 1909, zeigte weniger Verständnis für Österreichs nationale Probleme als seine Vorgänger. Ein Wiedererstarken der Türkei durch die Rückeroberung Adria­nopels war in Deutschland ebenfalls willkommen. Zudem war Wilhelm II. ein Stiefbruder des griechischen Königs und verfolgte deshalb eine wohlwol­lende Außenpolitik gegenüber Griechenland in den Jahren 1912 bis 1913. Eine Aus­nahme gab es allerdings in der Streitfrage über die Agäischen Inseln, in der sich griechische und türkische Interessen direkt gegenüberstanden. Deutsch­land bevorzugte dabei eine starke Position der Türkei, weil dadurch die Kon­trolle über die Dardanellen gesichert war. Italien sah keinen casus foederis ge­geben, da Österreich nicht angegriffen worden sei und darüber hinaus ein Krieg gegen Serbien ein aggressiver, kein defensiver, sei. Der Versuch des Habsburger Reiches, Deutschland und Italien für eine Tripelallianz gegen Ser­bien zu gewinnen, wurde folglich von beiden abgelehnt.

Österreich musste deshalb dem Aufblühen Serbiens durch den Bukarester Vertrag widerwillig zustimmen. Doch wurde von den Herrschern noch nicht die Idee aufgegeben, die Stellung, die Serbien so plötzlich erreicht hatte, zu schwächen. Im Oktober 1913 zwangen sie die Serben durch ein Ultimatum, ihre Truppen aus dem albanischen Territorium zurückzuziehen, das sie wegen der chaotischen Zustände in dem Land besetzt hatten. Wien ermutigte Bulga­rien und die Türkei zu einer gemeinsamen Allianz gegen Serbien. Es versuchte auch, unter Einbeziehung Italiens, die angestrebte Union zwischen Montenegro und Serbien zu verhindern. Dies alles konnte allerdings die Entwicklung nicht mehr rückgängig machen. Serbien war nun, zum ersten Mal in seiner Ge­schichte, in einer Stellung, in der es sich dem Druck von Österreich - Ungarn oder Russland erfolgreich widersetzen konnte

Der Vertrag von Bukarest ließ ein große Anzahl gefährlicher Probleme un­gelöst. Die Grenzziehung verursachte ein System gegenseitiger Feindschaften, das von den Großmächten beliebig in Schach gehalten oder zum kriegerischen Ausbruch hin verändert werden konnte. Das "orientalische Geschwür" wurde also offen gehalten. Insbesondere löste der Vertrag nicht den Streit um die Agäischen Inseln zwischen der Türkei und Griechenland

Die Regierung in Sofia, durch die erlittene Niederlage verbittert, erkannte, dass einzig Österreich - Ungarn versucht hatte, Bulgariens Interessen zu schützen. Deshalb tendierte Sofia dazu, eine engere Beziehung zur Doppel­monarchie und gleichzeitig mit Österreichs Alliiertem, Deutschland, aufzu­bauen. Ein riesiger Kredit Deutschlands deckte zudem die gesamten bulgari­schen Kriegsschulden. Die Regierung in Sofia unter Radoslavov begann da­raufhin, eine nicht ausgeschlossene Allianz mit den Mittelmächten auszuloten.

Trotz Deutschlands hoher Investitionen in Rumänien wendete Bukarest sich allmählich von den Mittelmächten ab, zum einen weil eine große Anzahl von Rumänen in Transsylvanien von Ungarn unterdrückt wurden, zum anderen weil Österreich im 2. Balkankrieg Bulgarien diplomatisch unterstützt hatte. Her­zog Czernin, der neu ernannte österreichische Botschafter in Bukarest, berich­tete im Dezember 1913, dass die Allianz zwischen Österreich und Rumänien, die aus dem Jahre 1883 datierte, "nicht einmal das Papier und die Tinte, auf dem sie vereinbart wurde, wert sei". Rumänien wechselte ins französisch - russische Lager über

Deutlich zeichnete sich nun bereits die kommende Mächtekonstellation der Mittelmächte und der Tripelentente ab. Die diplomatisch bis jetzt unter Kon­trolle gehaltenen Interessengegensätze der Machtblöcke summierten sich auf der Balkanhalbinsel zu einem Konfliktherd mit großem Potenzial. Eine Folge der Balkankriege war der Beginn der Aufrüstung in ganz Europa

Zusammenfassung

Mit dem territorialen Zerfall des Osmanischen Reiches vergrößerte sich der innerbalkanische Nationalitätenkampf immer weiter. Eine Verschwörung türkischer Offiziere im Juli 1908 zwang den regierenden Sultan Abd ul Hamid zur verfassungsmäßigen Regierungsweise zurückzukehren. Allerdings konnte auch ihr Reformprogramm zur Erhaltung des Osmanischen Reiches ein Erwa­chen der Nationalitäten nicht verhindern, sondern beschleunigte sogar dessen Zerfall.

Aus Furcht, die neue türkische Regierung könne ihre Rechtstitel in den ok­kupierten Gebieten durchsetzen, erklärte Ferdinand von Bulgarien am 5. Okto­ber 1908 sein Land für unabhängig. Am selben Tag annektierte Österreich - Ungarn Bosnien und die Herzegowina, die es seit 1878 besetzt hielt. Die da­rauf folgende bosnische Annexionskrise konnte diplomatisch gelöst werden, da keiner der betroffenen Staaten zum Kampf bereit war. Daraus ergab sich je­doch ein Aufleben des österreichisch - russischen Antagonismus und der Feindschaft Serbiens zur Doppelmonarchie.

Die Niederlage in der Annexionskrise bewog Russland, Verhandlungen zwischen den Balkanstaaten zu fördern, um Österreichs Einfluss auf den Bal­kan einzudämmen und das Osmanische Reich von seinen europäischen Besit­zungen zu vertreiben. Durch die Vermittlung Russlands gründeten Serbien, Bulgarien, Griechenland und Montenegro 1912 den Balkanbund, der sich klar gegen die Türkei richtete. Nach der Kriegserklärung des Balkanbundes an die Pforte waren der Krieg schnell entschieden, da die Verteidigung der türkischen Armee unter dem Angriff der Allianz nach kurzer Zeit zusammenbrach. Der Friede von London, der unter dem Druck der Großmächte zustande kam, schränkte die europäischen Besitzungen der Türkei auf einen kleinen Ge­bietsstreifen vor Konstantinopel ein.

Über die Aufteilung der Beute brachen jedoch die alten Interessengegen­sätze wieder auf. Man konnte sich nicht auf eine diplomatische Aufteilung Ma­kedoniens einigen. Bulgarien versuchte deshalb, in einer Blitzaktion Makedo­nien zu erobern. Serbien, Griechenland, Montenegro, Rumänien und die Türkei beantworteten diesen Schlag Bulgariens. Im 2. Balkankrieg vom 29. Juni bis 10. August 1913 verlor Bulgarien fast alle Eroberungen aus dem 1. Balkankrieg und musste noch die Süddobrudscha an Rumänien abgeben. Serbien und Griechenland teilten sich Makedonien auf und die Türkei bekam wieder Adria­nopel und Ostthrakien zurück. Trotz der territorialen Neugestaltung blieb Süd­osteuropa weiterhin ein Unruheherd. Die Gegensätze der europäischen Machtblöcke, die von den Auseinandersetzungen auf dem Balkan indirekt be­troffen waren, verhärteten sich während der beiden Balkankriege, was mit zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs beitrug.

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Ich erkläre hiermit, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe ange­fertigt und nur die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benützt habe.







vgl. [14] Der ruhelose Balkan, S.7;

vgl. [14] Der ruhelose Balkan, S.7;

vgl. [9] Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, S.19/20;

vgl. [3] Historisches Lexikon, S.326;

vgl. [16] Chronik des 20. Jahrhunderts;

vgl. [10] Grundkurs Geschichte Band 2, S.75;

vgl. [16] Chronik des 20. Jahrhunderts;

Sandzak (türk. Fahne, Gebiet) war im Osmanischen Reich die größte territoriale administrative und militärische Einheit. Im engeren Sinn ein etwa 7100 qkm großes Gebiet, östlich der Herzegovina wie ein Keil zwischen Serbien und Montenegro. [14] Der ruhelose Balkan, S.205;

vgl. [4] The eastern question 1774 - 1923, S.279-281;

vgl. [18] Der Balkan - Das Pulverfaß Europas, S.303/304;

vgl. [16] Chronik des 20. Jahrhunderts;

vgl. [4] The eastern question 1774 - 1923, S.282/283;

vgl. [16] Chronik des 20. Jahrhunderts;

"An Austrio-Serbian conflict provoked by Serbian demands for "compensation" would have been welcomed by the Austrian Chief of Staff, Conrad von Hötzendorff, and probably by Aehrenthal himself, as an opportunity to destroy Serbia for good". [4] The eastern question 1774 - 1923, S.283;

Hohe Pforte: Osmanisches Außenministerium im Serail (Sultansresidenz) zu Istanbul/Konstantinopel. Im übertragenen Sinne als Synonym für die gesamte osmanische Regierung verwendet. [14] Der ruhelose Balkan, S.315;

[15] Balkan-Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.313;

[4] The eastern question 1774 - 1923, S.285;

vgl. [4] The eastern question 1774 - 1923, S.283-285;

vgl. [6] Geschichte der Balkanländer von der Frühzeit bis zur Gegenwart, S.182/183;

[15] Balkan-Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.315;

vgl. [4] The eastern question 1774-1923, S.291;

[6] Geschichte der Balkanländer von der Frühzeit bis zur Gegenwart, S.183;

vgl. [6] Geschichte der Balkanländer von der Frühzeit bis zur Gegenwart, S.183;

vgl. [15] Balkan-Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.315;

[8] Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1911-1912, Band 1 S.24;

vgl. [4] The eastern question 1774-1923, S.293;

Arnauten: türkische Sonderbezeichnung für muslimische Albaner, [14] Der ruhelose Balkan, S.313;

[19] History of the Balkans, S.97;

vgl. [15] Balkan-Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.316;

vgl. [16] Chronik des 20. Jahrhunderts;

vgl. [13] Vor dem Kriegsausbruch 1914, S.28;

vgl. [15] Balkan-Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.316;

vgl. [11] Microsoft ® Encarta;

vgl. [13] Vor dem Kriegsausbruch 1914, S.13;

vgl. [5] Von den Balkankriegen zum ersten Weltkrieg, S.41;

The Habsburg government had already been trying for some years to stimulate national feeling in Albania, notably by subsiding schools and a newspaper there. That the greatest multi-national state in modern history should be driven to act in this way is an illuminating paradox. ( [4] The eastern question 1774-1923, S.294 )

vgl. [4] The eastern question 1774-1923, S.293/294;

vgl. [5] Von den Balkankriegen zum ersten Weltkrieg, S.41;

vgl. [4] The eastern question 1774-1923, S.294/295;

[15] Balkan-Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.323;

vgl. [4] The eastern question 1774-1923, S.297/298;

[15] Balkan-Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.317;

vgl. [6] Geschichte der Balkanländer von der Frühzeit bis zur Gegenwart, S.183;

vgl. [4] The eastern question 1774-1923, S.299;

vgl. [15] Balkan Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.326/327;

[20] The diplomacy of the Balkan Wars, S.372;

vgl. [4] The eastern question 1774-1923, S.299-302;

vgl. [15] Balkan Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.327;

vgl. [4] The eastern question 1774-1923, S.302;

vgl. [15] Balkan Chronik: 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident, S.327/328;






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